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Bausteine syntaktischen Wissens: Ein Lehrbuch der generativen Grammatik PDF

503 Pages·1988·11.151 MB·German
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Arnim von Stechow . Wolfgang Sternefeld Bausteine syntaktischen Wissens Amim von Stechow· Wolfgang Sternefeld Bausteine syntaktischen Wissens Ein Lehrbuch der generativen Grammatik Westdeutscher Verlag Der Westdeutsche Verlag ist ein Unternehmen der Verlagsgruppe Bertelsmann. Alle Rechte vorbehalten © 1988 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtiich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts gesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und stratbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, übersetzungen, Mikrover filmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Horst Dieter Bürkle, Darmstadt ISBN 978-3-531-11889-5 ISBN 978-3-322-91923-6 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-91923-6 Inhalt Vorwort................................... ................ 1 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1.1 Was ist generative Grammatik? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1.2 Theoretische Zugänge zur Sprache. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1.2.1 Soziologische Betrachtungsweisen ....................... 10 1.2.2 Die biologische Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 11 1.2.3 Modularität und Autonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 13 1.3 Argumente für das Sprachvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 15 1.3.1 Universalien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. IS 1.3.2 Spracherwerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 22 1.4 Grammatik und Sprache. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 25 1.4.1 Grammatik ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 26 1.4.2 Sprache ........................................ 27 1.4.3 E-Sprache und I-Sprache ............................. 28 1.4.4 Angeborene Prinzipien und Parametrisierung . . . . . . . . . . . . . . .. 30 1.5 Beschreibung und Erklärung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 32 2. Universale Grammatik ..................................... 34 2.1 Universalgrammatik versus deskriptive Grammatik. . . . . . . . . . .. 34 2.2 UG und Spracherwerb: Ein Gedankenexperiment ............ 35 2.2.1 Einige technische Begriffe ............................ 36 2.2.2 Das Gedankenexperiment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 38 2.3 Kern und Peripherie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 40 2.3.1 Die Begriffe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 40 2.3.2 Der Kern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 41 2.3.3 Die Peripherie .................................... 47 +2.4 Beschränkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 55 2.5 Strategien zur Erforschung der UG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 56 3. Architektur der Grammatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 59 3.1 Das Gesamtmodell .................................... 59 3.2 Die drei syntaktischen Ebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 60 3.2.1 D-Struktur und S-Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 61 +3.2.2 Logische Form. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 69 VI Inhalt 3.3 Verbindungen zwischen den syntaktischen Ebenen ........... 76 3.3.1 Projektionsprinzip und Thetamarkierung . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 76 3.3.2 Bewege-a ....................................... 84 3.3.2.1 Charakteristik .............................. 84 +3.3.2.2 Beschränkungen für ,Bewege-a'? .................. 92 3.3.2.3 Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 95 3.4 Die Transformationstypologie ........................... 96 +3.5 Analyse eines Satzes ................................... 100 4. Phrasenstruktur .......................................... 105 4.1 Die Suche nach Prinzipien .............................. 