Thomas Ring ASTROLOGIE OHNE ABERGLAUBEN Können wir unser Leben selbst gestalten oder ist es vorbestimmt? Econ Verlag Düsseldorf ■ Wien Ring • Astrologie ohne Aberglauben 1. Auflage 1972 Copyright © 1972 by Econ Verlag GmbH, Düsseldorf und Wien. Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk, Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger jeder Art, auszugsweisen Nachdruck oder Einspeicherung und Rückgewinnung in Datenverarbeitungsanlagen aller Art, sind vorbehalten. Gesetzt aus der Garamond der Linotype GmbH Papier: Papierfabrik Schleipen GmbH, Bad Dürkheim Gesamtherstellung: Bercker, Graphischer Betrieb GmbH, Kevelaer Printed in Germany. ISBN 3 430 17796 0 Inhalt ASTROLOGIE, WAS SIE WAR 7 Astrologiegeschichte im psychologischen Blickfeld 13 Kalenderrechnung 19 Astralmythologie 25 Der Rundgang der Sonne 35 Abkehr vom mythologischen Weltbild 40 Mythos und Geschichte 46 Glanz und Niedergang der Sterndeutung im Altertum 49 Offenbarung, Erlösungsreligion und Astrologie 65 Die Wiederbelebung magischen Denkens in der Renaissance 78 Die Kopernikanische Wendung 91 Ausklang der alten Weltschau 102 ASTROLOGIE, WAS SIE GEGENWÄRTIG IST 109 Vulgärastrologie 123 Esoterik 126 Tradition und Fortschritt 129 Symbolische Astrologie 138 Wissenschaftliche Astrologie 140 Kosmobiologie 153 ASTROLOGIE, WAS SIE SEIN KANN 159 Die Weiterbildung der Astrologie 160 Der Fall Wallenstein 165 Aussichten 175 ASTROLOGIE IM HEUTIGEN WELTBILD 179 Wechsel und Wiederkehr physikalischer Einflüsse im Erdraum 182 Kosmische Rhythmen bei Lebewesen 197 Die Eigenständigkeit des Menschen 208 Der erste Schrei 221 Ganzheitskräfte 230 Exkurs zur Lebenserklärung 240 Das Sonnensystem - ein Organismus 249 Im Kreislauf der Weltbegegnung 255 Zur Neufassung des astrologischen Gedankens 261 Anhang Zum Problem der astrologischen Häuserberechnung 273 Register 277 Astrologie, was sie war Diese Abhandlung ist weder eine Anklage- noch eine Verteidi gungsschrift, weder ein geschlossenes Lehrbuch noch eine ange strengte Suche von Unstimmigkeiten in den herrschenden Mei nungen für oder gegen Astrologie. Sie will vielmehr darstellen, was der Mensch von heute nach einiger Kenntnis der Sache da von halten kann. Diese etwas Geduld erfordernde Aufgabe heißt also, altüberlieferte Inhalte in einem fortgeschrittenen Bewußt sein zu spiegeln, zu prüfen. Gemessen am Alter der Astrologie glaubt man leicht, es handle sich um eine fertige Lehre, die für al les eine Lösung bereithält und deshalb in Bausch und Bogen an zunehmen oder zu verwerfen sei. Greifen wir jedoch den Ge danken unter neuen Gesichtspunkten wieder auf, so stellen sich zahllose Fragen, die beantwortet sein wollen. Je tiefer man ein dringt, um so schwerer wird ein einfaches Ja oder Nein. Wie kommt es denn, daß denkende und wissenschaftlich gebildete Menschen sowohl bei denen, die begeistert für Astrologie eintre ten, als auch bei denen, welche sie erbittert bekämpfen, zu finden sind? Es kann ja nicht nur daran liegen, daß eben jene sich um die Erfahrung gekümmert hätten, während diese blindlings behaup ten, es könne nicht wahr sein, was nicht wahr sein darf. Wir müs sen also danach fragen, was man sich unter Astrologie vorstellt und welches Weltbild zugrunde gelegt wird. Freilich hat das heute rege Interesse mancherlei Versuche einer neutralen Berichterstattung hervorgebracht. Diese Versuche kranken nur leider meist an ihrem Historizismus, so