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Beschäftigungsrisiko Erziehungsurlaub: Die Bedeutung des „Erziehungsurlaubs“ für die Entwicklung der Frauenerwerbstätigkeit PDF

300 Pages·1998·31.371 MB·German
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Gesellschaft fur Informationstechnolocie und Padagogik am IMBSE (Hrsg ) Beschaftigungsrisiko Erziehungsurlaub Gesellschaft fur Informationstechnologie und Padagogik am IMBSE (Hrsg.) Beschaftigungsrisiko Erziehungsurlaub Die Bedeutung des "Erziehungsurlaubs" fur die Entwicklung der Frauenerwerbstatigkeit Westdeutscher Verlag Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Beschaftigungsrisiko Erziehungsurlaub : Gesellschaft fur Informationstechnologie und Padagogik am IMBSE (Hrsg.) - Opladen : Westdt. VerI., 1998 ISBN 3-531-13181-8 Das Projekt »Situationsgerechte Weiterbildung wahrend des Erziehungsurlaubs" der GIP Moers wurde mit Mitteln des Landes Nordrhein-Westfalen und der Europaischen Gemein schaft gefordert. Die Verantwortung fur diese Publikation liegt auf seiten des Herausgebers bei Ulrich Rauter unter Mitarbeit von Stefanie Krug. Aile Rechte vorbehalten © Westdeutscher Verlag GmbH, OpladenlWiesbaden, 1998 Der Westdeutsche Verlag ist ein Unternehmen der Bertelsmann Fachinformation GmbH. Das Werk einschlieBlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschutzt. Jede Verwertung auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbe sondere fur Vervielfaltigungen, Dbersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. http://www.westdeutschervlg.de Hochste inhaltliche und technische Qualitat unserer Produkte ist unser Ziel. Bei der Produk tion und Verbreitung unserer Bucher wollen wir die Umwelt schon en: Dieses Buch ist auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt. Die EinschweiBfolie besteht aus Polyathylen und damit aus organischen Grundstoffen, die weder bei der Herstellung noch bei der Verbrennung Schadstoffe freisetzen. Umschlaggestaltung: Horst Dieter Burkle, Darmstadt Cartoons: Sepp Buchegger Lektorat und Satz: Ute Holfelder ISBN-13: 978-3-531-13181-8 e-ISBN-13: 978-3-322-83312-9 DOl: 10 .1 007/978-3-322-83312-9 Inhalt Vorwort ................................................................................................................. 7 Ulrich Rauter Einleitung ........... ... ..... ............. ...... ..... ....... ..... ...... ....... ..... ....... ........ .......... ........... 9 Stefanie Krug, Ulrich Rauter Tell I: Wirtschafts-ond sozialpolitische Aspekte Die Rechtslage. Vom achtwochigen Mutterschutz zum dreijiihrigen Erziehungsurlaub ........ ..... ...... ...... .................. ............. ..... ....... ........ ... ....... ............ 23 Andrea Budde Erwerbsorientierung und Beschiiftigungsmoglichkeiten von Frauen in den neunziger Jahren. Wirtschaftliche Umstrukturierung und frauen- typische Arbeitsmarktrisiken in Ost-und Westdeutschland ................................. 39 Gerhard Engelbrech, Alex Reinberg Wi(e)der die Neuauflage der Hausfrauenehe. Die ungleichen Auswirkungen der Geburt eines Kindes auf die Lebens- und Arbeits- planung von Frauen und Miinnern ........................................................................ 93 Gisela Notz Freistellung als Weichenstellung. Blinde Flecken in der Diskussion urn den ,Erziehungsurlaub' ................................................................................... 117 Stefanie Krug Elternurlaubsregelungen im europiiischen Vergleich. Ein Beitrag zur Chancengleichheit? ........................................................................................ 133 Christiane Schiersmann Teil II: Wirtschafts-ond bildongspolitische Ma8nahmen Wie alles anfing: Die Einfiihrung des Erziehungsurlaubs bei Messerschmitt-Bolkow-Blohm ....................................................................... 