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Auschwitz. Ein Tatsachenbericht. PDF

176 Pages·1956·41.152 MB·German
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Lucie Adelsberger AUSCHWITZ Ein Tatsachenbericht Das Vermächtnis der Opfer für uns Juden und für alle Menschen - LETTNER-VERLAG - BERLIN \ 1<- Ausgegeben im Herbst 1956 Alle Rechte vorbehalten Um schlaggestal tung : Paquita Kowalski Tannert Satz: Vati-Typer (Lettner-Verlag) Dtuck : Duplikator- Druck, Berlin VORWORT Die Geschichte derer von Auschwitz wird hier berichtet, nicht um Sensation zu erregen, son- dern um sie als ein Vermächtnis für uns Juden und für alle Menschen weiterzugeben. Nur wenn wir, die wir uns Gottes Geschöpfe nennen, da- raus lernen, bessere Menschen zu werden, un- seren Nächsten wahrhaft zu lieben und dafür zu wirken, daß die Greuel von der Erde verschwin- den, kann dieses Buch seinen Z weck erfüllen. L ucie Adelsberger 5 • In der Mausefalle Den Anfang bilden nur ein paar sogenannte "Kleinigkeiten", die aber so schwer wiegen, daß sie nicht unterschlagen werden dürfen. Nummer 1: Im Juli 1938 wurde eine kurze Ver- fügung von der Gestapo herausgebracht, so unscheinbar, daß sie in dem Wust von gewich- tigen vitalen Verordnungen kaum spürbar schien. Sie besagte: Juden ist das Sitzen an öffentlichen Plätzen nur auf den für sie reser- vierten Bänken erlaubt. Auf allen anderen Bänken is t Juden das Sitzen verboten. Ein solches Verbot schien trotz der wenigen "Ju- denbänke" beinahe lächerlich für Menschen, die den Kopf voll ernsthafter Sorgen hatten, die etwa aus dem geschäftlichen und berufli- chen Leben vollkommen eliminiert und von übereifrigen Nazi-gefügigen Hauswirten von einem Tag zum anderen aus ihren Wohnungen auf die Straße gesetzt wurden, um nur zwei Beispiele herauszugreifen. Und dennoch war diese Verordnung einschneidend genug. Denn unter den Juden, die noch in Deutschland ver- blieben waren, gab es viele alte Leute, die in einem anderen Land nicht mehr aufzubauen vermochten, und die die Jugend bei ihrem Start zu einer neuen Existenz nicht gleich mit ins Rennen bringen konnte. Diese Altchen hat- 9 • te man zurückgelassen, in kleinen Wohnungen, in Pensionen, in Hinterstübchen, mit dem ewi- gen Einerlei derer, die körperlich gehemmt sind und ohne Initiative gelangweilt durch den Tagschlendern,sodaß die Eintönigkeitschwer auf ihnen lastet. Das Stündchen auf der Bank im Park, wo die Kinder spielten, die Vögel sangen und farbige Blumen das Auge labten, war das Ereignis des Tages für diese Men- schen, die nicht mehr die Kraft hatten, eine Stunde durch die Straße zu wandern. Auch die- se Freude war gestrichen, denn man mißgönn- te den Juden die Luft zum Atmen. Nummer 2 spielte in der Kurfürstenstraße in Berlin fast ein Jahr später im Juni 1939. Dort thronte in einem früheren Logenhaus die Ge- stapo und stellte die Papiere aus, die für Paß und Auswanderung unerläßlich waren. Im gro- ßen und ganzen bot sich das Bild einer stark umlagerten Behörde, wo Hau'fen von Menschen stundenlang auf ihre Abfertigung warteten, nur daß diese Massen durchsetzt waren mit alten gebrechlichen Leuten und daß nirgends ein Stuhl oder eine Ruhegelegenheit für sie ver- fügbar war. Ich war mit meiner alten Mutter da, die ein Vorvisum für, sagen wir, Honolulu hat- t.e. Nach vierstündigem Warten gelangten wir in den geräumigen Saal, wo die verschiedenen Ämwr der Gestapo, der Heihe naoh an Tischen 10 postiert, ihre gewichtigen Funktionen erledig- ten und automatisch und zugleich autorativ ihre Unterschriften unter die Ausweispapiere setzten. Wie wir so in der Menschenmenge eingekeilt von einem Tisch zum anderen weitergeschoben wurden und die meisten miß- mutig dreinschauten, lächelte meine Mutter, diese gütige Frau, einem Beamten, der sie ab- fertigte, freundlich zu. Der schaute sie wütend an und brüllte los: "Sie wagen noch zu lächeln. Das Lachen wird Ihnen vergehen. Dafür wer- den wir sorgen." Da wußte ich, daß diese Men- schen für Güte und Menschlichkeit unzugäng- lich waren. Nummer 3 ereignete sich 8 Tage später beim Konsul in Honolulu. (Eigentlich sollte dieser ordentliche Staat nicht zu einer Pseudonymi- sierung mißbraucht werden.) Es ging um das Visum meiner Mutter. Monatelang hatte ich um dieses Visum gekämpft, gebangt, gezittert, da- mit sie aus Deutschland auswandern könne. Ich hatte mir die Finger dafür wundgeschrie- ben. Am Tage war ich von einer Behörde zur anderen gerannt und hatte sie bestürmt, nachts raste ich, weil ich nicht schlafen konnte, durch die Straßen und zählte die Pflasterstei- ne im Mondlicht, bereit, jeden einzelnen mit den bloßen Nägeln auszugraben, his mir die Finger abfallen würden, wenn ich dafür das 11 • Visum erkaufen könnte. Und endlich waren Paß und Vorvisum in meinen Händen. M.it ge- schwellter Brust und dem Vollgefühl dessen, der es geschafft hat, eilte ich zu dem Konsul und raste die Treppe hinauf. Nach einer halben Stunde, wieder auf der Treppe, begriff ich den Ausdruck, daß einem die Knie zittern und die Beine versagen. Es hatte nicht geklappt; der Konsul hatte das Visum verweigert. Eine Klei- nigkeit, eine nebensächliche Klausel, die den Vorschriften nicht genügte, war die Ursache. Als Einzelfall wäre es ganz uninteressant und nur für uns von Bedeutung gewesen. Aber es istein Beispiel, eines von den vielen. Tausen- de haben gehofft, gezittert, gebebt, gewartet, sich auf den gestellt und um alle Kreise gedreht und blieben mit leeren Händen, weil - auch das mußte man zulernen - die Welt drau- ßen nicht helfen wollte. Wohn uhgsnot Frau X, Leiterin der Jüdischen Wohnungs bera- tungsstelle in Berlin, war im August 1941 zur Gestapo beordert worden. Die Fama sagt, daß sie sehr bleich und mitgenommen zurückgekehrt sei. Skeptiker lächelten darüber: Wieder einmal ein Gerücht und ein ßewE:is, wie schnell sich 12

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