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Arbeiten zur Deutschen Literatur 1750–1850 PDF

242 Pages·1965·21.82 MB·German
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ARBEITEN ZUR DEUTSCHEN LITERATUR 1750-1850 FRIEDRICH SENGLE ARBEITEN ZUR DEUTSCHEN LITERATUR 1750-1850 J. ß. METZLERSCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG STUTTGART ISBN 978-3-476-99550-6 ISBN 978-3-476-99549-0 (eBook) DOI 10.1007/978-3-476-99549-0 @1965 Springer-Verlag GmbH Deut!lchland Ursprünglich erschienen bei J .B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag GmbH in Stuttgart 1965. VORWORT Bei der Zusammenstellung dieses kleinen Bandes ist mir zum Bewußtsein gekommen, daß fast alle meine veröffentlichten Arbeiten um die im Titel genannten bedeutenden hundert Jahre der deutschen Literatur kreisen, wobei mein besonderes Augen merk nicht auf dem üblichen „Gipfel" der Hochklassik und Hochromantik, sondern auf den Jahrzehnten vor 1790 und nach 1815 lag. Meine durchgehende Tendenz war es, das traditionelle Vorläufer- und Epigonenschema zu widerlegen, dadurch, daß ich auf die eigene Wurzel und den eigenen Wert eines Wieland oder Lessing, eines Grillparzer oder Gotthelf hinwies. Der Begriff »Goethezeit« wurde mir immer problematischer. Meine wenigen gedruckten Aufsätze, die sich mit Gegenstän den vor 1750 oder nach 1850 befassen, wurden ausgeschlossen. Auch sah ich davon ab, die ungedruckten Vorträge, die Gegen stände aus der modernen Dichtung bevorzugen, bei dieser Gelegenheit zu veröffentlichen. Schließlich wurde auf die Auf nahme der kleinen Aufsätze zur allgemeinen Literaturwissen schaft, welche meine historischen Studien ständig begleiten und ihren Gegenpol bilden, verzichtet; denn sie sollen früher oder später zu einem besonderen Band zusammengestellt werden. Die an dieser Stelle abgedruckten Aufsätze und Reden sind am Anfang ein Nachspiel meiner Wielandzeit. Gegen Ende geben sie sparsame, aber vielleicht doch klare Ausblicke auf meine weit fortgeschrittene Epochendarstellung »Biedermeierzeit«. In der Mitte des Bandes findet man einige Arbeiten, in denen die er wähnte, meist latente Auseinandersetzung mit dem überlieferten Kanon offen, ja schließlich revolutionär zutage tritt. München, im April 1965 FRIEDRICH SENGLE 5 INHALT Vorwort . 5 1. Konvention und Ursprünglichkeit in Goethes dichte- rischem Werk . . . 9 2. Wieland und Goethe 24 3. Von Wielands Epenfragmenten zum »Überon«. Ein Bei trag zu Problem und Geschichte des Kleinepos im 18.Jahrhundert . . . . . 46 4. Klassik im deutschen Drama 71 5. Die Grundlagen der deutschen Klassik. Vermittlungsvor- schlag in einem deutsch-französischen Mißverständnis 88 6. »Die Braut von Messina« 94 7. Voraussetzungen und Erscheinungsformen der deut- schen Restaurationsliteratur . . . . . . . . 118 8. Stilistische Sorglosigkeit und gesellschaftliche Bewäh- rung. Zur Literatur der Biedermeierzeit 155 9. Der Romanbegriff in der ersten Hälfte des 19.Jahr- hunderts . . . . . 175 10. Zum Wandel des Gotthelfbildes. 197 11. Formen des idyllischen Menschenbildes. Ein Vortrag 212 Quellennachweise 232 Register 233 7 1 KONVENTION UND URSPRÜNGLICHKEIT IN GOETHES DICHTERISCHEM WERK Wenn man für einen Augenblick all das beiseite läßt, was man von dem Dichter Goethe weiß, und nur die gesellschaftlichen Bedingungen betrachtet, unter denen sich sein klassisches Dich tertum entfaltete, so ergibt sich ein Befund, der eher an Opitz und an Weckherlin als an seine Zeitgenossen Kleist und Hölderlin erinnert. Ein Abkömmling des höheren Bürgertums wird nach sorgfältiger Ausbildung frühzeitig an einen kleinen Hof berufen und bleibt dort sein ganzes Leben. Sein Schicksal ist keine