Übersetzung der Arbeit „DAVID MASSEMIN, DOMINIQUE BORDAGE & KRITON KUNZ (2007): Report on the occurrence of Pipa snethlageae (Anura: Pipidae) in French Guiana, with notes on its natural history. - Salamandra, Rheinbach, 43(3): 139-147". Bericht über das Vorkommen von Pipa snethlageae (Anura: Pipidae) in Französisch Guayana mit Anmerkungen zu ihrer Lebensweise Zusammenfassung: Wir berichten über Pipa snethlageae in Französisch-Guayana, wodurch sich die Anzahl der aus diesem Teil Südamerikas bekannten Arten von Pipa auf drei erhöht. Die Art bewohnt eine Wasserscheide in einem Ökoton zwischen Wald und offenen Lebensräumen. Wir geben sowohl im Freiland gemachte Beobachtungen an die sen Fröschen wieder als auch solche aus dem Labor. Morphometrische Daten werden durch Informationen zu Popu lationsstruktur, Geschlechtsdimorphismus, Lautäußerungen sowie zu Futteraufnahme-und Fortpflanzungsverhalten ergänzt. Schlagwörter: Amphibia: Pipidae: Pipa snethlageae, P. pipa, P. aspera, Französisch-Guayana. Einleitung und vollständig mit Schwimmhäuten versehene Hinterfüße. Und obwohl sie sich an Land fortbe Das zu Frankreich gehörende südamerikanische wegen können, tun sie auch das mit „Schwimm Territorium von Französisch-Guayana umfasst bewegungen", da sie nicht in der Lage sind, ihre etwa 84.000 km2 und wird von Surinam im Nord Gliedmaßen unter den Körper zu bringen, um westen, dem Atlantik im Norden und Brasilien im sich dadurch der hüpfenden Fortbewegungswei Süden begrenzt. Nahezu 90 % von Französisch se typischer Anuren zu bedienen. Pipiden besit Guayana weisen noch immer unveränderte Le zen kleine, auf der Oberseite liegende Augen, die bensräume auf; es ist damit eines von 15 verblie Nasenlöcher sind Ventilen gleich gestaltet, und benen großen, intakten Waldgebieten auf der Welt den Tieren fehlt eine Zunge. Bei den Arten, bei (GARGOMINY 2003). Das Klima ist hier subäqua denen das Paarungsverhalten beobachtet worden torial und ist durch im Jahresverlauf einander ab ist, führen Männchen und Weibchen im Ample wechselnde Regen- und Trockenzeiten geprägt. xus vereint Unterwassersalti aus (z. B. Pipa pipa; Die Amphibienfauna von Französisch-Guayana für eine Übersicht siehe KUNZ 2003). Es wird an ist sehr artenreich und besteht aus 103 Anuren genommen, dass die Eier bei allen Arten von Pipa taxa sowie sieben Blindwühlenarten; fünf Anu auf dem Rücken des Weibchens zur Entwicklung ren sind endemisch, und wenigstens sieben Arten kommen, und bei den meisten Arten vollzieht sind noch zu beschreiben. Trotz der intensiven sich auch die Entwicklung der Kaulquappen auf Bemühungen um eine Inventarisierung von Fran dem Rücken des Weibchens. zösisch-Guayana während der letzten zwei Jahr Es sind sieben rezente neotropische Vertreter zehnte ist die Anurenfauna noch immer unzurei der Gattung Pipa bekannt - P. arrabali IzECK chend bekannt (LESCURE & MARTY 2000). SOHN, 1976, P. aspera MÜLLER, 1924, P. carvalhoi Pipide Frösche, vertreten durch die Gattung (MIRANDA-RIBEIRO, 1937), P. myersi ThUEB, 1984, Pipa, gehören zu den bemerkenswertesten Mit P. parva RuTHVEN & GAI GE, 1923, P. pipa (LINNAE gliedern der Anurenfauna von Französisch-Gua us, 1758) undP. snethlageae MÜLLER, 1914. Die Gat yana; der Grund dafür sind die außergewöhn tung ist im gesamten amazonischen Bereich Süd lichen anatomischen und verhaltensphysiologi amerikas weit verbreitet und kommt nach Norden schen Charakteristika dieser hochgradig speziali bis Panama vor. Drei Arten sind auch aus Fran sierten, versteckt lebenden, aquatischen Anuren. zösisch-Guayana nachgewiesen, nämlich P. pipa, Die Frösche besitzen typischerweise einen dor die im Amazonasbecken weit verbreitet zu sein soventral abgeflachten Körper mit seitlich abste scheint, Pipa aspera, die eine weitaus