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Aspekte der Algerischen Revolution PDF

152 Pages·1969·6.515 MB·German
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Frantz Fanon Aspekte der Algerischen Revolution Frantz Fanon wurde 1924 als Sohn eines Bauern in Martinique geboren. Er hat in Frankreich Medizin und Philosophie studiert und während des Krieges als Partisan gekämpft. 1953 ging er als Arzt nach Algerien und wurde zum Chefarzt der Psychi1trischen Klinik in Blida-Joinville ernannt. Drei Jahre später demissionierte er aus politischen Gründen. Von nun an arbeitete er für die Natio nale Befreiungsfront, zeitweilig als Botschafter der provisorischen algerischen Regierung in Accra. Im Dezember 1961 starb er in New York, am selben Tag, an dem sein Hauptwerk, Die Verdammten dieser Erde (dt. 1966), in Paris veröffentlicht wurde. Fanon untersucht in diesen Essays weniger die Ideen, die den alge rischen Befreiungskampf beflügelt haben, als vielmehr deren soziale Bedingungen. Er übersetzt den Aufstand der Algerier gegen den Kolonialismus nicht in eine allgemeine Theorie, sondern führt ihn auf seine Grundelemente und seinen Schauplatz zurüdc das Fa miliensystem, die gesellschaftliche Rolle der Frau, die Ver::nderun gen in den überlieferten Formen der zwischenmenschlichen Kom munikation. Indem er beschreibt, wie die Wirklichkeit aussah, gegen die die R·evolution sich gewendet hat, bestimmt er den Inhalt der Revolution: Befreiung von politischer Knechtschaft, von psy Suhrkamp Verlag chischer und physischer Unterdrückung. Frantz Fanon Aspekte der Algerischen Revolution Frantz Fanon wurde 1924 als Sohn eines Bauern in Martinique geboren. Er hat in Frankreich Medizin und Philosophie studiert und während des Krieges als Partisan gekämpft. 1953 ging er als Arzt nach Algerien und wurde zum Chefarzt der Psychi1trischen Klinik in Blida-Joinville ernannt. Drei Jahre später demissionierte er aus politischen Gründen. Von nun an arbeitete er für die Natio nale Befreiungsfront, zeitweilig als Botschafter der provisorischen algerischen Regierung in Accra. Im Dezember 1961 starb er in New York, am selben Tag, an dem sein Hauptwerk, Die Verdammten dieser Erde (dt. 1966), in Paris veröffentlicht wurde. Fanon untersucht in diesen Essays weniger die Ideen, die den alge rischen Befreiungskampf beflügelt haben, als vielmehr deren soziale Bedingungen. Er übersetzt den Aufstand der Algerier gegen den Kolonialismus nicht in eine allgemeine Theorie, sondern führt ihn auf seine Grundelemente und seinen Schauplatz zurüdc das Fa miliensystem, die gesellschaftliche Rolle der Frau, die Ver::nderun gen in den überlieferten Formen der zwischenmenschlichen Kom munikation. Indem er beschreibt, wie die Wirklichkeit aussah, gegen die die R·evolution sich gewendet hat, bestimmt er den Inhalt der Revolution: Befreiung von politischer Knechtschaft, von psy Suhrkamp Verlag chischer und physischer Unterdrückung. Titel der Originalausgabe Sociologic d'unc rh.,10/ution Inhalt Aus dem französischen übersetzt von Peter-Anton von Arnim Mit einem Nachwort versehen von Armin Schcil Vorwort 7 .l ,,, •• .-1_,• .... --- .. ----.... I. Algerien legt den Schleier ab 19 , U'••r - "" :. ..:.'./.:., .·:~.,~~,-,__~ ·c_\~f•'.~ Anhang 44 " Blfit., -· . _-,,') ') ( ____ II. »Hier ist die Stimme Algeriens« 49 ,, li:1··· h'·•: ·!!'"''• . -...._,_ ...,._ ,.,, L...,_j\. ...'._". J ,,..