ein same, ungesicherte Existenz, sondern eine Laufbahn, die noch geradliniger und gemächlicher erscheint als die eines Wieland. Während der angeblich ganz konventionelle „Gesellschafts dichter" des Rokoko von den Ideen der Französischen Revolution stark erregt wird, lehnt Goethe von vornherein diese Zeitströmung ab, nicht anders als sein Landesherr, und noch die Restaurations zeit sieht ihn in ehrfurchtsvollem Briefwechsel mit Metternich. Goethe - ein Dichter des ancien regime, er, den das 19.Jahr hundert als Vorkämpfer des Individualismus feierte und der noch im Zeitalter des Existentialismus an Autorität gewann, während ein Dichter wie Schiller, der sich stärker um allgemeine Normen bemühte, eindeutig an die zweite Stelle rückte oder gar hinter Hölderlin und Kleist zurücktrat? Wer sich vom herrschenden Goethebild bestimmen läßt, wird sich nicht einmal von ferne diesem Gedanken nähern. Goethe erscheint als das Musterbeispiel eines originalen Dichters. Es gibt nichts, das seiner Lyrik gleicht, und unter seinen Hauptwerken braucht man nur an »Wilhelm Meister« und »Faust« zu erinnern, um seine absolute Originalität darzutun. Schon die jahrzehntelange Entstehungszeit dieser Werke verrät unmißverständlich, daß sie nicht im Anschluß an 9 KONVENTION UND URSPRÜNGLICHKEIT irgendeine Tradition geformt wurden, sondern im engsten Kon takt mit der einmaligen Existenz Goethes zu einmaligen Ge bilden heranwuchsen. Jede Kritik, die sich an einer normativen Gattungsästhetik orientierte, mußte bei der Interpretation dieser ungewöhnlichen Dichtungen versagen, und auch die ideen geschichtliche Deutung, welche sie auf allgemeine Prinzipien zurückzuführen versuchte, ging an ihrer einzigartigen, nur in unmittelbarer Begegnung zu erfahrenden Lebendigkeit vorüber. Diese Auffassung beruht auf gutem Grund, aber sie wird zu Unrecht verallgemeinert. Auch wo sich Goethes „Abhängigkeit" nicht leugnen läßt, beeilt sich der heutige Goetheforscher mit dem Nachweis ihrer Geringfügigkeit und Goethes unbedingter Selbständigkeit. Durch die Entstehung einer in sich selbst krei senden Goetheforschung und -verehrung wurde der Dichter auch aus ganz offensichtlichen geschichtlichen Bezügen heraus gehoben. Sie ernst zu nehmen erschien fast als Blasphemie, und wenn Gundolf ausdrücklich von ihm als von einem Gotte redete, so zog er damit nur die letzte Konsequenz aus einer längst be stehenden Auffassung. Auch die Goethefeindschaft setzt seit Börne und Menzel diese mythische Simplifizierung meistens schon voraus. Wenn man z.B. dem Dichter des »Faust« ganz einfach vorwerfen kann, er habe vom Bösen keinen Begriff gehabt, so geht das ebenso an seinem Kern vorbei, wie wenn man ihn plötzlich zum Christen erhebt. Schon im Stil ist ein derartiges systematisches Verfahren zur Erfassung Goethes ungeeignet, worauf Günther Müller in seiner Ausgabe der »Maximen und Reflexionen« längst mit Nachdruck, aber mit zu wenig Wirkung hingewiesen hat. Unsere nach „Entschiedenheit" lechzende Zeit entzieht sich hartnäckig dem „gegenständlichen", „polaren" Denken Goethes, weil sie selbst das Gleichgewicht, auf dem es beruhte, verloren hat. Auch die Frage Konvention oder Ursprünglichkeit läßt sich nicht eindeutig entscheiden, wenn man die Gesamtheit von Goe thes Werk im Auge behält. Betrachtet man Goethes theoretische Äußerungen, die ja meist aus seiner späteren Zeit stammen, so macht man die überraschende Entdeckung, daß er mehr der 10 IN GOETHES DICHTERISCHEM WERK Tradition als der Ursprünglichkeit das Wort geredet hat. „Ori ginal" ist für den alten Goethe geradezu ein Schimpfwort, z.B.: Den Originalen Ein Quidam sagt: „Ich bin von keiner Schule! Kein Meister lebt, mit