begrenzte henden Gliedmaßen, modifizierte Fingerspitzen re Verbreitung in Französisch-Guayana und dem DER SALAMANDER, Rheinbach, 20.08.2007, 3(3): 139-147, ISSN: 1860-6644. © 2007 Deutsche Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde e.V (DGHT) 139 benachbarten Surinam hat (LESCURE & MARTY ben Biotop teilen, wurde eine juvenile P. snethla 2000, TRUEB & MASSEMIN 2000) und P. snethla geae separat mit einer an derselben Stelle ein paar geae (BoRDAGE et al. 2003). Die zuletzt genannte Tage später gefangenen, juvenilen P. pipa verge Art ist ansonsten von verschiedenen Fundstellen sellschaftet - beide Exemplare koexistierten pro im amazonischen Tiefland von Brasilien, Kolum blemlos. Trächtige Weibchen wurden solange iso bien und Peru bekannt. über die Lebensweise von liert gehalten, bis die letzten Jungen geschlüpft P. snethlageae weiß man praktisch nichts, was auch waren und sich das Dorsalepithel regeneriert hat auf ihre Fortpflanzungsweise zutrifft, die hier erst te. Frisch geschlüpfte Frösche wurden in Gruppen malig beschrieben wird. Darüber hinaus berich zu je fünf aufgeteilt und getrennt von den Adulti ten wir über Beobachtungen unter Freiland- und untergebracht. Laborbedingungen und legen morphometrische Die KRL gefangen gehaltener Exemplare wur Daten zu P. snethlageae sowie Beobachtungen de mit einer Schieblehre auf 0,1 mm genau ermit zur Lebensweise der beiden ebenfalls in Franzö telt. Ihr Gewicht wurde direkt nach dem Fang und sisch-Guayana heimischen Gattungsangehörigen noch vor der ersten Fütterung mit einer mobilen P. aspera und P. pipa vor. Digitalwaage (Myweigh Pointscale 5.0 PT-500) auf 1,0 g genau festgestellt. Trächtige Weibchen wur den erst gewogen, nachdem ihr Dorsalepithel wie Material und Methoden der einen normalen (d. h. nicht fortpflanzungsak tiven) Zustand angenommen hatte, aber nachdem Zwischen dem 27. Juni und 27- Juli 2003 wurde sie gefüttert worden waren. Lautäußerungen wur der an den Flughafen von Rochambeau unweit den mit einem Bandaufzeichnungsgerät (Olym Cayenne angrenzende, als „Lac Maran" bekann pus Pearlcorder S 713 GP mit Micro-Bändern) im te Bereich fünfzehn Feldstudien unterzogen, da Labor bei 27 °C aufgezeichnet. Pipa snethlageae von acht mit Nachweisen von P. snethlageae, sie lässt sich sehr einfach zum Rufen bewegen, z. B. ben ohne. An jedem der Tage wurden opportunis reagieren die Frösche mit Rufen, wenn sie gefüt tische visuelle Suchen zwischen 19:00 und 23:00 tert werden. Uhr durchgeführt. Während des Tages verwen deten wir Taucherbrillen, um Frösche unter der Schicht toter Blätter auf dem Grund des Gewäs Ergebnisse sers und in den verschiedenen natürlichen Ver Habitat stecken unter Wasser aufzuspüren. Aufgrund der Einfachheit, mit der sich die Frösche auf dem Sub Pipa snethlageae wurde von DB und DM in einem strat beobachten ließen, sind wir überzeugt, dass kleinen, permanenten Teich (zu diesem Zeitpunkt wir bei jeder Suche sämtliche in diesem Teich le des Jahres ca. 50 m2 und weniger als 1,5 m tief) benden Individuen gesehen haben. entdeckt, dessen Größe u. a. vom Niederschlag Gefangene Frösche wurden nicht markiert abhängt. Während der Regenzeit weist das Wasser und lediglich solange festgehalten, bis ihre Ge dieses Teiches nur eine geringe Bewegung auf. Der schlechtszugehörigkeit festgestellt worden war, Teich enthält eine große Menge toter Blätter und dann aber wieder freigelassen. Fortpflanzungsak andere mögliche Versteckplätze für die Frösche. tive Weibchen ließen sich anhand der hervorste Er ist Teil einer komplexen Wasserscheide, die henden Kloake sowie der Dorsalhaut identifizie aus natürlichen Flüssen und künstlich angelegten ren, wenn diese Eier enthielt oder Gruben für Eier Entwässerungskanälen besteht. Der Wasserzulauf aufwies. In