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Aufgaben einer Akademie — heute: Jahresfeier am 17. Mai 2000 in Düsseldorf PDF

28 Pages·2000·0.761 MB·German
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~W FAlISC~ ~~~ :s ~ z i'ii ~ WISSEN HA~ Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften Geisteswissenschaften Vorträge· G 371 Herausgegeben von der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften CLEMENS ZINTZEN Aufgaben einer Akademie - heute Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH Jahresfeier am 17. Mai 2000 in Düsseldorf Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Ein Titeldatensatz für diese Publikation ist bei Der Deutschen Bibliothek erhältlich. Alle Rechte vorbehalten © Springer Fachmedien Wiesbaden 2000 Ursprüng1ich erschienen bei Westdeutscher Verlag GmbH, Wiesbaden, 2000 Der Westdeutsche Verlag ist ein Unternehmen der Fachverlagsgruppe BerteismannSpringer. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbe sondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem Papier. Herstellung: Westdeutscher Verlag ISBN 978-3-663-00035-8 ISBN 978-3-663-00184-3 (eBook) DOI 10.1007/978-3-663-00184-3 Solche Sozietät "müsste nicht auf blosse Curiosität oder Wissensbegierde und unfruchtbare Experimenta gerichtet sein oder bei der blossen Erfindung nütz licher Dinge ohne Applikation und Anbringung beruhen, wie etwa zu Paris, London und Florenz geschehen ... sondern man muss gleich anfangs das Werk samt der Wissenschaft auf den Nutzen richten. Sonst wird die Regierung ihre Hand zurückziehen ... denn reale Ministri werden unnützer Curiositäten bald überdrüssig und rathen keinem grossen Fürsten viel Staat davon zu machen. ''1 Diese Sätze wurden niedergeschrieben zu einer Zeit, als die Reise von Berlin nach Paris mit der Postkutsche etwas über acht Tage dauerte; sie schei nen auch noch heute angemessen, wo dieselbe Strecke mit dem Flugzeug in gut anderthalb Stunden bewältigt wird. Leibniz hat in mehreren Denkschriften, die alle im März des Jahres 1700 niedergeschrieben wurden und an verschiedene hochgestellte Persönlich keiten, u. a. an den Kurfürsten von Brandenburg, gerichtet waren, die Absicht bekundet, eine Societas scientiarum et artium einzurichten. Ich kann mir vorstellen, dass viele Persönlichkeiten unseres öffentlichen Lebens eine solche Absichtserklärung und Zielsetzung auch als Aufgabe einer heutigen Akademie für angemessen halten: Wissenschaft auf den Nutzen richten, und die Dinge zu fördern, von denen das Gemeinwesen eine Förde rung erfährt. Wenn man über die Aufgaben, die sich einer Akademie in unseren Tagen stellen, nachsinnt, dann reicht freilich diese Eingrenzung des sonst vielberufe nen Gründervaters der Akademien in Deutschland nicht aus. Leibniz, der ja zu dieser Zeit schon Mitglied der Akademien in London und Paris war, hat bewusst bei der Gründung der Preußischen Akademie auf die Naturwissen schaften und solche Wissenschaften gesetzt, denen eine prompte Anwendung I Leibniz in seiner Denkschrift "in Bezug auf die Einrichtung einer Societas Scientiarum et Artium in Berlin vom 26. März 1700", s. Adolf v. Harnack, Geschichte der Königlich Preus sischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 1900 [im folgenden HarnackJ, Bd. I S. 81. 6 Clemens Zintzen folgen konnte. Es war nicht so, dass er den Wert und die Bedeutung der artes nicht gekannt und geschätzt hätte; sein Verhalten war rein taktisch ausgelegt. Er beabsichtigte auf diese Weise, den finanziellen Unterhalt dieser neuen Sozietät rascher zu gewinnen, indem er dem Kurfürsten und den verantwort lichen Instanzen klarmachte, welche Vorteile der Staat aus anwendbaren For schungen der Gelehrten ziehen könne. Daher ließ er auch die Philosophie, der er ja persönlich innovativ und erfolgreich verbunden war, am Anfang ganz beiseite, weil er fürchtete, eine philosophische Klasse würde sich (wie er es ausdrückte) "in unfruchtbaren Spekulationen verlieren"2. Es war Kurfürst Friedrich III., der am 11. Juli 1700 in einer Generalinstruktion für die Preu ßische Akademie die geisteswissenschaftlichen Aspekte zum Tragen brachte, indem er der jetzt zu gründenden Akademie als Forschungsgegenstände die Pflege der deutschen Sprache, die in ihrer "natürlichen und anständigen Reinigkeit erhalten bleiben solle", und das wichtige Werk der Historien anver traute. Die Akademie sollte insgesamt ein wachsames "Aufsehen" haben ad culturam et augmenta scientiarum. Trotz dieser Einseitigkeit, die bei der Konzeption der ersten Akademie auf deutschem Boden von Leibniz beabsichtigt war, ist damals in