Asbest und Lunge Herrn Professor Dr. Ernst Rain, dem Nestor der klinischen Asbestforschung, in Verehrung und Dankbarkeit gewidmet N. Konietzko, H. Teschler Asbest und Lunge i Steinkopff Verlag Darmstadt Anschrift der Autoren: Prof. Dr. N. Konietzko Dr. H. Thschler Ruhrlandklinik Zentrum fur Pneumologie und Thoraxchirurgie Abteilung fur Pneumologie U niversitiitsklinik Tiischener Weg 40 4300 Essen 16 Die Abbildung auf der Titelseite - elektronenmikroskopische Darstellung von Asbestfaser und Makrophagen - verdanken wir Herrn Prof. Dr. K. Morgenroth, Pathologisches Institut, Ruhr-Universitiit Bochum Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme KoDietzko, Nikolaus: Asbest und Lunge/N. Konietzko; H. Thschler. - Darmstadt: Steinkopff, 1992 ISBN-13: 978-3-642-85670-9 e-ISBN-13: 978-3-642-85669-3 DOl: 10.1007/978-3-642-85669-3 NE: Thschler, Helmut: Dieses Werk ist urheberrechtlich geschUtzt. Die dadurch begrUndeten Rechte, insbesondere die der O"ber setzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Thbellen, der Funksendung, der Mikroverfllmung oder der Vervielfiiltigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbei tungsaniagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiset Vetwertung, vorbehalten. Eine Vervielfiiltigung dieses Werkes oder von Thilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzIichen Bestim mungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1985 in der jeweils geltenden Fassung zul11ssig. Sie ist grundslltzlich vergiltungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Copyright © 1992 by Dr. Dietrich Steinkopff Verlag, GmbH & Co. KG, Darmstadt Softcover reprint of the hardcover 1st edition 1992 Verlagsredaktion: Sabine MUlIer - Herstellung: ~einz J. Schiifer Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berech tigt auch ohne besondere Kennzeichnung Dicht zu der Annahme, daB solche Namen im Sinne der Warenzeichen-und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wiiren und daher von jedermann benutzt werden dUrften. Satzherstellung: K +V Fotosatz GmbH, Beerfelden Gedruckt auf sllurefreiem Papier Vorwort Das Asbestproblem kommt nicht aus den Schlagzeilen: "Panik unter den Theaterleuten am Munchener Residenztheater: Erschreckend hohe Werte an Asbestfasern", "Palast der Republik geschlossen wegen Asbestkontamination", "Die erste Premiere des Jahres, die TI-ojanerinnen von Euripides, des asbestverseuchten KOlner Schauspielhauses findet in ei nem ZeIt vor dem Theater statt", "10000 Asbesttote jlihrlich allein in der Bundesrepublik Deutschland, 'Thndenz steigend" ... SchlieBung von Schulen, Thrnhallen, Krankenhau sern, Offentlichen GeMuden wegen Asbestgefl1hrdung, 20 bis 30 Milliarden Deutsche Mark als langfristige Kosten fOr die Asbestsanierung, in den USA gar bis zu 150 Milliar den Dollar, bald mehr Asbestopfer als Verkehrstote? ... Was steckt hinter diesen Schlag zeilen? Was darf man glauben? Was ist Sensationsgier, was Hysterie? Was echte Sorge? Ober viele Jahrhunderte galt Asbest als "Zaubermineral", KOnigen und Priestern vor behaIten. Auch als zu Beginn dieses Jahrhunderts der Luxusartikel der Alten zum tI1gli chen Rohstoff der tausend MOglichkeiten fUr die moderne Industriegesellschaft wurde, blieb sein Ruf als nicht brennbarer, korrosionsfester und dehnungsfester Werkstoff unta delig. 200000 Thnnen Asbest wurden allein in der "alten" Bundesrepublik Deutschland Mitte der 70er Jahre auf der HOhe des "Asbestbooms" verarbeitet. Erst unter dem Ein druck der krebsverursachenden Eigenschaften von Asbest wurde der Verbrauch durch Einsatz von Ersatzstoffen drastisch gesenkt, er lag zu Beginn der 90er Jahre unter 30000 Tonnen und solI bis Mitte der 90er Jahre auf cine geringe Restmenge schrumpfen. Die Zahl der beruflich AsbesteXpbtrlerten in "der-Bundesrepublik Deutschland wird auf 840000 Menschen minimal (Bundesarbeitsministerium), 4000000 maximal (Deutscher Gewerkschaftsbund) geschatzt. Hintu kommt das Millionenheer der Kontaktpersonen und Hobbyhandwerker, die in irgendeiner Form, wenn auch in weit geringerem Umfang, Asbest eingeatmet haben oder noch einatmen. Sind sie alle als potentielle Opfer dieser