Anne van Aaken/Stefanie Schmid-l[ibbert (Hrsg.) Beitrage zur okonomischen Theorie im Offentlichen Recht GABLER EDITION WISSENSCHAFT Okonomische Analyse des Rechts Herausgegeben von Professor Dr. Peter Behrens Professor Dr. Manfred Holler Professor Dr. Claus Ott Professor Dr. Hans-Bernd Schafer (schriftfilhrend) Professor Dr. Rainer Walz Universitiit Hamburg, Fachbereich Rechtswissenschaft II Die iikonomische Analyse des Rechts untersucht Rechtsnormen auf ihre gesellschaftlichen Foigewirkungen und bedient sich dabei des methodischen Instrumentariums der Wirtschaftswissenschaften, ins besondere der Mikroiikonomie, der Neuen Institutionen-und Konsti tutioneniikonomie. Sie ist ein interdisziplinares Forschungsgebiet, in dem sowohl Rechtswissenschaftler als auch Wirtschaftswissen schaftler tatig sind und das zu wesentlichen neuen Erkenntnissen ilber Funktion und Wirkungen von Rechtsnormen gefilhrt hat. Die Schriftenreihe enthalt Monographien zu verschiedenen Rechts gebieten und Rechtsentwicklungen. Sie behandelt Fragestellungen aus den Bereichen Wirtschaftsrecht, Vertragsrecht, Haftungsrecht, Sachenrecht und verwaltungsrechtliche Regulierung. Anne van Aaken/Stefanie Schmid-U1bbert (Hrsg.) Beitrage zur okonomischen Theorie im .. Offentlichen Recht Deutscher Universitats-Verlag Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar. 1. Auflage Januar 2003 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitäts-Verlag GmbH, Wiesbaden, 2003 Lektorat: Brigitte Siegel / Sabine Schöller Der Deutsche Universitäts-Verlag ist ein Unternehmen der Fachverlagsgruppe BertelsmannSpringer. www.duv.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verla.9s unzulässig und strafbar. Das gilt insbe sondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroveriilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen-und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, FrankfurtiMain Gedruckt auf säurefreiem und chlorirei gebleichtem Papier ISBN 978-3-8244-7789-0 ISBN 978-3-322-81480-7 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-81480-7 v Vorwort Die okonomische Theorie des Offentlichen Rechts ist ein neues Forschungsgebiet, das bisher irn rechtsokonomischen Schrifttum vergleicbsweise wenig vertreten ist!, aber auf stetig wachsendes Interesse stoBt. Es zeigt sich, dass zwar wichtige Ankniipfungspunkte an etablierte Forschungsrichtungen, wie die okonomische Theorie irn Zivilrecht, Institutionen okonomik oder Verfassungsokonomik, bestehen, die Methodik dieser Bereiche aber nicht ohne weiteres auf den Gegenstandsbereich des Offentlichen Rechts iibertragen werden kann, da dieser von spezifischen Voraussetzungen gepragt is!: Wohldefmierte Handlungsrechte fehlen meist; per defmitionem liegt im iiffentlichen Recht Staatshandeln vor, was komplizierte Prinzipal-Agenten-Ketten impliziert; die Definition von sozialen Kosten und Nutzen ist erschwert, u.a. wei! in aller Regel zukunftsbezogene Fragen involviert sind; die Notwendigkeit, neben dem Effizienzkriterium auch Rechte als Werte zu betrachten, ist irn Fall von Grundrechtsfragen erheblich wichtiger als irn Zivi!recht. Problematisch ist insbe sondere, dass als normatives Beurteilungskriterium in der okonomischen Theorie des Rechts zumeist Allokationseffizienz herangezogen wird, was iiir die Probleme des Marktes akzeptabel sein mag. Wie sie in die iikonomische Theorie des Offentlichen Rechts metho disch einbezogen werden soli, ist aber noch ein offenes Problem. Daher stellt sich verstarkt auch die Frage, was Okonomen von Juristen lemen kiinnen, wenn iikonomische Theorie des Rechts mehr sein will als ein Oberstiilpen iikonomischer Werte, haufig sogar ausschlieBlich des Efftzienzbegriffes, auf (staats-) rechtliche und rechtspolitische Oberlegungen. In diesem Band wird daher nicht nur die iikonomische Theorie auf Bereiche des Offentlichen Rechts angewendet, sondem es werden auch die spezifisch normativen Probleme im Offentlichen Recht thematisiert und Ankniipfungspunkte mit der rechtsmethodischen Forschung gesucht. 