K VJ S Bericht zu Entwicklungen und Rahmenbedingungen der Inanspruchnahme erzieherischer Hilfen in Baden-Württemberg 2008 Bericht HzE 2008 Inhaltsverzeichnis Vorwort 5 0. Einleitung 6 I. Die Inanspruchnahme der Hilfen zur Erziehung in Baden-Württemberg im Bundesländervergleich 1 0 I.1 Inanspruchnahme der Hilfen zur Erziehung im Jahr 2005 10 I.2 Die Veränderungsdynamik im Zeitraum vom Jahr 2000 zum Jahre 2005 17 I.3 Die Inanspruchnahme der Hilfen zur Erziehung in der Dimension der Ausgaben 26 Zentrale Befunde zur Inanspruchnahme erzieherischer Hilfen im Bundesländervergleich 2 8 II. Die Inanspruchnahme der Hilfen zur Erziehung und anderer individueller Hilfen in Baden-Württemberg 3 0 II.1 Vorbemerkungen 30 2 II.2 Inanspruchnahme und Entwicklung individueller Jugendhilfeleistungen nach §§ 27, 35a und 41 SGB VIII 32 II.2.1 FalIzahlenaufkommen und Inanspruchnahme individueller Hilfen nach §§ 27, 29 – 35, 35a und 41 SGB VIII im Jahr 2006 33 II.2.2. Entwicklung der Inanspruchnahme individueller Hilfen nach §§ 27, 29 – 35, 35a und 41 SGB VIII im Zeitraum 2003 bis 2006 45 Zentrale Befunde zur Inanspruchnahme individueller Hilfe nach §§ 27, 29 – 35, 35a und 41 SGB VIII in Baden-Württemberg 6 0 II. 3 Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche nach § 35a SGB VIII 62 II. 3.1 FalIzahlenaufkommen und Inanspruchnahme der Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche nach § 35a SGB VIII im Jahr 2006 63 II.3.2 Entwicklung der Inanspruchnahme von Hilfen nach § 35a SGB VIII 71 Zentrale Befunde zur Inanspruchnahme von Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche nach § 35a SGB VIII 75 II.4 Hilfen für junge Volljährige nach § 41 SGB VIII 76 II.4.1 FalIzahlenaufkommen und Inanspruchnahme von Hilfen für junge Volljährige nach § 41 SGB VIII im Jahr 2006 77 II.4.2 Entwicklung der Inanspruchnahme von Hilfen für junge Volljährige nach § 41 SGB VIII 83 Zentrale Befunde zur Inanspruchnahme von Hilfen für junge Volljährige nach § 41 SGB VIII 87 II.5 Institutionelle Beratung nach §§ 28 88 II.5.1 Beendete Hilfen institutioneller Beratung im Jahr 2006 89 II.5.2 Entwicklung der Inanspruchnahme institutioneller Beratungen nach § 28 SGB VIII 90 II.6 Gemeinsame Wohnformen für Mütter / Väter und Kinder nach § 19 SGB VIII 92 Bericht HzE 2008 II.7 Inobhutnahmen nach § 42 SGB VIII 95 Zentrale Befunde zur Inanspruchnahme weiterer individueller Jugendhilfeleistungen 98 II.8 Ausgaben der Jugendämter für Hilfen zur Erziehung, Eingliederungshilfe § 35a, Hilfen für junge Volljährige § 41 SGB VIII und Inobhutnahmen 100 II.8.1 Vorbemerkungen 100 II.8.2 Ausgaben der Jugendämter im Jahr 2006 101 Zentrale Befunde zu den Bruttoausgaben der Jugendämter im Jahr 2006 113 III. Analysen zur Ausschöpfung des Leistungskanons der Hilfen zur Erziehung in altersklassen- und geschlechterdifferenzierter Perspektive 115 III.1 Altersklassendifferenzierte Analysen zur Inanspruchnahme erzieherischer Hilfen 117 Zentrale Befunde zur altersklassenspezifischen Inanspruchnahme der im Jahr 2006 neu begonnenen Hilfen zur Erziehung 123 III.2 Geschlechterdifferenzierte Analysen zur Inanspruchnahme erzieherischer Hilfen 125 Zentrale Befunde zur geschlechtsspezifischen Inanspruchnahme der im Jahr 2006 neu begonnenen Hilfen zur Erziehung 130 IV. Daten zu Rahmenbedingungen der Inanspruchnahme erzieherischer Hilfen 132 IV.1 Angebots- und Leistungsstrukturen in anderen Feldern der Kinder- und Jugendhilfe 133 3 IV.1.1 Angebotsstrukturen der Kindertagesbetreuung 133 IV.1.2 Personelle Ressourcen in den Arbeitsfeldern der Jugendarbeit und der Jugendsozialarbeit 137 Zentrale Befunde zu Angebots- und Leistungsstrukturen in anderen Feldern der Kinder- und Jugendhilfe 140 IV.2 