105 4.2 Kriterien für Konstituenz ............................... 107 4.3 Der Kopf ......... ~ ................................. 110 4.4 Komplexitätsebenen: X-Theorie .......................... 119 4.5 Weitere Beschränkungen: Spezifikatoren, Adjunkte, Objekte, Peripherität des Kopf~ ................................ 129 4.6 Ein verallgemeinertes X-Schema .......................... 134 4.7 Syntaktische Merkmale ................................ 143 4.8 Kongruenz .......................................... 149 5. Kasus und Rektion ........................................ 158 5.1 Begriffliches ......................................... 158 5.1.1 Kategorialer Status von Kasus .......................... 158 5.1.2 Kasusträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 159 5.1.3 Kongruenzkasus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 159 5.1.4 Kasus - grammatische Funktion - thematische Rolle. . . . . . . . .. 161 5.1.5 Rektionskasus, lexikalisch und strukturell. . . . . . . . . . . . . . . . .. 166 5.2 Kasusregeln des Englischen .............................. 168 + 5.3 Kasuszuweisung versus Kasusüberprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 173 5.4 Kasustheorie und NP-Bewegung .......................... 176 5.5 Accusativus cum Infinitivo (A.c.l.) ........................ 183 +5.6 Expletives it, S-Tilgung und Projektionsprinzip, Burzios Generalisierung ....................................... 186 5.6.1 Expletives it ..................................... 186 5.6.2 S-Tilgung und Projektionsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 187 5.6.3 Chomskys Passivtheorie und Burzios Generalisierung. . . . . . . . . .. 188 +5.7o[-Einsetzung ........................................ 190 +5.8 Verben mitfor-Komplementierer ......................... 195 ++5.9 Verben mit zwei Objekten .............................. 199 5.10 Kasusvererbung bei Wh-Bewegung ....................... 208 6. Bindungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 212 6.1 Intuitiv zulässige Bindung ............................... 212 6.2 Das ABC der Bindungstheorie ........................... 215 Inhalt VII 6.3 Zugängliche SUBJEKTE ................................ 223 6.4 Leere Kategorien ..................................... 230 +6.5 Regierende Kategorien ................................. 237 +6.6 Bindungsvererbung bei ,Bewege-a' ........................ 246 +6.7 Weitere Problemfälle .................................. 251 7. Theta-Theorie ............................................ 257 7.1 Intuitive Vorüberlegungen .............................. 257 7.2 Ketten ............................................. 263 7.3 Theta-Rollen und Kasuszuweisung an Ketten ................ 266 7.4 Das Theta-Kriterium ................................... 269 7.5 Theta-Kriterium und Kasustheorie ........................ 273 +7.6 Das Theta-Kriterium im Verhältnis zu anderen Prinzipien ...... 277 +7.7 Das Theta-Kriterium auf weiteren Strukturebenen ............ 278 8. ECP und Pro-Drop ........................................ 286 8.1 Das ECP ............................................ 286 8.2 K-Herrschaft und Rektion .............................. 291 8.3 Der Pro-drop Parameter ................................ 294 8.4 Kasusvererbung bei Inversion ............................ 299 9. Kontrolltheorie .......................................... 305 9.1 PRO und Anaphern ................................... 305 9.2 Lexikalische Kontrolle ................................. 308 9.3 Zur Reichweite der Kontrollbeziehung ..................... 311 9.4 Eine strukturelle Kontrolltheorie? ........................ 313 10. Pfadbedingungen ......................................... 321 10.1 überkreuzungs-Effekte ................................. 321 10.2 ECP-Effekte ......................................... 329 10.3 Die Subjektbedingung ................................. 334 10.4 Schmarotzerlücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 337 10.5 Mehrfachfragen ...................................... 