CampusEinführungen Herausgegebenvon ThorstenBonacker(Marburg) Hans-MartinLohmann(Frankfurta.M.) Geert Hendrich, Dr. phil., promovierte über arabisch-islami- sche Philosophie in der Moderne. Er ist Lehrbeauftragter am InstitutfürPhilosophiederTechnischenUniversitätDarmstadt undalsDozentinderErwachsenenbildungtätig. Geert Hendrich Arabisch-islamische Philosophie Geschichte und Gegenwart CampusVerlag Frankfurt/New York BibliografischeInformationderDeutschenBibliothek DieDeutscheBibliothekverzeichnetdiesePublikationinderDeutschen Nationalbibliografie.DetailliertebibliografischeDatensindimInternetüber http://dnb.ddb.deabrufbar. ISBN3-593-37583-4 DasWerkeinschließlichallerseinerTeileisturheberrechtlichgeschützt. JedeVerwertungistohneZustimmungdesVerlagsunzulässig. DasgiltinsbesonderefürVervielfältigungen,Übersetzungen,Mikro- verfilmungenunddieEinspeicherungundVerarbeitunginelektronischen Systemen. ©2005CampusVerlagGmbH,Frankfurt/Main Umschlaggestaltung:GuidoKlütsch,Köln Umschlagmotiv:DerlehrendeAristoteles(12.Jhd.),BritishLibrary,London Satz:TypoForumGmbH,Seelbach DruckundBindung:DruckhausBeltz,Hemsbach GedrucktaufsäurefreiemundchlorfreigebleichtemPapier. PrintedinGermany BesuchenSieunsimInternet:www.campus.de Inhalt Einleitung .................................. 7 1 Die Anfänge der arabisch-islamischen Philosophie.............................. 13 2 Die Kultur der klassischen Epoche und dasZeitalterderÜbersetzungen ........... 22 3 Der Beginn der systematischen Philosophie imIslam:al-Kindiundar-Razi ............. 34 3.1 al-KindiunddasDenkendesNeoplatonismus .. 35 3.2 ar-RaziundderphilosophischeSkeptizismus ... 48 4 DiegroßenNeoplatonikerdesOstens: al-FarabiundIbnSina .................... 58 4.1 al-Farabi .............................. 60 4.2 IbnSina(Avicenna) ...................... 75 6 Inhalt 5 Philosophische Kritikder Philosophie: al-GhazaliundseineNachfolger .......... 86 6 Die Philosophie im arabischenSpanien (al-Andalus) ............................ 97 6.1 IbnBadjdjaundIbnTufayl ............... 99 6.2 IbnRuschd(Averroes) ................... 108 7 Gewandelte Kontexte: ReligionsgelehrteundMystiker ........... 119 8 Wissenschaften, Philosophie und ihr Einfluss aufdaseuropäischeMittelalter ........... 130 9 DerÜbergangvomMittelalterzurNeuzeit . 140 9.1 IbnKhaldunsGeschichtsphilosophie ........ 143 9.2 Neuplatonischeundilluministische Traditionslinien ........................ 149 10 PhilosophieinderModerne .............. 153 10.1 ModernealsKriseundAufbruch .......... 154 10.2 DiskurslinieninderGegenwart ........... 157 Literatur ................................... 169 Glossar .................................... 174 Zeittafel ................................... 177 Personenregister ........................... 182 Einleitung Das Erstaunlichste an der arabischen Philosophie ist für die Europäerimmernoch,dassessiegibt,spotteteeinJournalist, als1998überallinEuropaundderarabischenWeltAverroes- Kongresseund-Gedenkfeiernstattfanden.FüreinekleineMin- derheit von Islamwissenschaftlern, Mediävisten und Philoso- phiehistorikernwarAverroes,der800Jahrezuvorgestorbene arabischeDenker,keinUnbekannter.Aberdasjournalistische FazittrafdenKerneinerallgemeinenWahrnehmung:Philoso- phie gehört nicht zum anerkannten Fundus der arabisch-isla- mischenKultur.DerpalästinensischeLiteraturwissenschaftler Edward Said bemerkte einmal ironisch, dass »Harun al-Ra- schid,Sindbad,Alladin,ScheherazadeundSaladinmehroder weniger die vollständige Liste arabischer Personen [ausma- chen], die moderne gebildete Europäer kennen.