Ermangelung anderer diagnostischer zum Teich hängt neben dem Niederschlag auch Merkmale betrachteten wir die größten Exem vom hydromorphischen Zustand des Bodens ab. plare als Adulti und Fröschchen mit einer Kopf Er wird sowohl von einem kleinen Bach als auch Rumpf-Länge (KRL) von 15 mm oder weniger als von einem kleinen Fluss gespeist, in dem mehre kürzlich geschlüpft; alle mittelgroßen Individuen re Fisch- und aquatische Amphibienarten leben. wurden als Jungtiere angesehen. Angesichts der Tatsache, dass nur wenige Exemp Zwölf Tiere wurden in einem klimatisierten lare von P. snethlageae in diesem kleinen Teich zu Raum in Cayenne bei einer konstanten Tempe beobachten waren, erscheint es wahrscheinlich, ratur von 27 °C im Labor gehalten. Die Frösche dass diese Population Teil einer größeren ist, die waren in einem mit gefiltertem, pH-neutralem stromauf- oder -abwärts in dieser Wasserscheide Wasser gefüllten Aquarium untergebracht. Um lebt. Diese Annahme wird durch den 2005 erfolg festzustellen, wie sich verschiedene Arten densel- ten Fund eines lebenden Exemplars von P. sneth- 140 Tab. 1. Arten nachtaktiver Wirbeltiere, die im Umfeld des Untersuchungsortes vorkommen, mit Angaben zu ihren Ernährungsgewohnheiten. Diese Arten wurden während nächtlicher Suchgänge beobachtet. Vertebraten- Taxon Nahrung potenzieller Prädator gruppe adulter und juveniler Pipa snethlageae Salmlerartige Hoplerythrinus omnivor mit prädatorischen ja (Adulti und Juvenile) unitaeniatus Tendenzen Hoplias malabaricus piscivor bis omnivor nein Nanostomus becfordii omnivor mit nein insectivoren Tendenzen Copella carsevennensis insectivor nein Pyrrhulina filamentosa insectivor nein (myrmecophag) Acestrorhynchus piscivorer Prädator ja (Adulti und Juvenile) guianensis Hemirammus crustaceovor; frisst auch nein um meatus Insekten und Mollusken Moenkhausia omnivor nein surinamensis Metynnis cf. phytophag nein lippincottianus Messeraalartige Gymnotus carapo piscivor bis insectivor nein Barschartige Polycentrus punctatus rein piscivor nein Crenicichla saxatilis insectivor und piscivor ja Chaetobranchus planctivor nein jlavescens Heros efa sciatus omnivor mit nein frugivoren Tendenzen Cichlasoma bimaculatum omnivor mit carnivoren ja (Juvenile) Tendenzen Cleithracara maronii insectivor und crustaceovor nein Krobia aff. guianensis omnivor ja (Juvenile) sp.l Anuren Bufo marinus opportunistischer Prädator ja (Juvenile) Hyla nana insectivor nein Hydrolaetare schmidti insectivor mit ja opportunistischen Tendenzen Pipa pipa opportunistischer Prädator mit ja piscivoren und insectivoren Tendenzen Blindwühlen Typhlonectes piscivor mit necrophagen und ja (Juvenile) compressicauda detritivoren Tendenzen Krokodile Paleosuchus palpebrosus carnivor, piscivor und ja (Adulti) necrophag Schildkröten Chelus fimbriatus Prädator von Fischen und ja (Adulti und Juvenile) Amphibien Schlangen Hydrops triangularis piscivor (+ Amphibien) ja (Juvenile) Pseudoeryx plicatilis piscivor ( + Amphibien) ja (Adulti und Juvenile) Helicops angulatus piscivor (+ Amphibien) ja (Adulti und Juvenile) 141 Abb. 1. Trächtiges Weibchen. Foto: D. MASSEMIN Abb. 3. Männchen von Pipa snethlageae. Foto: D. MASSEMIN Abb. 2. Nahaufnahme eines trächtigen Weibchens Abb. 4. Lateralansicht. Foto: D. MASSEMIN mit deutlich erkennbarem Seitenlinienorgan. Foto: D. MASSEMIN keiten für die im Wasser lebende Fauna. Nachts finden sich Unmengen aquatischer Insektenlarven lageae (ERIC HANSEN pers. Mitt.) nach schweren in dem Teich und seiner Umgebung. Des Weiteren Regenfällen am Strand unweit von Cayenne ge sind Libellen (Arten nicht bestimmt), Schwimm stützt. käfer (Dytiscidae, Art nicht bestimmt), eine Mol Die Wassertemperatur ist an der Oberfläche luskenart (die Apfelschnecke Pomacea dolioides) des Teiches