159 Christa Lippmann Und wie es weiterging: FrauenfOrderung in der betrieblichen Praxis der neunziger Jahre ............................................................................................... 173 Helga Herrmann Zielgruppe nicht Problemgruppe! Arbeitsmarktpolitische Forderung fiir Frauen in Nordrhein-Westfalen ....................................................................... 185 Karin Linde 6 Inhalt "Situationsgerechte berufliche Weiterbildung im Erziehungsurlaub". Erfahrungen aus der Projektarbeit mit ,Erziehungsurlauberinnen' in kleinen und mittleren Untemehmen ..................................................................... 197 Stefanie Krug, Katharina Kupper-Schreiber, Ulrich Rauter Sackgasse Beurlaubung? Moglichkeiten der Harmonisierung von Berufs-und Familienorientierung fiir junge Frauen im Staatsdienst am Beispiel von Miinchner Beamtinnen .............................................................. 221 lngegerd Schauble Tell III: ,Models of good practice' - zukunftsweisende Modelle der betrieblichen Praxis mit Berufsriickkehrerinnen Qualitat mit Chancengleichheit - TOTAL E-QUALITY ..................................... 239 Carola Busch Die Berliner WeiberWirtschaft. Frauen griinden Untemehmen - "wie es ihnen geflillt" ........................................................................................... 249 Claudia Neusu./3 Neue Wege beim Erziehungsurlaub im Lufthansa-Konzem. Zur Flexibilisierung des Erziehungsurlaubs ......................................................... 265 Monilca Ruhl Die Krankenschwestem der St. Josef GmbH: Unser Erfolgspotential ................. 271 Herbert Grigat Klare Vorteile fiir beide Seiten. MaBgeschneiderte Arbeitszeiten im Kleinbetrieb ..................................................................................................... 283 Claus-Peter Reichel Teil IV: Erfahrungsberichte von ,Erziehungsurlauberinnen' Vorbemerkung ...................................................................................................... 289 "Aber ich komm doch wieder ... " ......................................................................... 291 Susanne Brachtendorf " ... und dann kam das Ende des Erziehungsurlaubs so schnell naher!" ............... 297 Manuela Hackstein "Wir haben vielleicht etwas fUr Sie ... " ................................................................ 301 Doris Hatzel Anhang Die Autorinnen und Autoren ................................................................................ 305 Abbildungsnachweis ............................................................................................. 312 Vorwort Der folgende Band dokumentiert Reflexionen und Analysen, die das Modellprojekt "Situationsgerechte Weiterbildung wahrend des Erziehungsurlaubes"l, durchgefiihrt von der Gesellschaft fUr Informationstechnologie und Padagogik am IMBSE2, beglei ten, beeinfluBt haben oder in seiner gesellschaftlichen Relevanz bewerten helfen. Mit diesem Band ist beabsichtigt, die gesellschaftliche Einrichtung eines ,Erzie hungsurlaubs' in Hinblick auf die Berufsverlaufe derjenigen, die ihn in Anspruch neh men, zu reflektieren. Die Inanspruchnabme des ,Erziehungsurlaubs' ist in der Bundes republik sehr hoch, die Aufteilung zwischen den Eltemjedoch sehr einseitig, namlich zu mehr als 98 % auf seiten der Frauen. Insofem ist in diesem Sammelband insbesondere yom ,Erziehungsurlaub' in Hinblick auf weibliche Berufsverlaufe die Rede. Wir sind uns der Verengung bewuBt, wenn die Erziehung eines Kleinkindes vor rangig aus dieser Berufsperspektive der Mutter betrachtet wird. Allerdings korrespon diert diese hier gewahlte Perspektive einer offensichtlichen Schwachstelle im gesell schaftlichen Angebot pluraler Lebenskonzepte. Nehmen wir die Wiinsche von Betrof fenen und ihre