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Berufswahl und Bewährung: Fallrekonstruktionen zu den Motivlagen von Studierenden der Sozialen Arbeit PDF

253 Pages·2012·1.459 MB·German
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Berufswahl und Bewährung Silke Müller-Hermann Berufswahl und Bewährung Fallrekonstruktionen zu den Motiv- lagen von Studierenden der Sozialen Arbeit RESEARCH Silke Müller-Hermann Basel, Schweiz Zugleich Inauguraldissertation zur Erlangung des Grades eines Doktors der Philosophie im Fachbereich Gesellschaft swissenschaft en der Johann-Wolfgang- Goethe-Universität zu Frankfurt am Main, 2012. D 30 ISBN 978-3-531-18379-4 ISBN 978-3-531-94155-4 (eBook) DOI 10.1007/978-3-531-94155-4 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National- bibliografi e; detaillierte bibliografi sche Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufb ar. Springer VS © VS Verlag für Sozialwissenschaft en | Springer Fachmedien Wiesbaden 2012 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zu- stimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Über- setzungen, Mikroverfi lmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürft en. Einbandentwurf: KünkelLopka GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Springer VS ist eine Marke von Springer DE. Springer DE ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media www.springer-vs.de Inhalt 1 Einleitung ..................................................................................................... 9 2 Die Soziale Arbeit als Berufsfeld ............................................................. 11 2.1 Die Berufsgeschichte 11 2.2 Charakterisierungen der Sozialen Arbeit aus professionstheoretischer Perspektive .................................................. 17 2.3 Fazit und weiterführende Hypothesen................................................. 21 3 Das Erkenntnisinteresse der Untersuchung ........................................... 25 3.1 Explikation der Forschungsfrage ........................................................ 25 3.2 Der Forschungsstand ........................................................................... 26 3.3 Fazit .................................................................................................... 32 4 Eigener Ansatz .......................................................................................... 35 4.1 Hypothetische Konstruktion unterschiedlicher Motivlagen ................ 35 4.1.1 Eine neurotische Disposition, die mit den Anforderungen der Berufspraxis harmoniert ................................................... 37 4.1.2 Ethische Überzeugungen als mögliche Grundlage der Studienfach- beziehungsweise Berufswahl ............................ 38 4.1.3 Eine altruistische Grundhaltung als Basis der Entscheidung für die Soziale Arbeit .............................................................. 40 4.1.4 Andere Gründe, aus denen die Soziale Arbeit attraktiv erscheint .................................................................................. 42 4.1.5 Fazit ........................................................................................ 43 4.2 Soziale Arbeit als Möglichkeit der Bewährung? ................................. 44 4.2.1 Oevermanns Strukturmodell von Religiosität ......................... 44 4.2.2 Anschlussüberlegungen und Ausweitung der Fragestellung .. 47 5 Darlegungen der verwendeten Methode und Angaben zu dem der Analyse zugrundeliegenden Datenmaterial ............................................ 51 6 Die Fallanalysen ........................................................................................ 55 6.1 Der Fall Thomas Lucente .................................................................... 55 6.1.1 Lebenslauf und Motivationsdarlegung ................................... 56 6.1.2 Interviews aus dem Studienverlauf ......................................... 74 6.1.3 Zusammenfassung .................................................................. 92 6.2 Der Fall Regula Baumann ................................................................... 