Vita Mathematica Band 10 Herausgegeben von Emil A. Fellmann BERNHARD RIEMANN (1826-1866) Bernhard Riemann 1826-1866 Wendepunkte in der Auffassung der Mathematik Detlef Laugwitz 1996 Birkhauser Verlag Basel· Boston· Berlin Der Autor Professor Dr. Detlef Laugwitz Technische Hochschule, FE Mathematik Schlossgartenstrasse 7 D-64289 Damlstadt e-mail: [email protected] Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Laugwitz, Detlef: Bernhard Riemann: 1826 1866; Wendepunkt in der Auffassung der Mathematik / Detlef Laugwitz. - Basel; Boston; Berlin: Birkhauser, 1996 (Vita mathematica ; Bd. 10) ISBN -13 97R-3-0348-9854-6 e-ISBN -13: 97R-3-0348-8983-4 001 lOJ007/97R-3-0348-8983-4 NE:GT Dieses Werk ist urheberrechtlich geschiitzt. Die dadurch begriindeten Rechte, insbeson dere die der Ubersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfiiltigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfiiltigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmun gen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulassig. Sie ist grundsatz lich vergiitungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts. © 1996 Birkhauser Verlag, Postfach 133, CH-4010 Basel, Schweiz Softcover reprint of the hardcover 1st edition 1996 Gedruckt auf saurefreiem Papier, hergestellt aus chlorfrei gebleichtem Zellstoff. TCF 00 Layout Inhalt (TEX): Heinz-Dieter Ecker, Bonn ISBN -13 978-3-0348-9854-6 987654321 Inhaltsverzeichnis Hinweise fUr den Leser 9 Vorwort 11 0 Einleitung 13 0.1 BERNHARD RIEMANN in seiner Zeit 13 0.1.1 Zum Verlauf des Lebens und zur Entwicklung der Personlichkeit 13 0.1.2 Zur politischen und wirtschaftlichen Situation 15 0.1.3 Erziehung und Bildung 17 0.1.4 Zu RIEMANNS Heimat 21 0.1.5 Gottingen und Berlin als Studienorte 29 0.1.6 Professor ordinarius 1859-1866 34 0.2 Die Goldenen Fiinfziger Jahre in Gottingen: von GAUSS und DIRICHLET zu RIEMANN und DEDEKIND 36 0.2.1 RIEMANN und DEDEKIND: Personliche Umstande 36 0.2.2 Hin zum Wandel in der Mathematik 43 0.2.3 Momentaufnahmen eines englischen Beobachters 47 0.3 Wirkungen in den letzten Jahren: RIEMANN zwischen Deutschland und Italien 50 0.4 Konkurrierende Auffassungen der Analyis vor RIEMANN 55 0.4.1 RIEMANN in der historischen Entwicklung der Analysis: Ein Uberblick 55 0.4.2 Algebraische Analysis 57 0.4.3 Die Infinitesimalanalysis 63 0.4.4 Geometrische Uberlegungen: FOURIER 65 0.4.5 Die Grenzwertauffassung: NEWTON 67 0.4.6 Hin zur Epsilontik: CAUCHY und DIRICHLET 68 1 Komplexe Analysis 75 1.1 Die Genese der komplexen Analysis bis zur Zeit RIEMANNS 75 1.1.1 Vorbemerkungen 75 1.1.2 Die komplexen Zahlen 76 1.1.3 Komplexe Funktionen und ihre Ableitungen 79 1.1.4 Integration 84 6 BERNHARD RIEMANN 1.1.5 Potenzreihen 87 1.1.6 Weitere Anwendungen 95 1.1.7 Mehrweltige Funktionen und RIEMANNsehe Flaehen 98 1.1.8 Doppeltperiodisehe Funktionen 102 1.2 Die Dissertation von 1851 107 1.2.1 RIEMANNS Sieht von den Motiven fUr die Arbeit: Del' Artikel 20 del' Dissertation, Teil 1 107 1.2.2 Del' Inhalt der Dissertation, eine Kurzfassung 108 1.2.3 RIEMANNS Zusammenfassung del' Dissertation und das Programm: Artikel 20, zweiter Teil und Artikel 22 1I0 1.2.4 Zur Vorgesehichte der Dissertation 114 1.2.5 Die Wirkung del' Dissertation 124 1.3 Die Ausgestaltungen 130 1.3.1 Gewohnliche Differentialgleichungen 130 1.3.2 Die Entstehung del' Topologie aus del' Analysis 136 1.3.3 Das ABELsche Theorem 138 1.3.4 Die algebraischen Kurven 145 1.3.5 Minimalflaehen 147 1.3.6 Studenten bei RIEMANN und ihre Notizen zur Funktionentheorie 149 1.3.7 Spatere Einschatzungen 152 1.3.8 DEDEKIND und die Algebraisierung del' Funktionentheorie 