Fischer Arbeiten im virtuellen Zeitalter Peter Fischer Arbeiten im virtuellen Zeitalter Den Arbeitsplatz neu denken GABLER Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Fischer, Peter: Arbeiten im virtue lien Zeitalter : Den Arbeitsplatz neu denken / Peter Fischer. -Wiesbaden : Gabler, 1997 ISBN-13: 978-3-322-82748-7 Aile Rechte vorbehalten. © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler GmbH, Wiesbaden 1997 Lektorat: Jens Schadendorf Softcover reprint of the hardcover 1st edition 1997 Der Gabler Verlag ist ein Unternehmen der Bertelsmann Fachinformation GmbH. Das Werk einschlieBlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschiitzt. Jede Verwertung auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzu lassig und strafbar. Das gilt insbesondere fUr Vervielfaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. http://www.gabler-online.de Hochste inhaltliche und technische Qualitat unserer Produkte ist unser Ziel. Bei der Produktion und Verbreitung unserer Biicher wollen wir die Umwelt schonen: Dieses Buch ist auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt. Die Ein schweiBfolie besteht aus Polyathylen und damit aus organischen Grundstoffen, die weder bei der Herstellung noch bei der Verbrennung Schadstoffe freisetzen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annah me, daB solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetz gebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden diirften. Umschlaggestaltung: Schrimpf und Partner, Wiesbaden Satz: Alinea GmbH, Miinchen ISBN-13: 978-3-322-82748-7 e-ISBN-13: 978-3-322-82747-0 DOl: 10.1007/978-3-322-82747-0 Inhalt Einleitung ........................................... 7 Vergangenheit und Zukunft: Mut zur Phantasie ....... 11 Was ist Arbeit? ..................................... 15 = Arbeit Bezahlte Tatigkeit? ............................. 16 = Arbeit Existenzsicherung? ............................. 17 Arbeit = Infonnationsverarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Menschliche Arbeit: eine lange Geschichte ........... 23 Arbeit in der vorindustriellen Zeit ........................ 24 Arbeit im Industriezeitalter .............................. 27 Arbeit in Cyberspace: die postindustrielle Wirtschaft ......... 31 Neue Formen der Arbeit ............................. 43 Der Arbeitsplatz: ein Mythos ............................ 43 Die Verlagerung des Arbeitsplatzes: Teleworking ............ 55 Der Arbeitsplatz ist iiberall .............................. 66 Der Selbstangestellte: die tapfere neue Arbeitswelt .......... 70 Selbstandigkeit und Scheinselbstandigkeit .................. 84 Das postindustrielle Unternehmen ................... 91 Virtuelle Unternehmen: Flexibilitat in Reinfonn ............. 91 Projektarbeit als Kommandosache ........................ 95 Das Management in virtuellen Unternehmen ............... 100 Team-Design: die neue Fonn des Personalmanagements ..... 109 Outgesourced und downgesized: und dann? ............... 117 Gewerkschaften - ein Auslaufmodell? .............. 121 Lohnhohe und Beschaftigung: Lohnt sich Verzicht? . . . . . . . . . 125 Biindnisse fUr Arbeit - wer spricht fUr wen? ............... 126 5 Der postindustrielle Staat .......................... 129 Sicherheit, Recht und Ordnung .......................... 135 Bildung ............................................ 140 Ausbildung .......................................... 146 Mangel oder OberfluB? ............................ 153 Vollbeschliftigung .................................... 155 Arbeitslosigkeit und das Verteilungsproblem .............. 159 Schwarzarbeit ....................................... 161 Nichtkommerzielle Arbeit - der Konigsweg? .............. 164 Das Ende manipulativer Wirtschaftspolitik .......... 169 Stumpfe Instrumente - falsche Aufgaben .................. 172 Beschliftigungspolitik - die traditionelle Konjunkturpolitik ... 177 Preisstabilitlit und Beschliftigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 Zinssatz und Beschliftigung .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 Steuem ............................................. 190 Politische Griinde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 Was wollen wir - und was konnen wir? ............. 197 Wege ohne Ziel: Wir brauchen neue Visionen ....... 201 Resumee und Ausblick ............... .............. 205 Der Autor .......................................... 