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Berichte zu Pflanzenschutzmitteln 2008: Sachstandsbericht zu den Bienenvergiftungen durch insektizide Saatgutbehandlungsmittel in Süddeutschland im Jahr 2008 PDF

46 Pages·2009·6.373 MB·German
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Berichte zu Pflanzenschutzmitteln 2008 Sachstandsbericht zu den Bienenvergiftungen durch insektizide Saatgutbehandlungsmittel in Süddeutschland im Jahr 2008 Inhaltsverzeichnis 1 Zusammenfassung .............................................................................................................................................................................. 5 2 Hintergrund .......................................................................................................................................................................................... 7 3 Rechtliche Grundlagen ....................................................................................................................................................................... 10 4 Gesundheitsschutz .............................................................................................................................................................................. 11 5 Schutz des Naturhaushalts ................................................................................................................................................................. 12 6 Gehalte von Stäuben in Saatgutpartien ........................................................................................................................................... 13 7 Kennzeichnung von Saatgutverpackungen ................................................................................................................................... 15 8 Emission von Stäuben durch Sägeräte ............................................................................................................................................. 16 9 Ausblick ........................................................................................................................................................................................... 17 10 Anhänge ........................................................................................................................................................................................... 20 1 Zusammenfassung 5 1 Zusammenfassung Ende April und Anfang Mai 2008 kam es in einigen Regionen 6. Faibel, BVL Zulassungsnummer 4704-00 in Südwestdeutschland zu Bienenvergiftungen, bei denen 7. Mesurol flüssig, BVL Zulassungsnummer 3599-00 nach letzten Erhebungen etwa 11.500 Völker von 700 Imkern 8. Poncho, BVL Zulassungsnummer 5272-00 teilweise erheblich geschädigt wurden. Sofort nach Bekannt- werden der Vorfälle begann eine intensive Suche nach den Die Zulassung für das ebenfalls für die Behandlung von Ursachen. Dabei arbeiteten das Ministerium für Ernährung Mais- und Rapssaatgut zugelassene Pflanzenschutzmittel Com- und Ländlichen Raum in Baden-Württemberg (MLR) und die bicoat CBS, BVL Zulassungsnummer 3695-00, war zuvor schon Behörden vor Ort mit der Imkerschaft, der Bienenuntersu- aus anderen Gründen widerrufen worden. Da der Widerruf je- chungsstelle im Julius Kühn-Institut (JKI), dem Bundesamt für doch noch nicht bestandskräftig war, wurde in diesem Fall mit Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) und der Bescheid vom 2. Juni 2008 die sofortige Vollziehung des Wider- Pflanzenschutzmittel-Industrie zusammen. Schnell richtete rufs nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet. sich der Verdacht auf Maissaatgut, das mit dem insektiziden Begleitet wurde das Ruhen der Zulassungen durch den Wirkstoff Clothianidin behandelt war, ein Verdacht, der durch Erlass der Verordnung über das Verbot der Aussaat von Mais- die chemischen Analysen des Julius Kühn-Instituts bestätigt saatgut mit bestimmten Geräten vom 22. Mai 2008 durch das wurde. Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Ver- Es ist davon auszugehen, dass das nachgewiesene Clothi- braucherschutz (BMELV). anidin von behandeltem Maissaatgut stammt, bei dem der In der Folge wurde die Sachverhaltsaufklärung weiter fort- Wirkstoff nicht ausreichend an den Körnern haftete, so dass es geführt. Zu diesem Zweck wurden mehrere Fachgespräche im wegen dieser geminderten Beizqualität zu einem starken Ab- BVL durchgeführt, bei denen die beteiligten Interessengrup- rieb kam. In der Oberrheinebene wurden zur Aussaat pneuma- pen, d. h. Pflanzenschutzmittelhersteller, Saatgutproduzenten tische Sägeräte mit Saugluftsystemen eingesetzt, die aufgrund und Saatgutbehandlungsunternehmen sowie Sämaschinen- ihrer Konstruktion den Abriebstaub in die Luft abgeben. So hersteller, Verbände und unabhängige Experten aus dem JKI konnte der Abriebstaub auf blühende Pflanzen gelangen. Zu und der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG), gehört nennen sind hier aufgrund der späten Aussaat von Mais blü- wurden. Diese Fachgespräche, die anfänglich auf behandeltes hende Raps- und Obstblüten, die intensiv von Honigbienen Maissaatgut fokussiert waren, ergaben, dass nach dem Stand beflogen wurden. der Erkenntnisse bei der Aussaat von mit Antarc, Chinook, Die regionale Verteilung der Bienenschäden und Untersu- Cruiser OSR und Elado behandeltem Rapssaatgut mit der Situ- chungen des Saatguts lassen darauf schließen, dass Qualitäts- ation während der Maisaussaat vergleichbare Szenarien mit mängel bei bestimmten Chargen des Maissaatguts vorlagen, an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen die speziell zum Schutz gegen den Westlichen Maiswurzel- werden können. Das Ruhen der Zulassungen wurde insoweit bohrer behandelt waren. Für diesen Zweck war erstmalig eine jeweils mit Bescheid vom 25. Juni 2008 aufgehoben. Die betrof- höhere Aufwandmenge zugelassen als bisher für den Schutz fenen Anwendungen wurden hierbei mit weiteren Auflagen gegen Fritfliege und Drahtwurm. insbesondere zur Vermeidung freier Stäube und Verbesserung Das BVL hat deshalb aus Vorsorgegründen mit Bescheid der Abriebfestigkeit versehen. vom 15. Mai 2008 das Ruhen der Zulassung mit sofortiger Voll- Nicht aufgehoben ist bisher das Ruhen der Zulassungen der ziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO u. a. für die fol- Pflanzenschutzmittel zur Behandlung von Maissaatgut. Dies genden Saatgutbehandlungsmittel für Mais- bzw. Rapssaatgut war bisher u. a. wegen der nachfolgend dargelegten Defizite angeordnet: nicht möglich. So hat sich u. a. gezeigt, dass durch die bisherige Saatgutbe- 1. Antarc, BVL Zulassungsnummer 4674-00 handlung eine ausreichende Qualität des Saatguts im Hinblick 2. Chinook, BVL Zulassungsnummer 4672-00 auf Abrieb nicht ausreichend sicher gestellt ist. Ebenso wurde 3. Cruiser 350 FS, BVL Zulassungsnummer 4914-00 deutlich, dass die staatlichen Regelungsbefugnisse betreffend 4. Cruiser OSR, BVL Zulassungsnummer 4922-00 der Einfuhr / des Inverkehrbringens von behandeltem Saat- 5. Elado, BVL Zulassungsnummer 5849-00 gut, der Ausbringung von behandeltem Saatgut oder der bei 6 BVL Berichte zu Pflanzenschutzmitteln 2008 der Ausbringung zu verwendenden Geräte nicht ausreichend Dauer von Gesetzgebungsprozessen sind auch noch nicht alle sind, um Schadensfälle wie den aufgetretenen zu verhindern fachlichen Fragen abschließend geklärt. Während unter Feder- oder zumindest in angemessener Weise reagieren zu können. führung des Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter (BDP) Schließlich werden die Vorschriften für die Kennzeichnung und des Industrieverbands Agrar (IVA) der seitens der Behör- von Saatgut, das mit Pflanzenschutzmitteln behandelt ist, dem den als erforderlich angesehene Handlungsbedarf zur Ver- hiermit verbundenen Gefahrenpotential nicht hinreichend besserung der Saatgutqualität von Mais aufgegriffen wurde gerecht. und mit verbesserter Saatgutqualität zukünftig eine Voraus- Im Hinblick auf diese Defizite im Rechtsrahmen gab es setzung für die sichere Ausbringung von Maissaatgut erfüllt gerade in der letzten Zeit intensive Diskussionen zwischen werden kann, ist eine flächendeckende Verfügbarkeit emissi- BMELV und BVL. Das Ergebnis ist ein erster Rohentwurf für onsarmer Sägeräte für die Saison 2009 nicht sicher. Während ein Gesetz zur Änderung des Pflanzenschutzgesetzes. Nach nach Schätzung der Bayer CropScience für die Ausbringung diesem Entwurf soll u. a. die Ausbringung von mit Pflanzen- von mit Neonikotinoiden behandeltem Maissaatgut im Süden schutzmitteln behandeltem Saatgut als Anwendung eines Deutschlands von wenigen Hundert Sägeräten ausgegangen Pflanzenschutzmittels eingestuft werden. Dies ermöglicht es, werden muss, ist die erforderliche Anzahl von emissionsarmen die Ausbringung durch Auflagen nach § 15 Abs. 4 PflSchG oder Sägeräten für die Ausbringung von Mesurol-behandeltem Anwendungsbestimmungen nach § 15 Abs. 2 Nr. 2 PflSchG zu Saatgut in ganz Deutschland, d. h. auf etwa 1 Mio Hektar nur reglementieren. Der Entwurf