Carl Joachim Classen Aretai und Virtutes Beiträge zur Altertumskunde Herausgegeben von Michael Erler, Dorothee Gall, Ludwig Koenen, Clemens Zintzen Band 283 De Gruyter Aretai und Virtutes Untersuchungen zu den Wertvorstellungen der Griechen und Römer von Carl Joachim Classen De Gruyter ISBN 978-3-11-024594-3 e-ISBN 978-3-11-024595-0 ISSN 1616-0452 LibraryofCongressCataloging-in-PublicationData Classen,CarlJoachim. Aretai und Virtutes : Untersuchungen zu den Wertvorstellungen der GriechenundRömer/vonCarlJoachimClassen. p.cm.−(BeiträgezurAltertumskunde;Bd.283) Includesbibliographicalreferencesandindex. ISBN978-3-11-024594-3(hardcover:alk.paper) 1.Classicalliterature−Historyandcriticism. I.Title. PA3003.C528 2010 880.09−dc22 2010030041 BibliografischeInformationderDeutschenNationalbibliothek DieDeutscheNationalbibliothekverzeichnetdiesePublikationinderDeutschen Nationalbibliografie;detailliertebibliografischeDatensindimInternet überhttp://dnb.d-nb.deabrufbar. (cid:2)2010WalterdeGruyterGmbH&Co.KG,Berlin/NewYork Druck:Hubert&Co.GmbH&Co.KG,Göttingen (cid:2)GedrucktaufsäurefreiemPapier PrintedinGermany www.degruyter.com Vorwort Der vorliegende Band vereinigt einige neue Beiträge (Kapitel1; 3; 7; 12) mit älteren, nicht in der hier vorliegenden Form, sondern auf englisch (Kapitel2) oder italienisch (Kapitel4 und 9) oder umfangrei- cher (Kapitel10) veröffentlicht sind; sie sind hier übersetzt bzw. über- arbeitet. Einige weitere treten dazu, die an entlegenem Ort publiziert sind,undzwarindenFestschriftenfürA.Dihle(Kapitel5),W.Krenkel (Kapitel6), Z. Ritoók (Kapitel8), L. Cracco-Ruggini (Kapitel11) und Lin-Zhichun (13); auch sie sind erneut durchgesehen. Zu danken habe ich den Leitern des Seminars für Klasssiche Phi- lologie der Georg-August-Universität Göttingen für die mir seit Jahren gewährte Unterstützung, Herrn Zintzen und den anderen Herausge- bern der Beiträge zur Altertumskunde für die Aufnahme in ihre Reihe und den Mitarbeitern des Verlags Walter de Gruyter für ihre Hilfe, vor allem Herrn F. Ruppenstein dafür, dass er das von mir gesetzte Ma- nuskript in die vom Verlag gewünschte Form umgesetzt hat. Für alle Fehler und Irrtümer und manche Uneinheitlichkeit bei den Zitaten bin allein ich verantwortlich. Widmen möchte ich diesen Band meiner Familie, meiner Frau, die mich seit über fünfzig Jahren in jeder erdenkbaren Weise unterstützt hat, meinen Söhnen und Schwiegertöchtern, deren Interesse an der Antike seit ihrer Schulzeit nicht erloschen ist, und meinen Enkeln, Daniel, Benjamin, Julian und Fabian, für deren Leben das Erbe der Antike, wie ich hoffe, seine Bedeutung auch nicht verlieren wird. 7. 7. 2010 C. J. C. Inhaltsverzeichnis Vorwort ............................................ V Einleitung ........................................... 1 1: Hesiod: Götter und Bauern ......................... 5 2: Thukydides: Politiker und Poleis .................... 26 3: Platon: Philosophische Überlegungen .................. 67 4: Aristoteles: Forderungen an den vollkommenen Redner ... 87 5: Der platonisch-stoische Kanon der Kardinaltugenden bei Philon, Clemens Alexandrinus und Origenes ........... 107 6: Lucilius’ Zeitkritik ................................. 139 7: Lukrez: griechische Philosophie statt römischer Tradition .. 163 8: ZurRollederWertbegriffeimöffentlichenLeben derRömer 193 Gab es einen Kanon? ............................. 193 Wertbegriffe im Alltag der Römer (in Reden Ciceros) ... 205 9: Seneca: Römische Tradition in stoischem Gewand ....... 230 10: Quintilians Redner: ein vir bonus dicendi peritus ........ 261 11: Virtutes und Vitia in Claudians Gedichten .............. 270 12: Sarkophage und Triumphbögen ...................... 297 13: Plato’s virtues in Rome ............................. 320 Schluss .............................................. 332 Register ............................................. 339 Verba Graeca ..................................... 339 Verba Latina ...................................... 