Philipp Gonon · Fritz Klauser · Reinhold Nickolaus (Hrsg.) Bedingungen beruflicher Moralentwicklung und beruflichen Lernens Schriftenreihe der Sektion Berufs- und Wirtschaftspädagogik der DGfE Philipp Gonon · Fritz Klauser Reinhold Nickolaus (Hrsg.) Bedingungen beruflicher Moralentwicklung und beruflichen Lernens Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar. 1.Auflage März 2006 Alle Rechte vorbehalten ©VSVerlag für Sozialwissenschaften | GWVFachverlage GmbH,Wiesbaden 2006 Lektorat:Monika Mülhausen Der VS Verlag für Sozialwissenschaften ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werkeinschließlichallerseiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohneZustimmungdes Verlags unzulässig und strafbar.Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen,Übersetzungen,Mikroverfilmungen und die Einspei- cherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen,Handelsnamen,Warenbezeichnungen usw.in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme,dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung:KünkelLopka Medienentwicklung,Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung:MercedesDruck,Berlin Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier ISBN 3-531-15036-7 Inhalt Vorwort der Herausgeber................................................................... 7 Teil I: Moral und Moralentwicklung KlausBeck RelativismusundRolle–ZurGrundlegungeiner differentiellenMoralerziehung................................................................... 9 VjekaMariaAdam KognitiveElementeimProzessdermoralischenUrteilsbildung– BeispieleausInterviewsmitVersicherungskaufleuten............................ 23 GerhardMinnameier ZurDiagnosederEntwicklungmoralischerUrteilskompetenz–Eine AnalyseamBeispieleinesangehendenVersicherungskaufmanns........... 35 MartinKenner ZurmoralischenDimensioninderinterkulturellenBegegnung............... 49 Teil II: Kompetenz- und Persönlichkeitsentwicklung AndreasDiettrich,MatthiasKohl Entwicklung,ErfassungundZertifizierungvonKompetenzeninder IT-WeiterbildungaufeuropäischerEbene–StandundPerspektiven...... 63 SilkeHellwig KompetenzorientierunginderBerufsbildung:das australischeModellderTrainingPackages............................................... 77 WolfgangRoyl DieRevitalisierungderBerufspädagogikdurchErfahrungenmit KleingründungennachderAgenda2010.................................................. 89 TobiasGschwendtner,BirgitZiegler Kompetenzförderungdurchreciprocalteaching?................................... 101 CarolaIller IndividuelleVoraussetzungenfüralternsgerechte Personalentwicklung................................................................................ 113 5 Teil III: Handlungsmöglichkeiten von Lehrkräften EvelineWuttke DieQualitätderLehrerbeteiligunganArgumentationssequenzen erfolgreicherundwenigererfolgreicherLerngruppen............................ 127 SandraSteinemann AnalysevonLehrerteamarbeitsprozessenaus systemischerPerspektive........................................................................ 139 JürgenSeifried,ChristinaKlüber LehrerinterventionenbeimselbstorganisiertenLernen........................... 153 RobertGeiger Systematik-undbeispielorientierteGestaltungsvarianteneines handlungsorientiertentechnischenberuflichenUnterrichts.................... 165 GerhardDrees,GünterPätzold EntwicklungdesUnterrichtsdurchEvaluation– zurImplementierungvonQualitätsprozesseninBerufskollegs.............. 177 Teil IV: Aspekte der Gestaltung und Analyse von Lernprozessen MichaelBendorf DieRegulationdesLernverhaltensimSpannungsfeld kontextspezifischerundpersonenimmanenterFaktoren......................... 197 EstherWinther Lernenmotiviert:EinInterventionskonzeptzur FörderungderMotivationinLernprozessen........................................... 209 KarinWirth NarrativeSequenzeninproblembasiertenLernumgebungen.................. 221 GerhardMinnameier InferentiellesDenkenimRechnungswesenunterricht– EineAnalysevonGruppenlernprozessen................................................ 233 LutzSchumacher LerneninselbstorganisiertenSchülergruppen–ZurBedeutung vonsozialenMotivenundemotional-motivationalenProzessen............ 247 Herausgeber......................................................................................... 261 Autorinnen und Autoren.................................................................. 262 6 Vorwort der Herausgeber Der vorliegende Band bietet eine Momentaufnahme der Berufsbildungs- forschung. Das Spektrum der Beiträge ist relativ breit. Abgedruckt sind Beiträge,dieineinembetrieblichenoderberufsschulischenUmfeldderFrage nach den Entwicklungen und Entwicklungsbedingungen moralischen Den- kens, beruflicher Handlungskompetenz und Motivation nachgehen. Darüber hinaus werden auf den Berufsschulunterricht bezogene Gestaltungsmög- lichkeiten für Lehrkräfte und Lernprozessanalysen im Spiegel aktueller For- schungvorgestellt. InTeilI wird die sich festigende Traditionder Frage der Moralentwick- lungimRahmenberuflicherBildung,basierendaufKohlbergsStufentheorie, weitergeführt. Nach einem sich auf ausgewählte philosophische Bezüge aus- richtenden reflexiven Einstieg zur Moralerziehung