sieht auch eine Erweiterung der schwer abschätzbar. Es ist daher nicht abzusehen, inwieweit Kennzeichnungsvorschriften für mit Pflanzenschutzmitteln diese Technik bereits für das Jahr 2009 in dem erforderlichen behandeltem Saatgut vor. Umfang zur Verfügung stehen wird. Weiterhin ist angedacht, z. B. per Verordnung Vorgaben, Insofern wird es unumgänglich sein, die eventuelle Aufhe- u. a. zur Beizqualität und zur zu verwendenden Aussaattech- bung des Ruhens der Zulassung von Mitteln zur Maissaatgut- nik, zu machen. Dies hätte u. a. den Vorteil, dass auch die Aus- behandlung durch den Erlass einer Eil-Verordnung zu beglei- saat von im Ausland behandeltem und anschließend nach ten. Diese sollte, soweit nach dem gegenwärtigen Stand der Deutschland eingeführtem Saatgut geregelt wäre. Erkenntnisse und unter Berücksichtigung des Vorsorgeprin- Die angedachten Änderungen werden jedoch nicht kurz- zips möglich, Vorgaben zur Saatgutqualität und zur bei der fristig realisiert werden können. Abgesehen von der üblichen Aussaat zu verwendenden Technik machen. 2 Hintergrund 7 2 Hintergrund Ende April und Anfang Mai 2008 kam es in einigen Regionen verschiedener Herkünfte kam. In der Oberrheinebene wurden in Südwestdeutschland verbreitet zu Bienenvergiftungen. So- zudem zur Aussaat pneumatische Sägeräte mit Saugluftsyste- fort nach Bekanntwerden der Vorfälle begann eine intensive men verwendet, die aufgrund ihrer Konstruktion den Clothia- Suche nach den Ursachen. Dabei arbeiteten das Ministerium nidin-haltigen Staub über die Abluftführung direkt in die Luft für Ernährung und Ländlichen Raum (MLR) in Baden-Würt- abblasen. So konnte der Abriebstaub konzentriert auch auf temberg, das Landwirtschaftliche Technologiezentrum Augus- blühende Pflanzen gelangen. tenberg (LTZ Augustenberg), die Universität Hohenheim, die Clothianidin ist ein Wirkstoff aus der Gruppe der Neoniko- Bienenuntersuchungsstelle im Julius Kühn-Institut (JKI), das tinoide mit breitem Wirkungsspektrum. Der Wirkstoff wurde Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicher- insbesondere für den Einsatz als Bodeninsektizid zur Saatgut- heit (BVL) mit Firmen der Pflanzenschutzmittelindustrie und behandlung entwickelt. Clothianidin wurde in einem gemein- mit der Imkerschaft (DIB, DBIB) zusammen. Bereits in der ers- schaftlichen Verfahren der EU bewertet und im Jahr 2006 für ten Maiwoche d. J. wurde seitens des Deutschen Berufs- und zehn Jahre in eine Liste der Wirkstoffe aufgenommen, die in Erwerbsimkerbundes (DBIB) vermutet, dass mit dem insek- den Mitgliedstaaten der EU in Pflanzenschutzmitteln verwen- tiziden Wirkstoff Clothianidin behandeltes Maissaatgut die det werden dürfen. Die Gruppe der Neonikotinoide umfasst Ursache für diese Bienenvergiftungen war, was bereits in der zurzeit die folgenden fünf Wirkstoffe: ersten Maihälfte durch die chemischen Analysen von Bienen- und Pflanzenproben des Julius Kühn-Instituts bestätigt werden 1. Acetamiprid konnte. Im Zeitraum vom 30. April bis zum 16. Mai wurden der Aufnahme in Anhang I der Richtlinie 91/414/EWG bis 2014; Untersuchungsstelle für Bienenvergiftungen im JKI in Braun- 11 zugelassene Mittel, schweig von 58 Imkern Schäden an 1300 Bienenvölkern gemel- 2. Clothianidin det. 70 Bienenproben, 33 Pflanzenproben, eine Maissaatprobe Aufnahme in Anhang I der Richtlinie 91/414/EWG bis 2016; und zwei Pollenwaben wurden zur Analyse eingeschickt. Eine 4 zugelassene Mittel, Kontaktgiftwirkung konnte bei 29 von 30 analysierten Bienen- 3. Imidacloprid proben mit biologischen Tests nachgewiesen werden. Es wur- Aufnahme in Anhang I der Richtlinie 91/414/EWG voraus- den keine Anzeichen auf Bienenkrankheiten in den Proben sichtlich bis 2018; 37 zugelassene Mittel, entdeckt; auch der Befall mit Nosema-Sporen war sehr gering. 4. Thiacloprid Die Untersuchung der Pollenproben erbrachte keinen Hinweis Aufnahme in Anhang I der Richtlinie 91/414/EWG bis 2014; auf ausschließliche Nutzung einer Massentracht wie Raps oder 9 zugelassene Mittel, Obst; das Pollenspektrum zeigte, dass vielfältige Trachtpflan- 5. Thiamethoxam zen genutzt worden waren, darunter auch Löwenzahn. Auch Aufnahme in Anhang I der Richtlinie 91/414/EWG bis 2017; die Befunde des LTZ Augustenberg belegten eine hohe Konta- 12 zugelassene Mittel. mination von an Maisflächen angrenzenden Kultur- und Wild- pflanzen. In Kooperation mit dem LTZ Augustenberg und der Aus der Auflistung ist zu ersehen, dass alle Wirkstoffe im Rah- Landesanstalt für Bienenkunde, Uni Hohenheim, wurden Pflan- men der