352 Einleitung Überall, woMenschenbeginnen, in Gruppenzusammenzuleben, sehen sie sich gezwungen, diesem Zusammenleben eine gewisse Ordnung zu geben.SieentwickelnVorstellungenvon,nützlich‘und,schädlich‘,von ,gut‘ und ,böse‘, und einige Mitglieder der entstehenden Gemein- schaften erweisen sich als ,stark‘, andere als ,schwach‘, einige als ,kühn‘, andere als ,feige‘. Daraus erwachsen Ansprüche und Abhängigkeiten, zugleich auch Formen der Verantwortung und Fürsorge sowie unge- zügelter Selbstverwirklichung. So beginnen in jedem sich bildenden Gemeinwesen Regeln und Ordnungen für das Zusammenleben zu entstehen und Maßstäbe für die Beurteilung der Fähigkeiten, Gaben, Schwächen, Handlungen und Gesinnungen jedes Einzelnen. Die hier zusammengestellten Untersuchungen, teilweise noch nicht publiziert, teilweise an nicht immer leicht zugänglichem Ort publiziert, etwa in Festschriften veröffentlicht, bemühen sich zu ermitteln, wel- chen Niederschlag die Vorstellungen von allgemein anerkannten Werten oder von als verwerflich angesehenen Verhaltensweisen bei verschiedenen griechischen und lateinischen Autoren gefunden haben. Am Anfang steht nicht Homer, dem ich eine eigene ausführliche Darstellung gewidmet habe,1 sondern Hesiod, der älteste uns als Person erkennbare Dichter der Griechen. In einer seiner beiden großen, er- haltenen Dichtungen, der Theogonie, entwickelt er eine Art Ordnung des ganzen Universums im Spiegel der wechselseitigen Beziehungen und Abhängigkeiten der Götter; in der anderen, den Werken und Tagen, formuliert er Regeln für das Leben der Menschen in ihrer Abhängigkeit vonderNaturdurchAnweisungenetwafür denLandbau und für ihre wechselseitigen Beziehungen durch Hinweise auf sein ei- genes Schicksal und das Unrecht der Herrscher und seines eigenen Bruders. Da hier keine Gesamtdarstellung gegeben werden soll und kann, ist auf eine Behandlung der lyrischen Dichter und der Tragiker verzichtet worden. Vielmehr folgt an zweiter Stelle der Historiker Thukydides. Anhand von großen Persönlichkeiten aus seiner Vaterstadt wie etwa 1 Vorbilder Werte Normen in den homerischen Epen, Berlin 2008. 2 Einleitung Perikles und anderen und aus Sparta wie Brasidas und anderen lässt er erkennbar werden, welche Maßstäbe ihn bei der Beurteilung Einzelner leiten. Nicht weniger deutlich stellt er die besonderen Eigenschaften heraus, die nach seinem Urteil ganze Gemeinwesen (Poleis) in positi- vem oder negativem Licht erscheinen lassen. In einem knapp formulierten Kapitel wird dann versucht, die we- sentlichen Aspekte herauszuarbeiten, die den Philosophen Platon bei seinen Überlegungen zu den besonders erstrebenswerten Eigenschaften geleitet haben. Es wird gezeigt, welchen vier ,Tugenden‘ er vor allem seine Aufmerksamkeit schenkt, und zwar mit so großer Überzeu- gungskraft, dass diese Gruppe später gleichsam kanonische Geltung gewinnt. Und es wird deutlich gemacht, dass Platon selbst über diese Auswahl hinausgreifend eine Fülle anderer Tugenden in seine Erörte- rungen einbezieht und deren Bedeutung, Funktion und Unentbehr- lichkeit erkennbar werden lässt. Es hätte nahe gelegen, neben die theoretischen Erörterungen Pla- tons die der Realität des täglichen Lebens näher stehenden Äußerungen des Isokrates zu stellen, die in seinen Prozessreden begegnenden Ar- gumentationen und die in seinen Mahnreden oder seinen program- matischen Darlegungen zur Erziehung erhobenen Forderungen für ,richtige‘ Verhaltensweisen. Sie sind in einem kürzlich erschienenen Buch von mir behandelt worden.2 Anstatt den Versuch zu unternehmen, in diesem Rahmen auch die Fülle der systematischen Erörterungen des Aristoteles einzubeziehen, ist nur ein einzelner Aspekt herausgegriffen, seine Erwartungen und For- derungen an den vorbildlichen Redner. Wenngleich die von Platon und Aristoteles behandelten Probleme in den folgenden Jahrhunderten von zahlreichen Philosophen weiter erörtert worden sind, ist auf deren Behandlung verzichtet worden – in römischem Gewande begegnen epikureische Lehren im Kapitel zu Lukrez, stoische im Kapitel zu Se- necas Briefen. Statt dessen werden spätere Erörterungen behandelt, die leicht übersehen werden, nämlich Versuche von Juden (Philon) und Christen (Clemens von Alexandreia und Origenes), die von Platon herausgestellte undvondenStoikerngleichsam zukanonischer Geltung erhobene Gruppe der vier sog. Kardinaltugenden in ihren Schriften zu berücksichtigen. Ergänzend sind einige Bemerkungen zum Fortleben dieser Tugendgruppe angefügt. 2 Herrscher, Bürger und Erzieher. Beobachtungen zu den Reden des Isokrates, Hildesheim 2010.