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Bestattungssitte und kulturelle Identität : Grabanlagen und Grabbeigaben der frühen römischen Kaiserzeit in Italien und den Nordwest-Provinzen PDF

422 Pages·1998·34.809 MB·German
by  FasoldPeter
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Preview Bestattungssitte und kulturelle Identität : Grabanlagen und Grabbeigaben der frühen römischen Kaiserzeit in Italien und den Nordwest-Provinzen

Xantener Berichte <7*00 0° Band 7 Bestattungssitte nd kulturelle Identität LANDSCHAFTSVERBAND RHEINLAND Archäologischer Park/Regionalmuseum Xanten XANTENER BERICHTE Band 7 XANTENER BERICHTE Grabung - Forschung - Präsentation Band 7 Eine Veröffentlichung des LANDSCHAFTSVERBANDES RHEINLAND Archäologischer Park/Regionalmuseum Xanten herausgegeben von Gundolf Precht BESTATTUNGSSITTE UND KULTURELLE IDENTITÄT Grabanlagen und Grabbeigaben der frühen römischen Kaiserzeit in Italien und den Nordwest-Provinzen Kolloquium in Xanten vom 16. bis 18. Februar 1995: „Römische Gräber des 1. Jhs. n. Chr. in Italien und den Nordwestprovinzen“ veranstaltet durch Archäologisches Institut der Universität zu Köln Museum für Ur- und Frühgeschichte Frankfurt am Main Landesamt für Archäologische Denkmalpflege Mainz mit Archäologischer Park/Regionalmuseum Xanten herausgegeben von Peter Fasold, Thomas Fischer, Henner von Fiesberg und Marion Witteyer 1998 RHEINLAND-VERLAG GMBH • KÖLN ln Kommission bei DR. RUDOLF HABELT GMBH • BONN Gedruckt mit Unterstützung des Ministeriums für Stadtentwicklung, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen. Rheinland-Verlag GmbH • Köln Rheinland-Verlag- und Betriebsgesellschaft des Landschaftsverbandes Rheinland mbH Abtei Brauweiler, 50250 Pulheim Redaktion: Anita Rieche, Rüdiger Splitter Alle Rechte Vorbehalten © Copyright Landschaftsverband Rheinland Archäologischer Park/Regionalmuseum Xanten 1998 Lithos: Peukert & Co., Köln Gesamtherstellung: Druckhaus B. Kühlen KG, Mönchengladbach ISBN 3-7927-1620-8 Inhalt Vorwort 7 Einleitung 9 Henner von Hesberg, Beigaben in den Gräbern Roms 13 Werner Eck, Grabmonumente und sozialer Status in Rom und Umgebung 29 Michael Heinzeimann, Die Nekropolen von Ostia: Zur Entwicklung der Beigabensitten vom 2. Jahrhundert v. Chr. bis in die frühe Kaiserzeit 41 Jacopo Ortalli, Riti, usi e corredi funerari nelle sepolture romana della prima etä imperiale in Emilia Romagna (valle del Po) 49 Marco Galli, Tomba romana ad inumazione in cassa di piombo 87 Giuliana Cavalieri Manasse e Margherita Bolla, Osservazioni sulle necropoli veronesi 103 Monika Verzdr-Bass, Grab und Grabsitte in Aquileia - mit einem Beitrag von Flaviana Oriolo 143 Peter Fasold und Marion Witteyer, „Römisches“ in den Gräbern Mittel- und Norditaliens 181 Stefanie Martin-Kilcher, Gräber der späten Republik und der frühen Kaiserzeit am Lago Maggiore: Tradition und Romanisierung 191 Gertrud Lenz-Bernhard, Spätkeltische und frühkaiserzeitliche Bestattungssitten im Oberrheingebiet . . . 