Aus der Abteilung Allgemeine Neurochirurgie der Neurochirurgischen Universitätsklinik Freiburg im Breisgau Ärztlicher Direktor: Professor Dr. med. J. Zentner Darstellung morphologischer Veränderungen der weißen Substanz bei fokalen kortikalen Dysplasien mittels Diffusions- Tensor-Bildgebung INAUGURAL-DISSERTATION zur Erlangung des Medizinischen Doktorgrades der Medizinischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau 2007 von: Greta Anaïs Kohsow geboren in: Herdecke Dekan: Prof. Dr. med. Peters 1. Gutachter: Prof. Dr. med. Schulze-Bonhage 2. Gutachter: Prof. Dr. Hennig Jahr der Promotion: 2008 Für M.M.P.M.T.-K. in Dankbarkeit und Liebe 1 INHALTSVERZEICHNIS 1. EINLEITUNG ................................................................................................. 3 2. EINFÜHRUNG IN DIE FRAGESTELLUNG DER UNTERSUCHUNG . 6 2.1. KORTEXENTWICKLUNG .............................................................................. 6 2.2. PATHOGENESE UND KLINIK FOKALER KORTIKALER DYSPLASIEN 8 2.3. PROBLEME IN DER DIAGNOSTIK FOKALER KORTIKALER DYSPLASIEN ................................................................................................ 10 2.4. EPILEPSIECHIRURGIE BEI FCD UND DEREN PROGNOSE .................... 11 2.5. GRUNDLAGEN DER DIFFUSINSBILDGBEBUNG .................................... 12 2.6. EINSATZ VON DIFFUSION TENSOR IMAGING (DTI) ............................. 12 2.7. ZIELE DER UNTERSUCHUNG ..................................................................... 15 3. PATIENTEN UND METHODIK ................................................................ 17 3.1. PATIENTENKOLLEKTIV ............................................................................. 17 3.2. BASISDIAGNOSTIK: EEG, ANFALLSSEMIOLOGIE, STANDARD-MRT ......................................................................................................................... 18 3.3. ZUSATZDIAGNOSTIK: FMRT, WADA-TEST, PET, SPECT ...................... 20 3.4. POST-PROCESSING ...................................................................................... 22 3.5. CASE-REPORT ZWEIER PATIENTEN ........................................................ 24 3.5.1. Case-Report männlich, FCD temporal ........................................................ 24 3.5.2. Case-Report männlich, FCD frontal ............................................................ 31 3.6. DTI UND FIBERTRACKING ......................................................................... 36 3.6.1. Eigenwerte 1-3 ............................................................................................. 37 3.6.2. Apparenter Diffusionskoeffizient (ADC) ...................................................... 38 3.7. DTI UND FIBERVIEWER-TOOL .................................................................. 38 3.8. MRT-MESSPROTOKOLL .............................................................................. 39 3.9. DATENANALYSE .......................................................................................... 41 3.9.1. Statistical Parametric Mapping (SPM) ........................................................ 42 3.9.2. Region Of Interest (ROI) .............................................................................. 42 3.9.3. Masken-Segmentierung ................................................................................ 43 3.10. ARBEITSSCHRITTE IN BILDERN ............................................................... 45 3.11. STATISTIK ...................................................................................................... 48 2 4. UNTERSUCHUNGSERGEBNISSE ........................................................... 50 4.1. POSTOPERATIVES OUTCOME UND HISTOLOGIE DER LÄSIONEN.... 50 4.2. FRAKTIONALE ANISOTROPIE (FA) .......................................................... 53 4.3. DIFFUSION (TRACE) .................................................................................... 