Meyers / Volland (Hrsg.) Beitrage zur Kulturgeschichte aes westlichen SudameriKa FORSCHUNGSBERICHTE DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN Nr. 3242 / Fachgruppe Geisteswissenschaften Herausgegeben vom Mlnlster fur Wissenschaft und Forschung Albert Meyers Martin Volland (Hrsg.) Seminar fur Volkerkunde Universitat Bonn Beitrage zur Kulturgeschichte des westlicnen Sudamerika Westdeutscher Verlag 1990 CIP-T1telaufnahme der Deutschen B1bl1othek Be1trage zur Kulturgesch1chte des westl1chen Sudamer1ka 7 Albert Meyers ; Mart1n Volland (Hrsg. ). - Opladen : Westdt. Ver 1., 1990 (Forschungsber1chte des Landes Nordrhe1n Westfalen; Nr. 3242: Fachgruppe Ge1stes w1ssenschaften) ISBN 978-3-531-03242-9 ISBN 978-3-322-87738-3 (eBook) DOl to.loo7/978-3-322-87738-3 NE: Meyers, Albert [Hrsg.]; Nordrhe1n-West falen: Forschungsber1cnte des Landes ... Der Westdeutsche Verlag 1st e1n Unternehmen der Verlagsgruppe Bertelsmann Internatlonal. © 1990by Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen Herstellung: Westdeutscher Verlag ISBN 978-3-531-03242-9 In memoriam Udo Oberem 10 h a It sverzei c hoi s Vorwort ................................................................. 9 Heiko Priimers Zum Problem des "Axtgeldes" im Alten Peru ......................... 11 Albert Meyers Ethnizitiit und ethnische Transformationen in einer Kolonialgesellschaft. Die Wanka in Zentralperu ............................................. 34 Carmen Arellano Hoffmann Zu Bedeutung und Gebrauch des Begriffs Ayllu. Neue Erkenntnisse iiber die inn ere Funktion eines Ayllu anhand des Beispiels einer kolonialzeitlichen Dorfgemeinschaft in Tarma/Peru ....................................... 67 Birgit Lenz-Volland und Martin Volland Indianische Meersalzproduktion im kolonialzeitlichen Ecuador ................................................................ 86 Sophia Thyssen Balsas. Zur Geschichte der HolzfloBe an der ecuadorianischen Kiiste '" ............................................................. 113 Peter Degen Giftfischerei mit Barbasco in den Mangrovesiimpfen des Golfes von Guayaquil, Ecuador ....................................... 164 8 Gunda Wierhake Der Schmuck der ,,Jfvaro" in der Darstellung der schriftlichen Quellen des 16. bis 19. Jahrhunderts .................... 183 Maria Susana Cipolletti "Lacrimabili statu". Indianische Sklaven in Nordwestamazonien, 17. - 20. Jahrhundert ............................................................ 207 Erwin Frank Von der Zivilisierung der "Schlechten Menschen". Eine Episode in der Akkulturationsgeschichte ostperuanischer Indianer ............................................... 227 Sabine Dedenbach-Salazar Saenz Quechua-Sprachmaterialien des 16. und 17. Jahrhunderts. Bibliographisch-quellenkritischer Abri8 und Vorschliige zu ihrer systematischen Verwendung fur die Rekonstruktion vorspanischer und kolonialer Sprache und Kultur im Andenraum ............................................................ 252 Vorwort Die bier vorgelegten zehn Artikel, die sich mit Einzelaspekten der Ethno-und Kulturge scbichte Siidamerikas befassen, stammen von ehemaligen Schiilem und Mitarbeitem des 1986 plotzlich verstorbenen Bonner VOlkerkundlers Prof. Dr. Udo Oberem. Sie behandeln zwei GroBregionen des westlichen Siidamerika, die Tieflandkulturen des an die Anden angrenzenden Amazonasgebietes sowie Fragen der Archiiologie, Ethnohistorie, Ethnogra phie und Ethnolinguistik verschiedener Teilregionen des andinen Hochlandes und der pazifischen Kiiste, vor allem in Peru und Ecuador. Insofem decken sie sich regional und thematisch groBtenteils mit dem Interessengebiet von Udo Oberem. Das Schwergewicht liegt dabei auf Aspekten der sogenannten materiellen Kultur, ohne daB dadurch solche