daß das Ur teil über Astrologie bestenfalls aus dem gezogen wird, was sie war. Das Bemühen um Objektivität schließt sich dann den Ar gumenten an, welche die einstmals geltenden Anschauungen überwunden haben. Demgegenüber besagt eine Grundüberzeu gung heutiger Anhänger, daß hinter den antiken und mittelalter- 7 liehen Regeln etwas mehr als nur zeitbedingte Werte stecken. Die Richtigkeit solcher Regeln kann nur aus eigener Erfahrung beurteilt werden; ihre Kenntnis, die astrologische Berechnung und Deutung ist aber nicht ganz unkompliziert. Scheuen wir die Schwierigkeiten ihrer Erwerbung, fallen also eigene Erfahrungen damit weg, so können wir immerhin eine auffällige Erscheinung, nämlich die heutige Zeitungsastrologie, vom Sozialpsychischen her beurteilen. Dies gilt unabhängig von Anerkennung oder Verdammung durch die offizielle Naturwis senschaft. Mit dieser Zeitungsastrologie wird mehr oder minder geschickt Stimmung und Verhalten von Privatleuten manipu liert, die nach Rückhalt und Regel, nach Entlastung von selb ständigem Entscheiden suchen. Man kann darin die Volksge sundheit bedroht sehen oder sich sagen, bei so unverpflichtend dargebotener Form werde die Angelegenheit ohnehin kaum ernst genommen, der erweckte Spieltrieb aber käme dem Le bensoptimismus zugute. Breite Massen halten dies für Astrolo gie überhaupt. Im Auftrag des Instituts für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Freiburg i. Br., wurde 1952 vom Institut für Demoskopie, Allensbach/Bodensee, eine Repräsentativbe fragung durchgeführt. Sie stellte fest, daß in der Bundesrepublik, einschließlich West-Berlins, von 100 Befragten 69 in der Lage sind, ihr Zeichen, das heißt den Abschnitt der Jahresbahn, in welchem die Sonne bei der Geburt stand, anzugeben. Auf die Frage: »Glauben Sie an einen Zusammenhang zwischen dem menschlichen Schicksal und den Sternen?« antwortete rund die Hälfte mit »nein«, weit über ein Viertel mit »ja«, der Rest gab unentschiedene Antworten. Ähnlich liegen die Verhältnisse in anderen Ländern, nur ergab z. B. eine Befragung in England den Unterschied, daß dort der Anteil der Astrologiegläubigen mit höherem Bildungsstande zunimmt - bei uns liegt das Schwerge wicht bei mittlerer Reife - und auch die regelmäßigen Kirchen besucher eher zur Bejahung geneigt sind als in Westdeutschland. Die detaillierte Umfrage, worauf sich Glaube oder Ablehnung stütze und was unter Astrologie verstanden werde, enthüllt al 8 lerdings eine erschreckende Übermacht der Zeitungsastrologie. Von den 56 Prozent, die vorgeben, sich mit Astrologie zu be schäftigen, haben nur 7 Prozent ihr individuelles Horoskop stel len lassen, und auch dabei dürfen wir vielfach fragwürdige Er zeugnisse annehmen. Jedenfalls ist es ein brennendes Gegenwartsproblem, um des sen Untersuchung sich von der Lage in den USA ausgehend Th. W. Adorno verdient gemacht hat, wie unsere Gesellschaft mit diesem zunehmenden kommerzialisierten Aberglauben fer tig wird. Eine solche Angelegenheit darf man nicht nur beiläufig streifen in der beliebten Weise, daß vielleicht etwas daran sei, vielleicht auch nicht. Nur überschreitet der Sozialpsychologe seine Zuständigkeit, wenn er daraus ein Urteil über Astrologie ableitet. Der Erfolg der Zeitungsastrologie ist erklärlich durch unbewußte, aus der Neurosenlehre bekannte seelische Mecha nismen; ferner spielt wohl ein ewiger Rest magischer Weltein stellung