« (Said 1981, 13) Zum Bild vom märchenhaften und geheimnisvollen »Ori- ent«tratseitdemMittelalterdasvomfanatischenundgewalt- bereiten Islam. Dieses religiöse Feindbild ging im 19. und 20. Jahrhundert fast nahtlos in das vom »rückständigen« und »unaufgeklärten« Islam über. Dahinter verbirgt sich ein GrundprobleminderWahrnehmungvonKultur,nämlichihren MitgliederneinenunwandelbarenCharakterundein»Wesen« zuzuschreiben,dassieaufeineganzbestimmteSeinsweisefest- legt.»AusgegangenwirdvoneinerAnzahlnaturgegebenerwe- 8 Einleitung sentlicher Eigenschaften, die den unveränderlichen oder nur oberflächlich veränderbaren homo islamicus ausmachen«, schreibt der Philosoph Aziz al-Azmeh, und dieser Essentialis- musverdanktsichvorallem»derUmkehrungderdreiHaupt- bestimmungen,diedasbürgerlich-kapitalistischeZeitalterfür sichselbstinAnspruchnimmt:Vernunft,FreiheitundVervoll- kommnungsfähigkeit«(al-Azmeh1996,200).Übrigbleibteine Kulturnamens»Islam«,dienichtnurmit»unserer«Moderne inkompatibel ist, sondern nicht einmal über eine wahre Ge- schichteverfügt.Dennallesinihrreduziertsichaufdiequasi genetisch vorgegebenen Denk- und Handlungsmöglichkeiten deshomoislamicus:DasFehleneinerarabischenAufklärung, eines islamischen Descartes oder arabischen Kant resultiert nichtauseinerspezifischenGeschichte,sondernwirdalsAus- druck einer kulturellen Disposition der Subjekte gedeutet, in derPhilosophiealsVernunftwissenschaftkeinenOrthat. BetrachtetmandenIslamalseinederWeltreligioneninsei- nerEntwicklungbiszurGegenwartnäher,soerweistsichbald seine Heterogenität.WederinTheologienochin dergelebten Religiosität der Alltagswelt kennzeichnete ihn je die Einheit- lichkeit, die die westliche Wahrnehmung ihm zuschreibt und die islamistische Selbstbeschreibungen gerne hätten. Zumal mansehrschnellaufeinweiteresProblemdesBegriffes»Islam« stößt:ErbezeichnetebennichtnureineReligion,sondernana- logzu»Europa«oderdem»Westen«eineKultur.AlsKulturbe- griffumfassterdievielfältigenErscheinungenvonKultur,ihre Geschichte mit allen politischen, sozialen und ökonomischen Kontexten,unddiesauchnochinseinerlokalenVielfältigkeit. SokanndieBezeichnungals»islamische«oder»arabisch-isla- mische«KulturnuralsChiffrebegriffenwerdenfürdenReich- tum,aberauchfürdieWidersprüchlichkeiteinergelebtenund lebendigenKultur.DasgiltauchfürdiePhilosophieinihr. DieeuropäischenWissenschaftenhabendiePhilosophieim IslamlangeZeitalsTeileinervonderReligiondesIslamund Einleitung 9 ihrer spezifischen Kultur geprägten Besonderheit betrachtet undnichtalsTeileineruniversalenGeschichtedesphilosophi- schenDenkens.SelbstheutefindetdiesseinenAusdruckinder seltenen Behandlung der arabisch-islamischen Philosophie im akademischen Lehrbetrieb und der mangelnden Präsenz der philosophischen Klassiker des Islam in den Bibliotheken. ZumaldiewissenschaftlichenDisziplineneifersüchtigihrespe- zifischen Kompetenzen betonen und dadurch die dringend erforderlicheinterdisziplinäreArbeiterschweren. Gegenüber den gemeinsamen Wurzeln der arabisch-islami- schenunddereuropäischenKulturundgegenüberdenvielfälti- gen