ebook img

Aspekte des traditionellen chinesischen Kunstbegriffs PDF

39 Pages·2000·0.85 MB·German
Save to my drive
Quick download
Download
Most books are stored in the elastic cloud where traffic is expensive. For this reason, we have a limit on daily download.

Preview Aspekte des traditionellen chinesischen Kunstbegriffs

IWfSJESTFALlSCl o 0 'o" ;m:: Z in o WISSENSCHAFrJl N ordrhein -Westfalische Akademie der Wissenschaften Geisteswissenschaften Vortrage . G 369 Herausgegeben von der Nordrhein-Westfalischen Akademie der Wissenschaften ROGER GOEPPER Aspekte des traditionellen chinesischen Kunstbegriffs Westdeutscher Verlag Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Ein Titeldatensatz fur diese Publikation ist bei Der Deutschen Bibliothek erhaltlich. Alle Rechte vorbehalten © Westdeutscher Verlag GmbH, Wiesbaden, 2000 Der Westdeutsche Verlag ist ein Unternehmen der Fachverlagsgruppe BertelsmannSpringer. Das Werk einschlieGlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschutzt. Jede Verwertung auGerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulassig und strafbar. Das gilt insbe sondere fur Vervielfaltigungen, Dbersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf saurefreiem Papier. Herstellung: Westdeutscher Verlag ISBN 978-3-531-07369-9 ISBN 978-3-322-88135-9 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-88135-9 Inhalt Chinesische Termini fur "Kunst" ................................ 7 Feudale Kunstfertigkeiten und musische Kunste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Die Person des Kunsders ...................................... 11 Der kunsderische Schaffensproze~ und die Beherrschung der Techniken 13 Spontane Naturlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 16 Kunst als musisches Spiel ...................................... 18 Kunst als Spiegel der Personlichkeit und als Ausdrucksmedium ....... 20 Die Ausdruckswerte .......................................... 22 Stufen des kunstlerischen Ranges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 24 Das Kunstwerk als Organismus und kosmische Vorstellungen . . . . . . . .. 25 Die vegetative Lebenskraft ..................................... 27 Nachhall oder Resonanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 29 Identifikation mit dem Thema oder Gegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 30 Das Problem von Form und Gehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 31 Formalc Ahnlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 32 Grundformen cler chincsischcn Schriftzeichen fur "Kunst" ........... 34 Ausgewahlte Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 35 Nur wenige alte Hoehkulturen haben einen Begriff von Kunst hervorgebraeht, naeh welchem diese als sehopferisehe mensehliehe Tatigkeit angesehen wird, die sieh weitgehend von einer Bindung an Religion oder Staatskult gelost hat. Die Vorstellung yom Mensehen als einer Einzelperson mit individuellen Ziigen, wenn aueh eingebaut in eine Gemeinsehaft, spielt dabei als Voraussetzung eine Rolle. Neben der abendlandisehen und der indisehen Kultur ist es vor all em die traditionelle ehinesisehe gewesen, die einen solchen Kunstbegriff entwiekelt hat, von dem mane he Ziige bei oberflaehlieher Betraehtung frappierende Ahnlieh keiten mit ganz modern en wesdiehen Vorstellungen von Kunst aufweisen. Eine Analyse der zugrundeliegenden geistigen Voraussetzungen wird jedoeh zeigen, daG solche Ahnliehkeiten aus untersehiedliehen Wurzeln abzuleiten sind. Chinesische Termini fur" Kunst (( Dies erweist sieh sofort, wenn man die Termini und Sehriftzeiehen untersueht, mit den en der Begriff "Kunst" im Chinesisehen ausgedriiekt wird. An erster Stelle steht das Zeiehen yi ~ , das sieh bis in die Friihphase der Sehriftentwieklung in China zuriiekverfolgen laGt'. Hier, im 12. Jahrhundert v. Chr., ist es das Bild eines knienden Mensehen, der ein