-., ,~.,/ / III. Die algerische Familie 68 Der Sohn imd der ¼ter 70 Die Tochter und der ¼ter 72 Die Brüder 76 Das Ehepaar 77 Die Heirat und die Scheidung 78 Die weibliche Gesellschaft 79 Das zersprengte Algerien 81 IV. Kolonialismus und Medizin 83 Das algerische Beispiel 8 3 Die Konsultation 86 Die ärztliche Betreuung, die Krankenpflege und die »Doppelherrschaft« 87 Der einheimische Arzt und der Kolonisierte 89 Der europäische Arzt während des Befreiungskampfes 91 V. Die europäische Minderheit in Algerien 97 edirion suhrkamp 337 Die Juden 101 r.-10. Tausend 1969 Die algerischen Siedler © by Frarn;ois Maspero, Paris 1966. © der deutschen Ausgabe: Suhr 105 kamp Verlag, Frankfurt am Main 1969. Deutsche Erstausgabe. Prinred in Die Europäer in den Städten 106 Germany. Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vor trags und der Übertragung durd1 Rundfunk oder Fernsehen, auch einzel VI. Anhang r 109 ner Teile. Satz, in Linotype Garamond, Druck und Bindung bei Georg Wagner, Nördlingen. Gesamtausstattung Willy Fleckhaus. VII. Anhang 2 122 Titel der Originalausgabe Sociologic d'unc rh.,10/ution Inhalt Aus dem französischen übersetzt von Peter-Anton von Arnim Mit einem Nachwort versehen von Armin Schcil Vorwort 7 .l ,,, •• .-1_,• .... --- .. ----.... I. Algerien legt den Schleier ab 19 , U'••r - "" :. ..:.'./.:., .·:~.,~~,-,__~ ·c_\~f•'.~ Anhang 44 " Blfit., -· . _-,,') ') ( ____ II. »Hier ist die Stimme Algeriens« 49 ,, li:1··· h'·•: ·!!'"''• . -...._,_ ...,._ ,.,, L...,_j\. ...'._". J ,,..-., ,~.,/ / III. Die algerische Familie 68 Der Sohn imd der ¼ter 70 Die Tochter und der ¼ter 72 Die Brüder 76 Das Ehepaar 77 Die Heirat und die Scheidung 78 Die weibliche Gesellschaft 79 Das zersprengte Algerien 81 IV. Kolonialismus und Medizin 83 Das algerische Beispiel 8 3 Die Konsultation 86 Die ärztliche Betreuung, die Krankenpflege und die »Doppelherrschaft« 87 Der einheimische Arzt und der Kolonisierte 89 Der europäische Arzt während des Befreiungskampfes 91 V. Die europäische Minderheit in Algerien 97 edirion suhrkamp 337 Die Juden 101 r.-10. Tausend 1969 Die algerischen Siedler © by Frarn;ois Maspero, Paris 1966. © der deutschen Ausgabe: Suhr 105 kamp Verlag, Frankfurt am Main 1969. Deutsche Erstausgabe. Prinred in Die Europäer in den Städten 106 Germany. Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vor trags und der Übertragung durd1 Rundfunk oder Fernsehen, auch einzel VI. Anhang r 109 ner Teile. Satz, in Linotype Garamond, Druck und Bindung bei Georg Wagner, Nördlingen. Gesamtausstattung Willy Fleckhaus. VII. Anhang 2 122 VIII. Schluß r25 Vorwort Nachwort Armin Scheil, Eine gescheiterte Revolution r29 Erläuterungen r 4 5 Der Algerienkrieg tritt bald in sein sechstes Jahr ein. Nie mand von uns noch sonst jemand in der Welt hat im No vember r954 ahnen können, daß es sechzig Monate dauern würde, bis der französische Kolonialismus seine Umklamme rung zu lockern beginnt und die Stimme des algerischen Vol kes hörbar werden läßt. Nach fünf Jahren des Kampfes ist keine politische Knderung abzusehen. Die verantwortlichen Politiker Frankreichs ver künden weiterhin das französische Algerien. Dieser Krieg hat das ganze Volk mobilisiert und gezwun gen, seine verborgenen Energien konzentriert einzusetzen. Algerien hat sich keine Atempause gegönnt, denn der Kolo nialismus hat ihm dazu keine Zeit gelassen. Die Gegner der Algerischen Revolution behaupten, daß sie blutrünstig sei. Die Demokraten dagegen, deren Sympathien sie einst besaß, halten ihr vor, daß sie Fehler begangen hat. Es ist tatsächlich vorgekommen, daß algerische Bürger gegen die Anordnungen der führenden Organe verstoßen haben und daß sich Dinge ereignet ,haben, die hätten vermieden werden müssen. Fast immer betrafen sie übrigens algerische Mitbürger. Aber was hat die Revolution wirklich