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Architektur der Welt: Griechenland PDF

198 Pages·1966·246.286 MB·German
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Preview Architektur der Welt: Griechenland

Architektur der Welt Griechenland Office du Livre Architektur der Welt Griechenland Text: Roland Martin Fotos: Henri Stierlin Vorwort: Max Bill Office du Livre Herausgeber der Reihe Henri Stierlin Grafische Gestaltung Marcel Wyss SWB VSG Ausführung der Pläne Jean Duret FAS SIA Übersetzung aus dem Französischen Alfred P.Zeller Printed in Switzerland Druck Hertig + Co. AG, Biel Einband H. +1. Schumacher, Schmitten © 1966 Office du Livre, Fribourg Anlage des Buches 3 Vorwort von Max Bill 7 Kapitel 1 Der geschichtliche und gesellschaftliche Rahmen 39 Kapitel 2 Die geistigen und materiellen Voraussetzungen 81 Kapitel 3 Elemente und Formen 127 Kapitel 4 Höhepunkte architektonischer Erfindung im antiken Griechenland 173 Kapitels Die Bezwingung des Raums und der Städtebau 185 Zeittafel 189 Bibliographie 191 Inhaltsverzeichnis Meine Erfahrungen In der Schule hatten wir von den alten Griechen gelesen. mit der griechischen Architektur Von ihren Kriegen, ihrem Denken, ihren Dichtern. Jedenfalls genügend als Unterbau für das, was dann als griechische Vorwort von Max Bill, Zürich Kunstgeschichte gelehrt wurde: die Plastik, die Vasen, die Tempel. Meine erste Begegnung mit der «griechischen Architektur» war das Stadthaus meiner Geburtsstadt Winterthur, erbaut von Gottfried Semper, ein Bau, den ich als klassizistische Architektur schätzen lernte, als ein Beispiel, bei dem das Innere und das Äußere ganz miteinander übereinstimmt: die Säulen, Treppengeländer, Quaderteilungen. Noch heute ist es ein imponierender Bau, aber, wie ich später sehen mußte, recht weit entfernt von der griechischen Architektur. 1925 kam ich nach Paris: die Börse, die Madeleine, der Louvre: überall die Anwendung des griechischen Formkanons. An jedem Haus, unter jedem Balkon, ähnlich wie in Zürich an der Kreditanstalt und an vielen Gebäuden, die inzwischen zum Teil neueren weichen mußten. Dann habe ich 1926 Rom gesehen: St.Peter, die Kolonnaden, die Porta Pia und alles, was nachher kam im Gefolge des griechischen Beispiels, transponiert in erster, zweiter und dritterWelle und dann auslaufend in Paläste und kleine Hauseingänge. Dann Berlin (1927): der Reichstag, das Brandenburger Tor, das Schloß Charlottenburg, lange Straßen mit langen Fassaden und Eingängen: die Flut von «Griechischem» wollte kein Ende nehmen. Hatte wohl Henry van de Velde recht, als er den Säulen den Kampf angesagt hatte? Ich war nicht mehr so unvorbereitet auf das, was geschehen war. Nicht nur die Kunstgeschichte hatte gelehrt, daß man einen Renaissance-Schrank an seinen hölzernen Säulen erkenne, und auch jenen aus dem Empire, mitsamt ihren seitherigen Nachahmungen. Gleichzeitig war auch ein Buch auf meinen Tisch gekommen, «Vers une Architecture» von Le Corbusier. Er schrieb darin auch über die Akropolis und über die Lehren, die daraus zu ziehen seien. Um diese Zeit waren wir Jungen Rationalisten geworden. Le Corbusier hatte manchem von uns die Augen geöffnet, auch für das Wesentliche an der griechischen Architektur. Und doch scheint es, daß seine Beobachtungen und Erlebnisse vor allem für ihn Gültigkeit hatten, so wie jede ästhetische Erfahrung vor allem für den Gültigkeit hat, der sich mit dem betreffenden Gegenstand befaßt. A Denkmal des unbekannten politischen Gefangenen. A Hochschule für Gestaltung, Ulm, von Max Bill: Modell von Max Bill, 1951 Verbindungsgang zwischen den Studentenwohnungen und den Vorlesungssälen. 