Pflanzehen in den Handen halt und im Begriff ist, es in die Erde zu setzen. Die Grundbedeutung des Zeiehens ist denn aueh "pflanzen", "ein Feld kultivieren". In dieser Bedeutung kommt es in iiberlieferten vorehristliehen Texten vor. Die Vorstellung des "Kultivierens" hat dann wohl, wie ja in unserem Wort auch, zu einer dazu notigen "Fertigkeit", einer "Befahi gung" und im weiteren Verlauf sehlieGlieh zur "Kunst" gefiihrt. Diese Entwiek lung laGt sieh dureh Textstellen aus den letzten Jahrhunderten vor unserer Zeit reehnung belegen. Zu solcher Sinnversehiebung hat sieherlieh die Forderung naeh literariseher Befahigung in der Lehre des Konfuzius beigetragen. Und Literatur wird ja spater zu einer der zentralen ehinesisehen Kunstformen. I B. Karlgren (1957): Grammata Serica Recensa, Bulletin of the Museum of Far Eastern Antiquities 29, Nr. 330. 8 Roger Goeppcr Ein wei teres Schriftzeichen fur "Kunst" ist shu {;ItT , das in vorchristlichen klassischen Texten einen "Pfad" oder "Weg" bezeichnet, aber bald schon die Bedeutung einer quasi "gangbaren" Kunstfertigkeit, einer perfekt beherrschten Tatigkeit annimmt, zunachst besonders im Hinblick auf Magier und Wahrsager, die ja in der fruhchinesischen Kultur eine bedeutende Rolle gespielt haben2 • Das Zeichen setzt sich zusammen aus dem Bild fur "FuBspuren", die einen Weg andeuten, und einem phonetischen Bestandteil. Die gleiche Vorstellung eines gangbaren Weges, der zu einem zu erreichenden Ziel fuhrt, wird von einem weiteren Schriftzeichen ausgedruckt, das gelegentlich im Sinn von "Kunst" gebraucht wird, allerdings vorwiegend in Japan. Es ist dies das beruhmte dao lli3 , das seine Grundbedeutung von" Weg" erweitert hat zu einem der wichtigsten Begriffe autochthoner chinesischer Philosophie und dann das allgemeine transzendente Weltprinzip meint. Die fruheste belegbare Zeichenform zeigt einen Kopf, symbolisiert durch Augen und Haare, eingerahmt wiederum von dem uns schon bekannten Bild fur "FuBspur" oder "Weg", der zu begehen ist, wobei das Symbol des Kopfes ein bewuBtes Voranschreiten anzu deuten scheint. Wahrend die Etymologie des deutschen Wortes "Kunst" einerseits das "Ver mogen" oder "Konnen", andererseits aber "Kenntnis" oder "Wissen" als Grund bedeutung zutage fordert4, fuhrt uns die Analyse des chinesischen Zeichens zu den latent mitschwingenden Vorstellungen von "Einpflanzen und Pflegen"5 und von "Sich vorwarts bewegen auf einem vorgezeichneten Weg". 1m Gegensatz zu der Personenbezogenheit des deutschen Begriffes scheinen die chinesischen Worte eher die Vorstellung einer von inn en nach auBen wirkenden Handlung auszudrucken. Weitere Termini fur "Kunst" konnen im Chinesischen auch aus einer Kombi nation der eben genannten Zeichen miteinander oder mit anderen gebildet werden wie zum Beispiel yishu ~{;ItJ oder die mod erne N euschopfung meishu ~{;ItJ , die wohl erst im fruhen 20. Jahrhundert in Anlehnung an das englische "Fine Arts" oder das deutsche "Schone Kunste" kreiert worden ist. 2 Ebda. Nr. 497; vgl. auch Needham 2, 230 (Nr. 79). 3 Ebda., Nr. 1048; vgl. auch Needham 2, 228 (Nr. 70). J. und W. Grimm: Deutsches Worterbuch, Nachdr., Miinchen 1984, 11,2666 -2684. 4 5 Ahnliches kann man von dem lateinischen Begriff "cultura" sagen. Den Hinweis darauf verdanke ich Dr. Ulrich Irion, Koln. Aspekte des tradition ellen chinesischen Kunstbegriffs 9 Feudale Kunstfertigkeiten und musische Kiinste Wie im Deutschen bis ins 18. Jahrhundert hinein fur den ubergeordneten Gesamtbegriff der Kunst im allgemeinen der Plural verwendet wurde (die KunsteY', so war auch das chinesische yi lange Zeit ein Sammclbegriff, vor all em in der Formulierung der liuyi t\i@ , der "Sechs Kunstfertigkeiten"7, deren Be herrschung als Ideal yom Adligen der Zhou-Zeit gcfordert wurde. Die Erzie hung cines spater in die Lenkung des Staates zu integrierenden Junglings aus adligem Geschlecht sollte zur Beherrschung folgender