EU-Wirkstoffprüfung nach Durchführung eines Peer zenproben in einem Aussaatversuch von mit Poncho Pro gebeiz- Reviews unter Beteiligung aller Mitgliedstaaten gemäß den tem Mais gewonnen. Rapspflanzen aus direkter Nachbarschaft gemeinsamen Grundsätzen nach Richtlinie 91/414/EWG als zu diesem ausgesäten Maisfeld bestätigten die Kontaktgift- listungsfähig bewertet wurden und daher in den Anhang I der wirkung im Blatt-Kontakt-Test mit Honigbienen (Anhang 1). Richtlinie aufgenommen wurden. Eine maßgebliche Voraus- Es war davon auszugehen, dass der nachgewiesene Wirk- setzung für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln in den stoff Clothianidin von behandeltem Maissaatgut stammte, bei Mitgliedstaaten ist damit für die genannten Wirkstoffe erfüllt. dem der Wirkstoff nicht ausreichend an den Körnern anhaf- Die Klasse der Neonikotinoide hat sich bereits heute als tete, sodass es wegen dieser diesbezüglich minderen Saatgut- eine der wichtigsten Insektizidklassen im Pflanzenschutz eta- qualität zu einem starken Abrieb und einer Akkumulation von bliert. Die Neonikotinoide können in drei Unterklassen grup- freien Stäuben, die den Wirkstoff enthielten, in Saatgutpartien piert werden: 8 BVL Berichte zu Pflanzenschutzmitteln 2008 1. Chloronicotinyl-Verbindungen (1. Generation): Imidaclo- 6. Faibel, BVL Zulassungsnummer 4704-00 (Methiocarb; Imi- prid, Thiacloprid, dacloprid), 2. Thianicotinyl-Verbindungen (2. Generation): Thiametho- 7. Mesurol flüssig, BVL Zulassungsnummer 3599-00 (Methio- xam, Clothianidin, carb), 3. Andere Verbindungen. 8. Poncho, BVL Zulassungsnummer 5272-00 (Clothianidin). Die Neonikotinoide weisen eine hohe Wasserlöslichkeit auf Mit der Anordnung des Ruhens der erwähnten Zulassungen und erreichen so eine schnelle Wirkstoffaufnahme über Wur- wurden weitere Einfuhren, das weitere Inverkehrbringen so- zeln, eine hohe Mobilität sowie eine gleichmäßige Verteilung wie die weitere Anwendung der betroffenen Pflanzenschutz- in der Pflanze. Dadurch wird ein sehr guter Schutz vor Virus- mittel ausgeschlossen. Gleiches gilt nach § 16e Absatz 2 PflSchG vektoren und anderen beißenden und saugenden Schädlingen auch für Pflanzenschutzmittel, für die eine Verkehrsfähigkeits- erreicht. Wirkstoffe der Gruppe der Neonikotinoide unterbre- bescheinigung mit Referenz auf eine der oben genannten Zu- chen die Reizweiterleitung im Nervensystem von Insekten. Die lassungen erteilt wurde. Neonikotinoide zeichnen sich ferner durch ein für Insektizide Am 24. Mai 2008 verbot das Bundesministerium für Ernäh- gutes Anwender- und Umweltprofil aus; allerdings verfügen rung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) für vor- Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam über eine au- erst 6 Monate die Aussaat von Maissaatgut mit pneumatischen ßerordentlich hohe Toxizität gegenüber Honigbienen. Mittel, Geräten zur Einzelkornablage, die mit Unterdruck arbeiten. die diese Wirkstoffe enthalten und für die Anwendung im Das Verbot galt für Maissaatgut, das mit den genannten Insek- Spritzverfahren vorgesehen sind, sind daher als bienengefähr- tiziden behandelt worden war (Bundesanzeiger, S. 1822, vom lich gekennzeichnet, so dass ihre Anwendung den Bestimmun- 24. Mai 2008). gen der Bienenschutzverordnung unterliegt. Die Wirkstoffe Das BVL hatte nachfolgend zu prüfen, inwieweit davon Acetamiprid und Thiacloprid, weisen im Gegensatz zu den drei auszugehen war, dass die Zulassungsvoraussetzungen gemäß übrigen genannten Wirkstoffen eine außerordentlich geringe § 15 PflSchG für die genannten Pflanzenschutzmittel als nicht Bienengiftigkeit auf, so dass diese als bienenungefährlich ein- erfüllt zu bewerten waren. Diese Prüfung ergab, dass die Bie- gestuft werden. nenvergiftungen in Süddeutschland auf eine wesentlich hö- Die regionale Verteilung der Bienenschäden und Untersu- here Exposition von Honigbienen zurückzuführen waren, als chungen des Saatguts ließ darauf schließen, dass die Qualitäts- im Rahmen des Zulassungsverfahrens für die bestimmungs- mängel bei bestimmten Chargen des Maissaatguts vorlagen, gemäße und sachgerechte Anwendung von Saatgutbehand- die speziell zum Schutz gegen den Westlichen Maiswurzel- lungsmitteln für Mais berücksichtigt wurde. Aufgrund der er- bohrer behandelt waren. Für diese Zweckbestimmung war neuten Risikobewertungen, die aufgrund der Bienenschäden eine höhere Aufwandmenge zugelassen als für den Schutz ge- veranlasst wurden und die diese erhöhte Exposition berück- gen andere Schadinsekten wie Fritfliege und Drahtwurm, da sichtigen, konnten unvertretbare Auswirkungen auf Honig- für diesen Quarantäneschädling das Ziel der Eradikation ange- bienen nicht ausgeschlossen werden. Aufgrund dieser neuen ordnet worden war. Erkenntnisse wurde zur Vermeidung weiterer Bienenschäden Am 13. Mai 2008, noch vor der vollständigen Aufklärung der bis zur endgültigen Klärung der Zusammenhänge und Sicher- Vorfälle, informierte das Bundesamt für Verbraucherschutz stellung einer im Hinblick auf die Vermeidung unvertretbarer und Lebensmittelsicherheit (BVL) die Öffentlichkeit erstmals Auswirkungen sicheren Anwendung aus Vorsorgegründen durch eine Pressemitteilung „Hintergrundinformation zu den das Ruhen der Zulassungen für Mais aufrecht erhalten. lokal aufgetretenen Bienenschäden in Süddeutschland“ (http:// In der Ursachenaufklärung verdichtete sich, dass die wei- www.bvl.bund.de) und ordnete am 15. Mai 2008 das Ruhen der teren Rahmenbedingungen der Maisaussaat in der Oberrhein- Zulassung für acht insektizide Saatgutbehandlungsmittel an. ebene im Jahr 2008 die massiven Bienenvergiftungen begüns- Aus Vorsorgegründen erstreckte sich diese Maßnahme nicht tigt hatten. Als die entscheidenden Besonderheiten dieser nur auf Mittel zur Behandlung von Maissaatgut, sondern auch Rahmenbedingungen in der Rheinebene im Vergleich zur Bo- auf solche zur Behandlung von Rapssaatgut. Das Ruhen der denseeregion, wo ebenfalls Poncho-behandeltes Saatgut (aber Zulassungen wurde mit sofortiger Vollziehung gemäß § 80 andere Sorten als in der Rheinebene) mit anderer Sätechnik Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO für die folgenden Saatgutbehandlungs- (keine Saugluftsysteme) ausgesät wurde, oder Bayern, wo aber mittel angeordnet: vergleichbare Schäden an Honigbienen nicht zu verzeichnen waren, wurden genannt: 1. Antarc, BVL Zulassungsnummer 4674-00 (beta-Cyfluthrin; Imidacloprid), – die witterungsbedingt späte und nahezu gleichzeitige 2. Chinook, BVL Zulassungsnummer 4672-00 (beta-Cyfluthrin; Einsaat in der Rheinebene auf insgesamt etwa 20000 ha Imidacloprid), (15000 ha mit 125 g as/ha, 5000 ha mit 50 g as/ha), 3. Cruiser 350 FS, BVL Zulassungsnummer 4914-00 (Thiame- – die gleichzeitige Blüte von Raps- und Obstflächen, die thoxam), von den Bienen, ebenfalls wegen der witterungsbedingt 4. Cruiser OSR, BVL Zulassungsnummer 4922-00 (Fludioxonil; schlechten Flugbedingungen vor der Saat, ausgiebig beflo- Metalaxyl-M; Thiamethoxam, gen wurden, 5. Elado, BVL Zulassungsnummer 5849-00 (beta-Cyfluthrin; – der auf diese Bienenweiden, wegen der schlechten Anhaf- Clothianidin), tung des Mittels am Saatgut, überdurchschnittlich hohe emittierte Abrieb, 2 Hintergrund 9 – unterstützt durch eine Gerätetechnik, die zusätzlichen Ab- abriebfest ist, so dass kein Abriebstaub in die Luft abgegeben rieb erzeugt hatte, werden kann. Dadurch wurde unabhängig von der Selbstver- – unterstützt durch Trockenheit und östliche Winde (starker pflichtung der Saatguterzeuger, die Haftmittelverwendung und gerichteter Austrag von Stäuben aus der Fläche). und stärkere Qualitätskontrollen zugesagt hatten, die Saatgut- qualität erheblich verbessert. Kombinationswirkungen von Clothianidin und dem ebenfalls Obwohl das BVL nach eingehender Prüfung zu dem Ergeb- nachgewiesenen Wirkstoff Methiocarb, mit dem das Saatgut nis gekommen war, dass die Rapsbeizung mit Clothianidin- zusätzlich behandelt worden war, sind nicht bekannt. Von elf haltigen Pflanzenschutzmitteln kein Risiko hinsichtlich einer seitens Bayer CropScience aus dem Handel gezogenen und auf möglichen Schädigung von Bienenvölkern darstellt, wurde Abrieb untersuchten Saatgutproben, wiesen sechs Proben eine den Zulassungsinhabern aus Vorsorgegründen zusätzlich hohen Abrieb auf, bei vier Proben wurde vermutlich bei der empfohlen, auf Packungen mit behandeltem Rapssaatgut die Saatgutbehandlung kein Kleber verwendet, so dass der Abrieb folgenden Kennzeichnungen anbringen zu lassen: hier besonders hoch war. Spätere Untersuchungen des JKI und des LTZ bestätigten teilweise sehr hohe Staubgehalte. – Die Ausbringung des behandelten Saatgutes sollte nicht Zusätzlich wurden Informationen aus anderen Mitglied- mit pneumatischen Sägeräten (Saugluftsysteme) erfolgen, staaten der Europäischen Union eingeholt. Aus keinem wei- es sei denn, die Abluftführung ermöglicht die Ableitung teren Mitgliedstaat wurden Bienenvergiftungen in vergleich- von Stäuben in den Boden. bar gravierender Ausprägung berichtet. Aus Frankreich wurde – Das behandelte Saatgut einschließlich enthaltener oder die großräumige Anwendung von Thiamethoxam-haltigen beim Sävorgang entstehender Stäube vollständig in den Saatgutbehandlungsmitteln berichtet, ohne dass dort Bienen- Boden einbringen. vergiftungen beobachtet wurden. Aus Slowenien und Italien – Keine Ausbringung des behandelten Saatgutes bei Wind wurden einzelne Bienenvergiftungen gemeldet, allerdings mit Geschwindigkeiten über 5 m/s. konnten die Ursachen nicht zweifelsfrei auf Saatgutbehand- – Behandeltes Saatgut und Reste wie Bruchkorn und Stäube, lungsmittel zurückgeführt werden. entleerte Behältnisse oder Packungen sowie Spülflüssig- Zeitgleich mit diesen Sofortmaßnahmen hat sich das BVL keiten nicht in Gewässer gelangen lassen. Dies gilt auch für intensiv mit dem Problem des Wirkstoffabriebs bei Saatgut- indirekte Einträge über die Kanalisation, Hof- und Straßen- behandlungsmitteln auseinander gesetzt. Es galt zu klären, abläufe sowie Regen- und Abwasserkanäle. welche Faktoren bei der Saatgutbehandlung und bei der Aus- saat eine Rolle spielen und wie sich die Belastung der Umwelt Es war festzustellen, dass die Anwendung von Rapssaatgut in minimieren lässt. Dazu hatte das BVL Unterlagen von den Zu- der Saison 2008 höheren Sicherheitsstandards genügen wür- lassungsinhabern angefordert und mehrere Fachgespräche de, als dies in früheren Jahren der Fall war und insbesondere durchgeführt, bei denen auch Saatguterzeuger, Vertreter der im Vergleich zu Importsaatgut gilt, das angewendet worden Landmaschinenindustrie und die Imkerschaft angehört wur- wäre, sofern das BVL das Ruhen der nationalen Zulassungen den (27. Mai, 12. Juni, 14. Juli, 15. Juli). Im Juli 2008 wurden die nicht aufgehoben hätte. Schäden nach den Erhebungen des Landes Baden-Württem- Bisher nicht gelöst ist jedoch die Frage, inwieweit die Ma- berg auf etwa 11.500 Völker beziffert, die erheblich geschädigt nagementmaßnahmen, die für die erforderliche Sicherheit bei worden waren. der Behandlung und Aussaat von Maissaatgut getroffen wer- Als Ergebnis der umfangreichen Beratungen wurde festge- den müssen, in der Praxis eingehalten werden können. Bis zu stellt, dass die mit der Aussaat von Maissaatgut aufgetretenen einer abschließenden Entscheidung besteht für die Mittel zur Probleme nicht auf die Rapsaussaat zu übertragen sind. Die Behandlung von Maissaatgut das Ruhen der Zulassung fort. Bewertung durch das Julius Kühn-Institut und die Ergebnisse Am 15. Juli hatte das BVL zu einer Informationsveranstal- aus dem Deutschen Bienenmonitoring ergaben keine Anhalts- tung eingeladen, an der neben den Behörden BVL und JKI auch punkte für eine mögliche Schädigung von Bienenvölkern. Vertreter des Deutschen Imkerbundes, des Deutschen Berufs- Durch das Julius Kühn-Institut und das Landwirtschaftliche und Erwerbsimkerbundes, der Bieneninstitute der Länder so- Technologiezentrum Augustenberg wurden Saatgutproben wie Vertreter des Bundesverbands Deutscher Pflanzenzüchter, aus dem Handel auf Abriebfestigkeit geprüft. Der Abrieb bei der Rapszüchter und der landwirtschaftlichen Praxis teilge- Rapsproben erwies sich als sehr gering und lag deutlich unter nommen haben. Es wurde vereinbart, zukünftig die Zusam- den Werten bei Mais. Weiterhin sind bei der Aussaat von Raps menarbeit zwischen den Imkern und der landwirtschaftlichen ausschließlich Maschinen im Einsatz, die Abriebstäube in den Praxis zu intensivieren und die Kommunikation auszubauen. Boden, nur in geringem Maße aber in die Luft abgeben. Zu- Das BVL hatte das Unternehmen Bayer CropScience außer- dem gelangt mit behandeltem Raps weniger Wirkstoff auf ei- dem verpflichtet, ein Konzept für ein Monitoring des Pflanzen- nen Hektar als mit behandeltem Mais. Schließlich gibt es nach schutzmittelwirkstoffs Clothianidin im Pollen von Maispflan- wie vor keine Anhaltspunkte dafür, dass Pollen und Nektar der zen in der Oberrheinebene zu entwickeln und mit dem BVL Rapsblüten ein Risiko für Bienen darstellen könnten. abzustimmen. Die Ergebnisse der Untersuchungen werden Das BVL hatte daher am 25. Juni 2008 die Zulassungen der auch in die Entscheidung des BVL einfließen, ob und unter Mittel Antarc, Chinook, Cruiser OSR und Elado für Raps unter welchen Bedingungen die Zulassung der benannten Pflanzen- der Auflage wieder in Kraft gesetzt, dass bei der Saatgutbe- schutzmittel wieder in Kraft gesetzt werden kann. handlung sicherstellt wird, dass das Saatgut staubfrei und 10 BVL Berichte zu Pflanzenschutzmitteln 2008 3 Rechtliche Grundlagen Bei den in diesem Jahr in Süddeutschland aufgetretenen Bie- dass die Anwendung eines Beizmittels in seiner Applikation nenschäden hat sich u. a. gezeigt, dass die staatlichen Rege- auf das Saatgut besteht. Die spätere Aussaat des behandelten lungsbefugnisse betreffend die Einfuhr / das Inverkehrbringen Saatgutes zählt nicht mehr zur Anwendung. von behandeltem Saatgut nicht ausreichend sind, um Krisen- Auch ist ein Regelungsdefizit betreffend die bei der Aus- fälle wie den aufgetretenen zu verhindern oder zumindest in bringung von behandeltem Saatgut zu verwendenden Geräte angemessener Weise zu reagieren. festzustellen. So finden sich im Pflanzenschutzgesetz und den Die Einfuhr und das Inverkehrbringen von behandeltem auf seiner Grundlage ergangenen Verordnungen zwar Vor- Saatgut sind nach § 11 Abs. 3 PflSchG – vereinfacht gespro- gaben zur Prüfung von Pflanzenschutzgeräten. Das Gesetz chen – erlaubt, wenn das anhaftende Pflanzenschutzmittel in versteht unter Pflanzenschutzgeräten solche, die zur Ausbrin- Deutschland oder einem anderen Mitgliedstaat zugelassen ist. gung von Pflanzenschutzmitteln bestimmt sind. Entsprechend Selbst wenn also beispielsweise in Deutschland die Zulassung den Ausführungen im vorhergehenden Absatz sind deshalb eines bestimmten Pflanzenschutzmittels aus fachlichen Grün- zwar Beizgeräte als Pflanzenschutzgeräte anzusehen, nicht je- den widerrufen wird, bleibt nach dieser Regelung die Einfuhr doch Sägeräte. und das Inverkehrbringen von mit diesem Pflanzenschutzmit- Schließlich ist die insbesondere für die Information des Er- tel behandeltem Saatgut möglich, solange die Zulassung des werbers essentielle Kennzeichnung von mit Pflanzenschutz- Pflanzenschutzmittels in irgendeinem Mitgliedstaat fortbe- mitteln behandeltem Saatgut derzeit unzureichend. Sie rich- steht. tet sich im Moment allein nach der Saatgutverordnung. Diese Weiterhin ist hervorzuheben, dass nach derzeitiger Rechts- schreibt lediglich vor, dass Saatgut beim Inverkehrbringen im lage die Ausbringung von behandeltem Saatgut im Grunde Falle der Behandlung mit einem Pflanzenschutzmittel mit der keiner gesetzlichen Regelung unterliegt. Zwar existieren ver- Bezeichnung des Mittels und der Zulassungsnummer oder al- schiedene gesetzliche Regelungen betreffend die Anwendung ternativ mit dem Wirkstoff oder seiner Kurzbezeichnung zu von Pflanzenschutzmitteln. Auch kann das BVL im Rahmen der kennzeichnen ist (§ 32 SaatV). Nicht vorgesehen ist beispiels- Zulassungsentscheidung für ein Pflanzenschutzmittel für den weise die Angabe der gefahrstoffrechtlichen Einstufung und Anwender verbindliche Anwendungsbestimmungen festset- Kennzeichnung der anhaftenden Wirkstoffe bzw. Mittel ge- zen. Allerdings geht der derzeitige Rechtsrahmen davon aus, mäß der Richtlinie 1999/45/EG („Zubereitungsrichtlinie“). 4 Gesundheitsschutz 11 4 Gesundheitsschutz Wirkstoffe, die zur Bekämpfung von Insekten zum Einsatz tenden Exposition im Hinblick auf definierte Anwendungs- kommen, haben eine hohe Giftigkeit gegenüber den Zielor- bedingungen. Dabei wird sowohl der Verbraucherschutz als ganismen. Demgegenüber kann die Toxizität für Säugetiere auch die Anwendungssicherheit betrachtet. einschließlich des Menschen für einige dieser Wirkstoffe deut- Eine Verbrauchergefährdung durch zugelassene Saatgut- lich geringer sein. Dies gilt insbesondere für Wirkstoffe aus der behandlungen kann ausgeschlossen werden. Überwachte Gruppe der Neonikotinoide (hier: Clothianidin, Imidacloprid, Rückstandsversuche belegen, dass Rückstände in Erntegütern Thiamethoxam). durch behandeltes Saatgut so niedrig sind, dass sie sich nicht Die aufgeführten toxikologischen Grenzwerte geben an, mehr oder nur in sehr geringen Konzentrationen analytisch bestimmen lassen. Schädliche Auswirkungen durch Verzehr – welche Wirkstoffmengen gefahrlos für einen längeren von Erntegütern sind somit nicht zu erwarten. Zeitraum über die Nahrung aufgenommen werden kön- Um Arbeiter und Anwender, die mit dem Pflanzenschutz- nen (ADI – Acceptable Daily Intake). mittel und dem gebeizten Saatgut direkt in Kontakt kommen – welche Wirkstoffmengen gefahrlos innerhalb eines kurzen können, ausreichend zu schützen, werden mit der Zulassung Zeitraums über die Nahrung aufgenommen werden kön- spezielle Schutzmaßnahmen wie Schutzkleidung oder Atem- nen (ARfD – Acute Reference Dose). schutz angeordnet. – welchen Wirkstoffmengen Anwender und Arbeiter im Rah- Der erhöhte Abrieb beim Umgang mit gebeiztem Maissaat- men ihrer Berufsausübung ohne gesundheitlich Bedenken gut war bei der ursprünglichen Zulassungsprüfung