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Autobiographie und Geschichte: Wilhelm Dilthey, Georg Misch, Karl Löwith, Gottfried Benn, Alfred Döblin PDF

383 Pages·1995·37.81 MB·German
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Michael Jaeger Autobiographie und Geschichte Wilhelm Dilthey, Georg Misch, Karl Löwith, Gottfried Benn, Alfred Döblin Autobiographie und Geschichte Michael Jaeger AUTOBIOGRAPHIE UND GESCHICHTE Wilhelm Dilthey, Georg Misch, Karl Löwith, Gottfried Benn, Alfred Döblin J. Verlag B. Metzler Stuttgart ·Weimar Die Deutsche Bibliothek - CIP~Einheitsaufnahme jaeger, Michael: Autobiographie und Geschichte : Wilhelm Dilthey, Georg Misch, Kar! Löwith, Gottfried Benn, Alfred Döblin I Michael Jaeger. -Stuttgart ; Weimar : Metzler, 1995 ISBN 978-3-476-01386-6 ISBN 978-3-476-03634-6 (eBook) DOI 10.1007/978-3-476-03634-6 Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechdich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mi kroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © 1995 Springer-Verlag GmbH Deutschland Ursprünglich erschienen bei J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag GmbH in Stuttgart 1995 ~ EIN VERLAG DER. SPEKTRUM FACHVERLAGE GMBH >>Modo mundus sie est quomodo et torcular, in pressuris est: sed, si arnur ca es, per doacas vadis; si oleum, in gemellario manes. Nam necesse est pressurae sint. Attendite arnurcarn, attendite oleum. Pressura fit aliquan do in mundo: verbi gratia, farnes, bellum, inopia (. .. ). lnvenimus homi nes inter istas pressuras murmurare, et dicere: Ecce temporibus christia nis quanta mala sunt! (. .. ) lsta de pressura arnurca exit, per doacas currit; os ipsius propterea nigrum est, quia blasphemat: non splendet. Oleum relucet. Invenis autem alium hominem de pressura ipsa, et de ipsa tritura quae illum trivit: numquid non ipsa tritura est, quae illum trivit? Audistis vocem arnurcae, audite vocem olei: Deo gratias! Benedictum nomen tu um!« Augustinus: Sermones.1 >>Der Typus Mensch zerschmilzt im Prozeß der Geschichte.<< Wilhelm Dilthey: Das geschichtliche Bewußtsein und die Weltanschauungen. 2 >>Und wenn die Weltgeschichte der letzten beiden Weltkriege uns irgend etwas lehren konnte, dann vielleicht dies, daß sie nichts ist, woran man sein Leben orientieren könnte. Sich inmitten der Geschichte an ihr ori entieren zu wollen, das wäre so, wie wenn man sich bei einem Schiff bruch an den Wogen anhalten wollte.<< Kar! Löwith: Mensch und Geschichte.3 Sancti Augustini, Sermones. Post Maurinos Reperti. Studio ac diligentia D. Germani Marin 0. S.B. In: Miscellanae Agostiniana. Testi e studi. Publicati a cura dell'ordine eremitano di S. Agostino. Valurne I. Rom 1930, S.151. (»Die Welt ist jetzt wie eine Kelter: es wird ausgepreßt. Bist Du Ölschaum, so fließt Du in die Kloake; bist Du Öl, so bleibst Du im Ölgefäß. Daß gepreßt wird, ist unumgäng lich. Nur beachte den Schaum, beachte das Öl. Pressung geht in der Welt vor sich: durch Hungersnot, Krieg, Armut (. .. ). Da finden sich Leute, die in solchen Drangsalen mur ren und sagen: •Wie schlecht sind die christlichen Zeiten!< (. .. ) Das ist der Schaum, der aus der Presse fließt und durch die Kloaken rinnt; sein Ausfluß ist schwarz, weil sie lä stern; er glänzt nicht. Das Öl hat Glanz. Da findet sich nämlich ein anderer Mensch in derselben Presse und in der Reibung, die ihn zerreibt -war es denn keine Reibung, die ihn so blank rieb? Die Stimme des Ölschaums hast Du gehön, höre jetzt die Stimme des Öls: •Dank sei Gott! Gepriesen sei Dein Name!<« Übersetzung von Hans-Urs von Balthasar zit. nach: Kar! Löwith: Weltgeschichte und Heilsgeschehen. In: Ders.: Sämtli che Schriften. Bd. 2. Stattgart 1983, S. 10.) 2 Wilhelm Dilthey: Gesammelte Schriften.Bd.8. Leipzig/Berlin 1931, S. 6. 