Jugendhilfe an ausgewählten Schnittstellen zur Schule 141 IV.2.1 Häufigkeit der Umschulungen in eine Schule für Erziehungshilfe 142 IV.2.2 Personelle Ressourcen im Arbeitsfeld Schulsozialarbeit 146 IV.2.3 Plätze an Ganztagesschulen 148 Zentrale Befunde zur Jugendhilfe an ausgewählten Schnittstellen zur Schule 152 IV.3 Sozialstrukturelle Rahmenbedingungen 153 Zentrale Befunde zu sozialstrukturellen Gegebenheiten in den 44 Stadt- und Landkreisen 160 V. Gesamtschau und Analysen zur Bedeutung sozialstruktureller Bedingungen 162 V.1 Gesamtschau der Kreismerkmale und Analysen zur Bedeutung räumlicher sozialstruktureller Bedingungen 164 V.1.1 Exkurs: Inanspruchnahme stationärer Erziehungshilfen und sozialstrukturelle Rahmenbedingungen im Bundesländervergleich 164 V.1.2 Gesamtschau kreisbezogener Sozialstrukturmerkmale und der Inanspruchnahme stationärer Erziehungshilfen in Baden-Württemberg 165 V.2 Zur Bedeutung des Aufwachsens der Adressaten von Hilfen zur Erziehung in spezifischen Lebenslagen 177 Zentrale Befunde zur Gesamtschau der Kreismerkmale und zur Bedeutung sozialstruktureller Bedingungen für die Inanspruchnahme erzieherischer Hilfen 187 Bericht HzE 2008 VI. Komprimierte Zusammenfassung wesentlicher Berichtsergebnisse 189 VII. Fachplanerische und jugendhilfepolitische Folgerungen 194 VIII. Hinweise zum Transfer der Berichtsergebnisse 200 Anhang 202 Verzeichnisse 203 Tabellenverzeichnis 203 Verzeichnis der Schaubilder 206 Literaturverzeichnis 208 Mitglieder des Beirats 213 Datenanhang 214 Tabelle 1A: Inanspruchnahme individueller Jugendhilfeleistungen je 1000 unter 21-j. Einwohner/innen zum 31.12. der Jahre 2003 und 2006: nicht-stationäre Hilfen 214 4 Tabelle 2A: Inanspruchnahme individueller Jugendhilfeleistungen je 1000 unter 21-j. Einwohner/innen zum 31.12. der Jahre 2003 und 2006: stationäre Hilfen und ISE 215 Tabelle 3A: Fallzahlen der Hilfen nach § 35a SGB VIII im Jahr 2006 insgesamt 216 Tabelle 4A: Fallzahlen der Hilfen nach § 41 SGB VIII im Jahr 2006 insgesamt 217 Tabelle 5A: Inanspruchnahme des Leistungskanons der erzieherischen Hilfen im Blick auf die einzelnen Altersklassen (im Jahr 2006 begonnene Hilfen) 218 Tabelle 6A: Inanspruchnahme des Leistungskanons der erzieherischen Hilfen im Blick auf die Nutzung der einzelnen Hilfearten für verschiedene Altersgruppen (im Jahr 2006 begonnene Hilfen) 227 Tabelle 7A: Geschlechtsspezifische Inanspruchnahme erzieherischer Hilfen 235 Gewichtungsberechnung Verdichtungstypen Stadt- und Landkreise 244 Instrumente der Datenerhebungen des Landesjugendamtes 245 Bericht HzE 2008 Vorwort Wir dürfen Ihnen heute den ersten landesweiten Bericht zu Entwicklungen und Rahmenbedingungen der Inanspruchnahme erzieherischer Hilfen vorlegen. Er bildet die Grundlage für zukünftig regelmäßige Fort- schreibungen zur systematischen Beobachtung und Untersuchung von Veränderungen in diesem Arbeits- feld der Kinder- und Jugendhilfe in Baden-Württemberg. Die Berichterstattung basiert auf einer Konzeption, die vom KVJS-Landesjugendamt gemeinsam mit allen Jugendämtern in Baden-Württemberg und im Einvernehmen mit dem Landesjugendhilfeausschuss entwi- ckelt wurde. Sie schafft eine solide empirische Grundlage für qualifizierte Einschätzungen aktueller Jugend- hilfeentwicklungen und der Rahmenbedingungen, unter denen sie sich verändern. Sie erhalten damit eine Fülle von kreisspezifischen und kreisvergleichenden Informationen zum Profil der Nutzung erzieherischer Hilfen sowie zu den Angeboten in anderen Leistungsfeldern der Kinder- und Jugendhilfe und an der immer wichtigeren Schnittstelle von Jugendhilfe und Schule. Darüber hinaus erfahren Sie viele Fakten zu den so- zialen Lebensbedingungen der Bürgerinnen und