1m ersten Teil werden einige Anwendungsbereiche der iikonomischen Analyse irn Offentlichen Recht vorgestellt. Drei Beitrage behandeln Fragestellungen aus dem internatio nalen Recht. Markus Krajewski wendet die Verfassungsiikonomik kritisch auf das GATT und WTO-Recht an. Die beiden nachsten Papiere sind dem europaischen Verfassungsrecht gewidmet. Stefanie Schmid-Lubbert diskutiert, wie Methoden der Verfassungsiikonomik auf das Vertragsrecht der Europaischen Union angewandt werden kiinnen und konkretisiert die Anwendung am Problem der vertikalen Kompetenzvertei!ung zwischen Mitgliedsstaaten und EU. Der Beitrag von Daniel Thym untersucht den Wandel der Kriterien europaischer Entscheidungsfindung iiber die unterschiedlichen Phasen der europaischen Integration vom Binnenmarkt zur politischen Union. 1m Bereich des nationalen Offentlichen Rechts analysiert Roland [smer das Steuerrecht irn Hinblick auf die Anwendung von iikonomischer Analyse und der sogenannten "wirtschaftlicher Betrachtungsweise" in der Rechtswissenschaft. 1 Eine Ausnahme im deutschsprachigen Raum ist ENGEL, Christoph/MoRLOK, Martin, (Hrsg.) (1998). Offentliches Recht als Gegenstand okonomischer Forschung. Tiibingen. Es sci aueh hingewiesen auf die Ansatze, die an die Tradition dec Staatswissenschaften ankniipfen nod primar positive Analyse betreiben. Siehe dazu beispielhaft VOIGT, Stefan (1999), Explaining Constitutional Change, Cheltenham. VI Die Betrage im zweiten Teil bebandeln grundlegende Fragen der okonomischen Theorie des Rechts im Offentlichen Recht. Anne van Aaken beschreibt die normativen Grundlagen der in der normativen Analyse des Recbts verwendeten wohlfahrtsokonomischen und verfassungs okonomischen Kriterien unter besonderer Beriicksicbtigung der Probleme im Offentlichen Recht und stellt sodann ein Konzept der formalen Effizienz vor, welches rechtsimmanente Werle zu integrieren vermag. Axel Tschentscher stellt den Konsensbegriff okonomischer Vertragstheorien dem in Diskurstheorien verwendeten Konsensbegriff gegeniiber. Ekkehard Hofmann diskutiert methodiscbe Probleme der Abwagung und der VerhiiltnismiiBigkeit im Offentlichen Recht und versucht, die okonomischen Ansatze der Kosten-Nutzen-Analyse fur diese Probleme fruchtbar zu machen. Der Beitrag von Matthias Meyer behandelt die Rationa litat institutionenokonomischer Modelle, insbesondere die Auflosung von Dilemmastrukturen durch spieltheoretische Ansatze. Falk Reckling untersucht die Validitat der okonomischen Rationalitatsannahme in verschiedenen Bewertungskontexten und pladiert fur die Beriick sichtigung verschiedener Rationalitaten in verschiedenen Lebenskontexten unter Heran ziehung der Hermeneutik. Die hier versammelten Beitrage basieren auf den Vortragen fijr ein Forschungskolloquium fur Doktoranden und Nachwuchswissenschaftier, das im Oktober 2000 in Hamburg statlfand. Ziel des Kolloquiums war, die Ankniipfungspunkte zwischen okonomischer Theorie des Rechts und Rechtswissenschaft im Offentlichen Recht zu diskutieren, erste LOsungs moglichkeiten fur die spezifischen normativen Probleme vorzuschlagen und mogliche Chancen der gegenseitigen Befruchtung beider Disziplinen aufzuzeigen. Wir danken der Studienstiftung des deutschen Volkes fur finanzielle Unterstiitzung und dem Institut fur Recht und Okonomik an der Universitat Hamburg fur die Gastfreundschaft. Ebenfalls danken wir den Herausgebem dieser Reihe fur die Aufnahme des Bandes. Anne van Aaken Stefanie Schmid-Liibbert VII Inhaltsverzeichnis Vorwort. .................................................................................................................................. V ErsterTeil: Anwendungen Konstitutionelle Okonomie des GATIIWTO-Rechts ............................................................. 1 Von Markus Krajewski Constitutional Economics and the Federal Constitution of the European Union ................. 25 Von Stefanie Schmid-Lubbert Zum Wandel der Kriterien europaischer Entscheidungsfindung: Yom Binnenmarkt zur politischen Union ................................................... .47 0< ••••••••••••••••••••••• Vall Daniel Thym Wirtschaftstheorie statt wirtschaftlicher Betrachtungsweise - Zur Rolle der Okonomik im Steuerrecht. .............................................................................................. 69 Von Roland Ismer Zweiter Teil: Grundlagen Normative Grundlagen der 6konomischen Theorie im 6ffentlichen Recht. ......................... 89 Von Anne van Aaken Der Konsensbegriff in Vertrags-und Diskurstheorien ........................................................ 119 Von Axel Tschentscher Die Abwagung konfligierender Interessen in Recht und Wohlfahrtstheorie ...................... 135 Von Ekkehard Hofmann Uberlegungen zur Rationalitat institutionen6konomischer Modelle ................................... 149 Von Matthias Meyer Handlungskontexte und Handlungsrationalitat. Annaherungsversuche zwischen Okonomik und Herrneneutik ............................................................................................... 167 Vall Falk Reckling Autorenverzeichnis .............................................................................................................. 189 GAITiWTO-Recht Konstitutionelle Okonomie des GATI/WTO-Rechts1 Markus Krajewski 1. Einleitung Das 1995 in Kraft getretenen Ubereinkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO) entMlt in seinen Anhangen multilaterale Ubereinkommen liber den Waren- und Dienstleistungshandel und handelsbezogene Aspekte des geistigen Eigentums. Die WTO zahlt inzwischen 144 Mitglieder.2 Durch die 2001 erfolgte Aufnahme Chinas und die Beitrittsver handlungen mit Russland und knapp 30 weiteren Staaten kann das WTO-Recht daher in naher Zukunft als universelles Regelwerk flir den internationalen Handel angesehen werden. Dies rechtfertigt das steigende wissenschaftliche und iiffentliche Interesse an seiner Struktur und seinen Wirkungsmechanismen. Bereits unter dem Vorgangerregime der WTO, dem GATI 1947 (General Agreement on Tariffs and Trade), spielte die Analyse des Welthandelsrechts mit den Methoden der konstitutionellen Okonomie (constitutional economics) eine zentrale Rolle in der wissenschaftlichen Diskussion.' Sie hat in verfassungs-und viilkerrechtliche Aus einandersetzungen mit dem WTO-Recht Eingang gefunden und liegt vielen rechtlichen Be wertungen des GATI/WTO-Systems sowohl explizit als auch implizit zu Grunde (PEfERSMANN 1991, STOLL 1997). 