Realisierbarkeit zum MaBstab, ist die Pluralitat von Lebensformen in der Bundesrepublik - und nicht bloB hier - was die Ausgestaltungsmoglichkeit einer Vereinbarkeit von Beruf und Kindererziehung angeht, defizitar ausgestaltet. Dies war fUr die "Gesellschaft fiir Informationstechnologie und Piidagogik" (GIP) ein AnlaB, ein Pilot-Projekt zu initiieren, das versucht, durch eine modular aufgebau te Weiterbildung die EinfUgung des ,Erziehungsurlaubs' in einen langfristigen Berufs verlauf zu fOrdem und Beitrage dazu zu leisten, daB der ,Erziehungsurlaub' nicht wi der Willen der Betroffenen zum Abbruch der beruflichen Entwicklung fUhrt. Dieses Projekt stellt AnlaB dieser Veroffentlichung dar, es ist AnlaB un seres Wunsches nach vertiefter Reflexion und fachlichem Erfahrungsaustausch. Wir berichten in diesem Band an einer Stelle iiber dieses Vorhaben selbst, stell en es allerdings nieht in den Mittelpunkt dieser Veroffentlichung. Weiterbildung kann nur einen Beitrag zur For derung kontinuierlicher und flexibler Erwerbsverlaufe sein, die mit dem Zusammen leben mit Kindem harmonieren. Gerade die Grenzen der Weiterbildung motivierten uns, den padagogischen Zweckoptimismus, iiber den wir als im Bildungsbereich Handelnde naturgemaB verfiigen, zugunsten einer realistischen Standortbestimmung zumindest begrenzt zu suspendieren. Diese Standortbestimmung ist Ziel der vorl ie- Das Projekt wird gefOrdert aus Mitteln des Landes Nordrhein-Westfalen sowie aus dem Europaischen Sozialfonds. 2 Das "Institut fijr MaBnahmen zur Forderung der beruflichen und sozialen Eingliederung" (IMBSE) ist ein gemeinniitziger eingetragener Verein mit dem Satzungsziel, "die soziale. berufliche und schu lische Integration vornehmlichjener zuf6rdern, die von Arbeitslosigkeit bedroht oder betroffen sind". Das IMBSE arbeitet im Kreis Wesel und in Mecklenburg-Vorpommern. Die "Gesellschaft fijr Informationstechnologie und Padagogik" (GIP am IMBSE) ist eine Fachabteilung des IMBSE fiir die Durchfijhrung von Modellprojekten und Erwachsenenbildung. 8 Ulrich Rauter genden Publikation. In welchem Spannungsverhaltnis begegnen sich ,Erziehungs urlaub' und Erwerbstatigkeit? Der ,Erziehungsurlaub' ist im Berufsverlauf von Frauen eine wesentliche Determi nante. 1m ,Erziehungsurlaub' verknoten sich bisheriger Berufsverlauf, famiWire Bio grafien und Leitbilder, arbeitsmarktliche Veranderungen und betriebliche Personal planung und beeinflussen lebenslange Weichenstellungen. Die Berufsunterbrechung wahrend des ,Erziehungsurlaubs' ist in der Praxis haufig Einstieg in den Ausstieg. In diesem Sammelband leuchten die hier zusammengestellten Beitrage die bio grafische und soziale NahtsteIle, die der ,Erziehungsurlaub' fUr berufstatige Frauen darsteIlt, aus unterschiedlichen Perspektiven aus. Darin eingeschlossen ist auch die Darstellung einzelner Modellosungen fUr die Gestaltung des Ubergangs aus dem ,Erziehungsurlaub' an den Arbeitsplatz und ffir eine kindervertragliche Arbeitsorga nisation, die als alternative Konzepte, als ,models of good practice', ein konstruktiv praktisches Weiterdenken anstoBen sollen. Das soziale Engagement, die Determiniertheit vieler Berufsverlaufe oder -ab briiche, die mit dem ,Erziehungsurlaub' verknupft sind, aufzudecken und zu hinter fragen ist allen hier versammelten Beitragen eigen. Was die Methodik der Aussagen gewinnung angeht und die nahere soziale Standortbestimmung der einzelnen Auto rinnen undAutoren, solI dieses BuchAusdruck von Vielfalt sein. Vermutlich ist bereits das soziale Grundanliegen nicht identisch und eindeutig fUr aIle hier versammelten Beitrage beschreibbar. Handelt es sich urn Frauenforderung, urn die Forderung von Rahmenbedingungen fUr partnerschaftIiches Erziehen, handelt es sich urn die Herstel lung von Chancengleichheit oder Gleichberechtigung oder aber, so fragt