3 Kar! Löwith: Sämtliche Schriften. Bd.2. Stattgart 1983, S. 359f. INHALTSVERZEICHNIS Einleitung 1 I. Wilhelm Diltheys Historismus - Die absolute Geschichtlichkeit der Selbstreflexion 19 Diltheys unterschiedliche Bewertungen der Autobiographie 20 • Die Geschichtlichkeit des Den kem und der Existenz 21 • Die Kritik der Geschichtsphilosophie 25 • Diltheys Hegel-Kritik 27 • Diltheys Historismus zwischen radikalem Subjektivismus und neuen Sinmtijiungen 32 • Diltheys Nietzsche-Kritik 34 • Die Anarchie der Überzeugungen 43 • Diltheys Kritik der Naturwissemchaften • die Unterscheidung zwischen natur-und geisteswissemchaftlichen Me thoden 48 • Die Autobiographie als Modell geschichtlichen Verstehem 51 • Diltheys Gotthe Interpretation 59 • Goethes Autobiographie als KJtlminatiompunkt des geschichtlichen Säkula risatiomprozesses 63 • Diltheys Vermächtnis 68 II. Georg Mischs »Geschichte der Autobiographie« tm Kontext der Metaphysikkritik Diltheys 71 Selbstreflexion und Geisteswissenschaft 72 • Die Goethe-Rezeption des Historismus 76 • Goe thes immanente Lebemdeutung 85 • Die bedrohte Autonomie des Individuums-Goethes selbst biographische Andeutungen 90 • Realismus 92 • Mimesis des (alltäglichen) Lebem - Georg Misch und Erich Auerbach 97 • Mimesis des Vordergrundes und Geschichtsdeutung des Hinter grundes 100 • Der europäische Säkularisatiomprozeß 103 • Autobiographischer Realismus 110 • Der Unterschied zwischen erklärender und verstehender Psychologie 114 • Der Gedan ken- und Ideentausch zwischen Dilthey und Misch 119 • Die historiographische Illustration der Diltheyschen »Kritik der historischen Vernunft• 121 • Der synthetische Abendlandbegriff Mischs-die Autobiographie als abendländisches Kulturphänomen 127 III. Karl Löwiths Bekehrung - von Nietzsches Radikalität zu Burckhardts Resignation 133 Die Kritik der geschichtlichen Existenz 134 • Die autobiographische Kritik der geschichtlichen Existenz 136 • Autobiographische Richtlinien 137 • Der revolutionäre Bruch in der europäi schen Überlieferung 140 • Die nihilistische Revolte - Zarsthustra-Stimmung 141 • •Ecce homo« - Nietzsches autobiographisches Konversiomverbot 143 • Der Zwang zur Konversion 149 • Konversionen im herkömmlichen Sinn 151 • Heideggers existentialistische ~riante des Nihilismus 153 • Die wahren >Unzeitgemäßen< 158 • Untergangs-und Aufbruchstheoretiker 162 • Löwiths Komtruktion einer nihilistischen Tradition 165 • Reiseeindrücke aus katholi schen Landschaften 169 • Protestation - das Kennzeichen der deutschen Geistesgeschichte 171 • Abschied von Europa 173 • Konversion als Revision - Befreiung vom Radikalismus 175 • Historische Skepsis-Goethe und Burckhardt 176 • Resignation 178 • Die totalitären Folgen der Verstiegenheit des Denkens 179 • Kontemplation der Geschichte statt radikaler Kritik der Überlieferung -Jacob Burckhardt 180 • Burckhardts Hellenismus 190 • Die Aktualität des Hellenismus 196 • Rechtfertigung des Hellenismus 198 • Burckhardts autobiographisches VIII Inhaltsverzeichnis Vorbild-Nietzsches selbstbiographisches Gegenbild 201 * Philosophische Gleichgültigkeit 203 * Der Rußkampf des Konvertiten 204 * Die Geschichte -die ~lt der Adiaphora 209 * Skeptizismus und Moralistik 210 IV. Vom Geschichtsglauben zur Geschichtsverachtung - das zweifache Geschichtsbild in Gottfried Benns Autobiographie "Doppelleben" 213 Der Expressionismus Gottftied Benns und die »Revolution des Nihilismus« 214 * Die geteilte Autobiographie 220 * Die Synthese von Geist und Geschichte 221 * Kindheit undJ ugend 223 * Erinnerung an die Epoche des Nihilismus 225 * Das positive Geschichtsbild 227 * Der Dichter-Avantgardist 231 * Die europäische Decadence -~gbereiter der neuen Zeit 232 * Der Selbstbiograph - der letzte Individualist 