Kunstfertigkeiten fuhren: 1. Riten, d. h. Kenntnis der Regeln des Staats- und Sippenkults; 2. Musik, d. h. vor allem die strenge Kultmusik des konfuzianischen Zeremoniells; 3. Bogen schiegen; 4. Wagenlenken; 5. Schreiben und 6. Rechnen. Die Pflege dieser "Kunste" sollte den jungen Mann nicht nur zu einem vollgultigen Angehorigen der sozialen Elite des vorchristlichen chinesischen Feudalwesens machen, son dem auch zur "Bewahrung seines Herzens (oder Geistes)" (cunxin f[iL') dienen. Der Straug der Sechs Kunstfertigkeiten umfagt also neben martialischen und praktischen Fertigkeiten auch solehe mit kunstlerisch asthetischen Anspruchen, namlich Ritual und Musik, die zusammen spater das Ruckgrat konfuzianischer Kultpraxis ausmachen werden. Aber schon Konfuzius sclbst fordert in den von seinen Schulem aufgezeichneten Gesprachen (Lunyu) yom wahren Anhanger seiner Lehre, er solie versiert sein in der Dichtung, im besonderen des klassischen Buches der Lieder (Shi Jing), er solie sich fest eingerichtet haben in den Riten und sich vervollkommnen in der Musiks. Die zivilisatorische Bedeutung von Tatigkeiten mit kunstlerischem Anstrich wird also erkannt und als fur die Personlichkeit eines im Staatsleben aktiven Mannes fur wichtig herausgekehrt. 1m 9. Jahrhundert bindet Zhang Yanyuan in seinen Berichten uber beruhmte Maler aus allen Dynastien (Lidai minghua ji) auch die dann schon aus den Fesseln des Handwerks emanzipierte Malerei in diesen Straug mit ein, indem er sagt: "Die Malerei vervollkommnet die Lehren der Zivilisation und fordert die so zialen Beziehungen"9. Das Schreiben der anspruchsvollen, rhythmischen graphischen Gesetzen unterworfenen Schrift mit dem Haarpinsel, wie uberhaupt die Literatur als Ganzes und dabei insbesondere die Dichtung als gleichfalls " Ebda., 2682. Zu den Sechs Kunstfcrtigkeiten vgl. E. Biot: Le Tcheau-li au Rites des Tcheau, Paris 1851, 1,214 und 297 -299; auch O. Franke: Geschichte des chines. Reiches, Berlin - Leipzig 1930 ff. 1,307. , Lunyu 8,8; Legge 1, 211. Den gesamten F ragenkomplex behandclt auch Xu in seinem wichtigen Buch,4. 'i Acker (1954), 61; Goepper (1962), 34. 10 Roger Goepper rhythmischen und musikalisch tonalen Gesetzen entsprechend geformte Sprache, und schlie61ich die Musik waren mindestens schon seit der Han-Dynastie in den J ahrhunderten urn Christi Geburt wesentliche Aspekte der konfuzianischen Kultur. 1m Zeitraum zwischen dem spaten 3. und dem fruhen 6. Jahrhundert vollzog sich dann unter den sogenannten Siid-Dynastien eine ganz wesentliche Um schichtung der geistigen Akzente innerhalb der chines is chen Zivilisation. Neben den sich intern wandelnden Ideen des Konfuzianismus spielten hierbei vor allem die Mystik eines stark naturbezogenen Daoismus und schlie61ich die erst jetzt richtig im Denken der chines is chen Gentry FuB fassende Metaphysik des iiber Zentralasien aus Indien iibernommenen Buddhismus eine entscheidende Rolle. In dies em neuen geistigen Klima, das von intellektuellen Spitzfindigkeiten und spielerisch gehandhabtem Witz gekennzeichnet war, wandelten sich die alten konfuzianischen "Kunstfertigkeiten" zu in musischer Weise betriebenen Be schaftigungen einer hochgebildeten sozialen Elite, deren Angeharige entweder als Adlige oder Wiirdentrager im Staatsdienst standen oder in betonter Zuruck gezogenheit von allen affentlichen Verpflichtungen ganz ihren musischen Nei gungen franten, wobei sie sich auf die Pfrunden ihres Familienvermagens stiitzen konnten. Die beiden spateren Grundtypen des chinesischen Kiinstiers, einerseits des beamteten Literaten, der die Kiinste auf keinen Fall als Beruf, sondern als anspruchsvollen Zeitvertreib pflegt, und andererseits des am Rande oder sogar auBerhalb der Gesellschaft lebenden, aber von dieser durchaus akzeptierten Bohemiens, sind hier bereits angelegt. In diesem Milieu wandelten sich die alten Kunstfertigkeiten zu tatsachlich "freien" Kiinsten, die