343 11. Die Satzkategorie(n) ....................................... 350 11.1 Wh-Bewegung und Skopus .............................. 350 11.2 Grenzknoten ........................................ 358 11.3 Zur Struktur von COMP ................................ 363 11.4 Domänen und Domänenerweiterungen ..................... 368 VIII Inhalt 11.5 Die Positionen SpecC und C . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 375 11.6 Der Doppel-COMP-Filter ............................... 381 11.7 Uniformitäts-und Differenzthese ......................... 388 11.8 Anhang: Zur sogenannten komplementären Verteilung von Komplementierer und Finitum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 12. Reanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 12.1 Kriterien für Satzwertigkeit und Kohärenz .................. 406 12.2 Evers' Regel ......................................... 411 12.3 Von der Verbanhebung zur Reanalyse ..................... 413 12.4 Projektionsprinzip und Kohärenz ......................... 421 12.5 Statusrektion und Repräsentationsebenen .................. 427 Exkurs: Syntaktische versus lexikalische Analyse von kohärenten Kontroll· verben . __. -' . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 447 12.6 Scrambling .......................................... 452 12.6.1 Direktes und indirektes Objekt ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 452 12.6.2 Subjekt und Objekt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 461 12.6.3 Generalisierungen über Scrambling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 464 12.6.4 Analysen des Scrambling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 470 12.6.5 Scrambling und Reanalyse ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 475 Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480 Sachregister ................................................ 490 Vorwort Der Titel dieses Buches, "Bausteine syntaktischen Wissens", enthält eine syste matische Mehrdeutigkeit. Einmal ist damit die Organisation des syntaktischen Wissens in unseren Köpfen gemeint; die Bausteine sind Module, deren kom plexes Zusammenspiel unsere syntaktische Kompetenz ausmacht. Zum anderen weist der Titel auf den fragmentarischen Charakter des Unternehmens hin. Von allem, was man über Syntax weiß, haben wir nur einige Bausteine zusam mengetragen, die wichtigsten, wie wir hoffen. Viele Gesichtspunkte sind aber nur am Rande oder überhaupt nicht erwähnt. Ein Gleiches gilt für die Literatur auswahl, die nur einen Bruchteil des uns bekannten Schrifttums enthält. Aufge nommen wurden nur die zitierten Werke. Der Untertitel "Ein Lehrbuch der modernen generativen Grammatik" drückt den Anspruch aus, ein systematisches und stimmiges Lehrgebäude zu errichten, das in die wichtigsten Prinzipien der generativen Grammatiktheorie einführt. Wir haben uns gescheut, das Buch Einführung zu nennen, weil ein sol cher Titel nahegelegt hätte, daß es sich um ein elementares Buch handelt. Dem ist leider nicht so. Trotz größten Bemühens der beiden Autoren um eine ein fache Sprache und um die Erklärung aller benutzter Begriffe, fürchten wir dennoch, daß die Schrift nicht einfach zu lesen ist. Der Stoff muß systema tisch durchgearbeitet werden, was ohne Papier und Bleistift, ein gutes Ge dächtnis und viel Motivation kaum möglich sein dürfte. Die Adressatengruppe des Buches besteht somit aus Studenten der lin guistisch orientierten Fächer. Ferner sind alle angesprochen, die sich einen überblick über die moderne Theoriebildung verschaffen wollen. Aus dem Ge sagten ergibt sich allerdings, daß dieses Buch kaum ohne jegliche Art von V or kenntnissen zu lesen ist. Vertrautheit mit den Grundbegriffen der Linguistik ist Voraussetzung. Ferner wäre d~e Kenntnis einer Einführung in die Syntax wünschenswert. Es gibt eine Fülle von brauchbaren Einführungen in die Lin guistik, allerdings fast alle in englischer Sprache. Allgemeine Einführungen, die empfohlen werden können, sind etwa Akmajian, Demers & Harnish (1979) und