AUGENKOMMUNIKATION LINGUISTIK AKTUELL (LA) LINGUISTIK AKTUELL ist ein Forum für Arbeiten zur Linguistik und Kommunikationswissenschaft mit interdisziplinärer Ausrichtung. Methodische Deutlichkeit und empirische Arbeitsweise solien dabei der Thematisierung linguistischer Randbereiche sowie der Entwicklung paradigmensprengender Ansätze nicht im Wege stehen. Reihenherausgeber: Prof. Dr. Werner Abraham Institut für deutsche Sprache und Literatur Rijksuniversiteit Groningen Grote Rozenstraat 15 9712 TG Groningen Niederlande * * * Band 2 Konrad Ehlich & Jochen Rehbein Augenkommunikation Methodenreflexion und Beispielanalyse AUGENKOMMUNIKATION Methodenreflexion und Beispielanalyse KONRAD EHLICH & JOCHEN REHBEIN AMSTERDAM/JOHN BENJAMINS B.V. 1982 ©Copyright 1982 - John Benjamins B.V. ISSN 0166 0829 / ISBN 90 272 2722 5 No part of this book may be reproduced in any form, by print, photoprint, microfilm or any other means, without written permission from the publisher. I N H A LT Seite 0. EINLEITUNG 1 0.1. Die Gewichtung der Sinne beim kommunikativen Handein 1 0.2. Zweck und Aufbau der Untersuchung 3 1. ZUR SYSTEMATIK DER NONVERBALEN KOMMUNIKATION 7 1.1. Komitative vs. selbständige nonverbale Kommunikation 7 1.2. Neutrale vs. eigenlinige nonverbale Kommunikation 8 1.3. Präsentative vs. ostentative nonverbale Kommunikation 9 1.4. Zusammenfassung 10 1.5. Konkordanz vs. Diskordanz von verbaler und nonverbaler Kommunikation 11 2. EINIGE GRUNDBEGRIFFE DER ANALYSE 15 2.1. Bewegungspotentiale und Ausdrucksrepertoires von Körperpartien 15 2.2. Zur bisherigen Analyse von Ausdrucksrepertoires 18 3. DAS BEWEGUNGSPOTENTIAL DES AUGES 21 3.1. Der Aufbau des Auges 21 3.2. Physiologie und Anatomie des Bewegungsapparates 23 3.3. Zum Zusammenhang von Motorik und Sensorik des Auges 27 3.3.1. Akkommodation 27 3.3.2. Augenfolgebewegungen und Saccaden 28 VI Inhalt Seite 3.3.3. Weitere Standardbewegungen (besonders Konvergenz) 29 3.4. Lidbewegungen 31 3.5. Die Einbettung von Augenbewegungen in begleitende Facialbewegungen 32 3.6. Augenbilder 32 4. ZUM SYSTEMATISCHEN STELLENWERT VON AUSDRUCKS- REPERTOIRES 43 5. ZUM AUSDRUCKSREPERTOIRE DES AUGES 48 5.1. "Visuelles Verhalten" 48 5.2. Kategorien des Blickens: Anblicken vs. Wegblicken 55 5.2.1. Interrelationen der Forschungskategorien 55 5.2.2. Zur Systematik von Anblicken und Wegblicken 57 5.2.3. Blicken im psychophysischen und kommunikative n Zweckbereich 62 5.2.4. Blicken und Bewegungspotential 64 5.3. Einige kommunikative Funktionen des Blickens 66 5.4. Blieken als Teilbereich des Ausdrucksrepertoires des Auges 70 5.5. Wegblicken 72 6. DELIBERATIVES WEGBLICKEN (EINE AUSDRUCKS- EINHEIT) 78 6.1. Beschreibung der Ausdruckseinheit 78 6.2. Dokumentation 80 6.2.1. Beschreibung der Versuchsanordnung 80 6.2.2. Versuchsperson 1 83 6.2.3. Versuchsperson 2 85 6.2.4. Versuchsperson 3 88 6.3. Analyse der Ausdruckseinheit 100 Inhalt VII Seite 6.4. Der sprachliche Zusammenhang der F älle von § 6.2. 103 6.5. Beobachtungen zum deliberativen Wegblicken in der Literatur 108 7. VERWENDUNGEN DES DELIBERATIVEN WEGBLICKENS AM BEISPIEL DER INSTITUTION SCHULE 114 7.1. Vorbemerkung 114 7.2. Dokumentation und Analyse des Beispiels (1) 115 7.3. Dokumentation und Analyse des Beispiels (2) 126 8. AUSBLICK 133 9. ANHANG: Erweiterte halbinterpretative Arbeits- transkriptionen (HIAT 2): Nonverbale Kommunikation 137 LITERATUR 143 VERZEICHNIS DER DIAGRAMME, TABELLEN UND ABBILDUNGEN Diagramm A Systematik "Nonverbale Kommunikation" 10 Diagramm Kombinatorik des Blicks 56 Diagramm C Erweiterte Kombinatorik des Blicks 59 Diagramm D Kombinatorik des Wegblickens 73 Diagramm E Erweiterte Kombinatorik des Wegblickens 75 Tabelle I "Visuelles Verhalten" nach von Cranach (1971) und von Cranach & Ellgring (1973) 49 Tabelle II Zeitlicher Verlauf der Ausdruckseinheit "deliberatives Wegblicken" bei Versuchs- person 3 96 Tabelle III Notation zur Wiedergabe visueller Phänomene in HIAT 2 140 VIII Inhalt Seite Abbildung 1 Die sichtbaren Teile des Auges (nach Schmidt u.a.) 22 Abbildung 2 Lage der äußeren Augenmuskeln (nach Schmidt u.a.) 24 Abbildung 3 Schematische Darstellung der Zugrichtun- gen .der Augenmuskeln (nach Hering, Schmidt u.a., Rein & Schneider) 25 Abbildung 4a-l Augenbilder 37 Abbildung 4m Extrem- und