Bewegte Antike DRAMA Beitdige zum antiken Drama und seiner Rezeption Herausgegeben von F. De Martino - 1. A. Lopez Ferez - G. Mastromarco - B. Seidensticker N. W. Slater - A. H. Sommerstein - R. Stillers - P. Thiercy - B. Zimmermann Beiheft 17 Ulrich Eigler (Hrsg.) Bewegte Antike Antike Themen im modernen Film Verlag 1. B. Metzler Stuttgart· Weimar Die Deutsche Bibliothek -CIP-Einheitsaufnahme Eigler, Ulrich: Bewegte Antike: Antike Themen im modernen Film / Ulrich Eigler (Hrsg.) -Stuttgart; Weimar: Metzler, 2002 (Drama : Beiheft ; 17) (M-&-P-Schriftenreihe fUr Wissenschaft und Forschung) ISBN 978-3-476-45287-0 ISBN 978-3-476-02842-6 (eBook) DOI 10.1007/978-3-476-02842-6 Dieses Werk einschlieBIich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschiitzt. Jede Verwertung auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Vedages unzuHissig und strafbar. Das gilt insbesondere fUr Vervielfliltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. M & P Schriftenreihe fUr Wissenschaft und Forschung © 2002 Springer-Verlag GmbH Deutschland Ursprunglich erschienen bei J.B.Metzlersche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag GmbH in Stuttgart 2002 www.metzlerverlag.de [email protected] Inhaltsverzeichnis U. Eigler Einfiihrung 2 A. Wieber Auf Sandalen durch die Jahrtausende - eine Einflihrung in den Themenkreis "Antike und Film" 4 M. Briitsch - T. Fuhrer Anniiherung an eine fremde Welt: Fe!bill~Sag'TIconim Spannungsfeld von klassischem Antikenfilm und literarischer Vorlage 41 B. Zimmermann Fremde Antike? -P.P. Pasolinis Medea 55 A. Forst Leidende Racherin: Lars von Triers Medea 67 P. Riemer Der sophokleische Odipus im Spiegel von Pasolinis Edlj70 re 80 H. Flashar Ausblick 88 2 Einleitung Ulrich Eigler (Trier) In dem Sketch "Der Kaiser Nero" stellt Gerhard Polt seinen Sohn zur Rede, daB er den Kaiser Nero nicht kennen wiirde, wo doch jeder Mensch wisse, daB das Peter Ustinov sei. Polt nimmt damit Bezug auf den Darsteller des Kaisers in dem Film guo radis und verdeutlicht zugleich die suggestive Wirkung des Mediums Film bei der Generierung von Erinnerung an die Antike. Dem Problem der gesellschaftlichen Prasenz von Antike durch den modernen Film nahert sich auch der vorliegende Band, der die im Rahmen des von der Universitat Trier organisierten wissenschaftlichen Begleitprograrnms zu den Trierer Antikenfestspielen enthalt. Fur dieses konnten sowohl Vertreterinnen und Vertreter der fachwissenschaftlichen Beschaftigung mit der Antike als auch Filmwissenschaftler gewonnen werden. Die Vortrage wurden in der Zeit yom 30. Juni bis 2. Juli 2000 gehalten und schlossen sich der Vorftihrung des jeweiligen Filmes an. Eine Offentliche SchluBdiskussion wurde von Helmut Flashar moderiert. Der von Anja Wieber ubernommene Einfiihrungsvortrag bietet einen Uberblick tiber die Verarbeitung antiker Stoffe im Film von den Anfaugen bis zum Gladia/or im Jahre 2000. Es werden neben einem instruktiven historischen Uberblick filmtheoretische Fragen erortert, Frau Wieber gibt aber auch Hinweise auf die aktuelle fachdidaktische Diskussion um den Einsatz dieser Filme im Geschichtsunterricht. Frau Wieber gibt zugleich eine EinfUhrung in die im folgenden vorgestellten Filme, die insgesamt nicht den Hollywood-Stil verkorpern, sondern sich ganz bewul3t mit eigenen filmtechnischen und dramaturgischen Konzepten gegen die traditionellen Darstellungsmuster wenden und damit eine eigene Gruppe innerhalb der Antikenfilme darstellen. Dieser Einfiihrung folgt der Beitrag von Matthias Brutsch und Therese Fuhrer (Basel/ZUrich), die mit dem Salyricoll Fellinis ein ausgepragtes Beispiel dieser gegen Hollywood gerichteten Tendenz vorstellen. Der urspriinglich von Peter Drexler (Potsdam) gehaltene Vortrag zur Funktion des Chors und chorischer Elemente des Films Woody Allens ist bereits an anderer Stelle erschienen (Peter Drexler, Zur Funktion des Chors und chorischer Elemente