Bürger in Ihrem Kreis. In der Gesamtschau dieser vielfälti- gen Aspekte bietet der Bericht den Stadt- und Landkreisen wertvolle Impulse für differenzierte Standortbe- stimmungen und für eine zielgerichtete und effiziente Weiterentwicklung ihrer Jugendhilfestrukturen. Die Berichterstattung ist ein von allen öffentlichen Trägern, den freien Trägern der Jugendhilfe und dem KVJS gemeinsam getragenes Projekt. Auf dieser Basis wünschen wir diesem ersten Bericht eine star- ke Verbreitung und ertragreiche Auswertungen auf der örtlichen Ebene. Die Expertinnen und Experten des KVJS-Landesjugendamtes stehen den Jugendämtern und anderen Interessierten dabei gerne beratend und 5 unterstützend zur Seite. Karl Röckinger Roland Klinger Verbandsvorsitzender Verbandsdirektor Bericht HzE 2008 0. Einleitung Der vorliegende Bericht zu Entwicklungen und Rahmenbedingungen der Inanspruchnahme erziehe- rischer Hilfen in Baden-Württemberg 2008 markiert den Einstieg in eine zukünftig regelmäßige, in ei- nem Vierjahreszyklus angelegte überörtliche Berichterstattung des Landesjugendamtes zu einem wichtigen Handlungsfeld der Kinder- und Jugendhilfe. Zentraler Berichtsgegenstand sind umfassende Datenaufberei- tungen und Auswertungen zu den Veränderungen und den Unterschieden in der Inanspruchnahme der Hil- fen zur Erziehung nach §§ 27 – 35 SGB VIII im Zuständigkeitsbereich der 48 Jugendämter in den 44 Stadt- und Landkreisen Baden-Württembergs. Die Berichterstattung basiert auf einer Rahmenkonzeption1, die vom Landesjugendamt in enger Abstimmung mit den baden-württembergischen Jugendämtern entwickelt und deren Umsetzung im Juni 2006 vom Landesjugendhilfeausschuss und im Juli 2006 vom Verbandsaus- schuss des KVJS mit großer Zustimmung beschlossen wurde. Ziel der Berichterstattung ist es, regelmäßig empirisch fundierte, kreisspezifische und kreisvergleichen- de Standortbestimmungen zur Entwicklung der Inanspruchnahme erzieherischer Hilfen in den Landkrei- sen, Stadtkreisen und kreisangehörigen Städten mit eigenem Jugendamt in Baden-Württemberg vorzule- gen und eine Analyse des Bedingungsgefüges der beobachteten Entwicklungen vorzunehmen. Mit diesen Zielsetzungen folgt die Konzeption der Grundidee, dass die verlässliche Beschreibung und Analyse bishe- riger Entwicklungen die Grundvoraussetzung dafür schafft, aus dem besseren Verstehen des Seitherigen begründete Entscheidungen für die weitere, effektive Ausgestaltung der Leistungsstrukturen und Arbeits- weisen der Kinder- und Jugendhilfe abzuleiten und darüber einen möglichst effizienten Einsatz der knappen Ressourcen zu unterstützen. Die wesentlichen Zielsetzungen – und damit auch der Nutzwert der Berichte 6 für die örtlichen, aber auch für die freien Träger der Kinder- und Jugendhilfe in Baden-Württemberg – beste- hen darin, • verlässliche, für alle Stadt- und Landkreise in Baden-Württemberg standardisierte Datengrundlagen zur Inanspruchnahme der Hilfen zur Erziehung und deren Veränderungsdynamik, zu weiteren Leistungsfel- dern der Jugendhilfe und zu sozialstrukturellen Gegebenheiten bereitzustellen, • auf dieser Grundlage eine empirisch fundierte und fachlich qualifizierte Standortbestimmung der einzel- nen Kreise zu ermöglichen, • Hinweise auf Ursachen der Bedarfsentwicklungen in grundlegender Tendenz und hinsichtlich der spezifi- schen Bedarfslagen in den Kreisen in der Zusammenführung der genannten Faktoren herauszuarbeiten, • aus diesen Analysen Erkenntnisse zu Handlungserfordernissen und Prioritätensetzungen in der Weiter- entwicklung der Jugendhilfestrukturen, gerade auch in kreisspezifischem Blickwinkel abzuleiten, • fachlich begründete Impulse zur kritischen Reflexion seitheriger Praxis in der Gewährung