Berlin im deut schen Sprachraum der Urtypus einer Akademie gegründet worden, der in Ziel setzung und Organisation allen heute bestehenden deutschen Akademien bis lang zugrunde liegt: Die generelle Ausrichtung auf aktive Forschung, die Ver antwortung vor dem Gemeinwesen, und im äußeren sogar die Organisation in Klassen der Geistes- und Naturwissenschaften stammen aus dieser Zeit. Von Beginn an hat die Verbindung der beiden großen Bereiche von Geistes und Naturwissenschaften im Mittelpunkt des Interesses gestanden, und ein verpflichtender Grundgedanke ist für die Akademien immer gewesen, die Auf splitterung der Wissenschaften zu überbrücken. Wenn wir uns nun darauf besinnen, was denn heute die Aufgabe einer Aka demie sein kann, scheint es mir angebracht, folgende Gesichtspunkte zu betrachten: - Zunächst sollen einige historische Akzente herausgehoben werden, die die Entwicklung der Akademien beleuchten: Akademien sind sehr traditions bewusste Institutionen; ihr heutiger Stand erklärt sich in vielen Teilen aus der geschichtlichen Entwicklung. 2 Harnack S. 99,1. Aufgaben einer Akademie - heute 7 - Zweitens wird von den charakteristischen Eigenarten der Akademie forschung die Rede sein; auch von den Aufgaben, die sich nach den Möglich keiten und der Kompetenz der Akademien gerade aus der heutigen Situation in einer sich rasch verändernden Welt ergeben. - Drittens ist zu fragen nach den Postulaten, die die Akademien an sich selbst und an die Öffentlichkeit zu stellen haben. I. Zur geschichtlichen Entwicklung: Akademien und wissenschaftliche Gesellschaften haben sich immer dann entwickelt, wenn abseits vom normalen und eingefahrenen Universitätsbetrieb "kuriose" Leute in Gedankenaustausch treten wollten. Die älteste noch heute bestehende Akademie auf deutschem Boden, die 1652 gegründete Leopoldina, nannte sich Academia naturae curio sorum. Diese Bewegung hatte ihren Ausgang von Italien genommen, wo im 14. Jahrhundert solche Gesprächskreise gebildeter Laien und wissenschaftlich Interessierter (wir würden heute sagen Professoren!) sich zusammenfanden. Sehr häufig standen diese Zirkel schon früh unter der Protektion der Landes fürsten. Ich erinnere als Beispiel an die von Cosimo de' Medici angeregte und schließlich mit Hilfe von Ficino 1462 in Florenz begründete Academia Plato nica. Die Universitätsgelehrten trugen diese Kreise, und sie waren froh, in sol chen Zirkeln eine Möglichkeit zu finden, ihre Thesen zu entwickeln und die Forschungen vorzustellen. Thematisch kristallisierten sich rasch zwei Schwer punkte heraus: einerseits die naturwissenschaftlich ausgerichteten Experi mente, anderseits Bestrebungen, die der jeweils nationalen Literatur und vor allem der Sprache gewidmet waren. Den Zuwachs an naturwissenschaftlicher Erkenntnis, auch mit dem Ziel der Umsetzung in Technik und Anwendung, und die Sorge um die Reinheit der Sprache waren die beiden Richtungen, in denen solche Gesellschaften unabhängig vom jeweiligen Universitätsbetrieb ihre Tätigkeit entwickelten. Man wird leicht erkennen, dass dies die grund legende Klassenteilung auch unserer heute bestehenden Akademien darstellt. Einzelne Akademien bildeten ihren thematischen Schwerpunkt einseitig in einer der beiden Richtungen aus. So wurde 1583 in Florenz die Accademia della Crusca, die Kleieakademie, gegründet. Ihre Aufgabe war es, die Reinheit der italienischen Sprache zu erhalten, also die Spreu vom Weizen zu trennen. Die 1635 gegründete Academie franc;aise hat noch heute ihren Schwerpunkt in Sprache und Literatur. Die Naturwissenschaften begründeten bis in unsere Zeit bestehende Sozietäten: 1660 die Royal Society und 1666 die Academie des sciences. Die British Academy ist ausschließlich für die Geisteswissenschaften zuständig. Den großen und überdauernden Sozietäten war gemeinsam, (1) dass sie alle als wissenschaftliche Einrichtungen in enger Verknüpfung mit dem damals 8 Clemens Zintzen absolutistischen Staat sich befanden; (2) dass die an den Universitäten tätigen Gelehrten abseits ihrer Lehrverpflichtungen das wissenschaftliche Leben sol cher Sozietäten trugen, sich zu solcher Pflege der Wissenschaften Statuten gaben, die sie zu regelmäßigen Sitzungen und etwas später dann auch zur Publikation ihrer wissenschaftlichen Ergebnisse verpflichtete; (3) dass unent wegt Versuche unternommen wurden, eine verbindliche Regelung der Finan zen zu erreichen. Dabei war im deutschen Raum vor allem Leibniz erfinde risch, indem er dem Kurfürsten Privilegien abzutrotzen versuchte (Brannt weinsteuer, Seidenraupenzucht, Kalenderprivileg!). Man wird auf weite Strecken