Beziehungen innerhalb ihrer Geschichte hat das europäi- scheSelbstbewusstseinalsoeinebemerkenswerteVerdrängung betrieben,dieaktuellindiegefährlicheRhetorikvom»Kampf der Kulturen« mündet. Nicht zu Unrecht kann man dagegen vom Islam als dem »verdrängten dritten Erbe« der Europäer neben dem griechisch-antiken und dem jüdisch-christlichen sprechen. Das Anliegen dieses Buches ist es, in einen Aspekt dieses gemeinsamen Erbes einzuführen: die arabisch-islami- sche Philosophie. Die Darstellung ist weitgehend chronolo- gisch,ergänztunderläutertdurchdieBehandlunghistorischer undkulturellerKontexte.SobeginntdasBuchmitzweiEntste- hungsbedingungen, die zum Verständnis der arabisch-islami- schenPhilosophiebesonderswichtigsind(Kapitel1):dieKon- tinuität der antiken Traditionen, in denen die »islamische« Kultur von ihren Anfängen an steht, und die Besonderheiten derneuenWeltreligiondesIslam.HiersindvorallemAnfänge und Entwicklung der islamischen Theologie in ihren Auswir- kungen auf die Philosophie wichtig. Für die spätere Blüte der arabisch-islamischenPhilosophieundfürihreWirkungaufdie europäische Kultur ebenso wichtig war die umfassende Über- setzung der antiken Autoren (Kapitel 2). Mit dem neunten Jahrhundertbeginnteineeigenständige,systematischePhiloso- phieimIslam(Kapitel3).PrägendfürsiewarderEinflussdes 10 Einleitung Neoplatonismus, der in diesem Kapitel erläutert wird. Er beeinflusstebereitsdenerstendergroßenarabisch-islamischen Denker,al-Kindi,währendderArztundPhilosophar-Razisich eheramantikenAtomismusorientierteundalsReligionskriti- kerhervortrat.DenerstenPhilosophenfolgtendieauchimmit- telalterlichenEuropaberühmtenDenkerderNeoplatonismus (Kapitel 4): Al-Farabi, dessen Staatsutopie von der »Muster- stadt« eine ethisch-politische Synthese von rationaler Philo- sophie und geoffenbartem Glauben versucht, und Ibn Sina (Avicenna), der ähnliches in der Metaphysik anstrebte. Dies forderteKritikerheraus,dieaufdemPrimatdesReligiösenvor derPhilosophiebeharrten(Kapitel5).AlsihrwichtigsterVer- treterkann al-Ghazali gelten, der zugleich selbst alskreativer Denkerhervortrat,etwahinsichtlichderBehandlungdesKau- salitätsproblems. Auch die Philosophie des arabischen Spaniens brachte be- deutende Vertreter hervor (Kapitel 6): Ibn Badjdja und Ibn Tufayl mit seinem philosophischen Entwicklungsroman, des- sen Wirkung bis in europäische Aufklärung reicht. Der be- rühmtesteVertreteraberwarzweifellosIbnRuschd(Averroes). Seine eher der aristotelischen Tradition als dem Neoplatonis- mus zugewandte Philosophie vertrat die Superiorität der Ver- nunft gegenüber dem Glauben. Sein eindrucksvolles philoso- phischesSystembeeinflusstedaseuropäischeDenkenvorallem imMittelaltermaßgeblich.Dagegenblieberinnerhalbderara- bisch-islamischen Welt bis zur Moderne nahezu unbeachtet. Dafür waren nicht zuletzt gewandelte gesellschaftliche Kon- texte(Kapitel7)verantwortlich,diesowohlzueinerStärkung orthodoxer Theologie als auch zum Aufblühen mystischer Strömungen im Islam führten. Beides schwächte den Einfluss und die Qualität der Philosophie. Zur gleichen Zeit erreichte derEinflussderarabisch-islamischenKulturaufEuropa(Kapi- tel8)seinenHöhepunkt.Zwischendem8.und14.Jahrhundert wardiearabisch-islamischeKulturdereuropäischenhinsicht-
Description: