Atome - Moleküle - Kerne Band 11 Molekül- und Kernphysik Von Univ.-Professor pr. Gerd Otter und Akad. Direktor Dr. Raimund Honecker III. Physikalisches Institut der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen Mit 199 Figuren und 59 Tabellen B. G. Teubner Stuttgart 1996 Prof. Dr. phil. Ger4 Otter Geboren 1936 in Innsbruck, Studium und Promotion an der Universität Innsbruck, nach einigen Jahren Forschungsaufenthalt in CERN, Stockholm und London, Leiter der Blasenkammergruppe im Institut für Hochenergiephysik Wien, Habili tation bei W. Thirring an der Universität Wien, ab 1972 Univ.-Professor an der RWTH Aachen, wissenschaftliche Tätigkeit im Gebiet der Elementarteilchen physik. Dr. rer. nato Raimund Honecker Geboren 1932 in Freiburg i.Br., Studium in Freiburg, Frankfurt a.M. und Aachen, Promotion und wissenschaftliche T atigkeit in Kem-und Elementarteilchenphysik bei M. Deutschmann in Aachen 1968 Akad. Rat, seit 1991 Akad. Direktor am III. Physikalischen Institut an der RWIH Aachen. Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Otter, Gerd: Atome - Moleküle - Kerne I von Gerd Otter und Raimund Honecker. - Stuttgart : Teubner. NE: Honecker, Raimund: Bd. 2. Molekül-und Kernphysik: mit 59 Tabellen. -1996 ISBN 978-3-519-03220-5 ISBN 978-3-322-92134-5 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-92134-5 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außer halb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt besonders für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © B. G. Teubner Stuttgart 1996 Gesamtherstellung: Zechnersche Buchdruckerei GmbH, Speyer Vorwort Die Kapitel Molekülphysik und Kernphysik sind die naturgemäßen Anschlußgebiete an die Atomphysik, deren Grundlagen wir in Band I behandelt haben. Daß wir in der Rei henfolge die Molekülphysik voranstellen, hat keinen zwingenden Grund. Die getroffene Wahl möge den Lesern insofern entgegenkommen, als die Molekülphysik von der bereits aus der Atomphysik bekannten elektromagnetischen Wechselwirkung beherrscht wird, während in der Kernphysik die starke und schwache Wechselwirkung ganz andere, für den Anfänger ungewohnte Behandlungsmethoden verlangen. Mit gutem Grund haben wir der Kernphysik ein einführendes Kapitel über Teilchenphysik hinzugefügt; haben sich die Gewichte dieser beiden Gebiete in den letzten Jahrzehnten doch stetig von der Kernphysik auf die Teilchenphysik verschoben. Die Frage mag sogar berechtigt sein, warum wir den Stoff der Kernphysik nicht noch stärker beschränkt haben. Die Le ser werden jedoch feststellen, daß viele Begriffe, Methoden und Ge!!etzmäßigkeiten der Kernphysik auch Bestandteile der Teilchenphysik sind und sich entlang des historischen Weges der Kernphysik leichter lernen lassen. Um die Einheit beider Bände zu wahren, haben wir die Numerierung der Kapitel und Anhänge des ersten Bandes fortgesetzt. Ebenso wurde die *-Markierung schwie riger Abschnitte für Fortgeschrittene beibehalten. Wir gehen aber davon aus, daß die Anfänger beim Studium des ersten Bandes genügend Fachkenntnisse erworben haben, um im zweiten Band auch etwas schwierigere Sachverhalte zu verstehen. Das