der globalen kulturellen Entwicklung zukurzkommen soli ten. Allerdings ist einigen Artikeln eine gewisse Skepsis globalen Entwicklungstheorien gegeniiber anzu merken -nicht nur wegen der ohnehin vorhandenen Zuriickhaltung vor allem der Ethno historiker auf dem Gebiet gesamtgesellschaftlicher Theorienbildung, sondem vielleicht auch aus der Erkenntnis heraus, daB ethnohistory undfolkhistory lediglich unterschiedliche Blickwinkel und Sichtweisen darstellen, daB sie methodisch relevanter sind als theoretisch und schlieBlich, daB sie eher "Geschichten" beitragen als "Geschichte zu schreiben". Diese "Geschichten" sollten jedoch als Bausteine im ProzeB der Anniiherung angesehen werden zwischen historischer und ethnologischerTheorienbildung, etwa im Sinne einer sich derzeit immer starker abzeichnenden historischen Anthropologie bzw. new cultural history (Lynn Hunt). Die zehn Artikel sind in thematisch und regional zusammenhangenden Gruppen angeord net, wobei jeweils ein archiiologischer und ein ethnolinguistischer an den Anfang bzw. SchluB gestellt ist. 1m einzigen rein archaologischen und regional vergleichenden Artikel geht H. Priimers auf die Frage des Geldes im Alten Peru ein und kommt zu dem SchluB, daB die vielzitierten Kupferiixte (hachas monedas) nach dem gegenwiirtigen Stand der Forschung nicht als eine Art primitives Geld interpretiert werden konnen, wie dies bisher in der Literatur iiberwiegend geschehen ist. Die beiden folgenden Beitrage befassen sich mit zwei Ethnien bzw. Regionen im Hochland Zentralperus. A Meyers beschreibt den ethnischen TransformationsprozeB der Wanka von der Vorinkazeit bis zur spanischen Kolonialzeit, wobei er fUr jede Zeitstufe unterschiedliche Kriterien fUr ihre Ethnizitat herausarbeitet. C. Arellano geht auf die nach wie vor kontrovers gefUhrte Diskussion iiber den Ayllubegriff ein und definiert ihn neu aufgrund ihrer Untersuchung der Dorfgemein schaften von Tarma im Verlauf der Kolonialzeit. Drei weitere Artikel behandeln die Kiistenbewohner Ecuadors und insbesondere deren Ausnutzung der Meeresressourcen. B. Lenz-Volland und M. Volland beschreiben die indianischen Meeressalinen und den 10 Vorwort Salzhandel vor allem mit dem Hochland als wichtigste Einkommensquelle fUr die autoch thone Bevoikerung an der Kiiste, die sie trotz der Usurpationen seitens der Spanier, Mestizen, Mulatten und Schwarzen als wesentlichen Bestandteil ihrer Existenzsicherung wiihrend der Kolonialzeit erhalten konnten. S. Thyssen prasentiert die Geschichte und Technologie der Balsas, jener eigentiimlichen Holzflo.Be, die als Wasserfahrzeuge fUr die Kiistenkulturen des westllchen Siidamerika einst so charakteristisch waren und heute noch in Siidecuador und Nordperu im Gebrauch sind. P. Degen liefert eine erstmalig durchge fUhrte ausfiihrliche Beschreibung einer Fischfangmethode in den Mangrovesiimpfen der siidecuadorianischen Kiiste, die eine wenn auch heute verbotene Uberlebensma.Bnahme, u.a. von Nachkommen ehemaliger Viehziichter darstellt. Die nachste Gruppe von Beitra gen bezieht sich auf die Region des westlichen Amazonastieflands, d. h. der Zone, die den ecuadorianisch-peruanischen Ostabhangen der Anden vorgelagert ist. Dabei beendet G. Wierhake die Reihe von Arbeiten zur materiellen Kultur mit einer Analyse der ethnohi storischen Quellen, vor allem von Reiseberichten, zum Thema Schmuck bei den ,)fvaro" (Shuar). Daran anschlie.Bend befa.Bt sich der Aufsatz von M. S. Cipoletti mit dem bislang weitgehend unbehandelten Thema der indianischen Sklaven in der Region Nordwestama zoniens, ein Phanomen, das im wesentlichen durch das Einwirken der europaischen Kolo nialherren hervorgerufen wurde. E. Frank geht schlieBlich auf die verschiedenen Blickwin kel der Ethnogeschichte(n) ein, indem