und Ausgestal- tung von Hilfeleistungen auszulösen, auch um darüber einen effizienteren Einsatz der knappen finanziel- len Mittel zu befördern, und • eine qualifizierte Datengrundlage zur Fundierung und Versachlichung der kommunalpolitischen Debatten um die Handlungsbedarfe der Jugendhilfe und die dafür benötigten finanziellen Ressourcen zu erschlie- ßen. Für den vorliegenden Bericht gilt, dass er nicht nur sehr umfangreich ist, sondern dass er als fachplaneri- sche Ausarbeitung für Leserinnen und Leser, die sich nicht oder allenfalls selten vertieft mit Fragen der Ju- gendhilfeplanung und empirischen Arbeitsansätzen befassen, vermutlich eine „schwer verdauliche“ Lektüre ist. Deshalb sei bereits hier darauf hingewiesen, dass das Landesjugendamt die zentralen Ergebnisse in einer Kurzbroschüre zusammengefasst hat, die sich an fachlich Interessierte und politisch Verantwortliche richtet, denen die gewonnenen Erkenntnisse wichtig, die Lektüre des Gesamtberichtes aber zu aufwändig sind. Diese Kurzbroschüre kann kostenlos vom Kommunalverband für Jugend und Soziales bezogen wer- 1 vgl. KVJS/Landesjugendamt 2006 Bericht HzE 2008 den.2 Darüber hinaus sind im vorliegenden Bericht am Ende eines jeden Kapitels die zentralen Teilergebnis- se als Kernbefunde in grün unterlegten Kästen hervorgehoben, und sie werden in Kapitel 8 noch einmal in eine komprimierte Gesamtschau gebracht. So können sich auch Leser/innen, die nicht den ganzen Bericht lesen können oder wollen, bereits einen etwas differenzierteren Überblick verschaffen. Die ausführlicheren Darlegungen in den einzelnen Kapiteln des Berichtes dienen der präzisen Definition und der differenzierten Darstellung der vielfältigen Daten für alle 44 Stadt- und Landkreise, der Erläuterung, Nachvollziehbarkeit und der Überprüfbarkeit der herausgearbeiteten Befunde sowie der Reflexion der daraus abgeleiteten Er- kenntnisse und Folgerungen. Der umfassende Gesamtbericht wendet sich damit in erster Linie an die Professionellen in den Jugendäm- tern und bei freien Trägern sowie andere fachlich besonders Interessierte, die die Fülle des facettenreichen Datenmaterials zur vertiefenden Auseinandersetzung mit den Entwicklungen der Inanspruchnahme von Ju- gendhilfeleistungen sowohl im Blick auf die grundlegenden Tendenzen wie insbesondere auch im Blick auf die einzelnen Kreise nutzen wollen. Allerdings gilt auch für solche kreisspezifischen Betrachtungen die Ein- schränkung, dass zwar alle relevanten Daten für alle Stadtkreise und Landkreise in einer Vielzahl von Ta- bellen aufbereitet sind, diese Datenfülle aber im Bericht selbst nicht für jedes der 48 Jugendämter dezidiert zusammengeführt, analysiert und auf fachplanerische Konsequenzen hin interpretiert werden kann. Dies hätte den Umfang des Berichtes um ein Vielfaches erweitert und ihn letztlich unlesbar gemacht. Deshalb erschließt sich der umfassende Erkenntnisgewinn für den einzelnen Kreis erst im Zuge der Weiterarbeit mit dem hier zur Verfügung gestellten Datenmaterial und den Befunden. Da es bei dieser Be- richterstattung in erster Linie darum geht, die örtlichen Jugendhilfeträger bei der Weiterentwicklung ihrer Ju- gendhilfepraxis gezielt zu unterstützen, wird das Landesjugendamt die grundlegenden Ergebnisse und ins- 7 besondere die kreisspezifischen Aspekte im Rahmen einer umfassend angelegten Transferphase für die Kreise, die dies wünschen, differenziert aufbereiten.3 Somit geht der Nutzen der Berichterstattung für die örtlichen Träger weit über die im vorliegenden Bericht dargestellten Ergebnisse hinaus. Was das im Bericht entfaltete Datenmaterial trotz seiner hohen Differenziertheit allerdings nicht leisten kann und will, ist eine Bewertung der jeweiligen Kreissituation. Solche Einschätzungen können nur im Kon- text der diskursiven Erörterung der Befunde in den jeweiligen Kreisen selbst – wo gewünscht, im Fachaus- tausch mit dem Landesjugendamt – erzielt werden, zum Teil sicher auch unter Hinzuziehung von Informati- onen und Aspekten, die im Rahmen der standardisierten Datenstruktur der Berichtskonzeption nicht erfasst sind. Der Bericht hat dabei die Funktion, auf der Grundlage des verwendeten Datenmaterials vergleichen- de Standortbestimmungen der Kreise und darüber empirisch fundierte Hinweise auf Besonderheiten und mögliche Bedingungsfaktoren der kreisspezifischen Situation zu ermöglichen. Er bietet damit Anregungen für zielgerichtete Fragestellungen im Interesse einer qualifizierten und effizienten Weiterentwicklung der be- stehenden Jugendhilfestrukturen. Gleichwohl werden die hier aufbereiteten Kreisdaten sicherlich nicht al- le zu Tage tretenden Phänomene erklären und sämtliche damit verbundenen Fachfragen beantworten kön- nen. Sie werden aber – und dies ist zunächst mindestens genauso wichtig – helfen, kreisbezogen die rich- tigen Fragen zu stellen und unter Hinzuziehung der grundlegenden Erkenntnisse zur Bedarfsgenese sowie aus der kreisvergleichenden Perspektive heraus konkrete Anregungen für kreisbezogene Entwicklungspro- zesse zu geben. Die inhaltliche Anlage des Berichtes orientiert sich in ihrem Gliederungsaufbau an den theoretischen Grundlagen, auf denen die Berichtskonzeption basiert. Dieses Modell4 geht davon aus, dass die Verände- rungsdynamik, insbesondere aber auch die kreisbezogenen Unterschiede in der Inanspruchnahme der er- zieherischen Hilfen nur in der Gesamtschau des Zusammenwirkens einer Vielzahl von Faktoren gesehen 2 Die Broschüre „Bericht zu Entwicklungen und Rahmenbedingungen der Inanspruchnahme erzieherischer Hilfen in Baden- Württemberg. Zusammenfassung zentraler Ergebnisse des Berichts 2008“ kann unter der im Impressum angegebenen Adresse bestellt werden. 3 siehe dazu Kapitel VIII. 4 vgl. Bürger/Lehning/Seidenstücker 1994; Bürger 1999 Bericht HzE 2008 und verstanden werden können, die systematisch fünf Kategorien bedarfsbeeinflussender Variablen zuge- ordnet werden können. Es handelt sich dabei um • die Verfügbarkeit (oder eben das Fehlen) anderer Jugendhilfeangebote in den Städten bzw. Kreisen hin- sichtlich primär präventiver Leistungsstrukturen, etwa in den Bereichen Jugendarbeit/Jugendsozialarbeit, Krippe und Hort sowie – zunehmend bedeutsam – Angebote an den Schnittstellen zum und Kooperatio- nen mit dem System Schule, • die Arbeitsweisen und Arbeitsbedingungen innerhalb der Jugendämter hinsichtlich ihrer jeweiligen perso- nellen Ressourcen, ihrer sozialpädagogisch-konzeptioneller Ausrichtungen sowie der Organisation und Ausgestaltung der Planungs- und Entscheidungsprozesse bezüglich Hilfegewährung und Hilfeplanung (Wahrnehmungs-, Definitions- und Entscheidungsprozesse), • die politisch-fiskalischen Einflussnahmen auf die Arbeit der Jugendämter, • die Bedingungen und den Wandel von Familienstrukturen und sozialen Lebenslagen von Kindern, Ju- gendlichen und deren Familien; und schließlich • die demografischen Strukturen und deren Veränderung. Wenngleich es nicht möglich ist, alle Einflussfelder im Rahmen der regelmäßigen Berichterstattung in glei- cher Intensität zu berücksichtigen5, so folgt aus dieser theoretischen Rahmung doch eine inhaltliche Struktur, aus der sich für den Aufbau des Berichtes die folgende Gliederung ergibt. Die Analysen zur Veränderungsdynamik in der Inanspruchnahme erzieherischer Hilfen in den zurückliegen- den Jahren beginnen in Kapitel I. mit einer – den landesinternen Betrachtungen voran