der pflege und dem Aus druck der individuellen Persanlichkeit des sie betreibenden Mannes dienten und in ganz wesentlichem Sinne in ihrer Ausiibung und den dabei entstandenen Werken ein Spiegel eben dieser Persanlichkeit sein sollten. Das Gebildetsein stand im Vordergrund. DaB sich die Kunst in China nicht aus dem Handwerk entwickelt hat wie im Abendland, ist eines ihrer grundsatzlichen Charakteri stiken. Aus diesem Grund fand auch die mit schwerer und schmutziger karper licher Arbeit verbundene Bildhauerei niemals Anerkennung als Kunst, wie in gewisser Weise iibrigens auch die Architektur. Zeitlich parallel mit der Emanzipation der Kunst entstand auch deren theore tische Fundierung in Texten, deren einmal gepragte Grundgedanken iiber Jahr hunderte hinweg, zum Teil bis in die Gegenwart herein, kanonische Giiltigkeit behielten und nur wenig Anderung erfuhren. 1m Laufe der Entwicklung bildete sich eine andere Gruppe von Kiinsten her aus, welche an die Stelle der liu yi trat. Die martialischen, mit karperlicher Tiichtigkeit verbundenen Fahigkeiten entfielen, ebenso das Rechnen und die den Bereich des Privaten sprengenden Riten, die ohnedies eher eine Angelegen- Aspekte des traditionellen chinesischen KunstbegriHs 11 heit der Gemeinschaft darstellten. Das bloBe Schreiben mit dem Pinsel mauserte sich zur Schreibkunst, die wir meistens mit dem eigentlich irrefiihrenden Namen "Kalligraphie" belegen. Die konfuzianische Ritualmusik wurde durch das solistische Spielen auf der Wolbbrettzither gin ~, dem klassischen Instrument des Gebildeten10, oder auf der Bambusflote ersetzt. Schon friih galt das Brettspiel, das bereits unter der Han-Dynastie kosmologische Implikationen hatte, in der m besonderen Form als Umzinglungs-Schach gi (das japanische go) als eine Kunstform mit hohen geistigen Anforderungen" . Als letzte kam schlieBlich die Malerei hinzu, die bald als Schwesterkunst der Pinselschrift galt. 1m Idealfall sollte der gebildete Literat aIle vier Kiinste umfassend beherrschen, allzu starke Spezialisierung auf blog eine von ihnen galt durchaus als Mangel. Fiir Malerei und Schriftkunst stellte die Benutzung der gleichen Instrumente und Materialien bereits cine Einheit auf technischem Gebiet her, die dann auch zu einer Parallelitat kiinstlerischer Ausdruckswerte fiihrte. Die wird schon im 9. Jahrhundert durch Zhang Yanyuan in seinem Buch hervorgehobenl2 und spater immer wieder aufgegriffen. Und bereits im friihen 6. Jahrhundert hatte Liu Xie gemeint, wer sich wirklich auf das Komponieren eines literarischen Werkes verstiinde, sei mit einem guten Schachspieler zu vergleichenll . Fiir die theoretische Fundierung der einzelnen Kiinste scheinen jedoch vor allem jene Gedanken anregend gewirkt zu haben, mit denen die Konfuzianer schon in Jahrhunderten vor unserer Zeitrechnung Wert und Funktion ihrer Kultmusik zu definieren gesucht hatten14 • Die Person des Kunstlers Das Herausgehobensein der Kiinste aus der Sphare des banal en Alltags spiegelt sich in der besonderen Eigenart des traditionellen chinesischen Kiinstlers. Wer eine kreative Tatigkeit als Beruf ausiibt, darf sich eigentlich nicht Kiinstler nen- Die Bedeutung der Wolbbrettzither im Leben des chinesischen Literaten ist vorzuglich geschildert 10 von R. H. van Gulik (1969). Die Bedeutung des Instruments in den verschiedcnen Kulturen Ost-und Sudostasiens ist neuerdings eingchend behandelt von St. Addis und Mitarbeitern in dem Ausstellungskatalog der China Institute Gallery von 1999. Die kosmologischen Hintergrunde des U mzinglungs-Schachs und andercr Brettspiele beschreibt 11 Needham 4,1,318 H. 12 Acker (1945),178. 13 Wenxin diaolong 9,44; Shih (1957), 231. Hieruber handelt K. de Woskin, in Bush-Murck (1983), 189. 14

See more

The list of books you might like

Most books are stored in the elastic cloud where traffic is expensive. For this reason, we have a limit on daily download.