1953-1955 So war ich durch Le Corbusier lediglich hellsichtig geworden, Das Erstaunlichste aber waren die Verhältnisse: frontal und die eigenen Beobachtungen mußten sich auf die gemessen ist der Zwischenraum zum Säulendurchmesser griechischen Formapplikationen in Renaissance und Klassi- im Verhältnis von 6 Teilen zu 5 Teilen. Bei der Deckplatte zismus stützen. noch erstaunlicher: Deckplatte 3 Teile zu Zwischenraum 2 Teile. Diese Abmessungen und die daraus entstehende Im Sommer 1928 sah ich, noch nicht 20jährig, die ersten Geschlossenheit der Baukörper waren für mich ein völlig griechischen Bauten. Es war am Morgen eines Tages, der neues und fremdes Erlebnis. Sie erschienen mir überflüssiger heiß werden sollte, und ich glaubte zu begreifen, warum die Materialaufwand. Schön in sich selbst, imponierend, aber Griechen hier ausgezogen waren, denn es war sumpfig und zwecklos. hatte Moskitos. Das war also Paestum: die Basilika, der Poseidon-Tempel. Ich erinnere mich, wie ich bedauerte, daß 1931 sah ich den Concordia-Tempel in Agrigentum. Der diese Bauwerke ohne Dächer waren. Doch was mich Eindruck war ähnlich wie seinerzeit in Paestum: ein besonders überraschte, war die Geschlossenheit der Bau- Monument, hervorragend in seiner technischen Konzeption körper. Nicht nur ihre geometrische Begrenzung, sondern die und architektonischen Konsequenz. Aber fremd und mit Masse, der Materialaufwand. Von der Renaissance über falschen Erinnerungsbildern, mit den gesamten auf das den Klassizism us bis zu r Betonklassizistik von Auguste Perret griechische Vorbild bezogenen Fehlentwicklungen überdeckt. war man an ein ständiges Leichterwerden der Baumassen Erstaunlich und nützlich empfand ich es damals, daß die gewöhnt. Nun standen da Säulen, flach auf die Bodenplatte Hafenmole von Porto Empedokle aus den Säulenstücken aufgesetzt, oben nach einem knappen Wulst abgeschlossen und Mauerteilen näher liegender Tempel erbaut worden war, durch eine kräftige, ausladende Deckplatte. Darauf die Last. die damit einem praktischen Zweck dienen konnten. Ich bedauerte damals das Verschwinden dieser Baudenk- Aber oben auf der Akropolis, und zwischen den Bauten drin, mäler nur sehr bedingt, mehr ihres historischen Wertes sieht alles wieder ganz anders aus: eine große Einheit von als ihrer ästhetischen Botschaft wegen. Raum und Rhythmus. Ebenfalls entrückt, aber in umgekehrter Richtung: alles andere,heutige, liegt weit unten. Hier Seither hat sich einiges geändert. Die rationale Architektur, darüber bleibt eine zeitlose, große ästhetische Lehre von die uns damals vorgeschwebt war, hat in mehreren Varianten, der Ordnung, von den Verhältnissen, von den Räumen. als modernistische Dekoration, als Betonromantik, als Schwerelosigkeit und mit völlig langweiligen Resultaten, Ein Hinweis: ich stehe zwischen zwei Säulenreihen und blicke einen ungeahnten Aufschwung genommen, wenigstens durch den so gebildeten Raum in die Landschaft. Diese quantitativ. Die eigentliche rationale Architektur ist dabei ist seitlich durch die Säulen verdeckt, denn diese bilden in fast gar nicht zur Realisation gelangt. Die moderne Architektur der Verkürzung eine Fläche, durch deren unsichtbare ist degeneriert, ehe sie überhaupt richtig in Erscheinung Zwischenräume das Licht eintritt. Erst wenn man sich dreht, treten konnte. sieht man zwischen der Säulenreihe seitlich hinaus. Ich glaube, daß für uns heute dieser geschlossene und gleich- Das mag auch der Grund dafür sein, daß heute der Lehre sam offene Raum eines der bedeutungsvollsten Erlebnisse von der klassischen griechischen Architektur weit mehr griechischer Tempelarchitektur sein