gestellten – Stand- ortbestimmung bezüglich der Hilfehäufigkeiten in Baden-Württemberg im Vergleich zu den Entwicklungen in anderen Bundesländern. Dieser „Blick über den Tellerrand“ wird regelmäßiger Bestandteil der Berichterstat- 8 tung sein, um die hiesige Bedarfslage und -entwicklung, wie auch spezifische Merkmale der Leistungsstruk- turen der erzieherischen Hilfen (etwa den Ausbaustand der nicht-stationären Hilfen im Verhältnis zu den Fremdunterbringungen), zunächst aus einer bundesländervergleichenden Perspektive einschätzen zu kön- nen. Die daran anschließenden Kapitel widmen sich dann ausführlich der Darstellung der Entwicklungen und Verhältnisse in den Stadtkreisen und Landkreisen Baden-Württembergs. Kapitel II. beschreibt die Inan- spruchnahme der Leistungen der Hilfen zur Erziehung (§§ 27-35 SGB VIII) einschließlich der Hilfen, die für junge Volljährige (§ 41 SGB VIII) und für seelisch behinderte Minderjährige (§ 35a SGB VIII) erbracht wur- den. Die Abbildung dieser Fallzahlentwicklungen in den Zuständigkeitsbereichen der Jugendämter in den 9 Stadtkreisen, 35 Landkreisen und 4 kreisangehörigen Städten mit eigenem Jugendamt erfasst den Zeit- raum vom Jahr 2003 bis zum Jahr 20066. Neben den Gesamtfallzahlen der Inanspruchnahme in der Sum- me der genannten Hilfen (Kapitel II.2) werden die Entwicklungen bei den seelisch behinderten Minderjäh- rigen in Kapitel II.3, bei den jungen Volljährigen in Kapitel II.4 und bezüglich der Erziehungsberatung (§ 28 SGB VIII) in Kapitel II.5 ergänzend gesondert betrachtet. Abgerundet werden die Daten zu den individuel- len Hilfen in den Kreisen anhand der Leistungen zu Betreuungen in Gemeinsamen Wohnformen für Mütter/ Väter und Kinder (§ 19 SGB VIII) in Kapitel II.6 und zur Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen (§ 42 SGB VIII) in Kapitel II.7. Komplementär zur Abbildung der Inanspruchnahme der Hilfen in Gestalt der Fall- zahlen werden schließlich in Kapitel II.8 die Ausgaben für die in diesem Kapitel behandelten Jugendhilfe- leistungen dargestellt. Im Zentrum des Kapitels III. stehen dann ergänzend ausgewählte Aspekte zum Inanspruchnahmeprofil der erzieherischen Hilfen in den einzelnen Kreisen. Im Kern geht es dabei um vertiefende Betrachtungen – und im Ergebnis um reflexive Impulse – zur seitherigen Hilfepraxis der Jugendämter unter dem Gesichtspunkt 5 Diese Einschränkung betrifft insbesondere die Variablenkategorie Wahrnehmungs-, Definitions- und Entscheidungsprozesse; sie- he dazu Kapitel V 6 Zum Zeitpunkt der Erarbeitung des Berichtes waren die Daten des Jahres 2006 die jüngst verfügbare Datenlage. Im Zuge des Transfers der Berichtsergebnisse in die Kreise werden aktualisierte Daten stets zeitnah berücksichtigt werden. Bericht HzE 2008 der Ausschöpfung des im Kinder- und Jugendhilfegesetz angelegten Hilfespektrums. Im Einzelnen werden Auswertungen zur Nutzung des Hilfekanons der §§ 29-35 SGB VIII unter altersklassenspezifischen (Kapitel III.1) sowie unter geschlechtsspezifischen (Kapitel III.2) Gesichtspunkten vorgenommen. Nachdem damit in den Kapiteln II. und III. die Entwicklungen und die Unterschiede in der Inanspruchnah- me der Hilfen zur Erziehung – und damit der zentrale Untersuchungsgegenstand dieses Berichtes – in der gebotenen Differenzierung entfaltet sind, nehmen die Folgekapitel die Rahmenbedingungen der kreisspe- zifischen Inanspruchnahme der Hilfen zur Erziehung genauer in den Blick. Zunächst werden die Angebots- und Leistungsstrukturen in anderen Feldern der Kinder- und Jugendhilfe, wie beispielsweise die personel- len Ressourcen in der Kinder- und Jugendarbeit oder die Versorgung mit Angeboten der Kindertagesbe- treuung, beschrieben (Kapitel IV.1); Kapitel