238 * Die Antithese von Geist und Geschichte - Rechtfertigungsschrift des Angeklagten 242 * Anklage und Verteidigungsplädoyer 244 * Die Indizien 248 * Das Unbehagen an der Geschichte 251 * Entlastungszeugen 252 * Von der Avantgarde zur Alten Garde - die •aristokratische Form der Emigration« 255 * Apokaryptische Bilder 257 * Die Geschichte - das Reich der totalen Lüge 258 * Doppelprophetie 261 * Geschichtsverachtung 263 * Rückkehr zur absoluten Kunst 264 * Der Avantgardist in Zeiten der Geschichtsverachtung 268 * Knut Hamsun - Leidensgenosse und avantgardistischer Vor gänger 269 * Der Staub des 19. Jahrhunderts 271 * Summe des Lebens 272 * Autobiogra phen-Melancholie und Kunstreligion 279 V. Bekehrung zur christlichen Geschichtsdeutung - Alfred Döblins »Schicksalsreise« 281 Der Reisebericht als Bekennmisschrift 282 * Der spirituelle Charakter der Reise 284 * Außere Form und Gliederung des Reiseberichts 286 * Moderner Realismus 287 * Die »Schicksalsrei se« in der autobiographischen Tradition 291 * Die intellektuelle Vorgeschichte der Konversion - Döblin als Anwalt des idealistischen Wahrheitsbegriffi 292 * Zwischen Rationalismus und Spi ritualismus 295 * Döblin und sein •3focher Kollege« Gottftied Benn 296 * Das Doppelleben des Schriftsteller-Arztes Döblin 297 * Neue Religionen: Kunst und gottlose Mystik 302 * Eklek tizismus und Synkretismus 305 * Die Perspektive des Autobiographen -die augustinische Tra dition des literarischen Konversionsberichts 314 * Exkurs: Der augustinische Intus-foris-Gegen satz und das Motiv der >tranquillitas animi< 317 * Das selbstreflexive Ideal der Affiktlosigkeit 321 * Die Seefahrts-und Schiffbruchsmetapher 323 * Alfred Döblins •Robinsonade« 324 * Die hypotaktische Gliederung von Innen-und Außenwelt 326 * Der Schiffbruch als Purgatori um 329 * Die selbstbiographische Zerknirschungspraxis 331 * Gemütskrankheit und Seelen therapie-der augustinische Lasterkatalog und seine Aktualisierung in Döblins Reisebericht 332 * Die apokalyptisch gesteigerte Auftnerksamkeit 337 * Die Gesellschafts-und Geschichtskritik des Bekehrten 340 * Reflexionslosigkeit - das Grundübel in persönlicher und allgemeiner Ge schichte 345 * Das versäumte Strajgmcht in Deutschland 348 * Die autobiographische Recht fertigung des katholischen Heimkehrers 350 * Religiöse Selbstreflexion und Mystik 356 * Die selbstreflexive Einübung in den Tod 358 * Der Zusammenhang zwischen Geschichtsdeutung und Todes-bzw. Selbstreflexion 359 Nachwort 366 Literaturverzeichnis 370 Einleitung »0 J..L~ oa.pd~ ävßpomo~ ou 1tO.t0EUE'ta.t.<< (Der nicht geschundene Mensch wird nicht erzogen.)1 So lautet das Motto, das Goethe 1811 an den Anfang seiner Autobiographie stellt. In dem Zitat des griechischen Dichters scheint der Autobiograph die folgende Erziehungsgeschichte als eine Leidensgeschichte anzukündigen. Dieser Erwartung entspricht indes sen die Lektüre der Lebensbeschreibung keineswegs, so daß >>Dichtung und Wahrheit<< aus gutem Grund als selbstbiographisches Musterbeispiel einer harmonisch verlaufenden individuellen Entwicklungsgeschichte an gesehen werden konnte. Warum also wird geschunden, welcher Art ist die Erziehung, die sol chermaßen vonstatten geht? Näheren Aufschluß über die fragwürdige Gleichsetzung von Erziehung und Leiden gibt eine Definition der biographischen Tätigkeit, die Goe the, ebenfalls in der Vorrede zu seiner Autobiographie, formuliert: Die » Hauptaufgabe der Biographie<<, so heißt es dort, dient der Auflösung ei nes Paradoxons: >>Hiezu wird aber ein kaum Erreichbares gefordert, daß nämlich das Individu um sich und sein Jahrhundert kenne, sich, inwiefern es unter allen Umstän den dasselbe geblieben, das Jahrhundert, als welches sowohl den Willigen als Unwilligen mit sich fortreißt, bestimmt und bildet, dergestalt, daß man wohl sagen kann, ein jeder, nur zehn Jahre früher oder später geboren, dürfte, was seine eigene Bildung und die Wirkung nach außen betrifft, ein ganz anderer geworden sein.