tuckischen Faser anzusehen? So sicher feststeht, daB Asbest als Feuerschutz viele Thusende von Menschenleben ge rettet hat, so unumstritten ist die traurige Thtsache, daB er tausenden von Menschen das Leben gekostet hat. Dies gilt fur die beruflich Asbestexponierten in der Vergangenheit, leider aber auch fOr die absehbare Zukunft: So wird sich, bedingt durch die lange Latenz zeit zwischen Exposition und Manifestation, die Zahl der Asbestopfer in den kommen den Jahren erhOhen, in der ersten Dekade des neuen Jahrtausends sogar vervielfachen. Beklagenswert ist nicht nur diese unablinderliche Konsequenz eines bis vor wenigen Jah ren noch leichtfertigen Umgangs mit dem krebserzeugenden Mineral, beklagenswert ist auch die groBe Latenzzeit, die zwischen wissenschaftlicher Erkenntnis der Zusammen hlinge und Umsetzung in die Realitl1t, insbesondere in das Arbeitsschutz-und das Berufs krankheitenrecht besteht. So eindeutig die Zusammenhange zwischen Arbeitswelt und Krankheit bei Asbest sind, so vage sind sie fOr die Umweltbelastung durch Asbestfasern. Hier gibt es mehr un beantwortete Fragen als naturwissenschaftlich begrtlndete Antworten: Garantiert die vom Bundesgesundheitsamt maximal tolerierte Konzentration von 1000 Asbestfasern pro v Kubikmeter Luft Sicherheit vor asbestinduzierten Thmoren? 1st die uber 250mal groBere Richtkonzentration fUr das Arbeitsleben tatsiichlich nicht fibrogen? Lassen sich Dosis Wirkungs-Beziehungen aus dem Arbeitsleben mit ihren weit hoheren Konzentrationen auf die Niedrigdosen der Umweltbelastung extrapolieren? Sind Nicht-Asbestfasem, die als Substitute heute weite Anwendung finden, unschiidlich? Verursacht die Asbestentsor gung nicht mehr Probleme als sie lost; schafft sie gar, zum Beispiel bei den Entsorgem, neue Asbestopfer? Lenkt die "Asbesthysterie" nicht von den realen Risiken ab und sollten unsere begrenzten Mittel nicht besser genutzt werden, etwa fur Raucherentwohnungs kampagnen, die einen viel hoheren Nutzen Mtten? 1st Asbestsanierung angesichts der ge waltigen Umweltprobleme im Osten unseres Landes und Europas noch ein Thema? Fra gen, die teilweise uber den Horziont der Medizin und den Rahmen dieses Buches hinaus gehen. Angesichts der vielen ungelosten Probleme und der zahlreichen irrationalen Spekula tionen schien es den Autoren an der Zeit, die gesicherten Fakten zum Thema "Asbest und Lunge" aus mztlicher Sicht zusammenzutragen und damit der mztlichen Offentlichkeit, vielleicht auch dem Nicht-Mediziner unter den Lesem die Moglichkeit zu geben, sich sei ne Meinung zu bilden und anstehende Entscheidungen auf einer rationalen Ebene zu ftil len. Die TIiebfeder fur die jahrelange BescMftigung mit dem Asbestproblem war die tiig liche Konfrontation mit den Asbestopfem in der Klinik. Bei vielen von ihnen war unsere iirztliche Kunst vergebens, Mufig beschriinkt auf palliative Schmerztherapie und Sicher stellung der Rentenversorgung. Hilfreich und stimulierend waren beim Entstehen dieses Buches Gespriiche und Dis kussionen mit Kollegen aus anderen Disziplinen, insbesondere aus der Pathologie mit den Herren Professoren Hartung, Morgenroth, Muller und Otto und aus der Arbeitsme dizin mit den Herren Professoren Bruch, Friedrichs und Woitowitz. Als stimulierend er wies sich auch das Gespriich mit den Kollegen der Radiologie, hier sei pars pro toto Herr Dr. Beume, der auch viele Abbildungen zu dem Buch beigetragen hat, bedankt. Auch mit dem Problem konfrontierte Pneumologen haben das Werk befruchtet, allen voran Herr Professor Hain aus Hamburg. In der tiiglichen klinischen Arbeit und beim Zusammen tragen des Lehrmaterials haben Mitarbeiter der Klinik vieles beigetragen, vor allem die Kollegen Dams, von Kirchbach, Thkolf und Costabel sowie Frau Thschler und Herr Leien decker, die treffliches Bildmaterial beisteuerten. Frau Schlenkert hat mit groBer Geduld und Akkuratesse wieder und wieder die Thxte geschrieben. Allen Genannten und Unge nannten gilt der Dank der Autoren. Besonderer Dank gebuhrt dem Verlag, allen voran Frau Sabine MUller, die als Lektorin mit groBer Sympathie und noch viel groBerer Geduld das Werden dieses Opus begleitet hat. Essen, im Frtihjahr 1992 N. Konietzko und H. Thschler VI Inhaltsverzeichnis v Vorwort .............................................................. 