253 Astrid Böhme-Schönberger, Das Gräberfeld von Badenheim 261 Frangois Reinert, „Römisches“ in treverischen Gräbern der julisch-claudischen Zeit 285 Angelika Wigg, Römerzeitliche Grabhügel im Trierer Land: Assimilation einer autochthonen Bestattungssitte an eine mittelitalische Grabdenkmalform 295 Matthias Riedel, Frühe römische Gräber in Köln 307 Friederike Fless, Die frühkaiserzeitlichen Sarkophagbestattungen in Rom und ihre Übernahme in den westlichen und nordwestlichen Provinzen 319 Christoph Reichmann, Einheimisch-vorrömischer Grabbrauch am Niederrhein 327 Karl Heinz Lenz, Früh- und mittelkaiserzeitliche Bestattungsplätze ländlicher Siedlungen in der Niederrheinischen Bucht 347 Clive Bridger, Entwicklungen im Gräberfeld Tönisvorst-Vorst während des 1. Jhs. n. Chr 373 Stephan Groeneveld, Zur Beigaben- und Bestattungssitte vorcoloniazeitlicher Gräber im Bereich der Colonia Ulpia Traiana im 1. Jh. n. Chr 383 Peter Noelke, Grabreliefs mit Mahldarstellung in den germanisch-gallischen Provinzen - soziale und religiöse Aspekte 399 Jürgen Obmann, Zur Kline im Grabbrauch und ihrem archäologischen Nachweis in Gräbern der römischen Nordwestprovinzen 419 7 Vorwort Das Kolloquium, dessen Akten mit dem vorliegenden Band gedruckt erscheinen, fand vom 16. bis 18. Februar 1995 in Xanten statt. Die Herausgeber sind der Dienststelle Archäologischer Park/Regionalmuseum Xanten des Landschaftsverbands Rheinland, ihrem Leiter Gundolf Precht und besonders Hans-Joachim Schalles sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dankbar, daß sie diese Veranstaltung so tatkräftig unterstützten und damit entscheidend zu ihrem Gelingen beitrugen. Finanziell wurde das Kolloquium durch die DFG und das Land Nordrhein-Westfalen im Rahmen des Graduiertenkollegs „Formierung und Selbstdarstellung städtischer Eliten im Römischen Reich“ getragen. Die redaktionelle Betreuung führten in Köln Jens Peuser und Thomas Lobüscher durch. Anita Rieche übernahm zusammen mit Rüdiger Splitter die mühevolle Aufgabe, das Manuskript endgültig für den Druck fertigzustellen. Die Mittel für den Druck stellte das Ministerium für Stadtentwicklung, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen zur Verfügung. Prof. Dr. Heinz Günter Horn förderte das Projekt mit großem Interesse. Allen beteiligten Institutionen und ihren Mitarbeitern, die die Durchführung und den Abschluß des Unternehmens gefördert haben, gilt unser aufrichtiger Dank. Das Ergebnis des Kolloquiums ist aus der engen Zusammenarbeit und dem dichten und ergiebigen wissenschaft- lichen Austausch verschiedener altertumskundlich orientierter Einrichtungen im Rheinland und den anliegenden Regionen - zwischen Denkmalpflege, Museum und Universität - zu verstehen. Als besonders fruchtbar erwies sich dabei als Ansatz die Konfrontation zwischen Zentrum und Peripherie, zwischen Rom und Italien einerseits und den Provinzen andererseits. Dieser Art des Herangehens, die schon in dem in Xanten 1990 ausgerichteten Kolloquium „Die römische Stadt im 2. Jh. n. Chr. Der Funktionswandel des öffentlichen Raumes“ erprobt wurde, hat sich nach Meinung der Beteiligten am vorliegenden Kolloquium ein weiteres Mal bewährt. Allerdings zeigte sich während des Kolloquiums, daß die Region Oberitalien nicht umfassend genug mit Beiträgen vertreten war und die Situation vor allem der größeren Städte unklar blieb. Umso dankbarer sind wir den Kolleginnen M. Bolla, G. Cavalieri Manasse und M. Verzär-Bass, daß sie in diesem Sinn ergänzende Beiträge im nachhinein beisteuerten. Die Herausgeber 9 Einleitung Gemeinschaftsveranstaltungen zum Thema antiker Bestattungsbräuche und zur Ausgestaltung von Nekropolen hat es in den letzten Jahren in großer und kaum noch überschaubarer Zahl gegeben1. Stets waren diese Kolloquien durch das Ziel geprägt, über die Zeugnisse aus den antiken Friedhöfen einen wesentlichen