IV.2 beschäftigt sich mit den Jugendhilfeleistungen an ausge- wählten Schnittstellen zur und in Kooperation mit der Schule. In Kapitel IV.3 geht es dann um die Darstel- lung der sozialstrukturellen Bedingungen in den Stadt- und Landkreisen als einer weiteren wichtigen Grund- lage der kreisvergleichenden Analysen. Kapitel V. führt vielfältige Daten aus den verschiedenen Gegenstandsbereichen der vorangegangenen Ka- pitel unter anderem in einer Matrix zusammen, in der für jeden Kreis – auch in kreisvergleichender Pers- pektive – die Grundlagen für Standortbestimmungen in einer breit angelegten Gesamtschau ersichtlich wer- den. Darüber hinaus geht es dort um die Frage nach der Bedeutung sozialstruktureller Faktoren für die un- terschiedliche Inanspruchnahme erzieherischer Hilfen. Mittels der darüber gewonnenen Erkenntnisse wer- den Ansatzpunkte für vertiefende kreisvergleichende Betrachtungen wie auch zur Bildung von Gruppen an- gemessen vergleichbarer Kreise erschlossen, die im Zuge des Transfers der Berichtsergebnisse für weiter gehende fachliche Einordnungen und Erörterungen genutzt werden können. Für dieses, wie auch für alle 9 anderen Kapitel gilt im Übrigen, dass alle definitorischen und methodischen Erläuterungen jeweils im Kon- text der zu beschreibenden beziehungsweise zu analysierenden Sachverhalte vorgenommen werden, da ein eigenständiges Kapitel zu Methodenfragen unausweichlich sehr abstrakt und damit wenig leserfreund- lich ausgefallen wäre. Kapitel VI. fasst die wesentlichen Berichtsergebnisse in komprimierter Form zusammen. Daran anknüp- fend entwickelt Kapitel VII. die daraus abgeleiteten fachplanerischen Bewertungen und die jugendhilfepoliti- schen Folgerungen und verdichtet damit die grundlegenden Erkenntnisse dieses Berichtes im Blick auf de- ren Konsequenzen für die weitere Ausgestaltung einer leistungsfähigen und effizienten Kinder- und Jugend- hilfe. In Kapitel VIII. werden schließlich die Dienstleistungsangebote, die das Landesjugendamt seinen Ko- operationspartnern im Zuge der Transferphase anbietet, skizziert und damit in gewisser Weise eine Brücke zur Weiterarbeit mit dem Bericht auf örtlicher Ebene geschlagen. Zum Abschluss dieser einleitenden Erläuterungen bedarf es nun noch eines grundsätzlichen Hin- weises zum interpretativen Umgang mit dem in diesem Bericht umfangreich aufbereiteten Daten- material. Es wäre ein grundlegendes Missverständnis, und ein – im Blick auf das tatsächliche Verstehen der kreisbezogenen Jugendhilfeprofile – elementarer Fehler, wenn an Hand der isolierten Betrachtung ein- zelner Merkmale vorschnelle Bewertungen im Sinne einer „guten“ oder einer „schlechten“ Position bezie- hungsweise Situation des jeweiligen Kreises nur unter dem Blickwinkel dieses Einzelmerkmals vorgenom- men würden. Derart verkürzte Schlüsse verbieten sich im Rahmen dieser Berichterstattung, für die gerade- zu konstitutiv gilt, dass sich erst in der Zusammenführung und in der interpretativen Gesamtschau der vie- len Einzelfaktoren eine sachgerechte Einschätzung der vorgefundenen Verhältnisse erschließt. Darüber hi- naus ist stets zu bedenken, dass die Daten zu Fallzahlen und zu den Strukturmerkmalen der Kinder- und Jugendhilfe in den Kreisen zunächst rein quantitative Aussagen sind, die keine Rückschlüsse auf die Inten- sität und die Qualität der Angebote zulassen, wie sie erst in vertiefender kreisspezifischer Betrachtung in ei- ne Gesamtbewertung einbezogen werden können. All dies erfordert eine intensive und gewissenhafte Aus- einandersetzung mit den hier veröffentlichten Daten, bei der das Landesjugendamt alle Jugendämter, die dies wünschen, aber auch alle anderen Adressaten der Berichterstattung, im