Jana V. Schmidt A R ENDT U N D D I E FO LG E N Jana V. Schmidt Arendt und die Folgen J. B. Metzler Verlag Zur Autorin Jana V. Schmidt ist Dozentin an der California State University, Los Angeles und Associate Fellow am Hannah Arendt Center for Politics and Humanities at Bard College. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese P ublikation in der Deutschen Nationalbibliografie ; detaillierte biblio grafische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. ISBN 9783476045607 ISBN 9783476045614 (eBook) Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrecht lich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen G renzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des V erlages un zulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Verviel fältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. J. B. Metzler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft SpringerVerlag GmbH, DE und ist Teil von Springer Nature www.metzlerverlag.de [email protected] Einbandgestaltung : Finken & Bumiller, Stuttgart (Foto : HeritageImages/Jewish Chronicle Archive/akgimages) Typografie und Satz : Tobias Wantzen, Bremen Druck und Bindung : Ten Brink, Meppel, Niederlande J. B. Metzler, Stuttgart © SpringerVerlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature, 2018 Der Radwechsel Ich sitze am Straßenhang. Der Fahrer wechselt das Rad. Ich bin nicht gern, wo ich herkomme. Ich bin nicht gern, wo ich hinfahre. Warum sehe ich den Radwechsel Mit Ungeduld ? (Bert Brecht) Dieses Buch ist für Karl, den Ungeduldigen. (1953 – 2018) Inhalt Einleitung : Mit Anderen denken 1 Die Freiheit des denkenden Zwiegesprächs 13 Der Sprung 13 Das Staunen der Rahel 26 »Into something rich and strange« : Wie schreibt Hannah Arendt ? 35 Die Bergung jüdischer Schätze : Arendt als Handelnde 45 Die Folgen, oder warum Hannah Arendt keine Philosophin ist 52 In der Gemeinschaft der Dinge 65 In der Sprache zu Hause 67 Wohnen in den Begegnungen 72 »Ein Zimmer zum Durchgehen« 77 Bruchdenken 81 Die kommende Gemeinschaft : Pluralität und Demokratie 89 Einen Schritt weitergehen 98 Verantwortliches Lesen 102 Die Kunst der öffentlichen Dinge 105 Die Erscheinung des Bösen 110 Ein neuer Totalitarismus ? 116 Das Wunder der Geburt 123 Nachwort : Die Vielfalt der Sprachen 127 Praktische »Folgen« 129 Rezeption und Institutionen 129 Leseempfehlungen zum Weiterlesen und Mitdenken 133 Einleitung : Mit Anderen denken 1 n ke n de In einem Interview aus dem Jahr 1969 beruft sich der afroame deren rikanische Autor James Baldwin an einer entscheidenden Stelle n A des Gesprächs auf eine Denkerin, mit der er einige Jahre z uvor Mit eine intensive Auseinandersetzung über die politische Bedeu g : n u Atumnegr idkearn Leirenb eg efüfürh drat sh Vaettreh.ä lBtnalids wvoinn, wdeeisßseenn uenindn sechhmweanrzdeens Einleit Gesicht 1963 das Titelblatt des Magazins Time schmückte, war durch ungewöhnliche Essaysammlungen und Romane be kannt geworden, die von bisexuellen, schwarzweißen Paaren, dem Modernismus der Harlem Renaissance und der wider sprüchlichen Existenz schwarzer Amerikaner handeln. Um dem brutalen Rassismus seiner Heimat zu entkommen und sich einer Gruppe afroamerikanischer ExilKünstler und Schriftsteller anzuschließen, war er 1948 mit vierundzwanzig Jahren und vierzig Dollars im Portemonnaie nach Paris geflüch tet – gegen den Strom der europäischen Flüchtlinge. In man cher Hinsicht blieb er, wie die von ihm zitierte Denkerin, zeit lebens ein ›Expatriate‹, der dem amerikanischen Provinzia lismus eine kosmopolitische Perspektive entgegenhielt. Gleich zu Beginn des obenerwähnten Interviews gebraucht Baldwin allerdings einen unverkennbar amerikanischen Ausdruck, der auch zu den Lieblingsausdrücken Hannah Arendts zählte : »when the chips are down«, eine aus dem Pokerspiel entlehn te Phrase, die eine Situation beschreibt, in der alles auf dem Spiel steht. Die dann folgende Sequenz von Äußerungen legt die Vermutung nahe, dass Baldwin Arendt als Dialogpartnerin und Ort der Resonanz für sein eigenes Denken betrachtete. Wie Arendt, die sich schon in den 1940er Jahren an den fal schen Freunden der Juden erzürnt hatte, argumentiert Bald win gegen jene weißen Liberalen, die die Sache der schwarzen Befreiung zwar theoretisch unterstützten, deren Engagement 2 jedoch nichts mit ihrer tatsächlichen gesellschaftlichen Lage n und ihren Gefühlen gegenüber schwarzen Amerikanern zu tun ke den habe. Den amerikanischen Linksliberalen in John F. Kennedys deren Anhängerschaft etwa wirft Baldwin vor, sie engagierten sich n allein im Namen eines »Willens zur Macht« : A Mit g : »And when the chips are down, it comes out. Their s tatus n u nleit in their own eyes is much more important than any real Ei change. If there were no Negro problem, I don’t know what in the world they would do. Their pronouncements have nothing to do with reality, that’s what I object to. Reality is involved with their relationship to themselves, their wives, their children ; but this they have abdicated entirely, and use, then, me, the Negro, as an opportunity to live safely.« (Conversations with James Baldwin, 1989) Baldwin spricht offen darüber, wie Weiße und Schwarze ein ander sehen und übersehen, über Identität als komplexes Be wusstsein davon, »woher man kommt« und darüber, dass das Wissen um die eigene Vergangenheit eine Verantwortung im pliziert. Hannah Arendt, für die Verantwortung ein Lebens thema war, habe ihm einmal gesagt, dass die Tugenden, die er in seinem berühmten New Yorker Artikel »Letter from a Re gion in My Mind« als charakteristisch für die schwarze Bevöl
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