in den Filmen Woody Allens, in: P. Riemer, B. Zimmermann (Hrsg.), Der Chor im antiken und modernen Drama, Stuttgart 1998 (DRAMA 7), 247-270). Den Aspekt der fremden und verfremdeten Antike, den Brutsch und Fuhrer am Beispiel des Felli(cid:49)(cid:49)l~Sal(cid:121)(cid:114)ic(cid:79)llS herausgearbeitet haben, vertieft Bernhard Zimmermann mit seiner Analyse der Umsetzung der euripi- 3 deischen .Medea Pier Paolo Pasolinis. Diesen Aspekt akzentuiert insbesondere Achim Forst in seinem Beitrag fiber Lars von Triers Medea Verfilmung, gefolgt von Peter Riemer, der sich der Umsetzung des sophokleischen Odipus durch Pasolini widmet. Antike wird in all diesen Filmen als beunruhigend und wild dargestellt. Es ist die einhellige Uberzeugung der Beitrager, daB damit im Film vorausgenommen wurde, was ab den 80er Jahren in der Altertumswissenschaft thematisiert wird.1 Weitere zusammenfassende und kommentierende Gedanken finden sich in dem von Helmut Flashar im vorliegenden Band gezogenen Resumee. Die Veranstaltung wie auch der Druck der V ortrage wurden gefordert durch einen narnbaften ZuschuB der Nikolaus-Koch-Stiftung. Ebenso war es moglich, auf narnbafte Zuwendungen von Seiten der Stiftung Kultur des Landes Rheinland-Pfalz sowie des Freundeskreises der Trierer Universitat e.V. zUriickzugreifen. Besonderen Dank schulde ich Herrn Jorg Rieker fur die Organisation der Zusammenarbeit mit dem Trierer Theater sowie flir die Beschaffung der FUme, Herrn Jochen Gindele fliT die organisatorische Hilfe und Herrn Johannes Leicht fur die Herstellung des Manuskripts. SchlieBlich danke ich den Herausgebern, besonders Herrn Bernhard Zimmermann flir die Aufnahme in die Reihe DRAMA. I Z. B. W. Burkert, Wilder Ursprung. Opferrituai und Mythos bei den Griechen, Berlin 1990. 4 Auf Sandalen durch die Jahrtausende - eine Einfiihrung in den Themenkreis "Antike und Film" Anja Wieber (Dortmund) Dass antike Literatur im 21. lahrhundert im tibertragenen Sinn auf eine be wegte Vergangenheit zurtickblickt, steht angesichts der vieWiltigen Rezep tion in allen Bereichen der bildenden Ktinste, Musik und Literatur auBer Frage. Was aber ist das Besondere an der Verbindung von antiker Literatur und Film? Antike Texte zielen in hOherem MaBe als modeme Texte darauf, durch bildhafte Sprache, die sogenannte Technik der Vergegenwartigung bestimmter Details einer Szene, einerseits und zudem oft durch sparsame Informationen tiber den Gesamtablauf eines Ereignisses andererseits beim Publikum einen Prozess der Imagination in Gang zu setzen - beim Lesen oder Horen solI im Kopf ein Bild entstehen. 1m modemen Film erMlt diese Vergegenwartigung der Antike eine bis dahin ungekannte Eindeutigkeit, aus dem offenen Prozess der gedanklichen VorstelIung ist die fertige VorfUhrung geworden.2 Freilich haben auch Historienmaler des vorigen lahrhunderts Bilder der Antike entworfen, diese verfUgen aber nicht wie der Tonfilm zugleich noch tiber akustische Prasenz durch Sprache und Musik und konnen zudem nur als statischer Ausschnitt einer zusammenhangenden Geschichte gesehen werden. Wie ein modemer Roman vermittelt der Film Kontinuitat in der Erzahlung und Dynamik, alIerdings bei gleichzeitiger visuelIer Prasenz und vermeintlich hoher Wirklichkeitswirkung - der Film scheint Wirklichkeit einzufangen, wo er sie nur abbildet.3 1m Gegensatz 2 Bei dem Artikel handelt es sich urn die Uberarbeitete Version meines Vortrages zu den Antikenfestspielen in Trier (Sommer 2000). Da sich allerdings eine Ubereinstimmung zwischen der an der Prasentationsform des Kinos angelehnten Vortragsform und den beschriebenen Inhalten ergibt, sind einige dieser E1emente in der schriftlichen Fassung beibehalten worden. Den Verlust der Mehrdeutigkeit vergangener Zeiten im Film konstatiert auch Robert A. Rosenstone, Geschichte in BildernlGeschichte in Worten: Uber die Moglichkeit, Geschichte zu verfilmen, in: Rainer Rother (Hg.), Bilder