Litera turverzeichnis umfaßt ausführliche Angaben für beide Bände. Wir haben wiederum versucht, den Stoff in experimenteller und theoretischer Sicht möglichst ausgewogen darzustellen. Es werden grundlegende experimentelle Methoden erläutert, technische Details aber bewußt ausgelassen, um jeweils den physikalischen Pfiff eines Verfahrens nicht zu verdecken. Theoretische Methoden werden korrekt, aber möglichst einfach und durchsichtig dargestellt und an typischen Fallbeispielen konse quent durchgerechnet. Das Kapitel 7 über Molekülphysik umfaßt drei Abschnitte, deren erster und dritter den Standardstoff von üblichem Lehrbuchumfang für Studierende der Physik enthalten. Der mittlere Abschnitt über die chemische Bindung wurde bewußt etwas ausführlicher gestaltet, um Interessenten angrenzender Gebiete wie der physikalischen Chemie und der Quantenchemie die Möglichkeit zur Vertiefung anzubieten; die zugehörigen Anhänge sind dazu notwendiges Handwerkszeug und sollten unbedingt begleitend dazu studiert werden. Wir haben dabei vor allem gruppentheoretische Aspekte hervorgehoben, Ver fahrensweisen, wie sie z.B. auch in der Teilchenphysik üblich sind. Im Kapitel 8 über Kernphysik wird dem Leser von Anfang an die enge Verzahnung mit der Teilchenphysik bewußt. In den Abschnitten 8.1 und 8.2 werden allgemeine Methoden sowie die wesentlichen Kerneigenschaften behandelt. Abschnitt 8.3 über Kernumwandlungen wurde auf die grundlegenden Begriffe und Prozesse einschließlich der heute noch wichtigen Anwendungen beschränkt. Auch den Abschnitt 8.4 über Kernmodelle haben wir nur soweit ausgeführt, wie es für das Verständnis der Grundei- genschaften der Kerne notwendig ist. Die Darstellung der Teilchenphysik in Kapitel 9 darf nur als einführende Übersicht verstanden werden. Wir haben uns dennoch bemüht, die Leser mit Hilfe der in der Kernphysik erworbenen Kenntnisse bis an aktuelle Fragestellungen heranzuführen. Wir danken wiederum allen Mitarbeitern des Aachener Physikzentrums, die uns mit vielen Ratschlägen geholfen haben. Besonderen Dank schulden wir den Herren Profes soren Dr. Günter Flügge und Dr. Peter Grosse für die sorgfältige, kritische Durchsicht der Kapitel über Molekülphysik bzw. Teilchenphysik sowie für wertvolle Verbesserungs vorschläge. Gleicher Dank für kritische Durchsicht und wichtige Hinweise gilt besonders Herrn Dr. Claus Dohmen, der überdies alle Computer-Figuren von Orbitalen erstellt hat, sowie den Herren Dr. Michael Herrmann, Dr. Dieter Rein und Dipl.-Phys. Andre Schüngel. Schließlich danken wir dem Institutsdirektor Prof. Dr. Günter Flügge für seine wohlwollende Unterstützung und die Bereitstellung der Infrastruktur des Insti tuts. Fassung und Formatierung des Textes in ~TEX verdanken wir dem unermüdli chen Einsatz der Herren Dipl.-Phys. Armin Köngeter und cand.phys. Joachim Kuth. Die große Anzahl von Figuren wurde wieder von Herrn Rieb mit großem Fleiß gefertigt. Schließlich liegt uns am Herzen, dem Verlag für sein großzügiges Entgegenkommen in allen Fragen der Gestaltung sowie der Terminplanung bei der Bände zu danken. Wir wünschen allen Lesern ein erstes, aber grundlegendes Verständnis der umfassen den Gebiete der Molekülphysik, der Kernphysik und der Teilchenphysik, das zu weiterer Vertiefung beflügeln möge. Aachen, Juni 1996 Gerd Otter Raimund Honecker Inhaltsverzeichnis 7 Moleküle 7 7.1 Allgemeine Eigenschaften der Moleküle 8 7.1.1 Größe und Struktur von Molekülen 8 7.1.2 Die Masse von Molekülen ..... 15 7.1.3 Elektrische und magnetische Eigenschaften von Molekülen 22 7.1.4 Klassifizierung der Moleküle . . . . . 30 * 7.1.5 Die Born-Oppenheimer-Näherung 33 7.2 Die chemische Bindung. . . . . . . . . . . . 36 7.2.1 Das Ion des Wasserstoffmoleküls . . . 39 7.2.2 Das H -Molekül in einfacher Näherung 60 2 * 7.2.3 Näherungen nach dem MO-Verfahren. 70 * 7.2.4 Zweiatomige Moleküle .. . . . . . . . 76 * 7.2.5 Mehratomige Moleküle - Methoden der Gruppentheorie . 91 * 7.2.6 Mehratomige Moleküle - Ergebnisse 106 7.3 Molekülspektren................ 124 7.3.1 Erscheinungsbild und Meßmethoden. 128 7.3.2 Molekülrotationen .. 140 7.3.3 Molekülschwingungen . 150 7.3.4 Der Raman-Effekt .. 178 7.3.5 Elektronenanregungen 191 8 Kerne 206 8.1 Untersuchungsmethoden 208 8.1.1 Beschleuniger.. 209 8.1.2 Teilchendetektoren 225 * 8.1.3 Streuprobleme .. 234 8.1.4 Kinematik..... 245 8.2 Allgemeine Eigenschaften der Kerne . 253 8.2.1 Kernmasse und Kernstabilität 254 8.2.2 Spin, Parität und magnetisches Moment von Kernen 263 8.2.3 Kerngröße und Formfaktoren ..... 274 * 8.2.4 Das Quadrupolmoment von Kernen . 293 * 8.2.5 Der Isospin von Kernen 304 8.2.6 Kernkräfte...... 314 8.3 Kernumwandlungen . . . . . 329 8.3.1 Radioaktive Zerfälle 333 8.3.2 Der a-Zerfall . . . . 353 8.3.3 Der ß-Zerfall - Neutrino und Antineutrino 358 * 8.3.4 Der ß-Zerfall - die schwache Wechselwirkung 367 * 8.3.5 Der -y-Zerfall .. . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 6 INHALTSVERZEICHNIS 8.3.6 Kernreaktionen 399 8.3.7 Die Kernspaltung 417 8.3.8 Die Kernfusion . 428 8.3.9 Der Mössbauer-Effekt 435 8.4 Kernmodelle . . . . . . . . . . 441 8.4.1 Das Fermi-Gas-Modell . 442 8.4.2 Das Schalenmodell . 444 8.4.3 Das Kollektivmodell .. 459 9 Teilchen 464 9.1 Leptonen ........... . 469 9.1.1 Geladene Leptonen .. 469 9.1.2 Ungeladene Leptonen . 474 9.2 Hadronen .......... . 480 9.2.1 Bis 1974 bekannte Hadronen 481 9.2.2 Das SU(3)-Quarkmodell . . . 488 9.2.3 Die neuen Teilchen . . . . . . 504 9.3 Wechselwirkungen und Austauschteilchen . 512 9.3.1 Die starke Wechselwirkung . . . . . 513 9.3.2 Die elektroschwache Wechselwirkung 522 * 9.3.3 Die CP-Verletzung . . . . . . . . . 528 Anhang J Punktgruppen der Molekülphysik 534 K Die Punktgruppen C und C 545 2v 3v L Das Variationsprinzip . . . . . . . 552 Hi M Integrale zum -Molekül 555 NAtomorbitale der Molekülphysik 559 o Bessel-Funktionen ....... . 563 P Das Potential einer Ladungsverteilung 568 Q Die Helmholtz-Gleichung für das Strahlungsfeld 572 R Die Gruppe SU(3) ......... . 575 S Meson- und Baryon-Tabellen ... . 579 T Konstante und Umrechnungsfaktoren 581 U Verzeichnis der Nobelpreisträger. 583 Literaturhinweise 589 N amen- und Sachverzeichnis 594 7 Moleküle Nachdem wir uns in Band I einen grundlegenden Überblick über die Struktur und die Eigenschaften von Atomen verschafft und ihre quantenmechanische Beschreibung ge lernt haben, wenden wir uns jetzt den Fragen über den Aufbau von Molekülen zu. Wir beschränken uns dabei auf den Bereich der Molekülphysik, dessen Aufgabe es ist, die Struktur , die Bindungsverhältnisse und die Eigenschaften von Molekülen mit phy sikalischen Mitteln zu untersuchen sowie die Molekülzustände quantenmechanisch zu beschreiben. Dabei gibt es keine scharfe Grenze zur Chemie, insbesondere nachdem die Quantenmechanik in die Chemie Eingang gefunden hat, die es gestattet, z.B. die Elek tronenverteilungen, die Bindungsstrukturen und die Anregungszustände von Molekülen zu berechnen. Die Entdeckung der Existenz von Molekülen ist mit Physikern und Chemikern des 19. Jahrhunderts wie Amadeo Avogadro und Joseph Loschmidt eng verknüpft und von der Entdeckung der Existenz von Atomen kaum zu trennen. Während die Chemie des 19. Jahrhunderts bereits große Fortschritte in der Erkenntnis der stöchiometrischen Zusammensetzung vieler Moleküle gemacht hat, gelang ein tieferes Verständnis für die Bindung von Atomen zu Molekülen erst in unserem Jahrhundert auf der Grundlage der Quantenmechanik. Pionierarbeit für die quantenmechanische Beschreibung leisteten vor allem die Physiker Walter Heitler, Fritz London und Friedrich Hund. Wir wollen zunächst einige allgemeine Bemerkungen zum Begriff des Moleküls ma chen. Binden sich Atome aneinander zu selbständigen Einheiten, so nennt man diese Gebilde Moleküle. Die einfachsten Moleküle sind zweiatomig, wie z.B. die homonu kIearen Moleküle H ,N usw. oder die heteronuklearen Moleküle HCl,LiF usw. Die 2 2 Bindung von mehreren Atomen kann zu Molekülen unterschiedlichster Gestalt und Struktur führen, je nachdem, welche und wieviele Atome an der Bindung beteiligt sind. Sie kann räumlich, flächenartig oder kettenförmig, sowie in periodischen Strukturen erfolgen, so daß ein Molekül unter Umständen aus sehr vielen Atomen besteht. Die größten Moleküle findet man im Bereich der organischen Makromoleküle. Auch die künstlich erzeugten gehören dazu, wie z.B. die Polymere. In Fig. 7.1 ist ein Stück der flächigen Kohlenwasserstoff-Molekülkette Polyacetylen (CH)n gezeigt, das zu den Po lymeren gehört. Die Zahl der Atome in Polymeren kann durchaus die Größenordnung 105 übersteigen. Die Vielfalt an Möglichkeiten der Molekülbildung ist ungeheuer groß, insbesondere im Bereich der biologischen Organismen sowie im Bereich der synthetischen Makromo leküle. Die Bedeutung dieser Vielfalt für die Chemie, die Biologie und die zur Physik angrenzenden interdisziplinären Forschungsgebiete braucht nicht betont zu werden. Im Rahmen unserer Betrachtungen beschränken wir uns ausschließlich auf die phy sikalischen Fragen, die sich durch die Bildung von Molekülen aus Atomen stellen, und werden dabei auch nur die einfachsten Gebilde besprechen, die uns als Prototypen für grundsätzliche Behandlungsmethoden dienen sollen. Es ist also unser Ziel, das Zustan- 8 7 MOLEKÜLE H H H H H .. . ... H H H H H H Fig. 7.1: Das Polymer Polyacetylen {CH)n. dekommen der Bindung von einfachen Molekülen, ihre Struktur und ihre physikalischen Eigenschaften verstehen zu lernen. 