er in der Beschreibung der Akkulturationsgeschich te der Uni (Cashibo) in Ostperu u. a. auch ausflihrlich die emische Version dieses Prozesses vorstellt. Die Serie der Artikel wird abgeschlossen durch einen bibliographisch-quellen kritischen Abri.B der bisher vorliegenden Quechua-Sprachmaterialien aus der friihen Ko lonialzeit von S. Dedenbach-Salazar Saenz, der methodische Hinweise fUr die Rekonstruk tion vorspanischer Sprache und Kultur im Andenraum enthalt. Die Herausgeber danken den Autorinnen und Autoren fUr ihre Beitrage, die durchweg Ergebnisse von Forschungsprojekten wiedergeben, fUr deren fmanzielle Unterstiitzung an dieser Stelle vor allem dem Land N ordrhein-Westfalen, der Deutschen Forschungsgemein schaft, der Volkswagen-Stiftung, der Alexander von Humboldt-Stiftung und dem Deut schen Akademischen Austauschdienst gedankt sei. Ebenfalls herzlicher Dank gebiibrt Frau Dr. H. Kornig-Reis, Ministerium flir Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein Westfalen, fUr die Unterstiitzung, die sie bei der Aufnahme dervorliegenden Arbeit in die Forschungsbericht-Reihe des Landes gewiihrt hat. Entgegen der sonst gerade am Bonner Seminar fUr VOlkerkunde geiibten Praxis, sind die Artikel in deutscher Sprache publiziert, nicht zuletzt um gerade auch dem nichtspanischsprachigen Interessentenkreis einen Ein blick in seine Arbeit zu geben. A Meyers M. Volland Zum Problem des "Axtgeldes" im Alten Peru Heiko Prumers AnlaB zu diesem Artikel gaben zwei Funde von Objekten aus Graberfeldern der nordlichen Zentralkiiste Perus, die gewisse Mnlichkeiten zu Funden aus dem heutigen Staatsgebiet Ecuadors aufweisen, welche in der Literatur unter dem Terminus hachas monedas geflihrt werden.1 Die Beschaftigung mit dieser Fundgattung flihrte zu einer Reihe von Fragen, die in diesem Artikel zur Diskussion gestellt werden sollen. Die in Ecuador gefundenen axtfOrmigen Kupfergerate, die auf Grund ihrer Fragilitat oder aber ihrer uberdimensionalen AusmaBe keine ihrer Form entsprechende Funktion erfullt haben konnen, wurden bereits kurz nach dem Bekanntwerden der ersten Funde als eine Art "primitives" Geld interpretiert (vgl. Verneau/Rivet 1912:273-274). Diese These wurde in der Folgezeit von den meisten Archaologen, die sich des Themas annahmen, ubernom men und besonders von Holm (1966/67; 1978; 1980) in detaillierten Untersuchungen bekraftigt. Die allgemeine Akzeptanz des "Geldcharakters" jener Kupferaxte ist unserer Meinung nach jedoch immer noch verfriiht, da archaologische Evidenzen bislang nicht vorliegen. Diese konnten nur durch wissenschaftlich durchgeflihrte Grabungen speziell von Siedlungen erbracht werden, die weitestgehend fehlen. Bislang stammen die Funde uber wiegend aus Raubgrabungen und die wenigen bei wissenschaftlichen Grabungen gemach ten Funde sind in den Publikationen nur unzureichend vorgelegt (siehe Bushnell 1951:82,117; Easby u.a. 1967:129-130; Estrada 1954:65 und 1957:18, fig.13, fig.15; Evans 1 Meggers 1966:263; Meggers 1966:138; Verneau 1 Rivet 1912/i:273-274,pI.XIX-11; Willey 1971:300,302 f.). So fehlen z.B. genaue Beschreibungen der Fundsituation jener Objekte innerhalb der Graber fast vollstandig, was eine Interpretation ihrer kulturhistorischen Bedeutung erschwert. Bevor auf die peruanischen Stucke eingegangen wird, soli kurz der Kenntnisstand uber die ecuadorianischen Objekte zusammengefaBt und diskutiert werden. Ecuador Die ecuadorianischen hachas monedas entstammen in ihrer Mehrzahl Grabern, die z. T. mehrere Tausend dieser Objekte enthielten. Ihre Lage innerhalb der Graber ist weitestge hend unbekannt und bislang nur flir das Graberfeld Ayalan (24 km NO von Playas, Provo Guayas) vorgelegt (Ubelaker 1981:14-90). Dort fanden sich in insgesamt 10 der 71 voll-