getan? Ist sie vor ihrer Verantwortung zurückgewichen? Hat sie nicht jene Handlun gen bestraft, die die Wahrheit unseres Kampfes zu verfälschen drohten? Hat nicht Ferhat Abbas, der Präsident der Proviso rischen Regierung, öffentlich die Maßnahmen erläutert, die von der Führung der Revolution getroffen wurden, um über griffe zu verhindern? Gleichwohl: Wer könnte nicht jene plötzlichen Ausbrüche der Gewalt gegen die Verräter und Kriegsverbrecher verstehen? Die M,änner, die am Kampf der Ersten Französischen Armee teilgenommen haben, bewahrten 7 VIII. Schluß r25 Vorwort Nachwort Armin Scheil, Eine gescheiterte Revolution r29 Erläuterungen r 4 5 Der Algerienkrieg tritt bald in sein sechstes Jahr ein. Nie mand von uns noch sonst jemand in der Welt hat im No vember r954 ahnen können, daß es sechzig Monate dauern würde, bis der französische Kolonialismus seine Umklamme rung zu lockern beginnt und die Stimme des algerischen Vol kes hörbar werden läßt. Nach fünf Jahren des Kampfes ist keine politische Knderung abzusehen. Die verantwortlichen Politiker Frankreichs ver künden weiterhin das französische Algerien. Dieser Krieg hat das ganze Volk mobilisiert und gezwun gen, seine verborgenen Energien konzentriert einzusetzen. Algerien hat sich keine Atempause gegönnt, denn der Kolo nialismus hat ihm dazu keine Zeit gelassen. Die Gegner der Algerischen Revolution behaupten, daß sie blutrünstig sei. Die Demokraten dagegen, deren Sympathien sie einst besaß, halten ihr vor, daß sie Fehler begangen hat. Es ist tatsächlich vorgekommen, daß algerische Bürger gegen die Anordnungen der führenden Organe verstoßen haben und daß sich Dinge ereignet ,haben, die hätten vermieden werden müssen. Fast immer betrafen sie übrigens algerische Mitbürger. Aber was hat die Revolution wirklich getan? Ist sie vor ihrer Verantwortung zurückgewichen? Hat sie nicht jene Handlun gen bestraft, die die Wahrheit unseres Kampfes zu verfälschen drohten? Hat nicht Ferhat Abbas, der Präsident der Proviso rischen Regierung, öffentlich die Maßnahmen erläutert, die von der Führung der Revolution getroffen wurden, um über griffe zu verhindern? Gleichwohl: Wer könnte nicht jene plötzlichen Ausbrüche der Gewalt gegen die Verräter und Kriegsverbrecher verstehen? Die M,änner, die am Kampf der Ersten Französischen Armee teilgenommen haben, bewahrten 7 monatelang den Abscheu gegenüber jenen Rächern der letzten der Absicht, unsere Sache zu verleumden, Bilder veröffent Stunde, die ihre Waffen auf die Kollaborateure entluden. licht. Manche der Fotos zeigen Vorfälle, für die Mitglieder Diejenigen, die am Kampf auf Elba, am Feldzug in Italien unserer Revolution verantwortlich sind. Andere Fotos doku und an der Landung in Toulon teilgenommen haben, waren mentieren einige der ungezählten Verbrechen, deren sich Bel empört über diese brudermörderischen Abrechnungen, die un lounis und die von der französischen Armee bewaffneten gesetzlich und oft in schändlicher Weise vorgenommen wur Harkis schuldig gemacht haben. Schließlich und vor allem den. Uns ist jedoch keine Verurteilung von Kämpfern aus dem gibt es Zehntausende von Algeriern und Algerierinnen, die Maquis bekanntgeworden, die summarische Hinrichtungen den französischen Truppen zum Opfer gefallen sind. Nein, es oder Folterungen an unbewaffneten Zivilpersonen durchge ist nicht wahr, daß die Revolution ebenso weit gegangen sei führt hätten. wie der Kolonialismus. Doch wir rechtfertigen deshalb nicht die spontanen Reaktionen unserer Landsleute. Wir verstehen Die Nationale Befreiungsfront ist nicht müde geworden, in sie, aber wir können sie weder