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Beispiele: Festschrift für Eugen Fink zum 60. Geburtstag PDF

319 Pages·1965·10.003 MB·German
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FESTSCHRIFT FÜR EUGEN FINK ZUM 60. GEBURTSTAG BEISPIELE Festschrift für Eugen Fink zum 60. Geburtstag HERAUSGEGEBEN VON LUDWIG LANDGREBE • M ART 1 N U S N IJ HOF F - DEN HA A G - 1 9 6 5 ISBN 978-94-015-2050-8 ISBN 978-94-015-3229-7 (eBook) DOI 10.1007/978-94-015-3229-7 Copyright 1965 by Martinus Nijhojf, The Hague, Netherlands. Softcover reprint of the hardcover 1st edition 1965 All rights reserved, including the right to translate or to reproduce this book or parts thereof in any form. Gelei:twort "Gegen den Ernst der Arbeit gehalten ist das Spiel der höhere Ernst" • (Heget) Die Freunde und Schüler Eugen Finks haben die Gaben, die sie ihm zu seinem 60. Geburtstag darbringen, mit einem beziehungsreichen Titel "Beispiele" genannt. Nicht nur soll in ihm die Erinnerung an ein Grundwort seines Denkens anklingen, er soll auch die Gemeinsamkeit der Fragen und Themen Eugen Finks mit den ihren andeuten, die sie ein jeder in seiner Weise umspielen. Beispiele sind sie nicht mit dem Anspruch des Exemplarischen, sondern als das "Beiherspielende" , das auf Gemeinsamkeit nicht einer "Schule", sondern der Herkunft des Denkens ver weist. Solche Gemeinsamkeit findet ihre Wahrheit nur in einem antwortenden Denken als der Einheit von Andenken, Danken und Denken. Dem Herausgeber ist solches Danken für eine seit vielen Jahrzehnten erhaltene und bewährte Freundschaft ein besonderes Bedüifnis. LUDWIG LANDGREBE Inhalt LUDWIG LANDGREBE, Geleitwort. . . . . . . . . . . . V GOlCHI MIYA KE, Geschichte und Überliiferung. . . . . . . 1 KARL-HEINZ VOLKMANN-SCHLUCK, Wahrheit und Schönheit. 16 GERHART BAUMANN, Georg Büchner,' Das endlose Drama. 30 ]AN PATOCKA, Die Lehre von der Vergangenheit der Kunst. . . 46 DANILO PEJOVIC, Der Sinn der künstlerischen Revolte . . . . 62 ERICH HEINTEL, Das Problem der Konkretisierung der Transzendentalität, Ein Beitrag zur Aporetik der "daseienden Vermittlung" . . . . . . 77 ]OHANNES LOHMANN, Ontologische Erfahrung, Eine Anmerkung zu Ga- damers Begriff des "wirkungsgeschichtlichen Bewußtseins" . 103 SIMON MosER, Philosophie in Orient und Okzident . . . . . . . . 106 RAINER MARTEN, Wenn alles in Bewegung wäre... . . . . . . . . 125 HERIBERT BOEDER, Das Prinzip des Widerspruchs, oder Der Sachverhalt als Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 ]OSEF DERBOLAV, Was Plato "sagte" und was er "gemeint hat", Erör- terung einer hermeneutisch bedeutsamen Differenz . 161 HERMANN GUNDERT, Zum Spiel bei Platon . .......... 188 GERHART SCHMIDT, Das Phänomen der Macht. . . . . . . . . . 222 BERNHARD LAKEBRINK, Der Thomistische Platonismus und die moderne Theologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 RUDOLPH BERLINGER, Über den Schmerz und das Licht, Philosophische Meditationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 LEONHARD FROESE, Voraussetzungen der geisteswissenschaftlichen Päda- gogik . ........................ 277 LUDWIG LANDGREBE, Die Phänomenologie der Leiblichkeit und das Pro- blem der Materie . . . . . 291 GERHART BAUMANN, Nachwort 307 Bibliographie Eugen Fink . . . 309 GOICHI MIYAKE Tokio Geschichte und Überlieferung I Das Problem "Mensch und Geschichte" ist von verschiedenen Denkern vielfach erörtert worden. Dabei wird oft die Geschichte nicht nur als solche, sondern unter dem Gesichtspunkt der Geschichtlichkeit des Menschen behandelt. So kommt der Begriff der Geschichte von vorn herein verflochten mit verschiedenen Auffassungen des Menschseins und dessen Geschichtlichkeit in den Blick. Man unterscheidet die eigent liche Geschichte von der vulgären. So wird der Begriff der Geschichte vieldeutig und damit auch das Verhältnis des Menschen zur Geschichte unklar. Das kommt nicht von der Willkürlichkeit der Begriffsbestim mung her, sondern hat seinen Grund in der Verwickeltheit der Sache selbst. Das Kosmos-System von Aristoteles, wonach der Mensch seine Stel lung und seinen Seinssinn im Kosmos selbst bestimmt finden konnte, gilt nicht mehr. Dagegen tritt nicht nur die christliche geschichtliche Auffassung des Menschen, auch theoretisch ist der aristotelische Sy stembau des Kosmos in der Neuzeit bestritten und untergraben. Das sinnvolle