noch nicht ausgesetzt werden können (AOEL – Acceptable Operator bekannt und konnte somit auch nicht berücksichtigt werden. Exposure Limit = duldbare Anwenderexposition). Dieser Nach derzeitigem Erkenntnisstand ist jedoch davon auszuge- Grenzwert wird auch für die Abschätzung des Risikos einer hen, dass weder Anwender, Arbeiter noch andere in der Nähe Pflanzenschutzmaßnahme für unbeteiligte Dritte wie z. B. befindliche Personen („Bystander“, Anwohner) gefährdet sind. Spaziergänger sowie Anwohner herangezogen. Durch Maßnahmen zur Steigerung der Beizqualität und damit verbunden zur Verringerung der Staubbildung durch Im Rahmen des Zulassungsverfahrens erfolgt die Risikoab- Abrieb sowie durch Verbesserung der Aussaattechnik kann die schätzung auf der Grundlage der aus den toxikologischen Exposition und somit das gesundheitliche Risiko für Betroffene Untersuchungen abgeleiteten Grenzwerte und der zu erwar- weiter verringert werden. Tab. 1 Toxikologische Grenz- Wirkstoff ADI ARfD AOEL werte für Clothianidin, Imida- cloprid, Thiamethoxam und Clothianidin 0.097 mg/kg KG pro Tag 0.1 mg/kg KG 0.1 mg/kg KG pro Tag Methiocarb (KG = Körperge- wicht). Imidacloprid 0.06 mg/kg KG pro Tag 0.4 mg/kg KG 0.15 mg/kg KG pro Tag Thiamethoxam 0.026 mg/kg KG pro Tag 0.5 mg/kg KG 0.08 mg/kg KG pro Tag Methiocarb 0.013 mg/kg KG pro Tag 0.013 mg/kg KG 0.013 mg/kg KG pro Tag 12 BVL Berichte zu Pflanzenschutzmitteln 2008 5 Schutz des Naturhaushalts Der Wirkstoff Clothianidin weist im Einklang mit seiner handelten Flächen vermieden werden. Letzteres gilt jedoch Zweckbestimmung als Insektizid ein Gefährdungspotential nur, wenn unter den praktischen Rahmenbedingungen (wie nicht nur für die so genannten Zielorganismen (hier: West- z. B. Qualität der Beizung, Umgang mit dem Saatgut, Sägerä- licher Maiswurzelbohrer), sondern auch für andere Insekten- tetechnik) dieser Ansatz auch konsequent umgesetzt werden arten auf. Die Honigbiene reagiert besonders empfindlich auf kann. den Wirkstoff; sie ist im Zusammenhang mit den beobach- Auf der Grundlage der im Zulassungsverfahren für das teten Schäden somit als Indikatorart anzusehen. Es ist davon Pflanzenschutzmittel Poncho vorgelegten Daten, zu denen auszugehen, dass auch andere Arthropoden-Arten durch den auch die Ergebnisse einer Studie zur möglichen Staub-Abdrift Austrag von belastetem Staub dem Wirkstoff Clothianidin (so- bei der Aussaat von behandeltem Maissaatgut gehörte, war bei wie dem in der Saatgutbeize zusätzlich enthaltenen ebenfalls sachgerechter Anwendung ein Austrag des Wirkstoffs in be- insektiziden Wirkstoff Methiocarb) ausgesetzt waren und in nachbarte Flächen (z. B. Felder oder Saumstrukturen mit blü- Mitleidenschaft gezogen wurden. Dies gilt insbesondere für henden Pflanzen) in Mengen, die zu Vergiftungen von Bienen Arten, für die aufgrund ihres Verhaltens von einer vergleich- und anderen Insekten führen könnten, nicht zu erwarten. Die baren Exposition sowie mit einer ähnlichen Empfindlichkeit Aufklärung der Ursachen für die aufgetretenen Bienenschä- gegenüber dem Wirkstoff zu rechnen ist (z. B. Wildbienen). den bildet den Ausgangspunkt für eine grundlegende Über- Darüber hinaus stellt sich die Frage, inwieweit weitere Nicht- prüfung der Bewertungsgrundsätze im Zulassungsverfahren ziel-Organismen wie Vögel, die kontaminierte Pflanzen bzw. für Saatgutbehandlungsmittel. In diesem Zusammenhang ist Insekten fressen, oder Gewässerorganismen in einem benach- die realitätsnahe Abschätzung einer möglichen Exposition von barten Oberflächengewässer betroffen sein könnten. Nichtziel-Organismen auf benachbarten Flächen von zentraler Die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln zur Saatgut- Bedeutung. Außerdem ist zu prüfen, welche geeigneten Risiko- behandlung wird unter dem Gesichtspunkt möglicher Einträ- minderungsmaßnahmen gegebenenfalls umgesetzt werden ge in die Umwelt als vergleichsweise schonend angesehen, da müssen, um eine Kontamination von Nichtziel-Flächen und sie eine sehr gezielte Applikation des Wirkstoffs an den Ort der daraus folgende Auswirkungen zu verhindern. Bis zur Klärung Wirkung (Samenkorn, Keimling) ermöglicht. Auf diese Weise dieser Fragen hat das BVL als Zulassungsbehörde für Pflanzen- kann die gesamte auf der Kulturfläche auszubringende Wirk- schutzmittel das Ruhen der Zulassung für insektizide Saatgut- stoffmenge verringert und eine Kontamination von nicht be- behandlungsmittel für den Einsatz in Mais angeordnet.

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