1m folgenden soll diese Richtung der konstitutionellen Okonomie vorgestellt und kritisch bewertet werden. Dabei wird in einem ersten Schritt das Ausgangsproblem der konstitutio nellen Okonomie des GATI/WTO-Rechts erlautert (2.). Sodaun wird die Analyse dieses Problems mithilfe des public choice Ansatzes dargestellt (3.) und die von der konstitutionellen Okonomie flir die AuBenwirtschaftspolitik daraus gezogenen Konsequenzen erlautert (4). Die danach folgende kritische Wlirdigung der konstitutionellen Okonomie des GATI/WTO Rechts wird auf drei unterschiedlichen Ebenen vorgenommen: Zunachst wird theorieimma nent untersucht, ob die Analyse nationaler Handelspolitik mit Hilfe von public choice Metho den zu nachvollziehbaren Ergebnissen gelangt und mit welchen Problemen die Ubertragung konstitutioneniikonomischer Ansatze auf das GATI/WTO-Recht verbunden ist (5.). Danach wird gefragt, im welchem Umfang die Aussagen der konstitutionellen Okonomie als Grund lage juristischer Verfassungstheorien geeignet sind (6.). AbschlieBend wird argurnentiert, dass das GATI/WTO-Recht nur dann in normativer Hinsicht Verfassungsfunktionen erfiillen 1 Dieser Beitrag beruht auf Teilen meiner Dissertation, KRAJEWSKI 2001. Fur die freundschaftliche Hilfe beim Verstiindnis def (allgemeinen) Konstitutionenokonomie danke ich Stefanie Schmid. Hamburg. 2 Stand 1. Januar 2002. 3 Aus diesem Grunde wird im folgenden auch von konstitutioneller Okonomie des "GAIT/WTO-Rechts" gesprochen. Die Grundaussagen dieser theoretischen Richtung haben sich durch die rechtlichc Erweiterung nnd Neugestaltung des Welthandelsregimes auch nicht geandert. Krajewski kann, wenn es iiber eine hinreiehende Legitimationsgrundlage verfiigt (7.). 2. Politikversagen in der AuBenwirtschaftspolitik als Ausgangsproblem Die konstitutionellen Okonomie des GATI/WTO-Rechts geht mit der klassischen und neo klassischen AuBenwirtschaftstheorie davon aus, dass die Teilnabme einer Volkswirtschaft am intemationalen Handel grundsiitzlich wohlfahrtssteigemd ist. Ebenso werden die Aussagen der Theorie der Handelspolitik iiber bestirnmte binoenwirtschaftliche Auswirkungen von Handeisschranken iibemommen. Danach fuhren zwar aIle Handeisschranken zu einer Verteu erung des geschiitzten Produktes im Inland; von dem hiiheren Preis profitierten jedoch unter schiedliche Gruppen. Ein Zall generiere, vergleichbar einer Steuer, staatliches Einkommen und wirke sich irn Obrigen ais Einkommenstransfer von Konsumenten zu Produzenten aus. Importquoten, d. h. Lizenzen fur einheimische Importeure, generierten kein staatliches Ein kommen. Vieimehr komme der Mehrpreis vollstiindig den Inhabem der ImporUizenzen in Form von Rentengewinnen zu Gute. Der bei Zollen und Importquoten zu beobachtende Ein kommenstransfer hat HAusER (1986: 173) veranlasst, AuBenhandeispolitik ais "binoenwirt schaftliche Verteilungspolitik" zu charakterisieren. Sag. freiwillige Exportbeschriinkungen, d.h. Selbstverpflichtungen der Exportindustrie eines Landes, nur eine bestirnmte Menge an Giitem in ein anderes Land zu exportieren, erzeugen einen Rentengewinn, der nach der Handelspolitiktheorie ausschlieBlich den Exporteuren zu Gute kommt und somit anders ais bei Importquoten nieht im irnportierenden Land verbleibt. Entsprechend diesen binnenwirtschaftlichen Auswirkungen der Handeisschranken wird ge fordert, dass statt Handeisschranken auf Subventionen zuriickgegriffen werden sollte, urn ne gative Auswirkungen des internationalen Handeis auf bestimmte Sektoren einer Volkswirt schaft auszugleiehen. Subventionen beeinllussten zwar auch den AuBenhandeI, fuhrten aber nieht zu Einkommensverlusten bei Konsumenten. Wiirden dennoch Handeisbeschriinkungen eingefuhrt, seien ZOlle sinnvoller ais Importquoten, da ein Teil des Einkommensverlustes der Konsumenten an den Staat aIs Einnahme zur Finanzierung offenUieher Aufgaben transferiert wird. Importquoten seien ihrerseits sinovoller aIs freiwillige Exportbeschriinkungen, da der Einkommenstransfer im Inland stattfinde. Vergleicht man diese Forderungen mit der Realitiit, kann festgestellt werden, dass kein Staat gegenwiirtig eine bedingungslose Politik des Freihandeis verfoIgt