Fromkin & Rodman (1978). Baker (1978) und Perlmutter & Soames (1979) sind Einführungen in die Syntax. Radford (1981) führt besonders nahe zu den Grundlagen, die in diesem Buch benötigt werden. Ähnlich technisch anspruchsvoll wie das vorliegende Buch ist Riemsdijk & Williams (1986). Einen gewissen historischen Hintergrund für die generative Denkschule zeichnet New meyer (1980) und (1983). Obwohl einiges an Literatur dieser Art vorausgesetzt ist, ist das vorliegende Buch dennoch "self-contained". Wer es partout ohne Vorkenntnisse studieren will, kann dies im Prinzip tun. Alle benutzten technischen Begriffe sind einge führt und sind für den hartnäckigen intelligenten Leser grundsätzlich im Selbst studium erlernbar. Vorkenntnisse oder Anleitung erleichtern den Zugang aber sicher ungemein. Wir haben davon Abstand genommen, Ubungen in das Buch aufzunehmen, 2 Vorwort obwohl man dies von einem Lehrbuch eigentlich erwarten würde. Der Grund ist, daß es beim gegenwärtigen Stand der Forschung kaum möglich zu sein schien, anspruchsvolle und zugleich weiterführende Aufgaben zu stellen. Es gibt Bereiche der Linguistik, wo dies ohne weiteres möglich ist. Dazu gehört etwa die Phonologie oder die Semantik. Die Phonologie ist letztlich ein ein facheres Gebiet als die Syntax. Man kann rasch ein gewisses Dateninventar vorstellen, um dann nach gewissen Generalisierungen zu fragen. Die Semantik verfügt zumindest über einen Bereich, nämlich die logische Semantik, zu dem es sehr gut ausgearbeitete Methoden gibt, die man anhand von intelligenten Fragestellungen einüben kann. In der Syntax ist dagegen alles im Fluß. Das didaktische Ideal wäre folgendes: Gesetzt den Fall, man würde die wichtigsten syntaktischen Prinzipien kennen, dann würden sich einzelsprach liche Grammatiken nur durch das Setzen bestimmter Parameter voneinander unterscheiden. (Wir nehmen hier die Lehre voraus, die wir in diesem Buch vertreten werden.) Der Didaktiker der Grammatiktheorie hätte dann nur die sechsundzwanzig relevanten Beispiele für eine Sprache zusammenzustellen, an Hand derer die für die betreffende Grammatik spezifischen Parameter ge setzt werden können. Dies wären intelligente Aufgaben, denn der Student der Syntax könnte dann innerhalb kurzer Zeit die Parameter herausfinden, zu deren Setzung das heranreifende Kind einige Jahre braucht. Er hätte dann das Gefühl, eine machtvolle Methode in der Hand zu haben. Dieses Ideal ist im Augenblick und vermutlich auch in absehbarer Zeit nicht erreichbar. In der generativen Schule ist man sich zwar über die prinzipielle Zielsetzung einig, aber es gibt noch keinen Konsens über die universellen Prinzipien, die den Einzelgrammatiken zugrundeliegen. Selbstverständlich wird diese Situation keinen Lehrenden davon abhalten, Aufgaben zu stellen. Diese werden aber in der Regel auf ein Abfragen des Stoffes hinauslaufen müssen. Der Stoff selbst ist kompliziert genug, aber die Organisation des Repetitoriums und der Verständnisüberprüfung überlassen wir dem Geschmack eines jeden Lehrenden. Es seien uns nun einige Worte zur Auswahl des Stoffes gestattet. Es gibt zur Zeit innerhalb der generativen Grammatik eine Fülle von verschiedenen Theorieentwürfen, die nicht ohne weiteres miteinander verträglich sind. Wir haben uns eng an der "klassischen" Theoriebildung orientiert, nämlich den "Lectures on Government and Bindung" (= GB), wie sie in Chomsky (1981) vorliegen. Die Verantwortung für das Adjektiv "klassisch" übernehmen wir dabei selbst. Nun ist aber die GB-Theorie alles andere als konsistent. Chomskys Buch ist, wie die meisten seiner Schriften, ein heraklitischer Gedankenfluß. Verschiedene Theorievarlanten werden exploriert, ohne daß es in jedem Fall zu einer definitiven Klärung kommt, welche Varlante die tragfähigste ist. Es versteht sich, daß die Varlanten oft unverträglich miteinander sind. Dies. ist einer der Gründe, weshalb die Leser von GB ständig einer nervenzerreißenden Geduldsprobe ausgesetzt sind. Die Modifikation eines Teils der Theorie hat oft unübersehbare Folgen für andere Teile. Wir wollten unseren Lesern einen guten Teil der Frustrationen ersparen, welche die Lektüre des Originals zeitigt, indem wir die Bausteine so entwickeln wollen, daß wechselseitige Vertriiglichkeit gewährleistet ist. Dies ist uns nicht immer gelungen. Beim gegenwärtigen Stand der Forschung mußten wir gele gentlich doch verschiedene Alternativen· vorstellen und die Implikationen für Vorwort 3 andere Theoriekomponenten diskutieren. Didaktisch hat dieses Vorgehen, bei allen Frustrationen, das es erzeugt, dennoch einen gewissen Wert. In einer hochgradig modularen Theorie (also einer Theorie, wo verschiedenartige Prin zipien zusammenspielen) haben kleine Veränderungen unter Umständen große Wirkungen. An diese Denkweise muß man sich gewöhnen. Eine unserer Kritikerinnen hat in ihrem Kommentar zum Manuskript bemerkt, unser Buch sei mehr über GB als über Sprache. Die GB-Theorie werde als gegeben angesehen und als im Fokus des Interesse stehend. Diese Rolle habe aber vielmehr den Fakten zuzukommen. (Mit sprachlichen Fakten sind hier offenbar wirkliche und mögliche Äußerungen gemeint.) Eine Theorie könne nur eine dienende Funktion beanspruchen. Außerdem sei die GB-Theo rie nur eine mögliche Metasprache, um über Syntax zu sprechen, keineswegs eine notwendige. Das einzige, was wir zeigten, sei, daß die GB-Theorie nicht jeglicher faktischen Grundlage entbehre. Treffend ist diese Charakterisierung sicher in einem Punkt: das Buch ist GB-zentriert und vernachlässigt andere Syntaxtheorien. Dies aus mehreren Gründen. Erstens gibt es gar nicht so viele Alternativen an echter Theorie bildung, wie man sich wünschen möchte. Ein großer Teil der zeitgenössischen Theorien ist generativ orientiert (zum Beispiel die Generalisierte Phrasenstruk turgrammatik (s. Gazdar (1982) und Gazdar et al. (1985», die Lexikalisch Funktionale Grammatik (s. Bresnan (1982» und die Montague-Grammatik (s. Montague (1973». Nicht-generative ernsthafte Theoriebildungen kann man mit der Lupe suchen. Man könnte an den amerikanischen und europäischen Strukturalismus denken. Was allerdings dort tragfähig war, ist in die generative Literatur eingegangen, wie ja überhaupt die generative Grammatik aus der strukturalistischen Tradition hervorgegangen ist. Chomsky war bekanntlich ein Schüler des Strukturalisten Zellig S. HaITis. (Vgl. etwa Harris (1951).) Eine alternative Theoriebildung liegt vielleicht mit Lucien Tesnieres Depen denzgrammatik vor. (V gl. Tesniere (1953).) Aber auch diese Theorie ist vom Generativismus rezipiert worden, wenngleich sie vielleicht auch nicht sehr fruchtbar geworden ist. Ajdukiewicz's genialer Entwurf der Kategorialgramma tiken lebt vor allem in der semantisch orientierten Forschung weiter und wird von Zeit zu Zeit wohl immer wieder eine Renaissance erfahren. (Vgl. Ajdukie wicz (1935).) Vorstellungen der Relationalen Grammatik spielen unter dem Schlagwort "Grammatische Funktionen" eine nicht zu unterschätzende Rolle. Die Thema-Rhema-Gliederung der Prager Schule ist allgemeines Gedankengut der diskursorientierten Forscher geworden. Ja, und was gibt es sonst noch? Varianten und Varianten von Varianten, aber kaum etwas, was nicht irgend wo auch in der generativen Grammatik angesprochen wäre. Wenn diese ver schiedenen Konzeptionen in diesem Buch nicht explizit behandelt werden, dann nicht aus Dogmatismus, sondern aus Platzgründen. Eben diese überlegung liefert uns ein weiteres Argument, die GB-Theorie zu propagieren: Sie ist die gemeinsame Sprache der meisten theoretisch orien tierten Linguisten, und auch viele derjenigen, die diese Theorie ablehnen, ver stehen die benutzte Ausdrucksweise. Als europäischer Patriot mag man es viel leicht bedauern, daß die Linguistik am theoretischen Schlepptau der USA hängt, aber die Situation hat auch etwas für sich. Wohin sollte es führen, wenn jedes Land oder gar jedes Institut seine eigene Theorie ausbrüten würde? Die Zeit der genialen Systemeigenbauer ist in der Linguistik hoffentlich vorbei.

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