Zugang zum kulturellen Habitus der jeweiligen Gesellschaft der Lebenden zu gewinnen. Die Grabanlagen und Nekropolen bilden in dieser Hinsicht ein verlockendes Quellenmaterial, weil die Befunde vielfach besser erhalten sind und in dieser Überlie- ferung die Formierung der Gesellschaft, ihrer sozialen Strukturen, ihrer Verhaltensmuster und Wertvorstellungen in wesentlichen Aspekten widerspiegeln. Dabei stellt sich zwar immer wieder das Problem, wieweit die Gesell- schaft der Toten die Gesellschaft der Lebenden unmittelbar abbildet, durch welche Konstellationen die Aussage der Befunde eingeschränkt wird und welche Methoden eine sinnvolle Überprüfung dieser Relationen gewährlei- sten, aber ohne die Nekropolen blieben weite Bereiche antiker Kultur unverständlich. Inzwischen haben sich innerhalb der wissenschaftlichen Diskussion gewisse Schwerpunkte der Betrachtung und damit verbundenen Formen der Analyse etabliert. Die englischsprachige Forschung stellt vielfach in den Mittel- punkt demographische Aspekte, d. h. die Aussage der Nekropolen über Bevölkerungswachstum, zu Alters- strukturen und geschlechtsspezifischen Differenzierungen. Hierbei sind umfangreiche anthropologische Unter- suchungen verbunden mit statistischen Methoden eine wichtigste Voraussetzung. Die französische und italienische Forschung hat verstärkt die religiös-kulturellen Vorstellungen untersucht, die sich mit den Bestattungen ver- binden. Schlagwort in dieser Hinsicht bildet die ideologic funeraire. Innerhalb der deutschsprachigen Forschung ist eine gewisse Vorliebe für Fragen spürbar, die die Ausgestaltung der Gräber in Relation zu sozialen Rollen- und Wertvorstellungen und übergeordnet zu der ihnen zugehörigen Gesellschaft betreffen2. Nach Meinung der Herausgeber sollten zu anthropologischen Forschungen am römischen Gräbermaterial grund- sätzlich stärkere Anstrengungen im Detail unternommen werden, damit auch diese Disziplin die Diskussion ähnlich übergreifender Fragestellungen erlaubt, wie es das archäologisch-epigraphische Material jetzt schon ge- stattet. Momentan verhindert aber der sehr unterschiedliche Forschungsstand in den behandelten Gebieten eine sinnvoll vergleichende Übersicht, zumal der vorherrschende Brauch der Brandbestattung das Material weitgehend dezimiert hat. Sinngemäß gilt das, was über die Anthropologie gesagt wurde, auch für die Untersuchungen an pflanzlichen und tierischen Beigaben. Das Xantener Kolloquium knüpft an zwei frühere Veranstaltungen dieser Art an, eines, das 1985 in München zum Thema „Römische Gräberstraßen: Selbstdarstellung - Status - Standard“, und ein anderes, das 1991 in Mainz zum 1 R. Reece (Hrsg.), Burial in the Roman World (London furt/M. 1989); G. Binder/H. Effe (Hrsg.), Tod und Jen- 1977); H. C. Humphrey/H. Key (Hrsg.), Mortality and seits im Altertum (Trier 1991); Incinerations et inhuma- Immortality - The Anthropology and Archaeology of tion dans l’occident romain aux trois premiers siecles de Death (London 1980); G. Gnoli/L. P. Vernant (Hrsg.), notre ere. Actes du Colloque International de Toulouse- La mort, les morts dans les societes anciennes, Koll. Montrejeau 1987 (Toulouse 1991); Monde des morts et Ischia (Cambridge-Paris 1982); H. J. Klimkeit (Hrsg.), monde des vivants en Gaule rurale. Actes du Colloque Tod und Jenseits im Glauben der Völker (Wiesbaden d’Orleans 1992. Revue Arch. Centre suppl. 1993. 