Ganze, das in ganz anderer Weise dem Menschen die be stimmte Stellung zu geben versuchte, war das historische oder metahisto rische System Hegels. Die spekulativ konstruktive Geschichtsphilosophie Hegels ist heute unannehmbar. Das im einzelnen nachzuweisen, ist unnötig. Die An sicht, dass der Mensch seinen Daseinssinn nur in der Geschichte er hält und versteht, wird auch von Dilthey vertreten. Hegels Begriff des objektiven Geistes ist auch bei Dilthey beibehalten, sogar so erweitert, dass er den Bereich des absoluten Geistes umfasst. Damit kommt der Historismus offen zu Tage. "Hegel konstruiert metaphysisch; wir ana lysieren das Gegebene .... So können wir den objektiven Geist nicht aus der Vernunft verstehen, sondern müssen auf den Strukturzusammen hang der Lebenseinheiten, der sich in den Gemeinschaften fortsetzt, zurückgehen." (Dilthey, VII, S. 150) In der menschlich-geschicht- 2 GOleRI MIY AKE lichen Wirklichkeit hat nach ihm der absolute Geist, nämlich Religion, Kunst und Philosophie, nur in der Gestalt des objektiven Geistes historische Wirklichkeit. Insofern man "die Geschichte aus der Ge schichte versteht", also den historischen Relativismus als unvermeid lich ansieht, kann man Dilthey recht geben. Hegel hat die von ihm abstrakt genannte Region der subjektiven Freiheit und des Gewissens der einfältigen Menschen aus dem lauten Lärm der Weltgeschichte herausgenommen. Aber insofern man wie Dilthey die Erlebnisse und deren Objektivationen insgesamt als der Geschichte gehörend denkt, kann diese Herausnahme jener Region, die Heimsoeth Hegel beistimmend Regionen des "Intimen und Rein Innerlichen" nennt!, nicht mehr anerkannt werden. Nach Dilthey ist die Geschichte als Wirkungszusammenhang zu nehmen. Darin hat er recht. Dann muss man aber konsequenterweise wie Hegel nur die Taten, genauer die sozial wirksamen Taten, nicht die subjektive Inner lichkeit, zur Geschichte gehörend anerkennen. Da Dilthey das Erlebnis als die "Urzelle der geschichtlichen Welt" nimmt, kommt diese scharfe Abgrenzung nicht deutlich hervor. Wenn man die Geschichte als Wirkungszusammenhang versteht, sollte die Handlung, nicht das Erlebnis als Ausgangspunkt genommen werden. Diese meine Behauptung gründet in der Ansicht, dass der Wirkungs zusammenhang, mithin die Geschichte selbst, die menschlichen Be tätigungen, sofern diese zu gemeinschaftlich bedeutsamen Wirkungen führen, umfasst. Nach meiner Meinung ist der Begriff des Wirkungszusammenhangs recht geeignet, die Geschichte, die "gewöhnliche" wenn man will, sachgemäss zu umgrenzen. Mit diesem Zugeständnis wollen wir Dil theys Gedankengang etwas näher ansehen. Es ist nötig, uns im voraus über die folgenden zwei Punkte ins Klare zu stellen. Der erste betrifft die strukturelle Seite der geschichtlichen Wirklichkeit. Wie es Dilthey ausdrückt, enthält die Objektivation des Lebens in sich eine Mannigfaltigkeit gegliederter Ordnungen. Diese umfassen einerseits eine naturb edingte Gliederung geistiger U nter schiede (Rassen, Ausdrucksweisen, Sitten u.s.w.), andererseits eine Gliederung nach Kultursystemen. Der zweite Punkt betrifft den dyna misch-prozesshaften Charakter der Geschichte. Der Wirkungszusam menhang hat nach Dilthey den Charakter von Vorgang, Verlauf, Ge schehen oder Handeln. Werke, Institutionen, Verbände werden in ihrem Werden verstanden. 1 Heimsoeth, Geschichtsphilosophie, S. 15. GESCHICHTE UND ÜBERLIEFERUNG 3 Und dieser Wirkungszusammenhang ist fundiert in dem "psychi schen Strukturzusammenhang" der Lebenseinheiten, also in den psy cho-physischen Lebenseinheiten. Diese Bestimmung bedarf m.E. noch eingehenderer Erläuterungen, aber davon später. Wie stehen die Individuen zum Wirkungszusammenhang? Die menschlich-gesellschaftlich-geschichtliche Welt besteht aus den psy cho-physischen Lebenseinheiten. In den Individuen verläuft primär der Wirkungszusammenhang. Aber das Individuum als ein Ganzes geht nicht im gegebenen Wirkungszusammenhang auf. "Das Indivi duum, in dem er (der Wirkungszusammenhang) sich vollzieht, greift als Lebenseinheit in den Wirkungszusammenhang ein; in seiner Äus serung ist es als Ganzes wirksam." (VII, S. 159/160) Was bedeutet dieses Einwirken des Individuums als Ganzes, und was kann es bewirken? Das Einwirken des Individuums als Ganzes ist von Dilthey besonders im Leben der Nationalstaaten betont und geschildert worden. "Und