FORSCHUNGSBERICHTE DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN Nr.1733 Herausgegeben im Auftrage des Ministerpräsidenten Dr. Franz Meyers vom Landesamt für Forschung, Düsseldorf Prof Dr. phiI., Dr. techno Ludvik Zagar Dipl.-Ing. Winfrid Bernhardt Institut für Gesteinshüttenkunde der Rhein.-WestJ. Techn. Hochschule Aachen Beitrag zur Frage der Bindefähigkeit verschiedener Metalle mit Nichtmetallen als Grundbedingung bei der Herstellung von Cermets SPRINGER FACHMEDIEN WIESBADEN GMBH ISBN 978-3-663-06203-5 ISBN 978-3-663-07116-7 (eBook) DOI 10.1007/978-3-663-07116-7 Verlags-N r. 011733 © 196 6 by Springer Fachmedien Wiesbaden Ursprünglich erschienen bei Westdeutscher Verlag, Köln und Opladen 1966 Inhalt 1. Einleitung .................................................... 7 2. Problemstellung................................................ 9 3. Theoretische Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 4. Meßmethodik ................................................. 19 5. Versuchsmaterial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 6. Versuchsanordnung ............................................ 27 7. Auswertung der Messungen...................................... 31 8. Ergebnisse..................................................... 36 9. Diskussion der Ergebnisse ...................................... 37 10. Ausblick...................................................... 41 11. Zusammenfassung.............................................. 43 12. Tabellen....................................................... 45 13. Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 81 5 1. Einleitung Cermets sind anorganische Werkstoffe, die im wesentlichen aus zwei Komponen ten bestehen, von denen die eine metallischen und die andere nichtmetallischen Charakter besitzt. Die Bezeichnung »Cermet« ist amerikanischen Ursprungs und soll zum Ausdruck bringen, daß der Werkstoff aus einem keramischen und einem metallischen Bestandteil zusammengesetzt ist. Für diese Werkstoffe wurden am Anfang der Entwicklung auch andere Bezeichnungen verwendet. In letzter Zeit scheint sich aber die Bezeichnung »Cermet« durchzusetzen. Bei der Entwicklung von Cermets ist man von dem Gedanken ausgegangen, die Vorteile keramischer Werkstoffe auf der einen Seite und die guten Eigenschaften der Metalle auf der anderen Seite in einem Werkstoff gleichzeitig zu verwirklichen. Die Metalle sind duktil; sie haben eine hohe Zugfestigkeit und eine sehr gute Schlagfestigkeit. Ihre Feuerfestigkeit ist jedoch im Vergleich zu den keramischen Werkstoffen gering. Dafür haben aber die keramischen Werkstoffe den Nachteil, daß sie spröde sind, eine geringe Zugfestigkeit und eine noch schlechtere Schlag festigkeit aufweisen. Von der neuen Entwicklung hat man sich aus diesem Grunde einen Werkstoff ver sprochen, der trotz hoher Feuerfestigkeit eine geringe Sprödigkeit besitzen sollte. Obwohl diese Erwartungen bis heute nicht in Erfüllung gegangen sind, hat die Cermets-Technik eine ganze Reihe von neuen Werkstoffen hervorgebracht, die auf den verschiedensten Gebieten mit Erfolg eingesetzt werden. So werden z. B. Cermets für Schutzhüllen von Thermoelementen, für Tiegel und Düsen benutzt. Sie eignen sich gut als Auskleidungsmaterial für Verbrennungskammern. In der Elektrotechnik sind sie als Widerstands- und Kathodenmaterial bekannt. Die Atomkerntechnik benutzt das Cer mets-Prinzip bei der Entwicklung neuer Brennstoffelemente. Die Bedeutung der Cermets nimmt auch im Raketenbau ständig zu. Bei der Herstellung von Cermets geht man von pulverförmigen Mischungen aus. Diese werden kalt oder heiß verpreßt und bei hohen Temperaturen versintert. Beim Sintern geht man bis zu Temperaturen, die knapp unterhalb des Schmelz punktes der metallischen Komponente liegen. Das Sintern erfolgt manchmal unter gleichzeitiger Wirkung von mechanischem Druck. Aus der Entwicklungsgeschichte der Technik ist bekannt, daß viele Erfindungen erst nachträglich eine Erklärung und wissenschaftliche Begründung erhalten haben. Solche Fälle gibt es heute noch, und sie werden wahrscheinlich auch in der Zukunft nicht ausbleiben. Je mehr aber das wissenschaftliche Potential der Mensch heit steigt, um so häufiger werden Fälle auftreten, bei denen neue, segensreiche Entwicklungen aus einer planmäßig und systematisch durchgeführten Grundlagen forschung hervorgehen. Auf dem Gebiete der Cermets ist jedoch heute