54 4.4. EIGENWERTE (Λ 1, 2 UND 3) & APPARENTER DIFFUSIONSKOEFFIZIENT (TRACE ADC) .............................................. 56 4.5. GLOBALE ÜBERGANGSZONE ................................................................... 58 4.6 FRONTAL VS. TEMPORAL & IM MRT SUSPEKT VS. KRYPTOGEN ..... 60 5. DISKUSSION ................................................................................................ 63 6. ZUSAMMENFASSUNG .............................................................................. 70 7. LITERATUR ................................................................................................. 71 ANHANG ......................................................................................................................... 82 A1. AUSWERTUNGSERGEBNISSE TABELLARISCH ............................... 82 A2. AUFKLÄRUNGSBÖGEN UND EINVERSTÄNDNISERKLÄRUNG ZUR STUDIE ................................................................................................. 84 A.3 VERZEICHNIS DER TABELLEN ............................................................. 87 A4. VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN ..................................................... 88 A5. VERZEICHNIS DER DIAGRAMME ........................................................ 88 A6. VERZEICHNIS DER ABKÜRZUNGEN ................................................... 89 DANKSAGUNG EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG LEBENSLAUF 3 1. EINLEITUNG Eine wichtige Methode in der Magnetresonanztomographie (MRT) ist die Diffusions- Bildgebung, die in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen hat. Diese Technik macht sich die Tatsache zunutze, dass die freie Diffusion (lat.: diffundere = ausgießen, verstreuen, ausbreiten) von Wassermolekülen im biologischen Gewebe durch Makromoleküle, Zellmembranen, Zellorganellen und andere zelluläre Strukturen beeinträchtigt wird. Die Diffusion ist somit abhängig von der Gewebestruktur. Der Diffusionskoeffizient von Wasser kann sich ändern und ist gewebespezifisch. Eine neuere Methode diffusionsgewichteter Bildgebung ist die Diffusionstensor-Bildgebung (DTI), mit der die Richtung des Diffusionsprozesses (Anisotropie) bestimmt werden kann. In faserigem Gewebe (z.B. weiße Hirnsubstanz, Muskeln) ist Diffusion auf Grund bestimmter Zell- und Gewebeeigenschaften gerichtet (anisotrop). DTI liefert dabei Informationen über die Richtung des strukturellen Faserverlaufs, mit denen man Rückschlüsse auf die Anatomie und die Mikrostruktur dieser Gewebe machen kann. Mit geeigneten Tracking- Algorithmen kann zusätzlich deren Faserverlauf konstruiert werden (Fiber Tracking). Von besonderem Interesse ist dabei die weiße Hirnsubstanz, da mit einer nicht-invasiven Methode Aussagen über Hirnanatomie und neuronalen Faserverlauf gemacht werden können. Diese Informationen können von großer Bedeutung vor operativen Eingriffen am Gehirn sein. Daher ist eine hohe Genauigkeit dieser Methode zwingend notwendig. In der folgenden Untersuchung soll es um die Weiterentwicklung und Optimierung von DTI in Bezug auf fokale kortikale Dysplasien gehen. Fokale kortikale Dysplasien (FCD) wurden im Jahr 1971 erstmals beschrieben und sind eine der häufigsten Ursachen medikamentenrefraktärer Epilepsien im Kinder- und Erwachsenenalter [108] [100]. Es handelt sich dabei um umschriebene Architekturstörungen der Großhirnrinde, und man erkennt innerhalb dieser Läsionen im Mikroskop abnorm aufgebaute Nervenzellen ohne anatomische Orientierung oder Schichtenzuordnung. Fokale kortikale Dysplasien stellen auf Grund ihrer hohen Epileptogenizität und fehlenden pharmakologischen Kontrollierbarkeit häufig eine Indikation für eine epilepsiechirurgische Behandlung dar; diese wird wesentlich erleichtert, wenn sich eine Läsion diagnostisch genau lokalisieren lässt. Häufig sind FCD mit