mit, von der noch die Rede sein wird. Hierzu gehört aber ebenso die Bereitschaft für Einwirkung von Reklame, Pro paganda, Massenparolen. Daß die astrologischen Bilder seriöser wirken als ein beliebiger Werbeslogan, mag verankert sein in ei nem Bewußtsein von der ältesten Typologie der zwölf Zeichen, der in ihnen enthaltenen vier Temperamente und ähnlichem. Die einprägsamen Tierkreisbilder tauchen schließlich auf als Schmuck an öffentlichen Gebäuden, in Kalendern und anderen Druckwerken, wenn auch meist als Verlegenheitslösungen in ei ner an überdauernden Symbolen armen Zeit. Die meisten Zeit genossen haben zumindest dunkle Vorstellungen von der kul turgeschichtlichen Rolle der Astrologie. Man kann die Ansicht vertreten, die Astrologie sollte von der zuständigen Wissenschaft geprüft und anschließend von ihr ent schieden werden, was in der Öffentlichkeit zuzulassen und was als schädlicher Aberglaube zu unterdrücken sei. Hierfür stimm ten 21 Prozent in der genannten Umfrage, während 47 Prozent der Meinung waren, die Astrologie sei für die Öffentlichkeit gleichgültig; wer sich dafür interessiere, solle tun und lassen können, was er wolle. Nur 8 Prozent stimmten für Verbot, 4 Prozent für öffentliche Anerkennung. 9 Doch das Problem beginnt bereits mit der »zuständigen Wis senschaft« . Wer ist denn zuständig? Die meisten denken dabei an die Astronomie. Ihnen antwortet ein Beschluß der Deutschen Astronomischen Gesellschaft vom September 1949: »Die Astronomische Gesellschaft der astronomischen Wis senschaften in Deutschland nimmt ihre Tagung in Bonn zum Anlaß, die Öffentlichkeit vor dem immer mehr sich verbreiten den Unfug der Astrologie eindringlich zu warnen. Der Glaube, daß die Stellung der Gestirne bei der Geburt eines Menschen sei nen Lebensweg beeinflussen, daß man sich in privaten und öf fentlichen Angelegenheiten bei den Sternen Rat holen könne, hat seine geistige Heimat in einem astronomischen Weltbild, das die Erde und mit ihr den Menschen in den Mittelpunkt des kosmi schen Geschehens stellt. Dieses Weltbild ist längst versunken. Was heute als Astrologie, Kosmobiologie oder unter anderem Namen auftritt, ist nichts anderes als eine Mischung aus Aber glaube, Scharlatanerie und Geschäft. Zwar gibt es astrologische Kreise, die von den genormten und gedruckten Charakteranaly sen und Beratungen für alle Lebenslagen abrücken, diesen Tor heiten aber ihre eigene >wissenschaftliche< und daher ernst sein sollende Astrologie entgegenhalten. Aber auch diese Astrologie ist den Beweis, eine Wissenschaft zu sein und mit wissenschaftli chen Methoden zu arbeiten, schuldig geblieben. Daran können auch gelegentliche Zufallstreffer astrologischer Aussagen nichts ändern. Ein solches System kann nicht den Anspruch erheben, wissenschaftlich begründete Deutungen und Prognosen in pri vaten und öffentlichen Angelegenheiten zu geben. Die Universi täts-Sternwarten und die an ihnen tätigen Astronomen werden immer wieder von privater Seite und von amtlichen Stellen um Urteile über die Astrologie ersucht. Diese Urteile können nicht anders lauten als die Erklärung, die die Astronomische Gesell schaft hiermit der Öffentlichkeit übergibt.« Wer damit zufrieden ist und die Zuständigkeit der Astrono men in Fragen der Astrologie unbestritten anerkennt, wer nicht auf den Gedanken kommt, daß wenigstens Psychologie und Charakterologie vielleicht einiges mitzureden hätten, zu schwei 10