folgen drei empirische Beiträge, die Urteilskompetenzen im kaufmännischen Bereich und die inter- kulturellen Einstellungen von Berufsschülern darstellen. Hiermit wird mora- lische Entwicklung stark an spezifische berufliche Kontexte gebunden und damiteineneueHerausforderungfürdieMoraltheoriesichtbar. Teil II fokussiert Probleme der Kompetenzentwicklung vorwiegend auf einermakrobezogenenEbene,indemaufdieIT-WeiterbildunginEuropaund auf die Kompetenzorientierung der Berufsbildung in Australien Bezug ge- nommen wird. Ein weiterer Beitrag lotet angesichts politisch sich ändernder Rahmenbedingungen das Potenzial für eine „Revitalisierung“ der Berufs- pädagogik aus. Schließlich verweisen auch zwei weitere Themenbereiche, nämlichreziprokesLehrenwieauchindividuelleVoraussetzungenderPerso- nalentwicklung, auf Fragen der Kompetenzentwicklung, die in diesem Teil besonders hervorgehoben werden und damit auch wissenschaftlich fundierte BeiträgezurneuenKompetenzdebatteliefern. AuchinTeilIIIverweisendieBeiträgeaufeinprominentesKonzeptder Berufs- und Wirtschaftspädagogik. Auf verschiedenen Ebenen spielt die „Handlungsorientierung“ eine Rolle, und zwar vorwiegend aus der Sicht der Lehrenden.HierbeiwerdensowohldieQualitätderArgumentationimUnter- richt mit Blick auf Lehrerbeteiligung, die Lehrerteamarbeit, die Lehrerinter- ventionen beim selbst organisierten Lernen, wie auch Gestaltungsvarianten im beruflich-technischen Unterricht thematisiert. Ein letzter Beitrag dieses Teilsrichtetdasbesondere Augenmerkaufdie Einführung vonQualitätspro- zessenanBerufsschulen. TeilIVhebtbesondereFragendesLernenshervor,sodieRegulationdes Lernverhaltens, die Lernmotivation, problembasierte Lernumgebungen, 7 Gruppenlernprozesse und das Lernen in selbst organisierten Schülergruppen. Die Darstellungen und Analysen beruhen alle auf empirischen Daten, die – wie inTeilIII– wesentliche Einsichtenzurdifferenzierten Erfassungberufs- schulischen Lehrens und Lernens ermöglichen. In ihrer Gesamtheit vermit- telndiehierpräsentiertenBeiträgeeinBildderBerufs-undWirtschaftspäda- gogik,diesichamneuestenStandderBerufsbildungsforschungorientiert. Bei den insgesamt 19 in gebotener Kürze dargestellten Forschungsbe- richten und Präsentationen handelt es sich um Originalbeiträge und Erst- veröffentlichungen. Sie wurden im Rahmen der Frühjahrstagung der Sektion Berufs- und Wirtschaftspädagogik 2005 in Stuttgart vorgestellt. Alle Autorinnen und Autoren unterzogen sich im Hinblick auf diese Veröffent- lichung einem aufwändigen Review-Verfahren, das zu teilweise umfang- reicheren Überarbeitungen Anlass bot, aber auch zu Rückweisungen von SeitenderHerausgeberschaftführte. Für die Unterstützung bei der Organisation des Review-Verfahrens sowiebeiderAufbereitungundGestaltungderTextefürdenDruckmöchten wir Frau Dr. Katrin Kraus und den Herren Dr. Lukas Rosenberger sowie Erwin Akeret (alle tätig am Lehrstuhl für Berufsbildung, Universität Zürich) unserenherzlichenDankaussprechen. FürdieHerausgeberschaft PhilippGonon FritzKlauser ReinholdNickolaus Zürich,Dezember2005 8 Relativismus und Rolle – Zur Grundlegung einer differentiellen Moralerziehung Klaus Beck 1. Universalismuskritik und die Idee einer relativistischen Alternative In der ethischen Diskussion gilt der Relativismus sowohl als eine Gegenposition zum Objektivismus als auch zum Universalismus. Ethische Objektivisten sind der Meinung, dass zwischen subjektiven Präferenzen und moralischenGeboten keinZusammenhangbesteht, m.a.W., dassWollenund Sollen völlig unterschiedliche Kategorien sind (vgl. v. KUTSCHERA 1982: 181-182). Was gesollt ist, ergibt sich demnach nicht aus dem Rekurs auf individuelle oder auch auf verallgemeinerte Interessen. Das moralisch Gebotene muss vielmehr unabhängig davon auf andere Weise bestimmt werden, sei es (quasi-)empirisch, wie im Falle der SCHELERschen oder HARTMANNschen Werttatsachen (ebd.: 205), sei es apriorisch, wie in KANTs Vernunftethik (ebd.: 192). Wenn es aber „objektive“ Grundlagen für moralische Ansprüche gibt, also solche, die nicht von den Präferenzen einzelner oder vieler oder überhaupt von Individuen abhängen, dann liegt es nahe,siealsmiteinemuniversalenGeltungsanspruchausgestattetanzusehen. Objektivismus und Universalismus stehen somit gewissermaßen Hand in HandinOppositionzumRelativismus. Der ethische Universalismus, von dem es ebenso wie vom Objektivismus mehrere Spielarten gibt, lässt sich im Kern durch den Anspruchcharakterisieren, moralische Gebote gältenzu jeder Zeit, anjedem Ort und unter allen Umständen. Der Prototyp eines solchen Gebotes wäre etwa das Tötungsverbot (von Menschen durch Menschen), das mittels des Hinweises als begründet gilt, dass ein Verstoß gegen es als Ausdruck der Negation des objektiven Wertes menschlichen Lebens zu deuten wäre. Während es sich in diesem Falle um die materiale Variante einer objektivistisch-universalistischen Ethikposition handelt, liegt mit KANTs Kategorischem Imperativ eine dazu analoge formale Variante vor. Auch sie beanspruchtubiquitäreGeltung. In beiden Varianten spielt das Generalisierbarkeitspostulat die zentrale Rolle. Es besagt, dass, wenn es für Person P in einer Situation des Typs S 1 9