7.1 Allgemeine Eigenschaften der Moleküle Dieser Abschnitt gibt eine Übersicht über die statischen Eigenschaften von Molekülen wie etwa ihre Größe und Gestalt, über die Bestimmung ihrer Masse sowie ihre elek trischen und magnetischen Eigenschaften. Darüberhinaus versuchen wir, die Moleküle aufgrund ihrer Symmetrieeigenschaften zu klassifizieren, und stellen anschließend eine grundlegende Näherungsmethode für die quantenmechanische Behandlung vor. 7.1.1 Größe und Struktur von Molekülen Die Größe von Molekülen Wir haben bereits in Band I gelernt, daß man für Atome keine scharfen Abmessun gen angeben kann, weil die Elektronenwellenfunktionen nach außen hin nicht abrupt, sondern kontinuierlich abnehmen. Das gleiche gilt für Moleküle. Man kann jedoch mit den gleichen Methoden wie bei den Atomen die Größenordnung der Molekülausdehnung bestimmen. Wir wollen einige Methoden kurz besprechen. Liegen die betrachteten Moleküle in der Gasphase vor, so läßt sich ihre Größe aus der van der Waals-Gleichung für reale Gase abschätzen (s. Band I, Abschn. 2.1) P,V Druck, Volumen bezogen auf 1 Mol a T Temperatur (7.1) (P + V2){V - b) = RT R allgemeine Gaskonstante a Konstante. Das Kovolumen b hat die Bedeutung des vierfachen Eigenvolumens des Moleküls, wel ches sich somit aus Gl.{7.1) bestimmen läßt. 7.1 Allgemeine Eigenschaften der Moleküle 9 Eine andere Möglichkeit bietet die kinetische Gastheorie. Wie oft Moleküle in der Gasphase miteinander stoßen, hängt unter anderem von ihrer Größe ab. Legt man näherungsweise kugelförmige Moleküle vom Durchmesser d zugrunde, so beträgt die mittlere freie Weglänge 1 nach den Gesetzen der kinetischen Gastheorie (7.2) 1 = J2~1rtP' wo N die Zahl der Moleküle pro Volumen ist. Die Größe 1 kann man aus den ma kroskopischen Meßgrößen Druck, Dichte und Viskosität des Gases oder auch aus der Wärmeleitfähigkeit des Gases bestimmenl. Letzteres läßt sich daraus verstehen, daß der Wärmetransport durch das Gas über Molekülstöße geschieht. Verfahren dieser Art liefern für die Moleküldurchmesser kleiner Moleküle Werte der Größenordnung von 0,3nm. Vergleichsweise dazu beträgt die Ausdehnung des Wasserstoft"atoms etwa 0, 1nm. Neben diesen Abschätzungen aus makroskopischen Meßgrößen läßt sich die Größe von Molekülen etwas genauer mit Hilfe der Braggschen Reflexionsverfahren von Rönt genstrahlen und Elektronen bestimmen (s. Band I, Abschn. 1.2.2). Das funktioniert nicht nur für den Fall, daß die Moleküle in einer periodischen Ordnung zu einem Festkörper kristallisieren, so daß man den Abstand der Moleküle, und damit auch ihre Größe bestimmen kann, sondern auch bei Molekülen in der Gasphase. Die Interferenz strukturen entstehen im letzteren Fall durch Streuung von Elektronen eines Strahls an den einzelnen Atomen des Moleküls, so daß sich in einfachen Fällen hieraus nicht nur die Größe des Moleküls, sondern auch dessen Zusammensetzung gewinnen läßt. Die Struktur von Molekülen Die Struktur von Molekülen wird durch die räumliche Anordnung der bindenden Atome bestimmt. Maßgebend hierfür sind die Abstände der Kerne, ihre räumliche Ori entierung zueinander ebenso wie die Verteilung der