entschuldigen noch verwerfen. den Augenblicken, in denen das Volk den härtesten Schlägen Weil wir ein demokratisches und erneuertes Algerien wollen; des Kolonialismus ausgesetzt war, einige Aktionsformen zu weil wir der Meinung sind, daß man nicht in einem Bereich ächten und die kämpfenden Einheiten an die Kriegsgesetze sich erheben und befreien kann und sich zugleich in einem und das Völkerrecht zu erinnern. In einem Befreiungskrieg anderen gehenlassen darf, verurteilen wir jene, die sich in die muß das kolonisierte Volk siegen; aber es soll die Barbarei, revolutionäre Aktion mit der fast physiologischen Brutalität gegen die es aufgestanden ist, nicht mit Barbarei beantworten. gestürzt haben, die aus einer Jahrhunderte währenden Un Die Unterdrückten sollen, so heißt es, Fairneß üben, während terdrückung gespeist wird. ihr Gegner ruhigen Gewissens auf die Erprobung neuer Mit Die Leute, die uns kritisieren oder uns die Randerscheinungen tel der Schreckensherrschaft ausgeht. der Revolution vorhalten, verkennen den grauenvollen Kon Noch in der Gewalt seines Kampfes, so verlangt man, soll das flikt, in dem sich ein Funktionär befindet, welcher gegen einen geknechtete Volk beweisen, daß es sich selbst völlig in der Landsmann vorgehen muß, der sich schuldig gemacht hat, Gewalt hat. Dies alles auf einmal zu erfüllen ist ziemlich beispielsweise ohne Befehl einen Verräter oder, was schlimmer schwierig. ist, eine Frau, gar ein Kind getötet hat. Dieser Mann, über Vor genau sechs Monaten sind in der Gegend von Mascara den ohne geschriebenes Gesetz gerichtet werden muß - allein mehr als dreißig Kämpfer, die man eingekreist hatte und aufgrund des Bewußtseins, das jeder hat von dem, was getan denen die Munition ausgegangen war, gefangengenommen und werden und was verboten bleiben muß -, ist kein Neuling in vor dem Dorf erschossen worden. Am selben Tag ließ ein der Kampfgruppe. Er hat Monate hindurch unbestreitbare Be algerischer Arzt in einem anderen Gebiet eine Abordnung an weise von Selbstverleugnung, von Patriotismus, von Mut die Grenze schicken, damit sie ohne Aufschub Medikamente erbracht. Ober ihn muß jedoch gerichtet werden. Der verant beschaffte, die zur Rettung eines kranken französischen Ge wortliche Funktionär, der örtliche Vertreter des Führungs fangenen unbedingt erforderlich waren; auf diesem Boten organs, muß sich an die Richtlinien halten. Er muß der An gang wurden zwei algerische Kämpfer getötet. kläger sein, wenn die anderen Mitglieder der Einheit es nicht Die französischen Minister Lacoste und Soustelle haben in auf sich nehmen wollen, den Beschuldigten vor dem Revolu- 8 9 monatelang den Abscheu gegenüber jenen Rächern der letzten der Absicht, unsere Sache zu verleumden, Bilder veröffent Stunde, die ihre Waffen auf die Kollaborateure entluden. licht. Manche der Fotos zeigen Vorfälle, für die Mitglieder Diejenigen, die am Kampf auf Elba, am Feldzug in Italien unserer Revolution verantwortlich sind. Andere Fotos doku und an der Landung in Toulon teilgenommen haben, waren mentieren einige der ungezählten Verbrechen, deren sich Bel empört über diese brudermörderischen Abrechnungen, die un lounis und die von der französischen Armee bewaffneten gesetzlich und oft in schändlicher Weise vorgenommen wur Harkis schuldig gemacht haben. Schließlich und vor allem den. Uns ist jedoch keine Verurteilung von Kämpfern aus dem gibt es Zehntausende von Algeriern und Algerierinnen, die Maquis bekanntgeworden, die summarische Hinrichtungen den französischen Truppen zum Opfer gefallen sind. Nein, es oder Folterungen an unbewaffneten Zivilpersonen