1983); Aspetti dell’ideologia funeraria nel mondo Roma- 2 Damit soll keineswegs gesagt sein, daß die Vertreter der no, Koll. Neapel 1979, Ann. Archaeologia e Storia Antica einzelnen Nationen auf diese Aspekte beschränkt sind. 6, 1984, 71ff.; Francois Hinard (Hrsg.), La mort, les Es zeichnen sich nur bisweilen bestimmte Vorlieben und morts et l’au-delä dans le monde romain, Kongress Caen Argumentationsmuster ab; vgl. B. Russel zitiert von O. 1985 (Caen 1987); S. Cipoletti (Hrsg.), Langsamer Ab- Murray in: Ders./S. Price (Hrsg.), The Greek City schied, Tod und Jenseits im Kulturvergleich (Frank- from Homer to Alexander (Oxford 1990) Iff. 10 Einleitung Thema „Römerzeitliche Gräber als Quellen zur Religion, Bevölkerungsstruktur und Sozialgeschichte“ abgehalten wurde3. Die Initiative wurde ferner durch die Aktivitäten im Rahmen der Vorbereitung der Ausstellung „Des Lichtes beraubt“ im Museum für Vor- und Frühgeschichte der Stadt Frankfurt4 und innerhalb des Graduierten- kollegs „Formierung und Selbstdarstellung städtischer Eliten im Römischen Reich“ getragen. Das Xantener Kolloquium sollte vor allem den Dialog zwischen den altertumswissenschaftlichen Disziplinen fördern, um For- schungsergebnisse aufeinander zu beziehen und dabei zugleich Bedingtheiten und Impulse der unterschiedlichen Untersuchungsmethoden auf eine übergreifende Fragestellung hin auszugleichen bzw. zu nutzen. Das Kolloquium war von dem Bemühen geprägt, römische Bestattungsformen als solche zu definieren und ihre Adaption und Veränderung im Laufe des ersten nachchristlichen Jahrhunderts in den jeweiligen Regionen zu verfolgen. Eine umfassende Betrachtung einer Region im Sinne eines Corpus aller Nekropolen wäre zu umfang- reich geworden. Art und Umfang der Veranstaltung machten selbst noch in diesem eingeschränkten Konzept Lücken vor allem in Gallien unvermeidlich5. Allerdings stand auch weniger eine im geographisch-politischen Sinn zusammenhängende Linie im Vordergrund, sondern Fallbeispiele sollten die Bedingungen zeigen, unter denen einheimische Formen resistent blieben oder unter denen das römische Vorbild teilweise oder völlig übernommen wurde. Damit verband sich eng das Problem, wieweit sich die entsprechenden Vorgänge als Reflexe von allgemein habituellen Änderungen verstehen lassen. Dieser Prozeß als Teil der Romanisierung vollzog sich nicht nach einem einheitlichen Schema, sondern mußte jeweils in seinen Eigenheiten definiert werden. Die Eigenheit römischer Grabsitten dürfte am ehesten in Rom selbst zu fassen sein. Die einfachen, aus der späten Republik und der frühen Kaiserzeit erhaltenen Beigaben täuschen freilich über das vielfach aufwendige Ritual, wie es literarisch überliefert und auch archäologisch faßbar ist, hinweg (siehe den Beitrag von H. von Hesberg). Vor allem die Klinenreste bezeugen eine große Verschwendung kostbarer Materialien im Zuge der Begräbnisfeierlich- keiten (siehe den Beitrag von J. Obmann). Diese Formen der Bestattung hatten wohl außerhalb Roms auch für Mittelitalien Gültigkeit, wie die von M. Fleinzelmann analysierten Befunde aus Ostia belegen. Sperren sich schon die archäologischen Befunde gegen eine allzu simple lineare Ausdeutung in soziologischer Hinsicht, nach der etwa den immer reicheren Befunden immer höherer gesellschaftlicher Rang entspräche, so lassen sich auch aus dem epigraphischen Material, wie W. Eck aufzeigen konnte, Entsprechungen in dieser Hinsicht nur mit Einschränkun- gen allein unter