schreiben Geschichte: Der Historiker im Kino, Berlin 1991,65-83, hier 66. Zu den besonderen Merkmalen des Films gehort u.a. auch das prozesshafte Moment der Bewegung, das sich in der Bewegung der dargestellten Gegenstande, in der Kame rabewegung und schlieBlich in der Bewegung, die durch Montage zustande kommt, mehrfach wiederfmdet und die Illusion der Gegenwartigkeit schaffi; dazu Christine N. Brinckmarm, Dynamik des Bildes im Film, in: Unimagazin, Zeitschrift der Universitat ZUrich 2 (1997) (www.upd.unizh.chlmagazinl2-97/dynamik.html); vgl. auch Rother, 5 zum Theatersttick suggeriert er aber eine Gleichzeitigkeit des Gesagten und Gespieiten, die nicht real ist.4 Ferner ist im Film in vielen Bereichen eine Vollstiindigkeit angestrebt, die sich nicht mit unserem Wissensbestand tiber die Antike deckt - mit geIehrtem Zweifel und wissenschaftlichen Anmerkungen5 lassen sich weder Kulissen fUllen noch Kostiime anfertigen, hier wird manches der Vollstandigkeit halber erganzt. Das gleiche gilt fUr zeitspezifische Gestik und Mimik.6 Film und Antike sind also eine komplexe Verbindung eingegangen. Vorangetrieben wird dieser vielschichtige Rezeptionsprozess antiker Motive durch die Breitenwirkung des modernen Films, die in der Geschichte der Rezeption ein Novum darstellt. 1m Medienzeitalter sind es im Anschluss an die Kinos besonders das Fernsehen und seit der Offnung fUr die Privaten die Vielzahl der Sender sowie der Video- und wahrscheinlich dernnachst der DVD-Markt, durch die die .lleweg/e All/ike ein Riesenpublikum erreicht.7 Vorwort, in: Bilder schreiben Geschichte, 7-15 (0. Arnn. 2), hier 7. liber den Zusammenhang von Realismus und Wahrheit vgl. Peter Meyers, Film im Geschichtsunterricht. Realit1ltsprojektionen in deutschen Dokumentar-und Spielfilmen von der NS-Zeit bis zur Bundesrepublik. Geschichtsdidaktische und unterrichtsprakti sche liberlegungen, Frankfurt a.M. 1998,51; zur Typologie des Films im Unterschied zu anderen KUnsten vgl. auch James Monaco, Film verstehen. Kunst, Technik, Sprache, Geschichte und Theorie des Films und der Medien. Mit einer Einfilhrung in Multimedia, Uberarb. u. erweit. Neuausgabe 1995,22-63. 4 Hans Joachim Neumann, Der deutsche Film heute, Frankfurt a.M./Berlin \986,22-23; Hans DieterlHelga KUbler, Geschichte als Film - Film als Geschichte, Praxis Ge schichte 6 (1992), 6-12, hier 7, darUber, dass die Kamera alles Aufgenommene in Vergangenheit verwandelt. So auch die Argumentation des Philosophen Ian Jarvie gegen eine Verfilmung histori scher Epochen, dazu Rosenstone, Geschichte in Bildem (0. Anm. 1),68. 6 Siegfried Kracauer, Kino. Essays, Studien, Glossen zum Film, hrsg. von Karsten Witte, Frankfurt a.M. 1974, 44 (Der historische Film): Ein Geschop/o 'er Gegenwart dnitgt o'er Him aff Fremdltitg lit die f'ergangenheit elit. Dass die Klirperbewegungen der Akteure -abgesehen von Zusammenhangen zwischen Klirpersprache und anderen historischen Mentalitaten -schon deswegen nicht Realit!!t der Antike abbilden, Iiegt an der Rekonstruktion der Kostume: So tragt der Held Ma ximus in Gladiator (2000) Uniformteile, die unter der dUnnen Lederoberfl!!che zur Gewichtsreduktion mit Schaumstoff unterfilttert sind, wahrend die kaiserliche Parade uniform des Commodus aus dem gleichen Grund mit Gummi unterlegt ist; vgl. dazu: Gladiator. The Making of the Ridley Scott epic. Introduction by Ridley Scott, foreword by Walter Parkes, edited by Diane Landau, New York 2000 (based upon notes by Sha ron Black and articles by Joe Fordham), 97-98. 7 In der Medienforschung wird angesichts der Wiederholungen !!lterer Sendungen auch vom kulturellen Recycling-Effekt gesprochen (Udo Michael KrUger, Programm von heute mit Frauen von gestem? Eine Programmanalyse, in: Frauenbilder im Femsehen. Beitrage und Materialien einer Fachtagung vom 25. bis 27. August 1991 in Augsburg, Bonn 1992, 31-47, hier 46), so dass vor dem Hintergrund der kontinuierlichen