dem ich buhle ; Auch bin ich weit davon entfernt, Daß ich von Toten was gelernt." - Das heißt, wenn ich ihn recht verstand: „Ich bin ein Narr auf eigne Hand." Oder: Besonders, wenn die Liberalen Die Pinsel fassen, kühnlich malen, Man freut sich am Originalen; Da zeigt sich uns ein jeder frei: Er ist von Kindesbeinen tüchtig, Besieht sich Erd und Himmel richtig Sein Urteil ist ihm nur gewichtig, Die Kunst ist selbst schon Tyrannei. Solche Äußerungen finden sich nicht nur gelegentlich, sondern begegnen auf Schritt und Tritt. Es handelt sich um ein Grund thema des alten Dichters. Auch im II. Teil des »Wilhelm Mei ster« macht es sich bekanntlich sehr energisch bemerkbar und bringt einen Interpreten von der Art Gundolfs sichtlich in Be drängnis. Recht bezeichnend, wie er sich aus der Verlegenheit hilft: Goethes Wanderjahre, meint er, sagen, im Unterschied zu den Lehrjahren, nichts mehr über ihn selbst aus, sondern geben ein Rezept für die Erziehung des Durchschnittsjünglings; daher die Betonung von Gesetz und Gehorsam. Diese bequeme Inter pretation aus dem hierarchischen Geiste Stefan Georges wird der Offenheit, der Kühnheit von Goethes Position nicht gerecht und läßt sich widerlegen. Goethe bemerkt nämlich ausdrücklich, daß man in der pädagogischen Provinz ein besonderes Interesse an den Genies nimmt, und er begründet das mit folgenden Wor ten: „Was uns zu strengen Forderungen, zu entschiedenen Ge setzen am meisten berechtigt, ist: daß gerade das Genie, das 11 KONVENTION UND URSPRÜNGLICHKEIT angeborene Talent sie am ersten begreift, ihnen den willigsten Gehorsam leistet. Nur das Halbvermögen wünschte gern seine beschränkte Besonderheit an die Stelle des unbedingten Ganzen zu setzen und seine falschen Griffe, unter Vorwand einer unbe dingten Originalität und Selbständigkeit zu beschönigen." Das Genie „bequemt sich zum Respekt, sogar vor dem, was man kon ventionell nennen könnte". Man darf annehmen, daß dieses Wort, wie die ganze Alters weisheit Goethes, kein leeres Räsonnement, sondern ein Stück Lebenserfahrung, ein Stück Selbstinterpretation ist. Die Schärfe der Formulierung mag sich aus Goethes Widerspruch zur Ori ginalitätssucht der romantischen Jugend erklären, aber ihr Inhalt selbst entspricht seinem eigenen Lebensgesetz und ist geeignet, neues Licht auf seine Dichtung zu werfen. Fragen wir also ganz schlicht, wie sich der Dichter des »Götz von Berlichingen«, des »Prometheus«, des »Urfaust« zu den Konventionen und Bedürfnissen seiner Umwelt verhielt. Dabei soll uns zunächst gerade die Dichtung interessieren, die offen sichtlich für die Umwelt geschrieben wurde, damit diese Seite seines Werkes einmal klar genug beleuchtet werde. Schon der Leipziger Goethe beweist einen ganz anderen Anpas sungswillen und eine viel größere Anpassungsfähigkeit als die meisten deutschen Genies seiner Zeit. Er gleicht darin mehr dem schmiegsamen Wieland als dem erhabenen Klopstock. Er will kein Priesterdichter, sondern ein Weltdichter werden. Die Urba nität, die formale Kultur, welche seine Persönlichkeit und Dich tung in Leipzig gewannen, werden in ihrer Bedeutung meistens unterschätzt. Sie sind eine Voraussetzung für Weimar, das übri gens auch geographisch keineswegs zufällig in der Nähe von Leipzig liegt. Die südwestdeutsche Sturm und Drang-Zeit bringt dann den Durchbruch zu neuen großen Inhalten, zur Geschichte, zum Volk, zur Natur und nicht zuletzt zu Goethes unverlierbarstem Inhalt, zu sich selbst. Selbst die Anknüpfung an die englische Tradition (Shakespeare) wird zunächst als radikale Revolution erlebt. Goethe ist einen Augenblick lang das „Originalgenie", als das

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