Berücksichtigung des Gesamtbefundes feststellen. In Oberitalien zeichnet sich in verschiedener Hinsicht ein leicht abweichendes Spektrum ab. Zwar zeigen die von J. Ortalli untersuchten Gräber aus Sarsina ebenso wie die Mengen der Gräber in Verona und Aquileia, die M. Bolla und M. Verzär-Bass vorgelegt haben, die große Uniformität der Grabsitten in der frühen Kaiserzeit, die eindeutig an die unmittelbar aus Rom bekannten Vorlagen anknüpften. Allerdings gab es gerade in Sarsina eine deutlich hellenistisch geprägte Tradition bis in spätrepublikanische Zeit hinein, und anderswo in den Nekropolen Ober- italiens lassen sich einheimisch-keltische Relikte, allerdings sehr vereinzelt, noch in der Kaiserzeit beobachten. Partiell übernahm man auch - wie in dem von M. Galli vorgestellten Grab aus Rimini - Elemente aus dem Osten. Dennoch ist gerade angesichts dieser Ausnahmen die Dominanz der stadtrömisch geprägten Muster in der frühen Kaiserzeit unübersehbar. Die Ausnahme bilden weniger regional verbindliche Sonderformen, sondern von einzel- nen Individuen gewünschte Abweichungen (siehe den Beitrag von M. Witteyer und P. Fasold). In diese Richtung weisen auch die auffälligen Diskrepanzen in der Ausstattung der Anlagen. In Aquileia wird deutlich, daß reiche Beigaben nicht mit aufwendigen Monumenten einhergehen, in Verona ist der Kontrast zwischen den architekto- nisch gestalteten Monumenten, die G. Cavalieri Manasse aus den unterschiedlichen Resten erschlossen hat, und den übrigen Friedhöfen noch stärker. 3 H. von Hesberg/P. Zänker (Hrsg.), Römische Gräber- 4 M. Witteyer/P. Fasold (Hrsg.), Des Lichtes beraubt- straßen: Selbstdarstellung - Status - Standard, Koll. Totenehrung in der Römischen Gräberstraße von München 1985 (München 1987); M. Struck (Hrsg.), Rö- Mainz-Weisenau (Frankfurt/M. 1995). merzeitliche Gräber als Quellen zu Religion, Bevölke- 5 R. Nierhaus, Römerzeitliche Bestattungsrituale im rungsstruktur und Sozialgeschichte, Koll. Mainz 1991 nördlichen Gallien, Helinium 9, 1969, 245ff. (Mainz 1993). Einleitung 11 In den Bergregionen des Tessin sieht es schon wieder anders aus, wie der Beitrag von St. Martin-Kilcher zeigt. Dort wurde in dem hier betrachteten Zeitraum ein Unterschied in der Dynamik der Adaption römischer Vorbilder in zwei verschiedenen Regionen deutlich. Im Rheinland lassen sich sowohl regional voneinander abweichende Muster in der Übernahme der römischen Vorbilder feststellen wie auch Unterschiede, die auf verschiedene Träger der Kultur zurückgehen. Partiell aber existieren auch schon - im Beitrag von G. Lenz-Bernhard nachgewiesen - im Vorfeld Vermischungen zwischen keltischen und germanischen Totenbräuchen, die zu keiner eindeutig neuen Form führten. Auch in der früheren Kaiserzeit mußten solche einheimischen Traditionen nicht überlagert oder gar ersetzt werden. Das Spektrum reicht von einer Übernahme lediglich römischer Beigabenelemente in dem Gräber- feld von Badenheim, das A. Böhme-Schönberger vorgestellt hat, oder auch der Resistenz heimischer Bestattungs- sitten am Niederrhein, die von Ch. Reichmann analysiert wurde, hin zu einer eindeutig römischen Form im Bereich ebenso eindeutig römischer Bevölkerung, die St. Berke in seinem (hier nicht gedruckten) Beitrag zu den Nekropolen der Militärlager an der Lippe präsentierte6 oder wie es bisweilen auch schon in den Gräbern des Trevererlandes deutlich wird (siehe den Beitrag von F. Reinert). Doch zeichnet sich in dem hier betrachteten Zeitraum ein deutlicher Unterschied der Adaption römischer Vorbil- der in zwei verschiedenen Regionen ab. Die großen Städte Mainz, Köln und Xanten belegen mit ihren Nekropolen in römischer Zeit das Nebeneinander vieler Bestattungssitten und zeigen damit die Möglichkeit, einheimische Traditionen fortzuführen bzw. römische Vorbilder neu zu übernehmen und zu integrieren (siehe die Beiträge von M. Riedel und St. Groeneveld), während im Umland für das 1. Jh. n. Chr. einheimische Traditionen außerhalb der Militärsiedlungen dominieren (siehe die Beiträge von C. Bridget und K. H. Lenz). Die Tendenz, die sich aus den unterschiedlichen Befunden ablesen läßt, ist eindeutig. Dort, wo sich römische Kultur fest mit einem ganzen Netz entsprechender Interaktionsformen installiert hatte, setzten sich auch die entsprechenden, aus Rom bekannten Bestattungssitten durch. Das gilt für Oberitalien mit seiner im 1. Jh. v. Chr. schon dichten Abfolge von Städten, das gilt dann auch für die angrenzenden Gebiete. Die römisch geprägte Bevölkerung folgte dabei einheitlichen, aus Mittelitalien vorgegebenen Mustern, und diese Muster gewannen mit der zunehmenden Ausbreitung der römischen Kultur Gültigkeit. Darüber hinaus machen die Beiträge deutlich, daß die im Zentrum dominanten Formen auch an der Peripherie dominant blieben. So fanden sich in der frühen Kaiserzeit Klinen in Rom und in Italien und in der Folge auch in den Provinzen, aber so gut wie keine Sarkophage, obwohl sie im Zentrum durchaus vereinzelt vorkamen (siehe die Beiträge von J. Obmann und F. Fless). Ferner konnten einheimische Traditionen sehr wohl auch durch Rückgriff auf Vorbilder im Zentrum verändert und neu aktiviert werden, wie die Grabtumuli im Treverer Land belegen (siehe den Beitrag von A. Wigg). Die aufgezeigten Vorgänge in den Veränderungen der Bestattungssitten könnten als banal angesehen werden, sind aber keineswegs selbstverständlich. So haben z. B. die Kolonisten griechischer Städte auf Sizilien die Bestattungs- bräuche ihrer Heimatstädte offenbar sogleich mit der Neuansiedlung aufgegeben7. Es hätten sich ja auch beispiels- weise gerade in dem eher individuell gebundenen Bereich der Totenfürsorge und der Bestattungssitten die einhei- mischen Formen behaupten können, z. B. schon in Oberitalien mit den dort viel stärker präsenten keltischen Traditionen. Wenn die römischen Bestattungssitten im Laufe des 1. Jhs. v. Chr. in den Nordwestprovinzen übernommen wurden, mußten die Gründe wohl in der Attraktivität der Gestaltung dieser Vorgänge hegen. Jedenfalls ist schwer vorstellbar, daß es lediglich aus einem wie auch immer motivierten Drang nach kultureller Angleichung geschah. Die Übernahme der Sprache, der Tracht, der Rechtssysteme, die das Zusammenleben in der städtischen Öffent- lichkeit der Provinzen neu prägten, mußte keineswegs zwangsläufig auch zu den neuen römischen Bestattungsfor- men führen. Es handelte sich nicht allein um eine partielle Adaption einzelner römischer Formen wie anfangs in dem Gräberfeld von Badenheim, in den Gräbern des Trevererlandes (siehe den Beitrag von F. Reinert) oder 6 St. Berke, Das Gräberfeld von Haltern. In: Die römische 7 G. Shepherd in: T. Fischer-Hansen (Hrsg.), Acta Hy- Okkupation nördlich der Alpen zur Zeit des Augustus, perborea 6, 1995, 5Iff. Kolk Bergkamen 1989 (München 1991) 149ff.

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