durchge ist nicht wahr, daß die Revolution ebenso weit gegangen sei führt hätten. wie der Kolonialismus. Doch wir rechtfertigen deshalb nicht die spontanen Reaktionen unserer Landsleute. Wir verstehen Die Nationale Befreiungsfront ist nicht müde geworden, in sie, aber wir können sie weder entschuldigen noch verwerfen. den Augenblicken, in denen das Volk den härtesten Schlägen Weil wir ein demokratisches und erneuertes Algerien wollen; des Kolonialismus ausgesetzt war, einige Aktionsformen zu weil wir der Meinung sind, daß man nicht in einem Bereich ächten und die kämpfenden Einheiten an die Kriegsgesetze sich erheben und befreien kann und sich zugleich in einem und das Völkerrecht zu erinnern. In einem Befreiungskrieg anderen gehenlassen darf, verurteilen wir jene, die sich in die muß das kolonisierte Volk siegen; aber es soll die Barbarei, revolutionäre Aktion mit der fast physiologischen Brutalität gegen die es aufgestanden ist, nicht mit Barbarei beantworten. gestürzt haben, die aus einer Jahrhunderte währenden Un Die Unterdrückten sollen, so heißt es, Fairneß üben, während terdrückung gespeist wird. ihr Gegner ruhigen Gewissens auf die Erprobung neuer Mit Die Leute, die uns kritisieren oder uns die Randerscheinungen tel der Schreckensherrschaft ausgeht. der Revolution vorhalten, verkennen den grauenvollen Kon Noch in der Gewalt seines Kampfes, so verlangt man, soll das flikt, in dem sich ein Funktionär befindet, welcher gegen einen geknechtete Volk beweisen, daß es sich selbst völlig in der Landsmann vorgehen muß, der sich schuldig gemacht hat, Gewalt hat. Dies alles auf einmal zu erfüllen ist ziemlich beispielsweise ohne Befehl einen Verräter oder, was schlimmer schwierig. ist, eine Frau, gar ein Kind getötet hat. Dieser Mann, über Vor genau sechs Monaten sind in der Gegend von Mascara den ohne geschriebenes Gesetz gerichtet werden muß - allein mehr als dreißig Kämpfer, die man eingekreist hatte und aufgrund des Bewußtseins, das jeder hat von dem, was getan denen die Munition ausgegangen war, gefangengenommen und werden und was verboten bleiben muß -, ist kein Neuling in vor dem Dorf erschossen worden. Am selben Tag ließ ein der Kampfgruppe. Er hat Monate hindurch unbestreitbare Be algerischer Arzt in einem anderen Gebiet eine Abordnung an weise von Selbstverleugnung, von Patriotismus, von Mut die Grenze schicken, damit sie ohne Aufschub Medikamente erbracht. Ober ihn muß jedoch gerichtet werden. Der verant beschaffte, die zur Rettung eines kranken französischen Ge wortliche Funktionär, der örtliche Vertreter des Führungs fangenen unbedingt erforderlich waren; auf diesem Boten organs, muß sich an die Richtlinien halten. Er muß der An gang wurden zwei algerische Kämpfer getötet. kläger sein, wenn die anderen Mitglieder der Einheit es nicht Die französischen Minister Lacoste und Soustelle haben in auf sich nehmen wollen, den Beschuldigten vor dem Revolu- 8 9 tionsgericht anzuklagen. - Es ist nicht leicht, mit einem Mini stehen, die Sorge, Hunderttausende von Opfern nicht billig mum von Fällen des Versagens den Kampf eines hundert zu verkaufen. Und auch die Ausmaße des Konflikts, die dreißig Jahre lang geknebelten Volkes zu führen, und zwar Freundschaften und die Solidarität, die Interessen und die gegen einen so entschlossenen und so grausamen Feind wie Widersprüche des kolonialen Herrschaftssystems werden sehr den französischen Kolonialismus. genau eingeschätzt. »Ein Gewehr zu besitzen und Mitglied Frau Christiana Lilliestierna, eine schwedische Journalistin, der Nationalen Befreiungsarmee zu sein ist die einzige hat sich in einem Lager mit einigen der Tausende algerischer Chance, die dem Algerier bleibt, um seinem Tod einen Sinn Flüchtlinge unterhalten. Hier ein Auszug aus ihrem Bericht: zu geben. Das Leben unter der Kolonialherrschaft hat seit »Der nächste in der Reihe ist ein siebenjähriger Junge. Er ist langem keine Bedeutung mehr.