und an seinem Grund identisch und und ein paar Süßwasser-Crustaceen (Krabben und beträgt nachts etwa 29 °C. Der pH-Wert ist < 5, wie Garnelen) vorhanden. Die Ichthyofauna ist divers es auf die meisten Flüsse Guyanas zutrifft (pers. und wurde von KEITH et al. (2000), LE BAIL et al. Beob. DM). Der Teich wird teilweise von Bäumen (2000) und PLANQUETTES et al. (1996) bearbeitet. beschattet und liegt in einem Ökoton einer riesi Unter den Fischen befinden sich fünf Arten, die gen, saisonal überschwemmten Savanne, wie sie in großer Zahl auftreten und als Fressfeinde von für küstennahe Sumpfgebiete in Französisch-Gua P. snethlageae infrage kommen: Acestrorhynchus yana typisch ist. Dieser Lebensraum wird von Cy guianensis, Cichlasoma bimaculatum, Crenicichla peraceae und Poaceae beherrscht, schließt jedoch saxatilis, Hoplerythrinus unitaeniatus und Krobia auch einen sekundären Feuchtwald ein, wie er für aff. guianensis sp. 1. Darüber hinaus wurde ein Ex die Küsten-Schwemmwälder charakteristisch ist emplar von Helicops angulatus (LINNAEUS, 1758) und in dem Palmen (Mauritia flexuosa und Euter (Colubridae) beim Verzehr einer adulten P. sneth pe oleraceae) sowie einige Bäume überwiegen (DE lageae (DB pers. Beob.) beobachtet. Am gleichen GRANVILLE 1986). Es befinden sich keine aquati Fundort und im umliegenden Gelände wurden schen Pflanzen im Teich selbst, allerdings bieten weiterhin fünf sympatrische Arten Amphibien Luftwurzeln der entlang den Rändern wachsenden (einschließlich P. pipa im selben Teich) und vier terrestrischen Vegetation Unterschlupfmöglich- Arten Schlangen (nach CHIPPAUX 1986 bestimmt) 142 festgestellt (Tab. 1). Zumindest unter Aquarien bedingungen wurden adulte P. snethlageae beim Verzehr von jüngeren Individuen beobachtet (DM pers. Beob.). Populationsmerkmale Anzahl und Altersstruktur der in der Natur beob achteten sowie der im Labor gehaltenen Exempla re sind in Tabelle 2 dargestellt. 31 Beobachtungen erfolgten in situ, darunter zwei an je einem Jung Abb. 5. Ventralansicht eines Exemplars im Aqua tier. überraschenderweise wurden zwar trächtige rium. Foto: D. MASSEMIN Weibchen gefangen (Abb. 1-2), jedoch keinerlei frisch geschlüpfte Exemplare. Dies spiegelt ver mutlich die versteckte Lebensweise und krypti Nahrung und Fressverhalten sche Färbung von P. snethlageae wider sowie die Aktivität der zahlreichen Prädatoren in dem Teich Das Fressverhalten wurde im Labor beobachtet. (Tab. 1). Da wir die einzelnen Individuen nicht Pipa snethlageae ernährt sich opportunistisch so markiert haben, stellt diese Ziffer nicht die tat wohl am Tage als auch nachts und nimmt eine sächliche Größe der Population dar, wenngleich Vielzahl tierischer Beute tot oder lebend an (Fi sie einen Anhaltspunkt für den Umfang der Nut sche, Regenwürmer, Garnelen, Grashüpfer, Stück zung dieses Teichs durch P. snethlageae liefert. chen von Herzfleisch oder Leber, Katzenfutter, Die Anzahl der in dem Teich beobachteten Frö Fischfutter). Ein Frosch konnte dabei mehr als sche schwankte. Am 21. Juli 2003 fanden wir drei vier Regenwürmer vertilgen, einen nach dem an Weibchen und sechs Männchen, die größte Zahl deren, von denen jeder vier Mal so lang wie der von Nachweisen während einer Exkursion (Tab. Frosch selbst war. Lebenden Organismen wird 2). Für die hohe Individuenanzahl am Untersu nachgejagt, und sie werden durch Einsaugen ver chungsort könnten Fortpflanzungsa1.1:ivitäten ver schlungen sowie sie in Reichweite gelangen, so wie antwortlich sein. Die Frösche könnten zum Zweck dies auch bei P. pipa beobachtet worden ist (DM der Paarung in den Teich gewandert oder im Zuge pers. Beob.). der vorangegangenen zwei Tage schweren Regens Im Aquarium löst das Füttern eines Exemp in diesen eingespült worden sein. lars mit Stücken frischen