1 Allgemeine Vorbemerkungen ..................................... . 1 1.1 Geschichtliche Einfiihrung ....................................... . 1 1.2 Mineralogie .................................................... . 2 1.3 Produktion .................................................... . 3 1.4 Exposition ..................................................... . 5 1.5 Schicksal der Asbestfaser in der Lunge ............................ . 10 1.5.1 Nachweis von Asbest in der Lunge ................................ . 12 1.5.2 Quantifizierung der Asbestkorperchen und -fasern im Lungengewebe .. . 13 1.6 Pathogenese ................................................... . 15 Literatur ...................................................... . 17 2 Lungenasbestose ................................................ . 20 2.1 Definition ..................................................... . 20 2.2 Epidemiologie .................................................. . 20 2.3 Pathologie ..................................................... . 23 2.4 Pathogenese ................................................... . 26 2.5 Klinik ......................................................... . 27 2.5.1 Anamnese ..................................................... . 28 2.5.2 Untersuchungsbefund ........................................... . 30 2.5.3 Bildgebende Verfahren .......................................... . 31 2.5.4 Lungenfunktion ................................................ . 40 2.5.5 Laborbefunde .................................................. . 47 2.5.6 Endoskopisch-bioptische Verfahren ................................ . 47 2.6 Differentialdiagnose ............................................. . 53 2.7 Verlauf und Prognose ........................................... . 53 2.8 Therapie ...................................................... . 55 2.9 Pravention ..................................................... . 55 2.10 Begutachtung .................................................. . 56 2.11 Sonderformen der Lungenasbestose ............................... . 57 Zusammenfassung .............................................. . 59 Literatur ...................................................... . 60 3 Bronchialkarzinom ............................................. . 69 3.1 Definition ..................................................... . 69 3.2 Epidemiologie .................................................. . 69 3.2.1 Fasertyp ....................................................... . 70 3.2.2 Asbestkonzentration ............................................ . 71 3.2.3 Art der Exposition .............................................. . 72 VII 3.2.4 Kofaktoren .................................................... . 72 3.3 Pathologie ..................................................... . 73 3.4 Pathogenese ................................................... . 74 3.5 Klinik ......................................................... . 75 3.5.1 Bildgebende Verfahren .......................................... . 76 3.5.2 Endoskopisch-bioptische Verfahren ................................ . 77 3.5.3 Lungenfunktion ................................................ . 77 3.6 Differentialdiagnose ............................................. . 78 3.7 Prognose ...................................................... . 79 3.8 Therapie ...................................................... . 79 3.9 Pravention ..................................................... . 81 3.10 Begutachtung .................................................. . 82 Zusammenfassung .............................................. . 84 Literatur ...................................................... . 85 4 Pleuraplaques .................................................. . 91 4.1 Definition ..................................................... . 91 4.2 Epidemiologie .................................................. . 91 4.3 Pathologie ..................................................... . 93 4.4 Pathogenese ................................................... . 94 4.5 Klinik ......................................................... . 95 4.5.1 Lungenfunktion ................................................ . 99 4.5.2 Laborbefunde .................................................. . 100 4.5.3 Endoskopie .................................................... . 100 4.6 Differentialdiagnose ............................................. . 100 4.7 Verlauf und Prognose ........................................... . 102 4.8 Therapie ...................................................... . 102 4.9 Pravention (siehe Kapitel 2) ...................................... . 102 4.10 Begutachtung .................................................. . 102 Zusammenfassung .............................................. . 103 Literatur ...................................................... . 103 5 Asbestpleuritis ................................................. . 107 5.1 Definition ..................................................... . 107 5.2 Epidemiologie .................................................. . 107 5.3 Pathologie ..................................................... . 108 5.4 Pathogenese ................................................... . 108 5.5 Klinik ......................................................... . 108 5.6 Differentialdiagnose ............................................. . 109 5.7 Verlauf und Prognose ........................................... . 111 5.8 Therapie ...................................................... . 113 5.9 Begutachtung .................................................. . 114 Zusammenfassung .............................................. . 114 Literatur ...................................................... . 115 6 Diffuse Pleurafibrose ........................................... . 117 6.1 Definition ..................................................... . 117 6.2 Epidemiologie .................................................. . 118 6.3 Pathologie ..................................................... . 118 6.4 Pathogenese ................................................... . 119 VIII 6.5 Klinik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 120 6.6 Differentialdiagnose. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 6.7 Verlauf und Prognose ............................................ 124 6.8 Therapie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 6.9 Begutachtung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 Zusammenfassung ............................................... 125 Literatur ....................................................... 126 7 Pleuramesotbeliom. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 128 7.1 Definition. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 128 7.2 Epidemiologie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 128 7.3 Pathogenese. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 7.4 Pathologie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 7.5 Klinik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 133 7.5.1 Symptome...................................................... 133 7.5.2 Befunde ........................................................ 134 7.5.3 Bildgebende Verfahren ........................................... 134 7.5.4 Laborbefunde ................................................... 138 7.5.5 Lungenfunktion ................................................. 138 7.5.6 Bioptisch-endoskopische Verfahren ................................. 140 7.5.7 Stadiierung ..................................................... 141 7.6 Differentialdiagnose. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 7.7 Prognose. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 7.8 Therapie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 7.9 Priivention. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 7.10 Begutachtung ................................................... 145 7.11 Sonderformen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 7.11.1 Lokalisierte Pleuramesotheliome ................................... 147 7.11.2 Mesotheliome des Peritoneums .................................... 