Carola Busch, wenn sich in erster Linie etwas bei den Mannern andern muB, ist nicht die Manner fOrderung angesagt? Obwohl also viel Platz fur Kontroversen ware, ist es nicht bloB Zeichen von Prag matik, daB in diesem Buch trotz der Pluralitat keine Grundsatzdebatten gefUhrt wer den, sondern je nach Standort und beobachtetem sozialen Segment unterschiedlich ste Autorinnen und Autoren zusammenwirken. Es ist Zeichen von sozialem Engage ment, das aIle hier versammelten Autorinnen eint. Dieses Engagement steht der Seriositat der Argumente und der Analytik nicht im Wege, sondern motiviert eine vielschichtige Realitatsbeschreibung, die Gegenstand des Sammelbandes sein solI. Der Herausgeber dankt den Autorinnen und Autoren fUr die engagierte Kooperation, Gabriele Herrlich und Hatice Kardas fUr die Unterstutzung bei der Fertigstellung der Manuskripte, der Lektorin Ute Holfelder fUr den Scharfblick auf kleine und groBe Vereinheitlichungsnotwendigkeiten und die aufopferungsvolle Arbeit an einer im ProzeBverlauf stetig wachsenden Aufgabe, Katharina Kupper-Schreiber, die die Ba lance ermoglichte, daB trotz der Publikationsarbeit das Projekt seinen lebendigen Verlauf behielt und Stefanie Krug fUr ihre Initiative, Kompetenz und Hartnackigkeit, aus einer Idee ein Buch werden zu lassen. Moers im August 1997 Ulrich Rauter Einleitung Stefanie Krug, Ulrich Rauter "Wenn es das zu meiner Zeit schon gegeben hatte, hatte ich meine Kinder nicht weg gegeben", sagt eine 52jahrige Einzelhandelskauffrau, nennen wir sie Frau Rabe, die Mitte der sechziger Jahre mit einem knapp dreijahrigen S6hnchen, einer sechs Wochen alten Tochter und dem Scherbenhaufen einer gescheiterten Ehe alleine dastand. Frisch geschieden von einem Mann, der sich standhaft weigerte, fUr sie und die beiden Kin der auch nur einen Pfennig zu bezahlen, dabei zu stolz, urn Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen, blieb ihr nicht viel anderes iibrig, als sofort wieder ganztags als Verkauferin in einem Lebensmittelgeschaft arbeiten zu gehen und die Kinder in der Krippe, bei der GroBmutter, notfalls auch mal alleine zu lassen. Staunend und nicht ohne eine Portion Bitterkeit nimmt sie zur Kenntnis, we1che M6glichkeiten der Vereinbarkeit von Familie und Beruf junge Frauen inzwischen haben: Nicht nur, daB Vater sich im Privaten heu te ganz anders urn ihre Kinder kiimmern als vor dreiBig Jahren, auch der Staat hat mit der - zumindest anfangs einkommensunabhangigen - Gewahrung von Erziehungsgeld und vor allem mit drei J ahren ,Erziehungsurlaub' pro Kind Bedingungen geschaffen, die junge Paare bzw. Frauen nicht mehr zwingend vor die Frage stellen, ob sie lieber den Gedanken an ein Kind oder die Karriere an den Nagel hangen wollen. Die Zeiten haben sich geandert. Madchen haben gleichwertige oder sogar besse re Abschliisse als die Jungen. Ob sie neun oder dreizehn Jahre lang zur Schule ge gangen sind, ob sie einen Lehrberuf ergreifen oder erst noch studieren, eines haben fast aile gemeinsam: sie wollen auf jeden Fall erst einmal arbeiten und m6glicherweise trotzdem ein Kind. Trotzdem, das heiBt in dem Fall: sie betrachten ihre Berufstatig keit groBenteils nicht mehr nur als Ubergangsphase bis zur Familiengriindung, die ihnen bei der Geburt des ersten Kindes ihren Platz im Haus zuweist, sondern auch dariiber hinaus als festen Bestandteil ihrer Lebensplanung. Sicher gibt es immer noch etliche Frauen, fiir die sich nicht die Frage stellt, ob sie arbeiten gehen wollen, da sie es - als Allein- oder Zuverdienerinnen, jedenfalls aus finanziellen Griinden - ganz einfach miissen. Vor dem Hintergrund von fast flinf Millionen Arbeitslosen laBt sich leicht ausmalen, daB dies auf viele Frauen nicht im mer noch, son.dern heute wieder verstarkt zutrifft. Und trotzdem ware es falsch, die hohe Erwerbsneigung von Frauen auf