Futters bei der gesamten Bei den 29 Nachweisen adulter Individuen Gruppe eine große Fressgier aus, die alle Mitglie waren 15 männlich (Abb. 3-4), 14 weiblich. Un der veranlasst, mit hektischer Aktivität nach Fut geachtet dieses ausgeglichenen Geschlechterver ter zu suchen. Dieses Verhalten zeigt sich auch, hältnisses sahen wir während der meisten unserer wenn lebende Futtertiere im Überfluss angebo Feldbeobachtungen mehr Männchen als Weib ten werden. Die Frösche schieben sich dabei das chen; das höchste Verhältnis betrug 2 männli Futter mit dem Handrücken ins Maul, so wie dies che Frösche pro Weibchen am 21. Juli 2003. So auch von P. aspera bekannt ist (TRUEB & MASSE wohl männliche als auch weibliche P. snethlageae MIN 2000) - eine Verhaltensweise, die sie auch besitzen eine schwarz gepunktete Kehle, obwohl mit ihren afrikanischen Verwandten Xenopus und Weibchen auch eine ganz schwarze Kehle auf Silurana gemeinsam haben. Wir beobachteten weisen können (Abb. 5). Weibchen zeigen jedoch ebenfalls, dass Weibchen mit Nachkommen auf stets einen dunkel gefärbten Bauch, wohingegen dem Rücken gierig Futter aufnahmen und selbst der des Männchens immer hell gefärbt ist. Größe die eigenen frisch geschlüpften Jungen verschlan und Gewicht der zwölf im Labor gehaltenen Tie gen, wenn diese den Rücken ihrer Mutter verlie re sind nach Geschlechtern getrennt in Tabelle 3 ßen und in der Nähe herumschwammen. zusammengefasst. Die durchschnittliche KRL von Männchen beträgt etwa 74 mm, bei einem durch schnittlichen Gewicht von ungefähr 33 g (n = 7). Lautäußerungen Die Weibchen sind größer und haben eine durch schnittliche Länge von 83 mm und ein durch In Gefangenschaft gibt P. snethlageae Laute von schnittliches Gewicht von etwa 40 g. sich, wenn sich die Temperatur ändert, das Was- 143 r· Tab. 2. Anzahl der zwischen dem 27. Juni und 27. Juli 2003 in der Natur beobachteten und im Labor gehaltenen Exemplare von Pipa snethlageae. Anzahl der Exemplare Feldbeobachtungen in Gefangenschaft Adulti Juvenile frisch Bemerkungen geschlüpft 27/06/03 5 0 0 5 ein Weibchen mit Anzeichen von (nachts) Eiern 29/06/03 2 0 0 2 (nachts) 01/07/03 2 0 0 2 (nachts) 02/07/03 1 0 0 (am Tage) 04/07/03 2 0 0 1 ein Weibchen mit Anzeichen von (nachts) Eiern 20/07/03 5 0 0 0 (nachts) 21/07/03 9 0 0 dicke Weibchen mit stark (nachts) hervortretender, blutiger Kloake 27/07/2003 3 0 (nachts) gesamt 29 2 0 12 ser im Becken aufgefüllt wird, ein neuer Frosch te (Abb. 6). Der Prozess war während der Nacht hinzugesetzt wird und nachdem eine Fütterung zum 1. Juli abgeschlossen und ergab insgesamt 40 erfolgt ist. Der Ruf wird unter Wasser abgegeben Nachkommen. Die Jungen des zweiten, am 4. Juli und ähnelt einem metallischen Klingeln. Er hält gefangenen Weibchens erschienen zwischen dem über ein paar Sekunden an und hat ein konstantes 11. und dem 14. Juli während der Nacht und des Klangvolumen. Für das menschliche Ohr klingen Tages. Von den insgesamt 38 Jungen wurden drei die Rufe von P. snethlageae und P. pipa ähnlich, je tot in dem Becken aufgefunden (Abb. 7) und wei doch erscheint der Ruf von P. pipa metallischer. tere neun tote auf dem Rücken des Muttertieres. Bei der gemeinsamen Haltung beider Arten im Diese waren offenbar bei dem Versuch gestor Labor löst der Ruf von P. snethlageae ein Antwor ben, das Rückenepithel der Mutter zu verlassen; ten bei P. pipa aus. Pipa snethlageae antwortet auch wir nehmen an, dass der Tod einiger Schlüpflinge auf Aufzeichnungen des eigenen Rufs. Durch das auf dem Rücken der Mutter das Schlüpfen anderer Fehlen einer äußeren Schallblase ist es unmöglich verhinderte. Es lässt sich nicht sagen, ob ein sol festzustellen, welches Exemplar gerade ruft. cher Vorfall durch den Stress der Aquarienhaltung verursacht wurde oder auch