216 6 Inhalt Einleitung Deutschland wird, wie aIle ehemaligen Industriestaaten, zum Aus wanderungsland. Es sind aber nicht die Lander des fernen Ostens, die Tiger-Staaten oder Lander des ehemaligen Ostblocks, wohin sich Menschen oder "Arbeitsplatze" begeben. Das Ziel dieser universel len AuswanderungsweIle, die aIle postindustriellen Gesellschaften erfaBt hat, heiBt "Cyberspace". Neue Informationstechnologien, besonders die weltweite Datenver netzung, machen viele traditionelle Arbeitsweisen obsolet. Veran derte Kundenbediirfnisse, neue Produkte und Produktionsweisen haben neue Unternehmenskonzepte und Arbeitsformen hervorge bracht. Sie beginnen, sich durchzusetzen und unsere zukiinftige Arbeits- und Lebensweise nachhaltig zu verandern. Alte Untertei lungen in "Unternehmen", "Mitarbeiter", "Kunden" und "Lieferan ten" zeiehnen kein zutreffendes Bild dieser neuen Arbeitswelt mehr. Es ist zum einen der Trend zu einer neuen Form der beruflichen Selbstandigkeit zu erkennen, die sowohl yom traditionellen Bild des Unternehmers als auch dem des Freiberuflers abweieht - eine Ar beitsform, die oft als "selbstangestellt" bezeichnet wird. Parallel dazu gibt es auf der Unternehmensseite eine verstarkte Tendenz zur gruppenbezogenen und problemlOsungsorientierten Arbeit, die in ihrer extremen Form im Konzept des "virtuellen Unternehmens" endet. Diese brauchen nieht nur eine vollig andere Unternehmens kultur, die faktisch der Forderung nach einer Kulturrevolution gleiehkommt, sie benotigen gleichzeitig neue Managementphiloso phien sowie neue Vorstellungen von Personalpolitik und Marketing. Dieses Buch beschreibt diese Entwicklungen detailliert und zeigt, welche Konsequenzen das veranderte Arbeitsleben flir Unterneh men, Manager, Selbstangestellte und iibrige Beschaftigte hat. 7 Daneben verdeutlicht es, daB die sich wandelnde Arbeitswelt auch Folgen fUr eine vemunftige Wirtschafts-und Sozialpolitik hat. Wah rend namlieh Politiker und Wirtschaftseliten in den fruheren Indu strielandem immer noch versuchen, durch Reparaturen das Indu striezeitalter moglichst unbeschadet in die Zukunft zu retten, besteht die eigentliche Herausforderung nicht darin, mit nachruckenden Industriestaaten konkurrenzfahig zu sein, sondem sich in der neuen, "virtueller" werdenden Welt wichtige Positionen zu sichem. Ein wesentlicher Teil meines Buches ist deshalb der Problematik gewid met, daB die derzeitige Wirtschaftspolitik diese neuen Entwicklun gen nicht berucksichtigt und nur in traditionellen Schemata denkt, die uberwunden werden mussen. Niemand streitet ab, daB wir uns in Deutschland und in allen anderen ehemaligen Industrielandem den Gegebenheiten stellen mussen, die durch die Verbreitung der Informationstechnologie geschaffen wur den. Es ist keine Frage, ob wir diese neue Wirtschaftsform wollen oder nicht. Wei I sie machbar ist, wird sie kommen, und wir mussen uns ihr stellen. Eines der groBen wirtschaftspolitischen Probleme unserer westli chen, ehemals industriell gepragten Gesellschaften ist ohne Zweifel die Arbeitslosigkeit; nach dem weitgehenden Wegfall der atomaren Bedrohung stellt sie die groBte aktuelle Gefahrdung unserer Gemein wesen dar. Aber wo immer man in der aktuellen Diskussion hinhort - seien es Aussagen von Politikem, Arbeitgebem, Gewerkschaftem oder auch von Joumalisten und der Mehrzahl der Wirtschafts"fach leute": Ihre Rhetorik verlangt nicht wirklich nach Arbeit und Ein kommen, sondem nach "Arbeitsplatzen". Das ist kein Zufall und auch nicht nur eine sprachliche Ungenauigkeit. Denn politische und gesellschaftliche Institutionen, selbst Produkte des Industriezeit alters, versuchen bewuBt oder auch unbewuBt, jene alten Strukturen zu erhalten, die auch ihre eigene Existenzgrundlage darstellen. In dieser Sicht wird Arbeitslosigkeit nieht als Auswirkung einer vorubergehenden wirtschaftliehen Schwacheperiode dargestellt. 