<<2 Johann Wolfgang v. Goethe: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Hambur ger Ausgabe. Bd. 9. 1988, S. 7. Das Menander-Zitat hatte Goethe bereits am 30. April1809 in sein Tagebuch eingetragen. An dieser Stelle steht es unter einem weite ev ren Zitat von Euripides: »OO~ crocpov ßoul.eu~a ta~ 1tol.l.a~ xeipa~ vncät.• (Wie ein weiser Willensschluß die vielen Hände besiegt.) Vgl. Weimarer Ausgabe. Ill. Abtheilung. 4. Band, S. 24 f. Das Tertium comparationis der beiden Sprüche ist die Vorstellung vom Gegensatz zwischen dem einzelnen und seiner Umgebung. Bei Menander wird der Konflikt unter dem Aspekt der Erziehung interpretierend aufge löst, bei Euripides setzt sich das Individuum aus autonomer Kraft und Weisheit ge gen die störende Außenwelt durch. Die Kombination der beiden Zitate legt indessen die Schlußfolgerung nahe, daß Goethe gerade Menanders versöhnende Interpretati on des ursprünglich leidvollen Gegensatzes als »weisen Willensschluß• interpretiert. 2 Hamburger Ausgabe. Bd. 9, S. 9. 2 Einleitung Um das den Selbstbiographen aller Zeiten bekannte Paradoxon vom Sein - ein und desselben-und dem Werden - eben des gleichen - aufzulösen, macht Goethe einen Gedankenschritt, der die Geschichte in die Darstel lung von Identität und Bildung des Individuums miteinbezieht. Der ein zelne kommt zu sich selbst in der Bildung und Bestimmung durch die wechselnden Umstände der Zeiten, so die dialektische Lösung des Pro blems. Hatte ein imaginärer Briefpartner die Identität des Dichters nach der Lektüre dessen gesammelter Werke schlechterdings in Frage gestellt-»ja oft sollte man kaum glauben, daß sie von demselben Schriftsteller ent sprungen seien<<3 -, so leitet der Autobiograph aus solchen Zweifeln das Hauptmotiv für seine Lebensbeschreibung ab und sucht in der Deutung der Geschichte die »kaum erreichbare<< Erklärung des rätselhaften Befun des: Die vermeintliche Disparatheit der Werke verdanke sich den wech selnden Zeitverhältnissen. Durch ihren Einfluß sei der Autor ein ganz an derer und doch zugleich er selbst geworden. Dieser offenkundig dialekti sche Prozeß der Selbstfindung werde in den gesammelten Schriften des Dichters >>abgespiegelt<<. 4 Das Jahrhundert >>bestimmt und bildet<<, und zwar insofern durch Lei den, als es auf den Willen des einzelnen - in Hinsicht auf die Geschichte des Allgemeinen und des Ganzen ist es der >>Unwillige<<-keine Rücksicht nimmt, sondern das Individuum >fortreißt<. Am Ende des zwanzigsten Buches von >>Dichtung und Wahrheit<< kehrt 1830, fast zwanzig Jahre nach dem Erscheinen der ersten fünf Bücher, also wiederum höchst auffällig und prominent plaziert, der bemerkens werte Gedanke vom mitgerissenen einzelnen wieder. Das Schlußbild evo ziert den Helden der Lebensgeschichte während einer stürmischen Wa genfahrt, auf deren Weg und Ziel er keinen Einfluß hat: >>Wohin es geht, wer weiß es? Erinnert er sich doch kaum, woher er kam<<5- so ruft er sich selbst zu. Auch dies darf als Illustration des Jahrhunderts, >>welches sowohl den Willigen als Unwilligen mit sich fortreißt«, gelesen werden. >>Kaum Er reichbares<< scheint nun der Autobiograph in der Tat von sich verlangt zu haben, wollte er doch das Individuum >>kennen<< und darstellen, >>inwie fern es unter allen Umständen dasselbe geblieben<<, da ihm von den Zeit verhältnissen so heftig und auf so rätselhafte->dämonische<-Weise mit gespielt wird. Unter solchen Umständen vermag der Autobiograph Ich 3 Ebd., S. 7. 4 Ebd., S. 9. 5 Ebd. Bd. lO,S. 187.

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