unter natürlichen Be dingungen auftritt. Geburt in Menschenobhut Die Weibchen waren in einem fortgeschritten Stadium der Entwicklung ihrer Jungen gefangen Unter den im Aquarium gehaltenen Weibchen be worden. Unsere Freilanduntersuchungen erfolg fanden sich zwei mit Eiern auf dem Rücken. Die ten zum Ende der Regenzeit hin; somit haben Paa Jungen des am 27. Juni gefangenen Weibchens be rungen vermutlich zwei Wochen früher stattge gannen am Morgen des 30. Juni zu erscheinen, funden, zu Beginn der Regenzeit, als die Wasser was sich über die folgenden drei Tage fortsetz- stände der Teiche ihren Höchststand erreichten. 144 Beim Fang der Weibchen wiesen diese lediglich breitung und ist bislang nur aus den Montagnes leere Hüllen auf, die von ehemals auf dem Rücken de Ja Trinite im Inland von Französisch-Guaya vorhandenen „Eiern" übrig geblieben waren. Die na bekannt (TRUEB & MASSEMIN 2000) und aus se Hüllen werden während des Geburtsvorgangs der Umgebung des Indianerdorfes Antecume Pata ausgestoßen und hinterlassen tiefe Aushöhlungen, hoch im Maroni, wo die Art in einem stehenden in denen die Köpfe und Beine der Jungfrösche ge Teich nahe einem Fluss entdeckt wurde (P. GAu meinhin zu erkennen waren. Im Verlauf des Ge CHER pers. Mitt.). Interessanterweise beobachte burtsvorgangs waren Kontraktionen der Rücken te P. GAUCHER aber auch ein einzelnes Exemplar haut zu beobachten. Wir vermuten, dass die Be im äußersten Süden von Französisch-Guayana im wegungen der Jungen in ihren Waben diese Kon Dreiländereck von Brasilien, Surinam und Fran traktionen auslösen und dass diese Kontraktionen zösisch-Guayana. Bei diesem Ort handelt es sich ihrerseits die Jungfrösche beim Verlassen der Rü um einen Mitaraka genannten Inselberg. Das Tier ckenhaut des Muttertieres unterstützen. wurde hier unter Umständen angetroffen, die de Nachdem alle Jungtiere geschlüpft sind, er nen bei Antecume Pata entsprachen, d. h. in ei scheint der Rücken des Weibchens angeschwollen, nem kleinen, völlig stehenden Schwarzwasser ist dann jedoch völlig flach. In der Haut zeigen sich Tümpel, der sich inmitten eines Felsens am Rand weiße, kreisrunde, weniger als 1 mm tiefe Vertie eines Flusses gebildet hatte. Diese Beobachtung fungen, die der ursprünglichen Lage der einzelnen erweitert das bekannte Verbreitungsgebiet von P Eier auf dem Rücken des Weibchens entsprechen. aspera ganz erheblich. Das Weibchen häutet sich dann. Seine Haut löst sich in Streifen ab und wird mit den Hinterbeinen Pipa pipa lebt versteckt, lässt sich aber an man entfernt, die äußerst flexibel sind und dem Frosch chen Stellen während des ganzen Jahres finden, so ein Kratzen des Rückens bis hinauf zum Kopf er z. B. in dem küstennahen Sumpfgebiet im west lauben. Die größten Teile der abgestoßenen Haut lichen Teil von Mana und im Osten in der Kaw werden mit den Vorderbeinen ins Maul befördert Region. Die Art kommt ebenfalls in von den Ge und gefressen, so wie dies auch für andere pipi zeiten beeinflussten Flüssen mit starkem Gefäl de Frösche typisch ist (für Fotos von diesem Ver le im Küstenbereich von Macouria und in den halten siehe KuNZ 2003). Innerhalb nur weniger Schwemmsavannen der Kourou-Region vor. Sie Stunden nahmen die dorsalen Vertiefungen eine ist in verschiedenen Quellgewässern in den Se Pigmentierung an, und einige Tage später waren kundärwäldern um Cayenne häufig und auch in sie nur noch als schwache Vertiefungen zu erken nen. Als diese Weibchen dann mit anderen Indi viduen im Aquarium vergesellschaftet wurden, er Tab. 3. Größen und Gewichte der 12 im Labor weckten sie bei den anwesenden Männchen kei gehaltenen Exemplare. nerlei Interesse. Das Geburtsgewicht der kleinen Frösche betrug weniger als ein halbes Gramm, KRL(mm) Gewicht (g) und sie maßen 13-16 mm KRL. Männchen 68 30 DM erhielt von den gleichen adulten Exemp laren in den Jahren 2004 und 2005 weitere Jung 72 37 tiere. 