kann. Bedeutung zukommt als vor 30 Jahren. Sie ist nicht mehr direkt anwendbar, aber als Analogie von großem Wert. Die griechische Architektur, die ich sah, beschränkt sich auf Analogiefürästhetische Erfahrung, konstruktive Konsequenz Tempel, alles andere sind Abbildungen. Die Tempel gelten und Wurzel, aus der das Falsche wuchs: die falsche Anwen- als typisch, und sie hatten wohl den größten und den ver- dung einer fundamentalen Lehre, der Lehre von Ordnung, heerendsten Einfluß. Doch hatten die Griechen auch anderes Harmonie und Vernunft als sichtbare Einheit. 1965 war ich das erstemal auf der Akropolis. Wenn man Aus vorfabrizierten Elementen hergestellter Pavillon der heute über Griechenland fliegt und das steinige, trockene schweizerischen Landesausstellung in Lausanne, 1964 Land von oben sieht, umrandet vom Meer, wenn man in Athen landet und dort die architektonische Verwüstung trifft, der keine wachsende Stadt entgehen konnte, dann begegnet man den heutigen Griechen, den durch allerhand fremde Invasionen leicht veränderten Nachfahren jener Griechen, die philosophierend auf der Agora wandelten, sich dabei unbarmherzige Kriegszüge leisteten und ihre Geschichte in Form von Tragödien von bleibendem Wert im Theater anhörten. Schließlich wurden sie eine Zeitlang vielbegehrte Lehrer und hatten schon damit ihren vor- läufigen kulturellen Höhepunkt überschritten. Inmitten des heutigen Getriebes ragt aus diesem Athen ein Zeuge ferner und fremder Kultur: die Akropolis. Sie hat nichts mehr zu tun mit dem Heute, nichts mit dem Volk, das um sie herum lebt und eine andere Religion ausübt als jene, der sie ihr Entstehen verdankt. Entrückt stehen diese Ruinen da, als ob sie selbst Ausläufer wären aus diesem gewaltigen Fels, auf dem sie stehen geblieben sind. Mit einem merkwürdigen Gefühl geht man durch diese Stadt, die wimmelt von Bauten mit Relikten jener griechisch-renaissance-popularistischen Bautradition. Man wird den Gedanken nicht los, daß es wahrscheinlich besser gewesen wäre, wenn dieser Formen- kanon nie auf die Menschen losgelassen worden wäre. Granitsäule mit drei oktogonalen Abschnitten. Höhe 4,20 m, Durchmesser 0,60 m gebaut: sie haben gewohnt in einfachen, sympathischen Häusern, die wohl bis heute noch wenig sich verändert haben mögen. Sie haben Kriege geführt und haben deshalb zu einer Zeit, als andere noch kaum seßhaft waren, sehr kunstvolle und ausgedehnte Festungen angelegt, von deren konstruktiver Schönheit ich erst beim Durchblättern dieses Buches Kenntnis bekam. Und sie haben Theater gebaut: Epidauros, Dodona, Segesta. Es sind noch heute glänzende Vorbilder des Theaterbaues. Ihr Maß ist gegeben durch ihre Funktionen: die maximale Hördistanz in vorbildlicher Weise gesteigert, die optimalen Sichtverhältnisse durch stark ansteigenden Zuschauerhalbkreis und schließlich die Gesamtanlage durch die Gegebenheiten der griechischen dramatischen Kunst. Wenn wir einerseits die Ordnungsprinzipien der Tempel- bauten als Lehre beachten möchten, dann ist es auf der ändern Seite die Anlage des griechischen Theaterbaues. Und schließlich möchte ich an die Siedlungsbauten, vor allem auf den Zykladen, erinnern, deren Dichte und Einheit- lichkeit uns heute von besonderer Aktualität erscheint. Ich habe diese Einleitung zu diesem Buch auf meine persön- lichen Erfahrungen stützen müssen. Eine objektive Wertung scheint mir nicht möglich. Auch meine Lehre aus diesen Erfahrungen mag subjektiv sein. Wäre dem nicht so, würde unsere heutige Architektur anders aussehen und vielleicht den Vergleich mit der griechischen besser aushalten.

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