in diesen schon im 17. Jahrhundert sich ergebenden Charakteristica auch noch heute Situation und Eigenheiten unserer modernen Akademien erkennen können. Das Bestreben des Präsidenten dieser Akademie, die Finan zen der Institution verbindlicher zu regeln. weist in der Tendenz frappierende Ähnlichkeiten auf mit den stetigen und bisweilen verzweifelten Versuchen, die Leibniz vor 300 Jahren anstellte, wenn denn auch die angestrebten Finanzie rungswege unterschiedlich sind. Die verschiedenen Denkschriften, die Leibniz vor der Gründung der Preußischen Akademie verfasste, zeigen eine Mischung aus ernsthafter Wis senschaft (sapientia) und Weltklugheit (prudentia), die immer auch die prak tische Anwendung im Blick hatte, mit dem Ziel der Verbesserung zugleich der Lebensumstände für die Zeitgenossen und des Einkommens für die Akademie. Dass Leibniz dabei nicht zimperlich vorging, zeigt ein Brief, den er 1697 in gar nicht der damaligen Galanz entsprechendem Ton an die seinen Bestrebungen sehr zugetane Kurfürstin Sophie Charlotte schrieb. Es heißt dort: Anstelle sich zu beschränken und auf die persönliche Toilette zu achten, sollte man recht zeitig sich soliderer und dauerhafterer Schönheit zuwenden, die sich unter den Wundern der Schöpfung Gottes und in der Natur befinden. Da wäre Ihre Neu gier der Menschheit nützlicher und würde mehr zur Ehre Gottes beitragen3• In solchen Denkschriften finden sich vor allem Hinweise auf die naturwissen schaftlichen Zweige der Mathematik, Physik, Astronomie (an ihr vor allem hatte Leibniz ein hohes Interesse, da er das Kalenderprivileg für seine Akade mie reklamierte und auch erhielt); andererseits sollten die Erkenntnisse auf den 3 Harnack Bd. II 5.45: au lieu de borner leur esprit 11 la toilette, on les accoustumoit, de bonne heure, 11 des beautes et ornements plus solides et plus durables qui se trouvent dans les merveilIes de Dieu et de la nature, leur curiosite et delicatesse seroit plus utile au genre humain, et contribueroit plus 11 la gloire de Dieu. Aufgaben einer Akademie - heute 9 Gebieten der Mechanik dem Handwerk und den Mühlenwerken unmittelbare Vorteile bringen; die Mineralwissenschaft sollte praktische Umsetzung in den Bergwerken erfahren, die Botanik auch dem Gärtnerei- und Forstwesen zugute kommen, und schließlich die Zoologie in der Tierzucht sich nieder schlagen: Man begreift, warum Leibniz' Wahlspruch, der bis heute besteht, hieß theoria cum praxi. Freilich zeigt nun die weitere Entwicklung der Akademienlandschaft im 18. Jahrhundert, dass das einseitige Beharren dieser Anfangsphase auf der Forderung nach unmittelbar zähl- und wägbarem Nutzen und ein erlahmen des wissenschaftliches Leben die Akademie nicht besonders förderte, so dass eine Reorganisation sowohl von den führenden Köpfen der Akademie selbst als auch von Politikern wie Altenstein und Hardenberg als dringend notwen dig erachtet wurde4• Als im 19. Jahrhundert die Brüder Wilhelm und Alexan der von Humboldt die ganze Wissenschaftslandschaft einer grundlegenden Reform unterzogen, hatte dies auch für die Akademien Bedeutung und brachte ihnen nun eine neue Dimension von wissenschaftlicher Arbeit ein. Neben die Naturwissenschaften traten jetzt die Geisteswissenschaften mit Projekten, welche die Arbeitskraft eines einzelnen Forschers überschritten, vermehrt ins Licht der gelehrten Öffentlichkeit. Die Organisation und Koordination sol cher Arbeiten wurde eine Aufgabe, die sich den Akademien als außeruniver sitären Forschungsstätten stellte. Damals sind Unternehmungen begründet worden, die man zwar auf fünfzehn bis zwanzig Jahre plante, die aber z. T. noch bis heute fortbestehen und nicht abgeschlossen sind, weil die Material fülle weitaus größer ist, als man bei der Begründung ahnen konnte. Es sind Unternehmungen, die Theodor Mommsen, der auch ein großer Wissen schaftsorganisator war, in Analogie zur Großindustrie als "Großwissenschaft" bezeichnet hat, und von denen vor einigen Jahren Hubert Markl, der jetzige Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, sagte, sie seien wie Riesenschildkrö ten, die sich eben nur langsam fortbewegen. Mancherorts findet sich heute dazu die Meinung, man müsse solche Langzeitunternehmen nun gewaltsam zum Abschluss bringen, um sich endlich aktuelleren Problemen zuzuwenden. Dieser Typus der im 19. Jahrhundert begründeten meist geisteswissen schaftlichen Langzeitvorhaben ist noch heute charakteristisch für die Akade mienlandschaft. Die Naturwissenschaften fanden eine neue Möglichkeit 4 Vgl. Harnack S. 706.

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