147 Zusammenfassung ............................................... 147 Literatur ....................................................... 148 8 Sonstige Erkrankungen ........................................... 157 8.1 Larynxkarzinom. . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . .. 157 8.2 Thmoren des Gastrointestinaltraktes ................................ 159 8.3 Ovarialkarzinom. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 8.4 Nierenkarzinom. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 8.5 Maligne Lymphome .............................................. 160 8.6 Pericarditis constrictiva ........................................... 160 Zusammenfassung ............................................... 161 Literatur ....................................................... 161 9 Anbang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 164 Sticbwortregister ....................................................... 175 IX 1 Allgemeine Vorbemerkungen 1.1 Geschichtliche Einfiihrung Vor 5000 Jahren begann die Geschichte des Asbest als Werkstoff: Ein im bosnischen Raum ansllssiges Fischer-und Jilgervolk beobachtete, daB Antophyllit-Asbest, dem 'Ibn zugesetzt, diesen bruchsicher und feuerfest macht. Die so gewonnene Hitzestabilitat und Dehnungs festigkeit des Produktes brachten dem Asbest im Alterum den Mythos eines» Zaubermine rals" ein. Die franzOsische Bezeichnung fUr Asbest "Amiant" (unbefleckt, rein) bringt dies heute noch zum Ausdruck. Der Name Asbest leitet sich aus dem Griechischen ab und stammt von qptvvp.al = ich IOsche aus. Asbest bedeutet also "unausIOschlich" (36). 1m Al tertum war das kostbare Minerallaut Herodot ein Luxusartikel und stand nor Reichen und Milchtigen zu . Es wurde vornehmlich auf EubOa und Zypern im 'Thgebau gewonnen und zu Asbesttextilien versponnen. Dort arbeitende Sklaven der KOnige sollen Mufiger an bOs artigen Thmoren der Brustorgane erkrankt sein - die erste Beobachtung der Berufskrank heit Mesotheliom. PluU!Ich berichtet, daB die Dochte fUr die Ewigen Lampen im Thmpel der Vestalinnen aus Asbest waren. Sie verkohlten nicht und waren damit wartungsfrei. Die Leichentilcher vornehmer Griechen stammten laut DOrpfeld aus Asbestgewebe (zit. aus 9). Die ROmer fOrderten spilter die Produktion und Verarbeitung von Asbest in groBem MaB stab. 1m Mittelalter geriet das Mineral erstaunlicherweise nahezu in Vergessenheit. Nor ab und an finden sich Hinweise in der Literator: So berichtet Marco Polo, er habe am Hofe des GroBkhan in Ostsibirien ein den Flammen widerstehendes wundersames Gewebe gese hen. Er moB wohl gewuJ3t haben, daB es sich keineswegs um einen Zauber handelte, son dern um einen besonders hitzestabilen Werkstoff. Von Karl V. wird berichtet, er habe vor fremden Gilsten das schmutzige Tischzeug ins Feuer werfen lassen, um es anschlieBend vor ihren erstaunten Augen sauber wieder herauszuziehen (8). Filr die moderne Industriegesellschaft wurde der Luxusartikel der Alten zum taglichen Rohstoff der tausend MOglichkeiten. Der eigentliche Siegeszug des Asbest begann, als nach Erfindung der Dampfmaschine silure- und hitzebestandige Dichtungen benOtigt wurden. Mit dem Aufbau der groBen Kriegsflotten zu Beginn dieses Jahrhunderts wurde Asbest, als Isolier-und Feuerschutzmittel scheinbar unverzichtbar, schon in 'Ibnnenmen gen tilglich verarbeitet. Erstaunlicherweise worden asbestbedingte Erkrankungen von Pleura, Peritoneum und Lunge der modernen Medizin erst sehr spilt bekannt (Abb. 1). Man darf annehmen, daB Murray 1900 den ersten sicher dorch Asbeststaub hervorgerufenen Krankheitsfall gesehen und auch richtig gedeutet hat. Der von ihm beschriebene 33 Jahre alte Arbeiter hatte 10 Jahre lang in einer Asbestfabrik gearbeitet (9). Die Sektion ergab eine Fibrose der Lunge mit Asbestnadeln. Der gleiche Autor machte 1907 eine Meldung an das Department Com mittee of Compensation for Dust Disease in England. Die ersten systematischen klinisch radiologischen Untersuchungen setzten in Deutschland erst 1930/31 ein. Ergebnisse der er sten Reihenuntersuchungen bei Arbeitern der deutschen Asbestwerke wurde 1932 von Ger- 1