finanzielle Motive oder die Problematik der Alleinerziehenden zu reduzieren (und damit zu unterstellen, daB vor aHem diejenigen der Berufstatigkeit einen hohen Stellenwert beimessen, die es besonders ,n6tig haben'). Genauso falsch ware es, die Diskussion urn den Kinder-und Berufswunsch von Frauen auf die Fonnel Kind oder Karriere zusammenzustreichen, denn urn Karriere im Sin ne eines zielgerichteten Strebens nach beruflichem Aufstieg geht es zumeist gar nicht. Tatsachlich erhebt die groBe Mehrheit ganz schlicht den Anspruch darauf, Mutterschaft mit einer befriedigenden Berufstatigkeit verbinden zu wollen. 10 Stefanie Krug I Ulrich Rauter Es gibt viele Griinde, warum Frauen nicht mehr nur Haus- und Familienarbeit verrichten, sondern auch erwerbstatig sein wollen: z.B. ihr hohes Bildungs- und Qualifikationsniveau, die Freude an beruflichen Herausforderungen, die im Vergleich zur hauslichen Umgebung vielfaltigeren sozialen Kontakte in der Arbeitswelt, nicht zuletzt sic her auch das gute Gefiihl, tiber eigenes Geld zu verfiigen. Was sie in der Regel nicht wollen, ist, das gleiche Leben zu fiihren wie noch ein GroBteil ihrer Miitter, d.h. auf Dauer zu Hause zu bleiben und aile anderen als die familiaren Interessen fiir Mann und Kinder aufzugeben; was sie genauso wenig wollen, ist, ein Leben zu fiih ren wie seinerzeit Frau Rabe, die sich als vollerwerbstatige, alleinerziehende Mutter zweier Kinder zeitlebens nicht davon erholt hat, notgedrungen eine, wie sie selbst sagt: "richtige Rabenmutter" gewesen zu sein bzw. in ihrem sozialen Umfeld als solche zu gelten. Und so ist es leicht begreiflich, daB die iiberwaltigende Mehrheit von dem - in dieser Form seit 1992 giiltigen - Recht Gebrauch macht, nach der Geburt eines Kindes zuerst einmal drei Jahre Babypause einzulegen. 95% aller Anspruchsberechtigten, d.h. aller abhangig Beschaftigten (ArbeiterInnen, Angestellte, Beamtlnnen) nutzen den Schonraum der gesetzlichen Erziehungszeit mit Beschaftigungsgarantie (in der das Arbeitsverhaltnis ruht, aber nicht aufgehoben ist), fast 99% davon sind Frauen. Obwohl der ,Erziehungsurlaub' wahl-oder wechselweise von beiden Elternteilen genommen werden k6nnte, es also durchaus vorstellbar ware, daB z.B. im ersten Jahr die Frau, im zweiten der Mann und im dritten wieder die Frau pausiert, hat sich die Zahl der Vater im ,Erziehungsurlaub' zwischen ein und zwei Prozent eingependelt.1 Insofern handelt es sich bei dem vordergriindig geschlechts unspezifischen Thema ,Erziehungsurlaub' sozusagen urn ein verdecktes Frauenthema, das - allein schon deshalb - viele neue Fragen (und auch alte Fragen neu) aufwirft. Beispielsweise fragt sich, wieso der ,Erziehungsurlaub' eigentlich ,Erziehungs urlaub' heiBt. In diesem Zusammenhang von Urlaub zu sprechen, erklart die Deut sche Hausfrauengewerkschaft in einem offenen Brief an Bundesfamilienministerin Claudia Nolte, sei "unertraglich" und klinge wie Hohn. Statt dessen pladiert der Ver band dafiir, fiir den amtlichen Gebrauch den Begriff "Zeit fiir Erziehungsarbeit" ver bindlich vorzuschreiben; schlieBlich komme bei Wehr-oder Zivildienstleistenden ja auch niemand auf die Idee, von "Wehrurlaub" zu sprechen.2 Warum ist der ,Erziehungsurlaub' in Deutschland trotz der Gesetzesanderung so selbstverstandlich ein Frauenthema (und bleibt es offen bar bis auf wei teres auch) - allen Beobachtungen iiber neue Einstellungen von Mannem zu Trotze? Vor allem aber fragt es sich, welche arbeitsmarkt-und sozialpolitischen Auswirkungen es mittel-und langerfristig haben wird, wenn es nahezu ausschlieBlich erwerbstatige Frauen sind, die das Recht auf eine dreijahrige Babypause in Anspruch nehmen. Von 376.317 Erziehungsurlaubsantragen wurden im lahr 1994370.753 yon Frauen und 5564 yon Man nern gestellt. Verglichen mit den VOIjahren ist damit zwar ein leichter Anstieg zu yerzeichnen; mit einer Steigerungsrate yon etwa 0,2% pro lahr und einer Relation yon etwa 98,5% : 1,5% handelt es sich bei diesem Anstieg allerdings kaum urn eine nennenswerte GroBe. Vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Statistisches lahrbuch 1996 fUr die Bundesrepublik Deutschland. Wiesbaden 1996, S. 466. 