konventioneller MR-Bildgebung nur unzureichend oder nicht vollständig darzustellen. Deswegen stellt die Weiterentwicklung und Erforschung so viel versprechender und neuer 4 Techniken wie Diffusions-Tensor-Bildgebung eine dringend erforderliche Notwendigkeit dar, um die oft jungen Patienten einer operativen Therapie zuführen zu können. Obwohl in den letzten Jahren einige Untersuchungen zu Diffusivitätsänderungen bei Fehlentwicklungen der kortikalen Entwicklung durchgeführt wurden, ist derzeit nicht geklärt, welche Parameter Abweichungen von der Norm darstellen und wie sensitiv diese auch bei umschriebenen kortikalen Fehlanlagen oder sog. non-läsionellen Patienten sind, deren konventionelles MRT ohne Besonderheiten erscheint. Eriksson et al. finden eine verringerte fraktionale Anisotropie in einem Großteil ihres Patientenkollektives aus 22 Personen mit Malformation of Cortical Development (MCD), jedoch hatte die Mehrheit ihrer Patienten ausgedehnte Läsionen, zudem wurden keine histopathologischen Korrelate zu den mittels DTI dargestellten Auffälligkeiten untersucht [28]. Dumas de la Roque et al. gehen nicht explizit auf die Tatsache ein, ob deren sechs untersuchte Patienten mit kortikalen Dysgenesien auch Pathologien der weißen Substanz aufwiesen, jedenfalls zeigte der herausgestellte Fallbericht typische MRT-Befunde mit Signalanhebung im subkortikalen Bereich [26]. Wieshmann et al. und Gross et al. berichten von jeweils drei Patienten mit fokalen kortikalen Dysplasien bei denen sie eine Reduktion der fraktionalen Anisotropie dokumentieren konnten- alle zeigten jedoch auch subkortikale Signalveränderungen im T2-gewichteten MRT [121] [40]. Die bis jetzt größte Studie zu Diffusions-Tensor-Imaging bei fokalen kortikalen Dysplasien von Lee et al. schließt 12 Patienten ein, von denen fünf sich hyperintens-darstellende Veränderungen der weißen Substanz im T2-MRT aufwiesen, sieben Patienten galten als kryptogen. Die Autoren berichten von einer insgesamt signifikant reduzierten fraktionalen Anisotropie, wobei unklar und unkommentiert bleibt, ob diese in beiden Patientengruppen –solchen mit und ohne verdächtigen MRT-Befund- auffiel [60]. Ziel dieser Studie ist es- 1.) Veränderungen in der Diffusions-Tensor-Bildgebung im an den Kortex angrenzendem Marklager zu charakterisieren und 2.) deren Ausprägung und Sensitivität für die Entdeckung ggf. auch kryptogener kortikaler Dysplasien zu verbessern. Als Parameter hierfür werden Diffusivität und Anisotropie [92] untersucht bei Patienten, die sich zu einem epilepsiechirurgischen Eingriff entschieden haben. Resultate der Diffusions-Tensor-Bildgebung werden sodann mit den histopathologischen Operationsbefunden verglichen. Mit Hilfe neuer Akquisitionssequenzen wird der Kontrast der Diffusion hervorgehoben und Dichte-Maps von der Diffusions-Konstante, der Anisotropie-Konstante sowie der Richtung der Nervenfasern erstellt und untersucht. Für die 5 DTI-Auswertung wurde in der Sektion Bildgebende und Funktionelle Medizin Physik (Leiter: Prof. Hennig) gesondert entwickelte Software eingesetzt. Abbildung 1: Intensives FLAIR-Signal einer Transmantel-Dysplasie, einem Erscheinungsbild der FCD, das sich im MRT als eine signalveränderte Verbindung vom Ventrikel zum Kortex darstellt. 6 2. EINFÜHRUNG IN DIE FRAGESTELLUNG DER UNTERSUCHUNG Zur Einführung der Fragestellung der vorliegenden Arbeit wird zunächst die embryonale Entwicklung des Kortex geschildert. Kommt es in ihr zu Störungen, so können als Folge Migrationsstörungen und als Sonderform fokale kortikale Dysplasien (FCD) hieraus resultieren. Darauf aufbauend wird auf die Pathologie und Klinik fokaler kortikaler Dysplasien eingegangen, unter besonderer Berücksichtigung der Schwierigkeiten, die sich bei der Diagnostik dieser heterogenen Störung der kortikalen Entwicklung ergeben. Es wird gleichzeitig aufgezeigt, wie wichtig die Darstellung und Lokalisation der fokalen kortikalen Dysplasien für die Patienten ist, denen auf Grund der Medikamentenresistenz ihrer Epilepsien nur eine Operation als Behandlungsoption zur Verfügung steht. Hieraus ergibt sich die Wichtigkeit neuer Techniken, welche die bildgebende Diagnostik auf diesem Gebiet ergänzen und weiterentwickeln. Diffusions-Tensor-Bildgebung (DTI) ist eine viel versprechende Methode die in dieser Studie untersucht wird und die einleitend in einem kurzen historischen Rückblick vorgestellt wird. Am Ende der Einführung in die Fragestellung der Untersuchung steht das Ziel, das mit der Studie verfolgt wurde, und die Motivation, die sie antrieb. Für die Termini „fokale kortikale Dysplasie“ und „diffusion tensor imaging“ werden im Folgenden die internationalen Abkürzungen FCD und DTI verwendet. 2.1. KORTEXENTWICKLUNG Das ZNS wird zu Beginn der dritten Woche post conceptionem als längliche Platte aus verdicktem Ektoderm angelegt. Aus dieser sog. Neuralplatte entwickelt sich das Neuralrohr, aus dem kranialen Anteil das Gehirn, aus dem kaudalen das Rückenmark. Es entsehen drei primäre Hirnbläschen: Rhombencephalon, Mesencephalon und Proencephalon; letzteres gliedert sich wenig später in Diencephalon und die beiden Bläschen des Telencephalon auf. In den Telencephalonbläschen besteht zunächst eine Schicht undifferenzierter Neuroepithelzellen, die als ventrikuläre Zone oder Germinalmatrix bezeichnet wird. Etwa von Beginn der fünften bis siebten Schwangerschaftswoche wandern erstmals postmitotische Zellen aus der ventrikulären Zone aus und bilden die erste erkennbare Kortexschicht, die sog. frühe Marginalzone. Durch einwachsende Axone aus dem 7 Diencephalon, aber auch aus anderen Hirnregionen, entsteht zwischen der ventrikulären und der Marginalzone eine intermediäre Zone. Aus der ventrikulären Zone wandern nun entlang radiär ausgerichteter Gliafasern weitere Neurone in die Marginalzone und bilden dort ab der sechsten bis siebten Schwangerschaftswoche die sog. kortikale Platte, welche die Marginalzone in einen äußeren Teil, die spätere Schicht 1 (Molekularschicht) und einen inneren Teil , die spätere Schicht 6, spaltet. Die Molekularschicht enthält eine im postnatalen Gehirn nicht mehr nachweisbare Population von Neuronen, die sog. Cajal-Retzius-Zellen. Diese frühe Nervenzellpopulation ist für die exakte Positionierung der in Wellen einwandernden Neurone von entscheidender Bedeutung, die Positionierung wird über das von den Cajal- Retzius-Zellen exprimierte Protein Reelin reguliert. Alle Neurone kommen in Kontakt mit diesen Zellen, bevor sie ihre finale Position einnehmen. Später eintreffende Neurone migrieren durch früher eintreffende Neurone hindurch, d.h. der schließlich sechsschichtige Neokortex wird von innen nach außen aufgebaut. Zusammenfassend kann man die Kortexentwicklung also in drei zeitlich aufeinander folgende, allerdings einander überlappende Phasen einteilen: • Phase der Proliferation (4.-10. Woche), in der innerhalb der ventrikulären Zone kortikale Vorläuferzellen gebildet werden. • Phase der Migration (7.-20. Woche), in der die Zellen entlang den radiären Gliafasern in den Kortex einwandern. • Phase der Organisation und Differenzierung (15. Woche bis 2. Jahr postnatal), in der die Zellen spezifische morphologische und funktionelle Eigenschaften ausbilden [110]. Abbildung 1 zeigt das histologische Bild eines normal aufgebauten Kortex neben einer architektonischen Dysplasie im Sinne einer Dyslamination oder einer FCD Typ I a nach Palmini und Lüders und einer sogenannten Taylor-Type-Dysplasia entsprechend einer Dysplasie vom Typ II b nach Lüders und Palmini mit Ballonzellen, die -wie auch in dieser relativ geringen Vergrößerung zu erkennen ist- um ein Vielfaches größer sind als Glia- oder Nervenzellen und teilweise bizarr geformt und häufig mehrkernig sind [78] [65].
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