wer könnte leugnen, dass der im Leben be gründete Sinn der Geschichte sich ebenso im Willen zur Macht, der diese Staaten erfüllt, in dem Herrschaftsbedürfnis nach innen wie nach aussen äussert, als in den Kultursystemen ? ... Auf dem Boden dieses der politischen Organisation einwohnenden Machtwillens entstehen die Bedingungen, welche überhaupt erst die Kultursysteme möglich machen." (ibid. S. 170) Dabei denkt er an die älteste germanische Ge meinschaft und auch an das friderizianische Preussen. "Neben den selbständigen Kräften, die in den Kultursystemen fortarbeiten, wir ken in ihnen zugleich die vom Staat ausgehenden Tätigkeiten; in den Vorgängen, die einem solchen Staatsganzen angehören, ist Selbsttätig keit und Bindung durch das Ganze überall miteinander vereinigt." (ibid.) Welch ein optimistisches Bild des politischen Staates! Darin sehen wir den von Meinecke so bezeichneten idealistischen Optimis mus des deutschen historischen Denkens ganz deutlich.! Den "Sinn" der Geschichte wenigstens zum Teil in den im Staat vereinigten Willen zur Macht zu sehen, ist ganz illusionär. Nicht der Sinn der Geschichte ist im Staat zu sehen, sondern eine wesentliche Bedingung für die Ent stehung der Geschichte ist darin zu erblicken. Die archaische Gesell schaft ist durchaus von der Vergangenheit, d.h. von den altgewohnten Sitten und Institutionen beherrscht. Erst mit der Entstehung des Staates kommen Orientierung und Intention für die Zukunft, bewirkt durch die vereinigte Machtherrschaft, dabei gemildert und dauerhaft gemacht durch institutionale Legitimierung. Die Zukunftsorientierung 1 F. Meinecke, Idee der Staatsräson, S. 490. 4 GOleRI MIYAKE und die Verwirklichung der institutionell vereinigten Betätigungen der Gemeinschaftsglieder sind zwei Bedingungen für die Entstehung der ge schichtlichen Gemeinschaft im Unterschiede von der archaischen. Da rum hat Hegel recht, die Geschichte mit dem Staat entstehen zu lassen. Der idealistische Optimismus, der in der oben zitierten Äusserung Diltheys über den Staat hervortritt, ist nur eine Seite seiner Auffassung von der geschichtlichen Wirklichkeit. Hegels Vernunftkonstruktion der Geschichte gegenüber sagt Dilthey: "U nd die heutige Analyse der menschlichen Existenz erfüllt uns alle mit dem Gefühl der Gebrech lichkeit, der Macht des dunklen Triebes, des Leidens an den Dunkel heiten und den Illusionen, der Endlichkeit in allem, was Leben ist, auch wo die höchsten Gebilde des Gemeinschaftslebens aus ihm ent stehen." (ibid. S. 150) Auch von der Macht, die im Staat so sinnvoll verkörpert sein soll, lesen wir später etwas ganz anderes. Ich versuche, den Bereich der Geschichte etwas schärfer als Dilthey zu umgrenzen. Wenn man mit Dilthey vom Erlebnis ausgeht, über sieht man leicht die Grenze zwischen der oben bezeichneten Sphäre des Intimen und Innerlichen, die im privaten Leben sehr wichtig sein kann, die aber in dem gesellschaftlichgeschichtlichen Zusammenhang mei stens wirkungslos bleibt. Alles wirkt zwar irgendwie aufeinander in der Wirklichkeit des Lebens. Aber wenn alle im Sinne der sozialen Wirkung trivialen Gegebenheiten mit den wirksamen zusammen geworfen wer den, wird der Verlauf der Begebenheiten alle Kontur verlieren. Aber Formungen und Gliederungen werden schon im geschichtlichen Leben selbst gebildet, nicht erst in der wissenschaftlichen historischen Be griffsbildung. Bevor wir uns dem Problem des historischen Relativismus zuwen den, wollen wir vorläufig einige allgemeine Sätze, die den wirklichen Verlauf der Geschichte charakterisieren, formulieren. Obwohl die Individuen und die Gruppen darnach streben, oft mit Gewaltmitteln die bedrückenden Tatbestände in der gegebenen Situation zu verän dern, können wir, soweit wir die historische Erfahrung unbefangen betrachten, die folgenden Sätze nicht abweisen. In dem geschichtlichen Wirkungszusammenhang führen die menschlichen Aktionen, die in der gegebenen Situation zur Beseitigung und Auflösung bestimmter Nöte und Aufgaben unternommen werden, ihrerseits auch wieder neue Aufgaben und Bedürfnisse herbei, da die Aktionen aus einer bestimm ten Situation nur beschränkte Wirksamkeit herbeischaffen können. So ist die Geschichte eine nie endende Folge von Prozessen, die mit vielen Niederlagen begleitet, nur teilweise Erfolge aufweist.

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