74 34 76 35 76 32 Diskussion 77 33 Von den drei in Französisch-Guayana vorkom 77 36 menden Pipa-Arten ist die im gesamten Amazo x = 74,3 X= 33,8 nasbecken und den Guyanas weit verbreitete P. pipa die am häufigsten anzutreffende Art. Pipa Weibchen 79 39 snethlageae ist aus den amazonischen Teilen von 81 37 Brasilien, Kolumbien und Peru bekannt und tritt 82 38 sympatrisch mit P. pipa auf, wie es auch in Fran 89 45 zösisch-Guayana der Fall ist. Pipa snethlageae ist x = 82,7 X= 39,7 jedoch weniger häufig in den Sammlungen vertre ten. Pipa aspera besitzt die eingeschränkteste Ver- Iuvenile 55 22 145 Abb. 6. Schlüpflinge im Aquarium. Foto: D. MAs SEMIN Abb. 7. Konservierter Schlüpfling auf einem 10- Cent-Stück. Foto: K. KUNZ kleinen Flüssen in den primären Wäldern des Tri nity-Massivs vertreten. Pipa pipa tritt ebenfalls in gestörten Lebensräumen im Umfeld der Siedlung der Wasseroberfläche treibend, wo sie Fische und Saül auf (DB pers. Beob.) und in den hochgelege Insekten erbeuten. Pipa pipa wurde in der Natur nen Flusshabitaten des Maroni unweit der Ort im Wasser am Rand eines Flussufers beobachtet. schaften Papai:chton und Antecume Pata (P. GAU Hier steckten die Frösche zum Atmen die Nase CHER pers. Mitt.). heraus, was ein bei P. snethlageae nie beobachtetes Alle der drei in Französisch-Guayana heimi Verhalten darstellt. schen Pipa-Arten sind nachtaktiv und aquatisch. Biogeographisch ist Amazonien ein ausge Pipa aspera ist kleiner (ca. 50 mm KRL) als ihre dehntes Tiefland, in dem große Teile von Ko Gattungsverwandten und unterscheidet sich wei lumbien, Ecuador, Peru, Bolivien und Brasilien terhin von diesen durch einen rauen Rücken, dicht liegen. Französisch-Guayana ist Teil eines „Gu beieinander liegende Nasenlöcher und Krallen an yana-Schild" genannten Bereiches, der Teile von den Zehen I-III. Pipa aspera besitzt auch keine Venezuela, Guyana, Surinam, Französisch-Gua Hautlappen an den Mundrändern. Pipa snethla yana sowie Amapa in Brasilien umfasst. Geolo geae ist größer als P. aspera, erreicht aber immer gisch besteht das Guyana-Schild aus einem prä noch nur etwa die Hälfte der Größe von P. pipa, kambrischen Granitsockel, der im Nordosten von der sich P. snethlageae ebenfalls durch das vom Orinoko-Becken in Venezuela und im Süden Fehlen eines Hautlappens am vorderen Ende der vom Amazonasbecken umgeben ist. Diese Region Oberlippe und den Besitz vier einfacher, nicht ge zeichnet sich durch ein auffälliges Relief aus In gabelter Loben an jeder Fingerspitze unterschei selbergen und ein System von Flüssen aus, die auf det, was auch bei P. aspera (TRUEB & CANNATEL ihrem Weg zum Meer beinahe parallel zueinander LA 1986) der Fall ist. Pipa snethlageae unterschei verlaufen und dadurch zahlreiche natürliche Bar det sich sowohl von P. aspera als auch von P. pipa rieren für die im Wasser lebende Fauna schaffen. durch das Fehlen verhornter Zehenspitzen. Dieses geographische Muster hat dazu geführt, Das Fressverhalten von P. snethlageae unter dass einige Vertreter der amazonischen Fauna in scheidet sich von dem von P. pipa, ähnelt aber dem Französisch-Guayana nur aus dem Bereich zwi von P. aspera, denn ebenso wie P. aspera liegen P. schen dem Oyapock und der Insel Cayenne be snethlageae auf dem Bodensubstrat, von dem sie kannt sind, wo, erstaunlicherweise, der präkamb etwa alle fünfzehn Minuten aufsteigen, um an rische Felssockel entlang der Küste zutage tritt und der Wasseroberfläche Luft zu holen. Somit fin die ansonsten durchgehend verlaufenden Küsten den sie nur solches Futter, das tot auf dem Grund sümpfe unterbricht. Dies stellt für die Ausbreitung liegt, auf diesem umherläuft oder direkt darüber