leider von 7 einer planmäßigen Grundlagenforschung noch nicht viel zu sehen. Der größte Teil der Arbeit auf diesem Gebiete wurde von den Forschungsanstalten verschie dener Industriezweige geleistet. Im Hinblick darauf, daß jede Industrie notge drungen in erster Linie einen bestimmten technischen Zweck verfolgt, bleibt eine solche Forschung auf detaillierte Problemstellungen beschränkt. Dies gilt auch für die Cermets-Technik und fällt jedem auf, der sich mit der Sichtung der ent sprechenden Literatur [1] befaßt. Für eine systematische Grundlagenforschung, die von der Verfolgung konkreter, technisch verwertbarer Ziele zunächst abstra hiert, scheint das Hochschulmilieu besser geeignet zu sein. Diese Ansicht war bei der Festlegung der Forschungsrichtung an der ersten und in Deutschland einzigen »Dozentur für Oxidkeramik und Cermets«, die 1960 an der Rhein.-Westf. Techn. Hochschule Aachen errichtet wurde, entscheidend. Daß von dem großangelegten Forschungsplan im folgenden nur ein kleines durchge arbeitetes Detail vorgelegt werden kann, liegt daran, daß eine Forschungsstelle an einer Hochschule, zu mindestens bei ihrer Geburt, eine geringe wissenschaft liche Kapazität besitzt, und vor allem daran, daß die oben genannte »Dozentur für Oxidkeramik und Cermets« nach einigen Jahren erloschen ist und dem Perso nal andere Fachgebiete zugewiesen wurden. 8 2. Problemstellung Bei der Entwicklung von Cermets spielt die Art und die Stärke der Bindung zwischen der metallischen und nichtmetallischen Komponente eine entscheidende Rolle. In der keramischen Technik kommen bei der Sinterung von oxidischen Pulvern und Massen zwar auch verschiedene Phasen miteinander in Berührung, es handelt sich dabei jedoch um Stoffe, deren Gitter einheitlich aus Ionen aufgebaut sind. In analoger Weise besitzen auch die Grundbausteine von metallischen Pulvern, die in der pulvermetallurgischen Technik verwendet werden, einen einheitlichen, auf metallischer Bindung beruhenden Bindungscharakter. Bei der Herstellung von Cermets handelt es sich demgegenüber um das Problem, zwei Phasen miteinander zu verbinden, die neben der mineralogischen Heterogenität auch wesentliche Unterschiede in der Natur der Bindungskräfte aufweisen. Dieser Schwierigkeit geht man auch dann nicht aus dem Wege, wenn man eine dritte Komponente als »Bindemittel« benutzen würde. Die Bindung zwischen einer metallischen und einer nichtmetallischen Kompo nente kann dennoch zustande kommen. Verschiedene Grundvorgänge, die sich an der Berührungsfläche der bei den Phasen abspielen können, tragen dazu bei. Wenn z. B. die beiden Phasen chemisch miteinander reagieren, bildet sich an der Phasengrenze eine Reaktionsschicht, die die Rolle eines Bindemittels übernehmen kann. Als Beispiel soll das System Si-MgO genannt werden [2]. An der Phasen grenze bildet sich Forsterit. Bei manchen Systemen tritt eine begrenzte feste Lös lichkeit der Komponenten auf, wodurch ebenfalls eine Bindung zustande kommen kann (z. B. bei Be-BeO [2]). Es gibt weiterhin Systeme, bei denen die Phasengrenze chemisch ungeändert bleibt, wie z. B. beim Stoffpaar Ni-MgO [2]. In solchen Fällen können die Kom ponenten durch die Adhäsionskräfte zusammengehalten werden. Andere Systeme sind wiederum dadurch gekennzeichnet, daß bei Abwesenheit einer chemischen Reaktion die eine Komponente entlang der Korngrenze der anderen oder durch die Poren der anderen in diese eindringt, und so durch eine mechanische Verzah nung eine Bindung der beiden Komponenten hervorruft. Als Beispiel hierfür kann das System Ni-Ti02 [2] angeführt werden. Um diese Phänomenologie systematisch ordnen zu können, wird in Fällen, bei denen an der Phasengrenze zweier Komponenten eine chemische Reaktion statt findet, oder wenn eine gegenseitige Löslichkeit in fester Phase vorhanden ist, von einer chemischen Bindung die Rede sein, während Bindungen, die auf Adhäsions kräften beruhen, als physikalische Bindungen bezeichnet werden sollen. Beiden Bin dungsarten ist jedoch gemeinsam, daß eine gegenseitige Benetzbarkeit der Kompo nenten als unbedingt notwendige Vorbedingung betrachtet werden muß. 9 In der vorliegenden Arbeit haben sich die Verfasser auf die Untersuchung von Systemen beschränkt, bei denen chemische Reaktionen zwischen den Komponen ten nicht ausgeprägt in Erscheinung treten und bei denen die Möglichkeiten einer physikalischen Bindung überprüft werden sollten. Bei derartigen