8 Einleitung Und doch ist untibersehbar, daB selbst dann, wenn das Sozialprodukt wachst, die Arbeitslosigkeit sogar noch zunimmt. Dennoch verspre chen Politiker, "Arbeitsplatze zu schaffen", "Arbeitsplatze zu erhal ten"; dennoch machen Zeitungen mit Uberschriften auf wie "Die Wirtschaft will neue Arbeitsplatze schaffen". Auf diese Weise wird der Eindruck erweckt, als ob es im beginnenden postindustriellen Zeitalter noch Sinn machen wtirde, in Kategorien wie "Arbeitsplat zen" zu denken. Ich vertrete dagegen die These, daB die Vorstellung yom "Arbeits platz" und die Argumentation in diesen Kategorien nicht mehr zeit gemaB sind und daB es sich dabei urn ein Konzept aus dem allmahlich verschwindenden Industriezeitalter handelt. In Zukunft werden vor allem neue Konzepte wie das "virtuelle Untemehmen" und die dort mitwirkenden "Selbstangestellten" unser Leben und Arbeiten im mer starker beeinflussen. Das eigentliche Problem bei dieser Umstellung zum virtuellen Zeit alter ist es, einen Weg zu finden, bei dem neue, unabhangige Arbeits weisen in eine modeme, solidarische Gesellschaft eingebettet wer den. Dabei ist es hoffnungslos, das alte System den Anforderungen der neu entstehenden Wirtschaftswelt anpassen zu wollen. Wie also kann es weitergehen? Nur auf den ersten Blick ist das postindustrielle Zeitalter hauptsach lich eine Zeit technischer Revolutionen. Tatsachlich werden jedoch die daraus folgenden notwendigen Veranderungen unserer Arbeits welt die weitaus groBere Herausforderung darstellen. Leider schei nen sich unsere Politiker und andere wichtige gesellschaftliche Gruppen nicht hinreichend der Tatsache bewuBt zu sein, wie grund legend sich unsere Arbeits- und Lebensweisen verandem. Wir sind aber tatsachlich in eine neue wirtschaftsgeschichtliche Epoche ein getreten, und es ist mit Reparaturarbeiten am vergangenen System nicht mehr getan. Wir brauchen also neue Visionen fUr unsere neu entstehenden Arbeitswelten! 9 Einleitung Dieses Buch verfolgt daher zwei Ziele: Erstens will es zeigen, wie Untemehmen und wir aIle im neuen virtuellen Zeitalter arbeiten, was sich fUr uns andem wird, wo Chancen liegen. Zweitens aber will es auch bewirken, daB der Leser hellhorig wird, wenn er wieder einmal das Versprechen hort, "Arbeitsplatze zu schaffen", "Arbeitsplatze zu erhalten" oder "Arbeitsplatze zu sichem". Denn hier solI in Frage gestellt werden, daB die immer wieder angekundigten wirtschaftspo litischen MaBnahmen die Anforderungen und Realitaten der begin nenden "postindustriellen" Wirtschaft angemessen beriicksichtigen. Drei Jahre nach meinem ersten Buch zum Thema Neue Arbeitswelt (Die Selbstiindigen von Morgen) und nach zusatzlichen 1,5 Millio nen Arbeitslosen war es an der Zeit, dieses Thema erganzt durch den Blickwinkel des offensichtlichen Versagens herkommlicher Wirt schafts-und Arbeitsmarktpolitik wieder aufzugreifen. Es wird dabei nicht darum gehen, neue "geschlossene" Konzepte vorzusteIlen, sondem darum, engagiert und hoffentlich nie langweilig zu zeigen, daB Wirtschaftspolitik und WirtschaftsfUhrer bislang in die falsche Richtung gedacht haben und wo neue Wege gegangen werden mus sen. Das Buch ist das Medium des Monologs: der eine schreibt, der andere liest. Die Moglichkeit zu einem Dialog besteht online bei einem Diskussionsforum im Cyberspace, meine E-Mail-Adresse ist 100 [email protected]. Bei CompuServe gibt es auBerdem das Forum TWEUROPA, unter anderem die deutsche Sektion 23: Telearbeit, wo ich regelmaBig zu finden bin. Dort findet man auch eine elektronische Bibliothek zu diesem Themenkreis. 10 Einleitung Vergangenheit und Zukunft: Mut zur Phantasie Wir aIle wollen wissen, wie unsere Zukunft in den nachsten lahren aussehen konnte. Die Futurologie beschaftigt sich mit eben dieser Frage. Ohne daB sie "Phantastische Geschichten" und "Science Fiction" beriicksiehtigen wtirde, werden bei ihr Prognosen zur Zu kunft aus bestehenden Informationen und Theorien abgeleitet, und das so entstehende Bild wird durch Phantasie erganzt, wenn man will: retuschiert. Futurologie ist somit eher eine Kunst und weniger eine Wissenschaft. Wollte sie als Wissenschaft und auch von uns ernst genommen werden, so mtiBte sie sich nachprtifbarer Annahmen und Fakten bedienen. Das Problem mit der Zukunft ist aber eben gerade, daB sie unbekannt ist und daB jeder in bezug auf Annahmen und Fakten nur den Kenntnisstand der Gegenwart haben kann. Das mag etwas trivial klingen, ist aber wiehtig flir unser Thema. Mit einigen Beispielen werde ich zeigen, wie leicht man den jeweils verftigbaren Kennt nisstand tiberbewerten kann: Beispiel 1: Der Aderla6 Uber lange Zeit gab es in der Medizin eine anerkannte Theorie tiber "gute" und "schlechte" Safte im Menschen, und es war eine der damaligen wissenschaftliehen Erkenntnis entspre chende Praxis, Kranken in groBeren Mengen Blut abzuzapfen. Selbst die renommiertesten Arzte lieBen Konige und Btirger zur Ader. Aus heutiger Sieht wird diese Praxis manchem armen Patienten das Leben gekostet haben. Damals jedoch entsprach sie dem wissenschaftlichen Kenntnisstand und wurde mit gutem Gewissen angewendet. 11
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