ISBN 978-3-7400-1118-5 9 783740 011185 RobertJiitte Arme, Bettler, Beutelschneider Robert Jiitte Anne, Bettler, Beutelschneider Eine Sozialgeschichte der Armut in der Friihen Neuzeit Ausdem Englischenvon Rainer vonSavigny 2000 VerlagHermann Bohlaus Nachfolger Weimar Titel der englischen Originalausgabe: PovertyandDeviance in EarlyModern Europe, © Cambridge UniversityPress DieDeutscheBibliothek- CIP-Einheitsaufnahme jutte, Robert: Arme,Bettler,Beutelschneider:eine SozialgeschichtederArmut in der Friihen Neuzeit / RobertJiitte. Ausdem Eng!.von RainervonSavigny.-Weimar : VerlagHermannBohlaus Nachfolger, 2000 Einheitssacht.:Poverty and Deviance in EarlyModernEurope -cdt.» ISBN978-3-7400-1118-5 ISBN978-3-7400-1118-5 ISBN978-3-476-03511-0(eBook) DOI 10.1007/978-3-476-03511-0 DiesesWerkeinschlieBlich aller seiner Teileist urheberrechtJich ge schutzt.IedeVerwertungaufserhalb derengenGrenzendesUrheber rechtsgesetzesistohneZustimmungdesVeriagesunzulassig undstraf bar. Das gilt insbesondere fur Vervielfaltigungen, Ubersetzungen, MikroverfilmungenunddieEinspeicherungundVerarbeitunginelek- tronischenSystemen. ©2000Springer-VerlagGmbHDeutschland UrsprunglicherschienenbeiVerlagHermannBohlaus NachfolgerWeimar2000 Inhalt Vorwort 7 Einfiihrung 1 Die Forschungund die Quellen 1 Themen.......................................................................... 4 DasAbbildderArmut 11 Armut und Sprache 11 Armut im Bild 19 DieUrsachenderArmut 28 Schicksalsschlage 28 Zyklische Ursachen 36 Strukturelle Ursachen 48 DasAusmaf!,derArmut S8 Das MaE. fur die Armut S8 Die fiskalischeArmut S9 Fursorgeempfanger 6S Armenzahlungen 70 DieTopographie der Armut 74 MaterielleKultur 78 Das hausliche Umfeld 78 Ernahrung 93 Kleidung 99 Selbsthilfe 106 Die Bedeutungdes sozialen Netzes 106 Selbsthilfe, Hilfe aufGegenseitigkeit 110 VI Inhalt DieNeuorganisationderArmenpflege 131 GemeinsameMerkmale 131 Zentralisierte Armenpflege 138 Dezentrale Armenpflege 166 Institutionalisierteund informelleArmenhilfe 185 DieArmenalsAu[!,enseiterderGesellscha(t 190 Armut und Kriminalitat 190 Landstreicherei 193 Diebstahl........................................................................ 199 Warenschmuggel 202 Prostitution 206 Marginalisietungundgesellscha(tlicheRandgruppen 209 Stigmatisierung 209 Ausgrenzungund Ausweisung 218 »DasgrofseEinsperren- 224 ReaktionenaufdieAusgrenzung 237 Eine Subkulturder Armut? 237 Rebellion 246 Emigration - Migration 253 Schluss 256 Anhang 267 Kurzbiographien wichtiger Reformer der Armenpflege 269 Zeittafel.......................................................................... 284 Anmerkungen 287 Auswahlbibliographie 293 Bildnachweis 311 Namenregister 312 Sachregister 320 InErinnerunganmeinenGrofsvaterBernhard Volpert, dermichindie»OkonomiedesNotbehelfs- eingefiihrthat. Vorwort zur deutschen Ubersetzung DieHoffnung, die Armutaus der Weltschaffenzu konnen, ist so uralt wie die soziale Utopie vorn Schlaraffenland. Doch weder die mehr oder weniger radikalen Veranderungen der Eigentumsverhaltnissein sozialistischenStaatennochdie un terschiedlichmotiviertenSozialreformendesmodernenWohl fahrtsstaates haben im 20.]ahrhundert hier nachhaltig oder garaufDauerAbhilfeschaffenkonnen. Armutistnichtnurin der sogenannten »Dritten Welt«oder in Ost- und Sudeuropa zuhause; sie ist mitten unter uns, wie man bei einem Gang durch die gepflasterte Fufsgangerzone einer beliebigen euro paischen Grofsstadt rasch feststellen wird. »Sozialstation In nenstadt- titelte vor nicht allzu langer Zeit das Wochenblatt DieZeitundberichtetein FormeinerReportage detaillierttiber Mafsnahmen einzelner deutscher Stadtverwaltungen, Bettler und Obdachlosean Orte abseits desStadtzentrumszuverban nen.Wem dieser impressionistische und subjektive Eindruck nichtgenugt, der kann in den jtingstenArmutsberichtenvon Wohlfahrtsverbanden und staatlichen Institutionen nachle sen, wiegrotsdasAusrnafsder Bedtirftigkeitin unserermoder nenIndustriegesellschaftimmernochist.Seitden1970er]ah ren sprechen deshalb Soziologen und Sozialpolitiker von ei ner »Neuen Armut- in Europa, urn deutlich zu machen, dass diese GeiBel der Menschheit trotz aller Versuche, ihr beizu kommen, nochvorhandenist, aber inzwischenmancheihrer Erscheinungsformen geandert hat. ArmseinalsPhanomen »an sich- gibt esnicht. Armutwur de zuallen Zeiten gesellschaftlichdefiniert.WasBedtirftigkeit in einervorindustriellen, noch weitgehend christlichgeprag ten Gesellschaft bedeutet, konnen wir uns heute kaum noch vorstellen,wenngleichuns dieschrecklichenFernsehbildervon hungerndenMenschenin AfrikaoderIndiengelegentlichaus den Wohlstandstraumen reifsenund unser Mitleid erwecken. Urn die unbestreitbaren Errungenschaften des modernen Wohlfahrtsstaatessowiediegleichwohlimmernochvorhande nen und vermutlich weiterhin notwendigen Uberlebensstra- x Vorwort tegien der Betroffenen besser zu verstehen, genugt nicht nur einBlicktiber densprichwortlichenZaun, das heifst die inter nationale Perspektive. Auch die eigene Geschichte lehrt, dass unsere Vorfahren vor nicht allzu langer Zeit Elend und Mas senarmut aus eigener Erfahrung kannten und deren soziale Begleiterscheinungen(Landstreicherei, Prostitution, Kleinkri minalitat usw.)fiirchteten. Diese historische Erfahrung ist das Thema des vorliegen den Buches. Eswurde ursprunglich aufEnglischverfasst und liegt jetztin einervomVerfasserautorisiertenUbersetzungvor. Fi.irdie deutscheUbersetzungwurdedieAuswahlbibliographie aufdenneuesten Forschungsstandgebracht.Dabeisindnicht nurweiterfiihrendedeutschsprachigeNeuerscheinungen,son dern auch wichtige fremdsprachige Studien berticksichtigt worden; denn eines der Hauptanliegen dieses Buches ist die vergleichendeBetrachtungeines sozialenProblems,das noch heute in Europa staatlicheStellen und private Einrichtungen beschaftigt,AufserdemsindeinigeAbbildungen neu hinzuge kommen. Gleichfalls wurde ein getrenntes Sach- und Perso nenverzeichniserstellt,urn demLeserdas schnelleNachschla gen zu erleichtern. Stuttgart, im Winter 1999/2000 Robert[iitte Einfiihrung DieForschung unddieQuellen Inden letztenlahrenhabenHistorikerderFriihenNeuzeitgro BeAnstrengungenunternommen, dieUrsachenunddasAus matsder Verarmung in Europa vor 1800 zu erforschen. Zwar beziehen sich die meisten Untersuchungen nuraufbestimm te Gebiete- gewohnlicheinzelne Stadte oder Provinzen-, sie eroffnenaberdennochneueEinsichtenundPerspektiven.Trotz vereinzelter Versuche, die neuere Forschung auf diesem Ge biet zusammenzufassen (u.a.von C. Lis/H.Soly,J.-P.Gutton, B. Geremek, W. Fischer, Th. Riis, St. Woolf), fehlt bisher ein umfassender Uberblick ebenso wie eine allgemeine Untersu chungzu den Uberlebensstrategien der Armen, die auch Ver gleiche zwischen verschiedenen europaischen Regionen und Landernin derFriihenNeuzeit (1450-1800) erlaubenwurden. Wahrenddiebisherigen, umfangreicherenEinzeluntersuchun gen eher West-undZentraleuropain den Mittelpunktstellen, soll hier zusatzlich die Forschung zur Armenhilfe in stadti schen und landlichen Gemeinden Nord- undSudeuropasbe rticksichtigt werden. DiehistorischeForschung des 19.undfruhen 20.jahrhun derts zur Situation der Armen befasst sich tiberwiegend mit den unterschiedlichenEinstellungenderprotestantischenund der katholischen Regierungen gegentiber den Armen; diewe sentlichenUnterschiedeberuhtendemnachaufLuthersUber zeugung, dass das Almosen als traditionelle christliche Form der »guten Tat- nichtnotwendigerweisedasSeelenheildesAI mosengebers gewahrleiste.Aufserdemhat man lange Zeitdie SakularlsierungundRationalisierungderArmenftirsorgealsEr gebnis derReformation betrachtet. Inden letztenlahrzehnten habendieHistorikerjedochdaraufhingewiesen,dassdieprak tischeSozialpolitikauflokalerundnationalerEbenein Europa sich nicht an religiose Grenzen hielt, sondern einem Muster folgte, das durch die ortlichen Bedingungen vorgegeben war. AuchstimmendieHistorikerheuteweitgehenddarin uberein,