REGINE IGEL BERLUSCONI EINE ITALIENISCHE KARRIERE Bildquellen: Olympia, Mailand (Bildseite 4, unten; Bildseiten 6 und 7) Archiv der Autorin (Bildseite 8) Die restlichen Fotos wurden von der Fininvest zur Verfügung gestellt. Originalausgabe 1990 by Verlagsunion Erich Pabel - Arthur Moewig KG, Rastatt Alle Rechte vorbehalten Textbearbeitung: Petra Raszkowski Umschlagfoto: Fininvest Gesetzt aus der Aldus-Buchschrift bei Utesch Satztechnik GmbH, Mamburg Druck und Bindung: Ebner Ulm Printed in Germany 1990 ISBN 3-8118-1155-X Inhaltsverzeichnis Einführung 9 ERSTES KAPITEL Italienische Verhältnisse 13 ZWEITES KAPITEL Kindheit und Jugend - (k)ein ganz normaler Junge 23 DRITTES KAPITEL Steile Karriere: Als Bauunternehmer in Mailand 31 VIERTES KAPITEL Vom Stadtteilsender zum nationalen Network 53 FÜNFTES KAPITEL Siegeszug des Spaghetti-Fernsehens 85 SECHSTES KAPITEL Werbung, Werbung über alles! 131 SIEBTES KAPITEL Über Italiens Grenzen hinaus 163 ACHTES KAPITEL Das Geschäft mit dem Sport: Präsident des AC Mailand 185 NEUNTES KAPITEL Der Ätherkrieg 197 ZEHNTES KAPITEL Die magische Formel der Synergie: Auch die Supermärkte werden geschluckt 215 ELFTES KAPITEL Das Kapitalistenduell um Mondadori 225 ZWÖLFTES KAPITEL Die italienische Verknüpfung von Massenmedien und Industrie 241 DREIZEHNTES KAPITEL Das Mediengesetz - eine Posse ohne Ende 251 VIERZEHNTES KAPITEL Berlusconis Unternehmensphilosophie 263 FÜNFZEHNTES KAPITEL Die Bilanz eines Jahrzehnts: Das Imperium Fininvest 275 SECHZEHNTES KAPITEL Kulturwandel durch Berlusconis TV-Paradies 279 ANHANG Anmerkungen 289 Zeittafel 300 Bibliographie 302 Einführung Silvio Berlusconi, Medienzar und einer der größten Unter- nehmer Italiens, wird allmählich auch in Deutschland einem immer breiteren Publikum bekannt. Nicht nur, weil er hier einen privaten Fernsehsender besitzt - Tele 5 -, sondern auch, weil er mit seiner beispiellosen Karriere als Selfmade- man zum reichsten Mann Italiens geworden ist und damit ganz Europa auf sich aufmerksam macht. Dieser kometen- haft aufgestiegene Medienunternehmer hat durch seine In- novationen im Fernsehbereich die italienische Medienland- schaft von Grund auf umgekrempelt. Durch ihn hat sich das Kommerzfernsehen mit seinem Motor Werbung zum pro- fitabelsten Bereich der Wirtschaft entwickelt. Auch in Ita- lien bleibt die Medienlandschaft in stürmischer Bewegung, vor allem das Fernsehen verstärkt weiterhin seinen Einfluß auf den Alltag aller. Der Untertitel des vorliegenden Buches - „Eine italieni- sche Karriere" - soll die Stoßrichtung ankündigen: Die Karriere Silvio Berlusconis vom Mailänder Bauunterneh- mer in den sechziger und siebziger Jahren zum auch inter- national immer mächtiger werdenden Medientycoon ist durch und durch geprägt von der jüngsten Geschichte und politischen Kultur Italiens. Der Aufstieg dieses wohl krea- tivsten und aktivsten Unternehmers in Europa hätte in 9 keinem anderen europäischen Land so rasch und komplika- tionslos vonstatten gehen können. Die italienischen Ver- hältnisse setzen der Kreativität und Agilität eines Unter- nehmers kaum Grenzen: Die permanente Umgehung ge- setzlicher Bestimmungen ist hier keine Ausnahme, sondern der Kegelfall. Es gibt in Italien noch kein Anti-Trust-Gesetz zur Ver- meidung einer marktbeherrschenden Wirtschaftskonzen- tration. Dementsprechend fehlte über Jahre hinweg auch ein Mediengesetz, welches hätte verhindern können, daß nur einige wenige Industrielle und vor allem das große Medienunternehmen Berlusconis den politisch so bedeutsa- men Bereich der Massenmedien beherrschen. Diesen in unserem Land durch Kartellgesetze beschnittenen Frei- heiten stehen in der Heimat Silvio Berlusconis jedoch auch Unfreiheiten gegenüber, die bei uns fast unbekannt sind. Eine italienische Unternehmerkarriere sitzt fest in den Schlingen der Politik, baut sich auf Empfehlungen, Protek- tion, Korruption und Patronage auf. Wer keine Freunde bei einer der in der Regierung vertretenen großen Parteien findet, wird es nicht weit bringen. Silvio Berlusconi ist vor allem deshalb so groß und stark geworden, weil er über seine politischen Verbündeten die Verabschiedung eines Medien- gesetzes lange Zeit hat verhindern können. Von 1976 an konnte sich das Kommerzfernsehen ungezü- gelt und ohne jegliche Regeln ausbreiten. Mit fast tausend Privatsendern ist in Italien ein Drittel aller Fernsehsender der Welt konzentriert. Kommt in den USA ein Privatsender auf 400000 Einwohner, in Japan auf 1,2 Millionen, so sind es in Italien 60000 Einwohner. Doch ein Wettbewerb durch freie Konkurrenz, der vielen Sendern die Möglichkeit gegeben hätte, groß zu werden, ist durch die im Laufe der achtziger Jahre den Markt immer mehr beherrschende Stellung Ber- lusconis in den Funkmedien erstickt worden. 