der in diesen Küstensümpfen heimischen, ama schwimmend in Reichweite kommt; andere mög zonischen Aquafauna eine maßgebliche Barriere liche Beute wird konsequent ignoriert. Pipa pipa nach Norden dar (LESCURE & MARTY 2000), vor ist im Gegensatz dazu opportunistischer. Tagsüber allem für die Ichthyofauna (KEITH et al. 2000, LE ruhen diese Frösche auf dem Grund, doch nachts BAIL et al. 2000, PLANQUETTE et al. 1996) und für findet man sie entweder auf dem Grund oder an die Herpetofauna. Beispiele für die Letztere sind 146 die Blindwühle Typhlonectes compressicauda (Du ung einer für Französisch-Guayana neuen Pipa-Art MERIL & BIBRON, 1841), der Frosch Hydrolaetare (Anura: Pipidae). - DRACO, 3: 96. schmidti (CocHRAN & GoIN, 1959) und die Schild CHIPPAUX, J.-P. (1986): Les serpents de la Guyane kröte Chelus fimbriatus SCHNEIDER, 1783 (P. GAu franc;aise. - Faune Tropicale XXVII, ORSTOM ( Cay CHER pers. Mitt.), allesamt im Amazonasbecken enne). weit verbreitete Arten, die auch an unserem Un DE GRANVILLE, J.-J. (1986): Flore et vegetation; la docu tersuchungsort vertreten sind. Das Vorkommen mentation guyanaise. - SAGA (Cayenne). von P. snethlageae in Französisch-Guayana scheint GARGOMINY, 0. (2003): Biodiversite et conservation natürlichen Ursprungs zu sein. Dennoch mu dans les collectivites franc;aises d'outre-mer. Collec tet es seltsam an, dass die Art nicht schon früher tion Planete Nature. - Comite franc;ais pour l'UICN (Paris). in Französisch-Guayana bemerkt worden ist; es scheint, dass die Art nur stellenweise vorkommt. KEITH, P., P.Y. LE BAIL & P. PLANQUETTE (2000): Atlas In Erwartung einer Bestätigung des Populations des poissons d'eau douce de Guyane. Tome 2, fasci status für diesen Frosch empfehlen wir dem Co cule 1. - Patrimoines naturels (MNHN/SPN) !, 43: 1-286. mite Scientifique Regional du Patrimonie Natu rei de Guyane, CSRPN, Maßnahmen zum Schutz KUNZ, K. (2003): Krallenfrösche, Zwergkrallenfrösche, Wabenkröten. Pipidae in Natur und Menschenhand. des Lebensraumes von P. snethlageae zu ergreifen, - Natur und Tier -Verlag (Münster). wodurch es Wissenschaftlern und Naturschützern möglich würde, die Biologie dieses ebenso bizar LE BAIL, P.-Y., P. KEITH & P. PLANQUETTE (2000): Atlas des poissons d'eau douce de Guyane. Tome 2, fasci ren wie schlecht erforschten Tieres zu studieren. cule 2. - Patrimoines naturels (MNHN/SPN) II, 43: 1-307- Danksagungen LESCURE, J. & C. MARTY (2000): Atlas des Amphibiens de Guyane. - Patrimoines naturels (MNHN/SPN), Wir danken insbesondere LINDA TRUEB, Division of 45: 1-388. Herpetology, University of Kansas, für ihren Rat und PLANQUETTE, P., P. KEITH & P.-Y. LE BAIL (1996): Atlas die kritische Durchsicht unseres Manuskripts. Wir sind des poissons d'eau douce de Guyane. Tome 1. - Patri PHILIPPE GAUCHER verbunden, der viele seiner Beob moines naturels (MNHN/SPN), 22: 1-429. achtungen mit uns geteilt hat und VANESSA HECQUET TRUEB, L. & D. C. CANNATELLA (1986): Systematics, für ihre Übersetzung der ersten französischen Fassung morphology, and phylogeny of genus Pipa (Anura: des Manuskripts ins Englische. Pipidae). - Herpetologica, 42: 412-449. TRUEB, L. & D. MASSEMIN (2000): Tue osteology andre Schriften lationships of Pipa aspera (Amphibia: Anura: Pipi dae), with notes on its natural history in French BORDAGE D., D. MASSEMIN & K. KUNZ (2003): Entdeck- Guiana. - Amphibia-Reptilia, 22: 33-54. Eingangsdatum: 16. November 2006 Adressen der Autoren der Originalarbeit: DAVID MASSEMIN, 77 allee du lac bleu, 97320 Saint-Laurent du Maroni, Guyane frarn;:aise/Französisch-Guayana, E-Mail: [email protected]; DoMINIQUE BoRDAGE, 4 avenue Tropicana, 97354 Remire Montjoly, Guyane fran,;:aise/Französisch-Guayana; KRITON KuNZ, Hans-Purrmann-Allee 22, D-67346 Speyer, Deutschland. 147 148