Systemen ist die Benetzbarkeit der Komponenten von primärer Be deutung und verdient einer gründlichen Überprüfung unterzogen zu werden. Als ein Maß für die gegenseitige Benetzbarkeit von zwei Komponenten gilt der soge nannte Randwinkel rp. Erhitzt man eine kleine Menge der metallischen Komponente auf einer glatten nichtmetallischen Unterlage (Abb. 1) bis zum Schmelzpunkt, so bildet das ge schmolzene Metall auf der Unterlage einen Tropfen, dessen Gestalt im Gleich gewlchtszustand der Gestalt eines Rotationskörpers gleicht. Die Rotationsachse steht senkrecht auf der Unterlage. Die kreisförmige Grenzlinie zwischen bei den Phasen auf der Unterlage heißt Benetzungsperipherie. Legt man in einem Punkt der Benetzungsperipherie an die Rotationsfläche des Metalltropfens die Tangen tialebene T an, so wird der Winkel zwischen dieser Ebene und der horizontalen Unterlage, durch die Flüssigkeit gemessen, als Randwinkel rp definiert. Der Randwinkel kann bei verschiedenen Systemen und je nach der Temperatur unterschiedliche Werte von 00 bis 1800 einnehmen. Ist rp = 0, so spricht man von einer vollständigen Benetzbarkeit der beiden Komponenten. Bei rp = 1800 herrscht dagegen zwischen beiden Komponenten eine vollständige Unbenetzbar keit. Zwischen diesen beiden Grenzfällen sind alle Zwischenstufen möglich. Neben der Benetzbarkeit ist für das Zustandekommen einer physikalischen Bin dung die Größe der Oberflächenenergie der metallischen Komponente im flüssigen Zustand von beträchtlicher Bedeutung. Die Oberflächenenergie einer Flüssigkeit wird thermodynamisch als eine freie Energie betrachtet und als Arbeitsaufwand definiert, der erforderlich ist, um die Oberfläche dieser Flüssigkeit um 1 cm2 zu vergrößern. Sie wird mit (j bezeichnet und in erg/cm2 angegeben. / '\ / '\ / " N Abb. 1 A"B/-Cg im Gleichgewicht bei rp > 900 10 Aus diesen beiden Größen, dem Randwinkel rp und der Oberflächenenergie der (J metallischen Komponente, läßt sich die sogenannte Adhäsionsenergie Wad ermitteln. Die Größe der Adhäsionsenergie wird als ein Maß für die Wahrscheinlichkeit betrachtet, daß zwischen den Komponenten des gegebenen Systems eine p1!Jsikalische Bindung möglich ist. Unter Berücksichtigung der oben gemachten Einschränkung folgt aus diesen überlegungen die Problemstellung für die vorliegende Arbeit. Zunächst sollten die in der Fachliteratur zerstreuten Daten über den Randwinkel, Oberflächen energie und Adhäsionsenergie an verschiedenen Systemen, die die Cermets Technik interessieren, gesammelt werden. Diese übersicht wird die Lücken zeigen, die durch systematische Untersuchungen ausgefüllt werden sollten. 11 3. Theoretische Grundlagen Die Zusammenhänge zwischen dem Randwinkel, der Oberflächenenergie und der Adhäsionsenergie, die im Hinblick auf die dargelegte Problemstellung interessie ren, lassen sich auf Grund der Analyse eines hypothetischen Systems (Abb. 1) ableiten. Das .System besteht aus einer festen (s), einer flüssigen (I) und einer gasförmigen (g) Phase. Es sind die Bedingungen zu ermitteln, unter welchen dieses System sich im Gleichgewicht befindet, wobei vorausgesetzt wird, daß die Temperatur des Systems konstant bleibt. Das beste Kriterium für das Vorhandensein eines Gleichgewichtes gibt die Ther modynamik, die verlangt, daß ein System im Gleichgewicht ein Minimum an freier Energie (F) besitzen muß. Die freie Energie des gesamten gegebenen Systems setzt sich summarisch aus den freien Energien der einzelnen Phasen zusammen: (1) Durch die Indizes s, I, g wird im folgenden angedeutet, auf welche Phase sich die betreffende Größe bezieht. Die freie Energie jeder Phase in diesem System besteht aber aus drei Anteilen: 1. innere Energie ( Fm) auf Grund der Masse m der Phase; 2. Energie der Oberfläche (Fo); 3. Gravitationsenergie (Fg). Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß die Oberflächenenergie eines Gases Null ist, kann man somit für die freie Energie der einzelnen Phasen folgende Gleichungen aufschreiben: Fs = Fsm + Fs" + Fsg (2 a) FI = Flm + FI" + FIg (2b) + Fg = Fgm Fgg (2 c) Die Oberflächenenergie einer Phase ist das Produkt aus der Größe der Ober fläche (A) und der spezifischen Oberflächenenergie (a) des Stoffes, woraus die Phase besteht. Es gilt also: (3a) Hier bedeuten: As die Oberfläche der festen Phasen, Asl die Größe der Grenzfläche zwischen der flüssigen und der festen Phase und asl die spezifische Grenzflächenenergie. 12