und unabhiingig von der Politik der anderen Staaten auf jegliche Formen von Handelsbeschriinkungen verzichtet. Statt dessen verfolgen aIle Staaten wenigstens sektorbezogene Formen des Protektionismus, wobei in der Staatenpraxis eine Priiferenz fur nieht-tarifare Handeisbeschriinkungen in Form von mengenmiiBigen Importbeschriinkungen, freiwilligen Exportbeschriinkungen oder be stimmter Verwaltungsvorschriften, die den Handel beschriinken (sag. "GrauzonenmaBnah men") besteht (PETERSMANN 1991, STOLL 1997). Die Diskrepanz zwischen okonomischer Theorie und der AuBenhandelspolitik der meisten Staaten wird als das "Paradox des Protek- GAIT/WTO·Recht tionismus" beschrieben (VA NBERG 1992: 378). Dieses "Paradox" ist der Ausgangspunkt der konstitutionellen Okonomie des GATT/WTO-Rechts, die eine protektionistische Politik mit nicht-tarifaren Handelsschranken auch als ,,Politikversagen" (governmellt failure) bezeichnet (PETERSMANN 1991: 96 und 205).' Die zentrale Frage lautet, warum die Regierungen eine pro· tektionistische Politik und damit eine Politik, die der Bev61kerung schade, verfolgten, obwohl Handelsliberalisierungen im nationalen Interesse eines jeden Staates liegen mtissten (TuMLIR 1983, HAUSER 1986, PETERSMANN 1991). 3. ErkHirung von Protektionismus mit public choice Zur Beantwortung dieser Frage werden Erkenntnisse der public choice Theorie aufgegriffen. Public choice geht davon aus, dass staatliche Entscheidungsfindung durch die Interessen der individuellen Entscheidungstriiger gepragt ist und analysiert die AuBenwirtschaftspolitik aus dem Blickwinkel ihrer innenpolitischen Bedeutung. Vor allem die unterschiedlichen Einflussmogliehkeiten von Produzenten und Konsumenten auf die Entscheidungstrager spielen hierbei eine Rolle. 3.1. Der "politische Markt" Public choice geht von einem "methodologischen Individualismus" aus, in dem das Indi· viduum als die zentrale Untersuchungseinheit der Entscheidungsfindung begriffen wird. Indi· viduen verhielten sieh bei ihren Entscheidungen rational, d. h. sie trafen eine Entscheidung nur dann, wenn der Nutzen der Entscheidung ihre Kosten tibersteige. Da die Individuen nur tiber eine begrenzte Menge an Informationen verftigen konnten und sich folgJich -ebenfalls rational -entscheiden mtissten, auf weJche Informationen sie verziehten wollten, beruhe der EntscheidungsprozeB eines Individuum nicht auf vollstandigen und umfassenden Informatio nen, sondern auf einer "rationalen Ignoranz". Aus der Sieht von public choice lassen sieh die Individuen in ihrem offentlichen Verhalten von den gleiehen nutzenmaximierenden Interessen wie im privaten wirtschaftlichen Verhalten ("private choice") ieiten, was mit dem Menschen· bild des homo oeconomicus umschrieben wird. Nach public choice werden auch politische Entscheidungstrager von individuellen Nutzenmaximierungsinteressen geleitet, was sich bei gewiihlten Entscheidungstragern im Interesse an ihrer (Wieder· )Wahl und bei nicht gewahlten Entscheidungstragem im Interesse an personlichem Machterhalt oder am Machterhalt ihrer Behorde oder Abteilung auBere. Public choice lehnt die Vorstellung von politischen Entschei dungstragern als "benevolenten Diktatoren" (BUCHANAN 1990: 6), die tiber ein umfassendes Wissen verfugen und jede Entscheidung im offentlichen Interesse fiillen, abo Der politische EntscheidungsprozeB wird als "politischer Markt" gedeutet, auf dem Anbieter und Nachfra ger von politischen Entscheidungen agieren (BUCHANAN 1990, BRENNAN/BUCHANAN 1985). 4 In Anlehnung an den Begriff des "Marktversagens" wird unter Politikversagen eine staatlichc MaBnahme verstanden, die zu keinem okonomisch effizienten Ergebnis fiihrt.