2 Vg l. Stuttgarter Zeitung yom 02.05.1997. Einleitung 11 Wenn die Statistik also ein fast eindeutiges Bild zeichnet, gibt es dennoch Anknup fungspunkte, die auf Veranderungsprozesse verweisen: Denn nicht nur die Vorstel lungen uber partnerschaftliches Verhalten von Mann und Frau, uber eine angemesse ne Aufteilung von auBerhausIicher Erwerbs- und innerfamilialer Versorgungsarbeit etc. sind in Bewegung geraten; auch in der ArbeitsweIt werden jahrzehntelang tradierte, inzwischen nicht mehr zeitgemaBe Muster der Unternehmens- und Personalpolitik aufgebrochen und durch die Erprobung neuer Managementkonzepte zuruckgedrangt. Die Diskussion urn die Vereinbarkeit von Beruf und Familie fUr Frauen und Man ner spielt hierbei eine wichtige Rolle, da eine konsequente Gleichstellungspolitik zur Sicherung des weiblichen Humankapitals und -potentials mittlerweile immer weni ger allein als soziale Frage zur Forderung der Chancengleichheit verstanden, son dern zunehmend auch unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten als bedeutsamer Wettbewerbsvorteil gesehen wird. Gleichstellungspolitik statt FrauenfOrderung, lautet die Devise einer zukunftsweisenden UnternehmensfUhrung, die erkannt hat, daB es nicht urn die Defizite weiblicher Beschaftigter oder urn FrauenfOrderung als eine Art "Entwicklungshilfe fUr Minderbemittelte" gehen kann, sondern daB die gesamte Un ternehmenspolitik, insbesondere auch die Personalentwicklung, revisionsbedurftig ist. 3 Allerdings: Nicht anders als im Privaten gibt es auch in der Arbeitswelt Gegen bewegungen, die den ProzeB des wirtschaftlichen und sozialen Wandels behindern und aufhalten. Fur FrauenfOrderung sei in schwierigen Zeiten einfach kein Geld da, heiBt es heute auch und gerade von soIchen Unternehmen, die noch in den achtziger Jah ren als Pioniere galten, inzwischen aber ihre MaBnahmen zur Vereinbarkeit von Be ruf und Familie auf immer langere Freistellungsangebote in Form von erweiterten ,Elternurlaubsregelungen' zusammengeschmolzen haben. Doch mit Freistellung al lein ist es nicht getan, da sie erfahrungsgemaB nicht die Vereinbarkeit von Berufs-und Familienarbeit, sondern den Ruckzug von Frauen aus der Arbeitswelt befOrdert. Dies mag im Zuge des allgemeinen Stellenabbaus und als kurzfristige Losung durchaus einleuchtend erscheinen; glaubt man den Prognosen uber okonomische Entwicklung der nachsten Jahrzehnte, wird sich die Wirtschaft den Verzicht auf die Ressourcen von gut ausgebildeten weiblichen Beschiiftigten allerdings kaum leisten konnen. Uberle gungen, die sowohl den betrieblichen Interessen einer effizienten PersonalpoIitik - und das heiBt auch: der Nutzung des spezifisch weiblichen Humankapitals - als auch den Interessen von Familienfrauen dienlich sein sollen, mussen folglich in eine an dere Richtung gehen. Kurzfristig allerdings ist der Arbeitsmarkt heute vielerorts nicht am Ziel einer langfristigen Personalrekrutierung orientiert, und so zahlt der ,Erzie hungsurlaub' aus betrieblichen Grunden heute auch unter dem Gesichtspunkt einer Entlastung von Personalkosten. In der Vergangenheit wurde die Auseinandersetzung mit dem Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie vor allem als Sache der sozialwissenschaftlich orientierten 3 Vg l. Krell, Gertraude: Von der Entwicklungshilfe zum Erfolgsfaktor. In: Bildungswerk der hessischen Wirtschaft e.v. (Hrsg.): Trojaner. Forum flir Lemen, 1,2/1997, Frankfurt/M., S. 15-17, hier S. 15.

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