95 6.2.1 Biographische Daten ............................................................... 95 6.2.2 Lebenslauf und Motivationsdarlegung ................................... 98 6.2.3 Interviews aus dem Studienverlauf ....................................... 112 6.2.4 Zusammenfassung ................................................................ 118 6.3 Der Fall Pawel Borowski .................................................................. 120 6.3.1 Biographische Daten ............................................................. 121 6.3.2 Interview im ersten Studiensemester .................................... 128 6.3.3 Die Motivationsdarlegung .................................................... 139 6.3.4 Weitere Interviews aus dem Studienverlauf ......................... 141 6.3.5 Zusammenfassung ................................................................ 145 6.4 Der Fall Eva Brilleaux ...................................................................... 146 6.4.1 Interview im ersten Studiensemester .................................... 147 6.4.2 Interview im fünften Studiensemester .................................. 159 6.4.3 Auszüge aus zwei Leistungsnachweisen .............................. 162 6.4.4 Zusammenfassung ................................................................ 166 6.5 Der Fall Martin Linke ....................................................................... 169 6.5.1 Biographische Daten ............................................................. 169 6.5.2 Ausgewählte Interviewsequenzen ........................................ 172 6.5.3 Zusammenfassung ................................................................ 197 7 Ergebnis der Fallanalysen: Welche Motivlagen lassen sich nachweisen? ............................................................................................. 203 8 Rückbezug der Untersuchungsergebnisse auf die Ausgangsüberlegungen ........................................................................... 211 8.1 Hoher Anspruch vs. niedriges Einkommen und geringes Prestige .............................................................................................. 211 8.2 Kontrastierung der Ergebnisse mit den hypothetischen Motivlagen ........................................................................................ 212 9 Die Soziale Arbeit als Bewährungsfeld ................................................. 217 9.1 Regula Baumann – „Einander helfen und anleiten“ .......................... 217 9.2 Pawel Borowski – „In Bescheidenheit helfen und Leid lindern“ ...... 218 9.3 Thomas Lucente – „Im Dienste der Gerechtigkeit Benachteiligten helfen“ ............................................................................................... 220 9.4 Martin Linke – „Kreativität und Qualität“ ........................................ 221 6 9.5 Frau Brilleaux – „Aufmerksamkeit erregen, Anerkennung und Wertschätzung finden“ ...................................................................... 222 9.6 Fazit und Anschluss an die religionssoziologische Theoriebildung .................................................................................. 224 10 Die rekonstruierten Motivstrukturen im Lichte professioneller Standards und des Konzeptes eines professionellen Habitus der Sozialen Arbeit ........................................................................................ 227 10.1 Vorbemerkungen ............................................................................... 227 10.2 Die Beurteilungsfolie: Das Konzept eines professionellen Habitus der Sozialen Arbeit ........................................................................... 228 10.3 Beurteilung der rekonstruierten Motivlagen ..................................... 231 10.3.1 Thomas Lucente: Gerechtigkeit als Studienmotiv und Zentralwert der Sozialen Arbeit und das Problem von Hilfe und Kontrolle ............................................................... 231 10.3.2 Regula Baumann: Die Unterstützung von Bildungsprozessen und das Problem der Eingrenzung der eigenen Zuständigkeit ..................................................... 235 10.3.3 Pawel Borowski: Diagnostische Kompetenz, Orientierung am Einzelfall und ein Konflikt zwischen professionellen Standards und institutionellen Vorschriften ......................... 237 10.3.4 Eva Brilleaux: Befriedigung eigener Bedürfnisse und das Problem der Differenzierung von diffusen und spezifischen Beziehungsanteilen in der Berufspraxis ........... 238 10.3.5 Martin Linke: Beförderung von Bildungsprozessen und persönliche Authentizität ............................................... 240 10.4 Folgerungen ...................................................................................... 242 11 Hypothese im Anschluss an die Analyse des Datenmaterials: Eine Disposition für Krisen bearbeitende Berufe? ....................................... 245 12 Zusammenfassung und Ausblick ........................................................... 247 12.1 Zusammenfassung der zentralen Untersuchungsergebnisse ............. 247 12.2 Ausblick und Forschungsbedarf ........................................................ 251 Literatur ....................................................................................................... 255 7 1 Einleitung In der vorliegenden Arbeit möchte ich den Versuch unternehmen, die Frage der Attraktivität des Berufsfeldes der Sozialen Arbeit empirisch zu beantworten. Dieses Vorhaben setzt voraus, dass die Entscheidung für den Beruf der Sozialar- beiterin oder des Sozialpädagogen als erklärungsbedürftig betrachtet wird. Tat- sächlich stellt diese Einschätzung den Ausgangspunkt der Studie dar. Die Erklä- rungsbedürftigkeit ergibt sich, so die hier vertretene Argumentationslinie, aus der Kombination von einerseits sehr hohen Anforderungen, mit denen die Fachkräfte in Ausbildung und Praxis konfrontiert sind, und einem relativ niedrigen Ein- kommen und Prestige andererseits. Im folgenden zweiten Kapitel wird die Soziale Arbeit zunächst auf ver- schiedenen Ebenen als Berufsfeld beleuchtet. Im Anschluss an einen kurzen Überblick über die Berufsgeschichte in Deutschland und der Schweiz, den bei- den Länder, aus denen die in dieser Studie analysierten Fälle stammen, erfolgt eine Charakterisierung der Sozialen Arbeit aus einer professionstheoretischen Perspektive. Es wird aufgezeigt, dass die sozialarbeiterische und sozialpädagogi- sche Berufspraxis durch Handlungsanforderungen gekennzeichnet ist, die aus verschiedenen Gründen als sehr anspruchsvoll bezeichnet werden können und strukturell mit denen der klassischen Professionen vergleichbar sind. Im dritten Kapitel wird das Erkenntnisinteresse der Untersuchung erläutert und der diesbezügliche Forschungsstand referiert. Das vierte Kapitel dient der Darlegung des eigenen Ansatzes. Hypothetisch werden verschiedene Motivlagen konstruiert, die der Entscheidung für die Sozia- le Arbeit zugrunde liegen könnten. Ebenfalls wird die aus religionssoziologi- scher Perspektive interessierende Frage eines möglichen Zusammenhanges von Beruf und Bewährung aufgeworfen und unter Bezugnahme auf Oevermanns Strukturmodell von Religiosität diskutiert. Im Rahmen der hieran anschliessen- den weiterführenden Überlegungen, wird die Soziale Arbeit als mögliches Be- währungsfeld in Betracht gezogen. Der Darlegung des methodischen Vorgehens, sowie des der Untersuchung zugrundeliegenden Datenmaterials im fünften Kapitel, folgen fünf Fallanalysen im sechsten Kapitel. Bei den Fällen handelt es sich um Studierende und Absol- venten eines Fachhochschulstudienganges der Sozialen Arbeit (Sozialarbeit und Sozialpädagogik) in der deutschsprachigen Schweiz und Deutschland. Das Da- S. Müller-Hermann, Berufswahl und Bewährung, DOI 10.1007/978-3-531-94155-4_1, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden 2012 tenmaterial zu vier der fünf Fälle wurde überwiegend im Rahmen einer früheren Studie erhoben, in deren Zentrum die Rekonstruktion studienbegleitender Bil- dungsverläufe von Studierenden der Sozialen Arbeit stand (Becker-Lenz/Müller 2009a). Untersucht wurde insbesondere die Wirkung des Studiums auf der Ebene des Habitus. Der entsprechende Forschungsbericht enthält Analysen zu zwei der hier vertretenen Fälle („Thomas Lucente“ und „Eva Brilleaux“). Diese werden in der vorliegenden Untersuchung in überarbeiteter Form und mit dem Fokus der Studien- und Berufsmotivation dargestellt. Die Ergebnisse aller fünf Fallanalysen werden im siebten Kapitel zusam- mengefasst und die rekonstruierten Motivlagen werden miteinander kontrastiert. Das achte Kapitel dient dazu, die gewonnen Erkenntnisse auf die Aus- gangsüberlegungen und die im Vorfeld der empirischen Untersuchung gebilde- ten Hypothesen rückzubeziehen. Die Fragen, inwiefern die Soziale Arbeit individuell als Bewährungsfeld fungiert und unter welchen Bedingungen sie sich hierfür eignet, sollen, auf der Grundlage der in den untersuchten Fällen nachweisbaren Bewährungsmythen, im neunten Kapitel beantwortet werden. Im Anschluss wird ein Vorschlag zu der Einbettung der Ergebnisse in die religionssoziologische Theoriebildung formu- liert. Auf der Folie des idealtypischen Konzeptes eines professionellen Habitus der Sozialen Arbeit, das im Rahmen der genannten Untersuchung von Roland Becker-Lenz und der Verfasserin gemeinsam entwickelt wurde, soll im zehnten Kapitel die Angemessenheit der rekonstruierten Motivlagen in Bezug auf die Anforderungen der Berufspraxis beurteilt werden. Die Hypothese, dass es eine Disposition für Krisen bearbeitende Berufe gibt, wird im elften Kapitel beleuchtet. Im abschließenden zwölften Kapitel werden die zentralen Untersuchungser- gebnisse zusammengefasst, weiterführende Fragestellungen formuliert und der im Rahmen der Untersuchung identifizierte Forschungsbedarf kenntlich ge- macht. 10 2 Die Soziale Arbeit als Berufsfeld 2.1 Die Berufsgeschichte In den letzten Jahren hat sich im deutschen Sprachraum die Bezeichnung Soziale Arbeit als Oberbegriff für die beiden Berufsfelder der Sozialarbeit und der Sozi- alpädagogik insbesondere auf Fachhochschulebene durchgesetzt. Geht man nun der Berufsgeschichte der Sozialen Arbeit nach, werden unterschiedliche Ent- wicklungslinien sichtbar, welche der historischen Herausdifferenzierung sozial- arbeiterischer und sozialpädagogischer Tätigkeiten entsprechen. Im Folgenden möchte ich einen kurzen Überblick über wichtige Etappen in der Entwicklung der Sozialen Arbeit in Deutschland und in der Schweiz bis heute geben.1 Die Wurzeln der beruflichen Sozialen Arbeit in Deutschland können in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts identifiziert werden. Mit der fortschreiten- den Industrialisierung vollzogen sich in dieser Zeit tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen. Den sich neu konstituierenden sozialen Tätigkeiten kam die Aufgabe zu, den Menschen Unterstützung und Hilfe in Bezug auf die Bewälti- gung der modernen Lebensführung und der mit ihr verbundenen Schwierigkeiten und Risiken zu leisten. Mit dem Anstieg der abhängigen Erwerbstätigkeit und der zunehmenden Mobilität transformierte sich die Art und Weise der Sicherung des Lebensunterhaltes. Traditionelle Quellen der Absicherung in individuellen Notlagen, wie die Familie oder die Dorfgemeinschaft, konnten diese Funktion zunehmend weniger erfüllen und neue soziale Problemlagen traten in Erschei- nung. Insbesondere die Armut weitete sich von einem Problem einzelner Indivi- duen und Gruppen zur Massenarmut aus. Dieser Wandel machte politische Re- formen notwendig. Da sich die bis dato verfolgten Repressionsstrategien der staatlichen Armenpflege angesichts der neuen Herausforderungen als unzu- reichend erwiesen, wurde dem Armutsproblem nun mit individuell ausgerichte- ten Hilfen und Erziehung begegnet. Mit der sich etablierenden Einzelfallorientie- rung verband sich eine Sichtweise, in der der persönlichen Beziehung zwischen der Hilfe leistenden und der Hilfe empfangenden Person eine große Bedeutung beigemessen wurde. Eine Vorreiterrolle in Bezug auf diese Form der Armen- 1 Für eine ausführliche Darstellung der Berufsgeschichte vgl. z. B. Wendt 1995, He- ring/Münchmeier 2007. S. Müller-Hermann, Berufswahl und Bewährung, DOI 10.1007/978-3-531-94155-4_2, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden 2012

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