156 1.4 Die Zetafunktion und die Primzahlverteilung 164 1.4.1 Vorbemerkungen 164 1.4.2 Ein Zugang 165 1.4.3 Die Funktionalgleichung 171 1.4.4 RIEMANNS explizite Formel fUr die Primzahlfunktion 175 1.4.5 Die Nullstellen und die RIEMANNsche Vermutung 177 1.4.6 Der Nachlass 179 1.4.7 Die Einschatzungen 180 2 Reelle Analysis 183 2.1 Grundlagen del' reellen Analysis 183 2.1.1 Der Integralbegriff 183 2.1.2 Die «Strenge» in der Analysis 187 2.1.3 Der neue Status del' Einzelfalle: Beispiele und Gegenbeispiele 189 2.2 Trigonometrische Reihen vor RIEMANN 192 2.2.1 Vorbemerkungen 192 2.2.2 Von EULER bis FOURIER 194 2.2.3 Zur Entwicklung der Funktionsauffassungen 198 2.2A Von FOURIER zu DIRICHLET 200 Inhaltsverzeichnis 7 2.3 RrEMANNs Ergebnisse 206 2.3.1 Anwendung des Integralbegriffs auf die FOURIER-Koeffizienten 206 2.3.2 RIEMANNS assoziierte Funktion F (x) 207 2.4 Trigonometrische Reihen nach RIEMANN 210 2.4.1 Von den trigonometrischen Reihen zur Mengenlehre 210 2.4.2 Zur weiteren Entwicklung der trigonometrischen Reihen: tiber die Arithmetisierung der Funktionen hin zu ihrer Verselbstandigung in der Funktionalanalysis 212 2.5 Ein Kapitel fUr sich: GAUSS, RIEMANN und die Gottinger Atmosphare 214 3 Geometrie, Physik, Philosophie 219 3.1 Geometrie 223 3.1.1 Von EUKLID zu DESCARTES und zur «nichteuklidischen» Geometrie 223 3.1.2 Die Flachentheorie von GAUSS (1827) 225 3.1.3 Die n-fach ausgedehnte Mannigfaltigkeit 229 3.1.4 Die Massbestimmungen 232 3.1.5 Die Krtimmung 234 3.1.6 Wirkungen in Geometrie und Physik in den ersten 50 lahren nach RIEMANN 236 3.1.7 Die algorithmischen Entwicklungen 239 3.1.8 Der Einfluss von FELIX KLEIN 244 3.1.9 DEDEKIND: Analytische Untersuchungen zu BERNHARD RIEMANNS Abhandlung tiber die Hypothesen, welche der Geometrie zu Grunde liegen 250 3.2 Physik 251 3.2.1 Das Interesse an der Physik 251 3.2.2 Physik als Feldtheorie 253 3.2.3 Mathematische Methoden ftir die Physik 259 3.2.4 RIEMANNS Elektrodynamik aus der Sicht der Physiker 263 3.2.5 Die RIEMANNSche Geometrie in der Physik des 20. lahrhunderts: EINSTEIN und WEYL 266 3.3 Zur Philosophie 271 3.3.1 Vorbemerkungen 271 3.3.2 Zur geistigen Atmosphare 1853/54: Der Materialismusstreit 273 3.3.3 Neue mathematische Prinzipien der Naturphilosophie 275 3.3.4 Die Rolle der Philosophie HERBARTS 281 4 Wendepunkte in der Auffassung der Mathematik 285 4.1 Die Suche der Historiker nach Revolutionen in der Mathematik 285 8 BERNHARD RIEMANN 4.2 Der Wendepunkt in der Auffassung des Unendlichen in der Mathematik 288 4.3 Wendepunkt der Methode: Denken statt Rechnen 293 4.4 Der Wendepunkt in der Ontologie: Mathematik als Denken in Begriffen 296 4.4.1 Allgemeine Begriffe und ihre Bestimmungsweisen 296 4.4.2 Der Prim at des Kontinuums gegentiber dem Diskretum in RIEMANNS Mathematik 298 4.4.3 RIEMANNS Mannigfaltigkeitsbegliff in der philosophischen Tradition 299 4.4.4 Denken in mathematischen Begriffen vor RIEMANN 301 4.5 Ontologie und Methodologie der Mathematik in der Zeit nach RIEMANN 303 4.5.1 Der Primat der Zahl bei DEDEKIND 303 4.5.2 Von der Arithmetisierung zur Axiomatisierung: HILBERT 1897/1899 307 4.5.3 Die Rolle GEORG CANTORS 311 4.5.4 Die Berliner Tradition 314 4.6 Schlussbemerkungen 317 Literaturverzeichnis 329 Namenverzeichnis 335 Abbildungsverzeichnis 345 Hinweise fur den Leser Viele der wichtigsten Quellen sind in dem von R. NARASIMHAN 1990 her ausgegebenen Band zusammengestellt, der hier mit N. und Seitenzahl zi tiert wird. (Man vergleiche das Literaturverzeichnis.) Ich empfehle dem Leser, diesen Band bei der Lekttire nach Moglichkeit greifbar zu haben. Er enthalt auch einen Wiederabdruck der 1892 erschienenen 2. Auflage der RIEMANNSchen Werke unter Erhalt der Originalpaginierung; diese Auflage wird mit W. und Seitenzahl zitiert. Auf die 1. Auflage der Werke von 1876 habe ich nicht verwiesen; sie ist nur schwer zu finden. 