« Solche und ähnliche Erklä von tiefen Wunden gezeichnet, die ihm durch einen Draht rungen der algerischen Regierung drücken nicht Überheblich zugefügt worden sind. Mit diesem Draht war er festgebunden keit oder »Durchhaltemoral« aus; sie formulieren einen Sach worden, als französische Soldaten seine Eltern und seine verhalt. Schwestern mißhandelten und umbrachten. Ein Leutnant Die Lage in Algerien, soweit sie das algerische Volk betrifft, hatte ihm mit Gewalt die Augen offengehalten, damit er es ist unumstößlich. Darüber ist sich sogar der französische Kolo sieht und sich noch lange daran erinnert. Dieses Kind wurde nialismus im klaren, der heute blindwütig versucht, mit der von seinem Großvater fünf Tage und fünf Nächte getragen, geschichtlichen Bewegung Schritt zu halten. In der französi bevor sie das Lager erreichten. Das Kind sagt: ,Ich habe nur schen Nationalversammlung sitzen achtzig algerische Abge einen Wunsch, einen französischen Soldaten in Stiicke zu ordnete; aber das hat keinerlei Bedeutung mehr. schneiden, in ganz kleine Stücke.«< Die Einheitsschule ist von den Ultras der Kolonialherrschaft Glaubt man wohl, daß es leicht sein wird, dieses Kind dazu akzeptiert worden; aber im Jahre r 9 59 erscheint das lächer zu bringen, seine Verletztheit zu vergessen? Wird diesem lich, wenn man bedenkt, welchen Härtegrad das algerische Kind, das in einer Atmosphäre des Weltuntergangs aufwächst, Nationalbewußtsein erreicht hat. Wendet euch an irgendeine die französische Demokratie als einzige Botschaft die Ermor Frau oder irgendeinen Mann, wo auch immer in der Welt, dung seiner Eltern hinterlassen? und fragt, ob das algerische Volk sich nicht längst das Recht Niemand hat vermutet, daß Frankreich fünf Jahre lang Fuß erworben habe, unabhängig zu sein. Abgesehen von jenen breit um Fußbreit seinen schamlosen Kolonialismus verteidi Franzosen, die ihr Land in dieses schreckliche Abenteuer hin gen würde, der auf diesem Kontinent das Gegenstück zu je eingezogen haben, gibt es im Jahre r 9 59 niemanden, der nicht nem Südafrikas bildet. Man erwartete auch nicht, daß das das Ende der Schlächterei und die Anerkennung der algeri algerische Volk sich mit solcher Entschlossenheit in der Ge schen Nation wünschte. schichte seinen Platz schaffen würde. Aber noch ist keine Lösung abzusehen, und wir wissen, daß Deshalb sollte man sich besser alle Illusionen aus dem Kopf die französische Armee für die kommenden Monate eine schlagen. Die nachrückenden Generationen sind weder nach Reihe von Offensiven vorbereitet. Der Krieg geht weiter. giebiger noch müder als diejenigen, die den Kampf aufgenom Die Menschen haben daher ein Recht, nach den Gründen men haben. Da ist im Gegenteil eine Verbissenheit festzustel dieser Hartnäckigkeit zu fragen. Man hat die Pflicht, die len, ein Wille, auf der Höhe der »geschichtlichen Aufgabe« zu Verbissenheit in den Krieg zu begreifen. Wir wollen in dieser IO II tionsgericht anzuklagen. - Es ist nicht leicht, mit einem Mini stehen, die Sorge, Hunderttausende von Opfern nicht billig mum von Fällen des Versagens den Kampf eines hundert zu verkaufen. Und auch die Ausmaße des Konflikts, die dreißig Jahre lang geknebelten Volkes zu führen, und zwar Freundschaften und die Solidarität, die Interessen und die gegen einen so entschlossenen