Elektronen im Molekül. Aufschluß über die Struktur von Molekülen gibt eine Reihe experimenteller Verfahren, von denen die wichtigsten nachfolgend aufgeführt sind. Es ist neuerdings möglich, molekulare Strukturen mit Hilfe hochauflösender Geräte zumindest in gewissen Umrissen sichtbar zu machen. Als erstes sei das von Ernst Ruska (Nobelpreis 1986) und Max Knoll entwickelte Elektronenmikroskop (1931) genannt, bei welchem ein Elektronenstrahl im Hochvakuum an die Stelle des Lichtstrahls beim Lichtmikroskop tritt, und die elektronenoptische Abbildung durch geeignete elektro magnetische Felder bewirkt wird. Das Auflösungsvermögen Ll..\ eines Mikroskops ist 1 Der Zusammenhang von I mit dem Gasdruck p, der Dichte p und der Viskosität ." lautet I = 7J(3/pp)1/2j deljenige mit der Wärmeleitfähigkeit Klautet K = Ncvlv/3NA. Hierbei ist NA die Avogadro-Konstante, Cv die spezifische Wärmekapazität bei konstantem Volumen und v = (8kT/rM)1/2 die mittlere Geschwindigkeit der Moleküle mit k Boltzmann-Konstante und M Molekülmasse. 10 7 MOLEKÜLE proportional zur Wellenlänge Ader eingestrahlten Welle. Mit der um viele Größenord nungen kleineren de Broglie-Wellenlänge von Elektronen erhält man daher ein erheblich besseres Auflösungsvermögen als mit dem Lichtmikroskop. Die Technik des Elektro nenmikroskops ist inzwischen soweit entwickelt, daß Strukturen mit Abständen von 0,1 bis 0,2nm sichtbar gemacht werden können. Eine noch höhere Auflösung wird mit dem von Gerd Binnig und Heinrich Roh rer entwickelten Raster-Tunnel-Mikroskop RTM erreicht (Nobelpreis 1986). Es dient der genauen Analyse molekularer Strukturen von Festkörperoberflächen. Sein Funktionsprinzip gleicht demjenigen eines Schallplattenspielers, aber mit einer N adel spitze von atomarer Dimension. Die Oberfläche muß leitfähig sein. Die Spitze tastet die Oberfläche im Abstand von nur etwa s ~ 1 nm zeilenförmig ab. Dabei wird die Oberfläche nicht berührt, sondern der Tunnelstrom zwischen Spitze und Oberfläche genutzt, um den Abstand dazwischen konstant zu halten. Die vertikale Bewegung der Spitze zeichnet dann die Höhenstruktur der Oberfläche auf. Die Anordnung des ersten RTM-Modells ist in Fig. 7.2 schematisch gezeigt. Die Spitze ist unter einem P Piezos tä be l t Py - Rück kopplung Probe Fig. 7.2: Funktionsprinzip des Raster-Tunnel-Mikroskops. Nach G. Binnig, H. Roh rer, eh. Gerber, E. Weibel, Phys. Rev. Lett. 49 (1982) 57. aus Piezostäben bestehenden Dreibein befestigt, das ein stufenloses, reaktionsschnelles Abtasten in allen drei Raumrichtungen mit der benötigten Präzision gestattet. Die ex trem geringe Längenänderung der Piezostäbe von 1 nm/V bei Anlegen einer Spannung gestattet ein äußerst genaues laterales und vertikales Abtasten. Da J. exponentiell von s abhängt (Band I, Abschn. 3.3.4), ist die Einrichtung äußerst empfindlich auf Veränderungen in z-Richtung. Eine Abstandsänderung von ds = 0,1 nm ändert den Tunnelstrom bereits um eine Größenordnung. In der Praxis regelt eine Rückkopplung bei konstantem J. die z-Koordinate der Spitze während des lateralen Abtastvorgangs, so daß die Auf- und Abbewegung der Spitze bei konstantem s ein Abbild der Pro-