Zuge der Transferphase ger- ne unterstützt. Bericht HzE 2008 I. Die Inanspruchnahme der Hilfen zur Erziehung in Baden-Württemberg im Bundesländervergleich Die bundesländervergleichenden Betrachtungen zielen auf eine Standortbestimmung der Inanspruchnahme der erzieherischen Hilfen in Baden-Württemberg aus dem Blickwinkel bundesweiter Trends. Sie erschließen erste grundsätzliche Einschätzungen zur quantitativen Bedeutung dieser Jugendhilfeleistungen in Baden- Württemberg und zur Einordnung landesspezifischer Strukturentwicklungen im Feld der Hilfen zur Erzie- hung, etwa der Inanspruchnahme nicht-stationärer Hilfen gegenüber stationären Hilfen, aus der länderver- gleichenden Perspektive. Die Analysen schaffen damit in gewisser Weise einen übergeordneten Bezugs- rahmen, vor dessen Hintergrund die landesinternen Befunde in den weiteren Kapiteln zu verorten sind. Die Vergleichsbetrachtungen basieren auf den Daten der amtlichen Kinder- und Jugendhilfestatistik. Jüngs- ter abgebildeter Sachstand ist die Situation im Jahr 2005. Die jüngste Entwicklungsdynamik wird anhand der Veränderungen vom Jahr 2000 zum Jahr 2005 betrachtet. Die Festlegung auf diese beiden Untersu- chungsjahre resultiert daraus, dass das Erhebungsverfahren der amtlichen Kinder- und Jugendhilfestatis- tik bis zum Jahr 20067 erhebliche Fehlerquellen beinhaltete, die nur alle 5 Jahre unter Hinzuziehung einer Stichtagserhebung bereinigt werden konnten.8 Mit den Datenbasen der Jahre 2000 und 2005 ist sicher ge- stellt, dass die Standortbestimmungen auf insoweit valider Grundlage erfolgen. Das Kapitel gliedert sich in die Darstellung des jüngsten Sachstands im Jahr 2005 (Kapitel I.1), in die Analysen zu den Veränderungs- 10 dynamiken in der Gegenüberstellung der Jahre 2000 und 2005 (Kapitel I.2) und schließlich in ergänzen- de Betrachtungen zu den Ausgaben der Bundesländer für diese Jugendhilfeleistungen im Jahr 2005 (Kapi- tel I.3). I.1 Inanspruchnahme der Hilfen zur Erziehung im Jahr 2005 Die Aufbereitung der Fallzahlen der Hilfen im Jahr 2005 umfasst die im SGB VIII bestimmten Hilfearten nach • § 28: Erziehungsberatung • § 29: Soziale Gruppenarbeit • § 30: Erziehungsbeistand, Betreuungshelfer • § 31: Sozialpädagogische Familienhilfe • § 32: Erziehung in einer Tagesgruppe • § 33: Vollzeitpflege • § 34: Heimerziehung, sonstige betreute Wohnform, und • § 35: Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung. Nicht berücksichtigt sind damit die Hilfen, die originär auf der Basis des § 27 Abs. 2 oder 3 SGB VIII durch- geführt wurden, da die amtliche Kinder- und Jugendhilfestatistik diese Hilfen bis zum Jahr 2006 noch nicht mit erfasste.9 Die ausgewiesenen Fallzahlen beinhalten die Hilfen zur Erziehung für Minderjährige auf der Grundlage des Rechtsanspruchs nach § 27 SGB VIII sowie die der jungen Volljährigen auf der Grundlage 7 Die im Folgenden skizzierten Problemstellungen sind mit den seit dem Jahr 2007 im Zuge einer Novellierung des SGB VIII vorge- nommenen grundlegenden Modifizierungen der amtlichen Kinder- und Jugendhilfestatistik systematisch überwunden. Daten aus dem neuen Erhebungsverfahren werden aber erstmals voraussichtlich Ende 2008 vorliegen. 8 vgl. zum „kumulierten Saldofehler“ Rauschenbach/Schilling 1997 S. 90 ff 9 Deshalb, aber auch auf Grund weiterer Unschärfen in der amtlichen Statistik, unterscheiden sich die in diesem Kapitel zum Bun- desländervergleich ausgewiesenen Daten für das Bundesland Baden-Württemberg von denen, die in den Folgekapiteln – auf der Basis der vom Landesjugendamt selbst bei den Jugendämtern in Baden-Württemberg erhobenen, und damit verlässlicheren Da- ten – verwendet werden
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