und so grausamen Feind wie Widersprüche des kolonialen Herrschaftssystems werden sehr den französischen Kolonialismus. genau eingeschätzt. »Ein Gewehr zu besitzen und Mitglied Frau Christiana Lilliestierna, eine schwedische Journalistin, der Nationalen Befreiungsarmee zu sein ist die einzige hat sich in einem Lager mit einigen der Tausende algerischer Chance, die dem Algerier bleibt, um seinem Tod einen Sinn Flüchtlinge unterhalten. Hier ein Auszug aus ihrem Bericht: zu geben. Das Leben unter der Kolonialherrschaft hat seit »Der nächste in der Reihe ist ein siebenjähriger Junge. Er ist langem keine Bedeutung mehr.« Solche und ähnliche Erklä von tiefen Wunden gezeichnet, die ihm durch einen Draht rungen der algerischen Regierung drücken nicht Überheblich zugefügt worden sind. Mit diesem Draht war er festgebunden keit oder »Durchhaltemoral« aus; sie formulieren einen Sach worden, als französische Soldaten seine Eltern und seine verhalt. Schwestern mißhandelten und umbrachten. Ein Leutnant Die Lage in Algerien, soweit sie das algerische Volk betrifft, hatte ihm mit Gewalt die Augen offengehalten, damit er es ist unumstößlich. Darüber ist sich sogar der französische Kolo sieht und sich noch lange daran erinnert. Dieses Kind wurde nialismus im klaren, der heute blindwütig versucht, mit der von seinem Großvater fünf Tage und fünf Nächte getragen, geschichtlichen Bewegung Schritt zu halten. In der französi bevor sie das Lager erreichten. Das Kind sagt: ,Ich habe nur schen Nationalversammlung sitzen achtzig algerische Abge einen Wunsch, einen französischen Soldaten in Stiicke zu ordnete; aber das hat keinerlei Bedeutung mehr. schneiden, in ganz kleine Stücke.«< Die Einheitsschule ist von den Ultras der Kolonialherrschaft Glaubt man wohl, daß es leicht sein wird, dieses Kind dazu akzeptiert worden; aber im Jahre r 9 59 erscheint das lächer zu bringen, seine Verletztheit zu vergessen? Wird diesem lich, wenn man bedenkt, welchen Härtegrad das algerische Kind, das in einer Atmosphäre des Weltuntergangs aufwächst, Nationalbewußtsein erreicht hat. Wendet euch an irgendeine die französische Demokratie als einzige Botschaft die Ermor Frau oder irgendeinen Mann, wo auch immer in der Welt, dung seiner Eltern hinterlassen? und fragt, ob das algerische Volk sich nicht längst das Recht Niemand hat vermutet, daß Frankreich fünf Jahre lang Fuß erworben habe, unabhängig zu sein. Abgesehen von jenen breit um Fußbreit seinen schamlosen Kolonialismus verteidi Franzosen, die ihr Land in dieses schreckliche Abenteuer hin gen würde, der auf diesem Kontinent das Gegenstück zu je eingezogen haben, gibt es im Jahre r 9 59 niemanden, der nicht nem Südafrikas bildet. Man erwartete auch nicht, daß das das Ende der Schlächterei und die Anerkennung der algeri algerische Volk sich mit solcher Entschlossenheit in der Ge schen Nation wünschte. schichte seinen Platz schaffen würde. Aber noch ist keine Lösung abzusehen, und wir wissen, daß Deshalb sollte man sich besser alle Illusionen aus dem Kopf die französische Armee für die kommenden Monate eine schlagen. Die nachrückenden Generationen sind weder nach Reihe von Offensiven vorbereitet. Der Krieg geht weiter. giebiger noch müder als diejenigen, die den Kampf aufgenom Die Menschen haben daher ein Recht, nach den Gründen men haben. Da ist im Gegenteil eine Verbissenheit festzustel dieser Hartnäckigkeit zu fragen. Man hat die Pflicht, die len, ein Wille, auf der Höhe der »geschichtlichen Aufgabe« zu Verbissenheit in den Krieg zu begreifen. Wir wollen in dieser IO II

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