10 Wäre das Fernsehen heute der Spiegel der italienischen Gesellschaft, so gäbe es in Italien keine auf viele Jahrhun- derte zurückgreifenden kulturellen Traditionen, keine Ma- lerei, keine Musik oder Literatur und kein Theater der Gegenwart. Auf der Mattscheibe zeigt sich eines der kultur- trächtigsten Länder der Welt auf Busen, Po und Shovvspek- takel um Waschmittel und Seife reduziert. Silvio Berlusconi hat nicht nur das Freizeitverhalten der Italiener und die gesamte Werbebranche von Grund auf umgemodelt, mit dem Kauf des Fußballvereins AG Mailand und dem Erwerb der größten Supermarktkette des Landes ist er in andere Wirtschaftssparten eingedrungen und hat auch diese Unternehmen zu sicheren Erfolgsbilanzen ge- führt. Silvio Berlusconi als König des Medienparadieses Italien zieht nun auch als „Missionar des Privatfernsehens" durch ganz Europa. Wir können gewiß sein, daß wir in Zukunft noch mehr von ihm hören werden. Civezza, Italien August 1990 11 ERSTT.S KAPITEI. Italienische Verhältnisse Wirtschaftliche Machtkonzentration Der Durchschnittsitaliener ist stolz auf seinen „großen" Unternehmer, symbolisiert er in seiner Rolle des Überva- ters, der Arbeit, Wohnung und Essen garantiert, doch Wohlstand und Sicherheit. Für diese Sicherheit stehen Na- men wie Gianni Agnelli, Besitzer der Fiatwerke in Turin und Nummer eins des italienischen Kapitalismus; Raul Gardini, Besitzer des größten Chemiekonzerns Italiens und Fabrikant für Zucker- und Agrarprodukte; Carlo De Bene- detti, Computerhersteller und internationaler Finanzjon- gleur; Leopoldo Pirelli, Autoreifenhersteller; und der jüng- ste der Firmenbosse, der kometenhaft aufgestiegene Silvio Berlusconi, Besitzer des TV-Imperiums Fininvest. Sie alle repräsentieren einen Unternehmertypus, den es in Deutschland nicht mehr gibt. In Italien ist der Unterneh- mer Eigentümer und Manager in einer Person, er allein bestimmt die Firmenpolitik und trifft die Entscheidungen in seinem Unternehmen. Der zweite Mann im Haus hat nur eine Chance, wenn seine Unternehmensphilosophie mit der des Eigentümers völlig übereinstimmt. Diese mächtigen Großindustriellen, die in ihren Unter- nehmen zudem auch ihre gesamte Familie um sich scharen, 13 erinnern an die Zeit der Medici im fünfzehnten und sech- zehnten Jahrhundert in Florenz. So wie es damals nur we- nige dieser Dynastien gab, sind sie auch im Italien des ausgehenden zwanzigsten Jahrhunderts dünn gesät. Sind es in den anderen Industriestaaten einige Dutzend, die in der nationalen Wirtschaft zählen, kommt man in Italien nur auf eine gute Handvoll. Fünfundsiebzig Prozent des an der Börse quotierten Aktienkapitals sind in den Händen von fünf Unternehmensgruppen konzentriert. Obendrein kommt hier nach den ganz Großen erst einmal lange gar nichts: Die Schicht der mittleren Unternehmer ist beinahe nicht vorhanden1, was die Position der Großen noch verstärkt. Eine derartige Konzentration von wirtschaftlicher Macht in den Händen einiger weniger Unternehmer gab es bei- spielsweise im Amerika des neunzehnten Jahrhunderts. In Deutschland war Axel Springer ein letzter Repräsentant des reinen und großen Unternehmers, der noch nicht durch einen angestellten Manager, der einer Aktiengesellschaft vorsteht, ersetzt worden war. Die italienische Wirtschaft ist zwar so modern, daß das Land in den achtziger Jahren zur fünftgrößten Wirtschafts- macht der Welt aufgestiegen ist, aber gleichzeitig ist sie in ihrer Struktur so rückständig, daß der überholte Typus des Oligarchen nicht nur nicht verschwunden ist, sondern auch heute noch neu entsteht, wie das Beispiel Silvio Berlusconi zeigt. Ihre Wurzeln hat die wirtschaftliche Machtkonzentration in den zwanziger und dreißiger Jahren, in der Zeit der Herrschaft Mussolinis: Der faschistische Staat favorisierte mit seiner Subventions- und Auftragspolitik einige wenige Unternehmen und Industriezweige und trieb so die Unter- nehmens- und Finanzkonzentration voran. Der Rest blieb zersplittert und wenig entwicklungsfähig. In den sechziger 14