1m Ubrigen habe ich mich im Literaturverzeichnis auf solche Schriften beschrankt, welche im Text mehrfach angezogen werden. Nur gelegent lich verwendete Quellen und weiterfUhrende Literatur zu Teilgebieten sind im Haupttext zitiert. Umfangreiche Bibliographien von W. PURKERT und E. NEUENSCHWANDER finden sich in N. 869-910. Von einer weiteren Bi bliographie, welche E. NEUENSCHWANDER vorbereitet, habe ich dankens werterweise gelegentlich profitieren dUrfen. Bei Zitaten ist in der Regel die Olthographie der Originaltexte beibe halten worden. 1m Text wird das Journal fUr die reine und angewandte Mathematik zumeist wie Ublich kurz mit Crelle angegeben. Vorwort Gerade bei Riemann, der an gedallklicher Durchdringullg mathematischer Pro bleme Ilicht Seinesgleichen hat, lohm es sicA der zugrullde liegellden einheit lichen Konzeptioll nach;:uspiiren. H. WEYL (1925) Dic Entartung der Mathematik bcgalln mit dell /deen von Riemann, Dedekind und Calltor, durch die der solide Geist von Euler, Lagrangc und Gauss mehr und mehr zuriickgedrangt wurde. C. L. SIEGEL (1959) One of the most prr~foul1d and imaginative mathematicians of all timc, he had a strong inclination to philosophy, indeed, was a great philosopher. H. FREU DENTHAL (1975) No OIlC person is capable of a full analysis of Riemann's work, its history, its del'elopment and its influence on current mathematics. R. NARASIMHAN (1990) [QueJlen: WEYL 1988, 1; Brief von SIEGEL an A. WElL, freundliche Mitteilung von R. REMMERT (auch: DMV Mitteilungen 1993-4, 17); FREUDENTHAL 1975,448; N. 2.] Die Idee zu einem Buch tiber RIEMANN fUr die Reihe Vita mathematica ging von E. FELLMANN vor genau zehn lahren aus, und zwar im Anschluss an ein LEIBNlz-Kolloquium in Noordwijkerhout. Ich hatte an einem Abend mit Hans Freudenthal tiber Probleme der Mathematikhistoriographie diskutiert, und er hatte mir mit grosser Begeisterung von der Begliickung erzahlt, die er beim Abfassen von Biographien empfunden habe, besonders bei denjeni gen, die er tiber CAUCHY und tiber RIEMANN ftir das Dictionary of Scientific Biography geschrieben hatte. Die Atmosphare des Treffens, von Philoso phie und Mathematik und ihrer Geschichte gleichermassen gepragt, liess es nicht ganz aussichtslos erscheinen, eine Annaherung an RIEMANNS einheit liche Konzeptionen zu versuchen. Wohl bei keinem anderen Forscher nach LEIBNIZ findet man die Tendenz so ausgepragt, Mathematik und Physik aus philosophischer Begrifflichkeit neu zu durchdringen LUld weiterzufUhren. Mehr als ein Essay, in dem Vorhandenes zusammengestellt und fUr weite re Arbeit der Boden bereitet wird, konnte von vornherein nicht angestrebt werden. Enllutigende Hilfe kam aus den Darstellungen von WEYL und FREUDENTHAL und neueren Forschungen besonders von U. BOTTAZZINI, 1. GRAY, E. SCHOLZ und dann aus R. NARASIMHANS Vorwort zu N. Aus dem gesteckten Ziel und auch aus den Grenzen der eigenen Mog lichkeiten ergaben sich manche Beschrankungen. Details der Mathematik RIEMANNS habe ich auslassen konnen, wenn sie mir fUr das Verstand nis der Gesamtkonzeption entbehrlich schienen. So wird der Mathemati ker hier manches vermissen, was ihm gerade fUr seine eigene Arbeit aus RIEMANNS Werk bedeutend sein mag. Auch zur Biographie und Zeitge schichte war eine Orientierung am Ziel erforderlich. Die Auswahl fiel um so leichter, als R. DEDEKINDS RIEMANN-Biographie von 1876 immer noch