Zwischenstellung der Pupille 74 Abbildung 5 Anordnung der Aufnahmegeräte bei der Evozierung des "deliberativen Wegblicken s" 82 Abbildung 6 Deliberatives Wegblicken, Versuchsperson 1 84 Abbildung 7 Deliberatives Wegblicken, Versuchsperson 2 86 Abbildung 8a-d Deliberatives Wegblicken, Versuchsperson 3 88 Abbildung 9 Deliberatives Wegblicken des Lehrers im Unterricht, Beispiel (1) 118 Abbildung 10 Deliberatives Wegblicken des Lehrers im Unterricht, Beispiel (2) 128 Abschluß des Manuskripts Herbst 1979 Wir danken denen, die sich als Versuchspersonen, als Lehrer und als Schüler zu den AV-Aufnahmen bereit erklärt haben. Mario von Cranach (Bern) danken wir für kritische, Dieter Friedberg (Düsseldorf) für bibliographische Hinweise; außerdem danken wir dem Springer-Verlag (Heidelberg) und R.F. Schmidt (Kiel) für die freund- liche Erlaubnis zur Übernahme von drei Abbildungen, Der Schriftsatz wurde ausgeführt von M.L. Frank, Bochum, Wiemel- hauser Straße 243a. 0. EINLEITUNG 0.1. Die Gewichtung der Sinne beim kommunikativen Handeln Kommunikation "macht gemeinschaftlich ". Sie ist Geben und Neh men, läßt jemanden gebend teilnehmen, der empfangend tei lhat : Kom munikation ist ein Verhältnis, das schon in seinem Erscheinen transin dividuell ist. Die Wirklichkeit der Kommunikation als Teilhabe und Ver mittlung bedarf der Mittel. Kommunikation erscheint vor allem als verbale: als lautliche und davon abgeleitete Sprache (Schriftlichkeit). Lautliche Sprache wird artikulatorisch produziert, akustisch transportiert und auditiv wahrge nommen: Sie setzt die askustische Dimension der Wirklichkeit als Mittel für die Kommunikation ein. Die Menschheit als Gattung und der ein zelne Mensch verfügen über eine produktive (Artikulation) und eine rezeptive (Audition) Kapazität, die sich auf diese Dimension beziehen. Die auditive Kapazität ist eine Wahrnehmungs- bzw. sensorische Fähigkeit des Menschen. Sie steht unter den menschlichen Fähigkeiten, die zur Kommunikation verwendet werden, jedoch nicht allein, obwohl sie sich am deutlichsten geltend macht - so sehr, daß Kommunikations möglichkeiten mit anderen sensorischen und produktiven Fähigkeiten als bloße Rudimente erscheinen, als "versteckte geheime Dimension" der Kommunikation (Hall (1966)). Die Sensorik des Menschen umfaßt die Sinne Sehen, Hören, Schmecken, Riechen und Fühlen. Das Fühlen Vgl. lateinisch "communis": "gemeinsam", "gemeinschaftlich". 2 Ehlich & Rehbein bezieht sich sowohl auf die Außenwelt wie auf das innere des eigenen Körpers. Für das unmittelbare Geben und Nehmen der Kommunikation ist die innere Wahrnehmung nur indirekt relevant» Die Produktion kom munikativer Handlungen, die Umsetzung in die Materialität, geschieht über unterschiedliche Aspekte der Motorik, besonders der Lokomotorik (die Bewegungen des Körpers als ganze sowie die einzelner Körper teile) . Obwohl also die Wahrnehmung wie die Erzeugung von Akusti schem die kommunikativen Mittel dominieren, sind gleichwohl andere Fähigkeiten für spezifische Bereiche der Kommunikation gleichfalls wichtig. Sie sind, obwohl in der Linguistik lange kaum erkannt, für das Gelingen der Kommunikation zum Teil geradezu essentiell, Allerdings zeigt sich eine Gewichtung der einzelnen Sinne und der Aspekte der Wirklichkeit, auf die sie sich beziehen, für die kommuni kativen Zwecke. Sie ist von Möglichkeiten bestimmt, die in den einzel nen Dimensionen der Produktion, Vermittlung und Rezeption enthalten sind. Weder sind die menschlichen Sinne alle gleich reich entfaltet, noch auch sind alle Dimensionen gleich gut geeignet, um das Gelingen der Vermittlung zu gewährleisten. Die verschiedenen Sinne sind aus diesen Gründen auch nicht voll durcheinander ersetzbar. Die gustatorischen Fähigkeiten (Schmecken) sind zwar von erheb licher Bedeutung für die Nahrungsaufnahme, jedoch kaum kommunikativ eingesetzt. Die olfaktorischen Fähigkeiten (die Ausbildung des Geruchssinns) sind im Vergleich zu anderen Sinnen relativ wenig differenziert - ob wohl es hier erhebliche kulturspezifische Unterschiede zu geben scheint. Die taktilen Fähigkeiten sind zwar gut entwickelt, aber für die Kommunikation ergeben sich, abgesehen von recht elementaren Formen des Körperkontakts, kaum ausweitbare, trans situative Möglichkeiten.