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Antiklerikalismus in Europa: Öffentlichkeit und Säkularisierung in Frankreich, Spanien und Deutschland (1848-1914) PDF

620 Pages·2014·10.114 MB·German
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© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525310236 — ISBN E-Book: 9783647310237 Religiöse Kulturen im Europa der Neuzeit Herausgegeben von Friedrich Wilhelm Graf, Miloš Havelka und Martin Schulze Wessel Band 3 Vandenhoeck & Ruprecht Lisa Dittrich Antiklerikalismus in Europa Öffentlichkeit und Säkularisierung in Frankreich, Spanien und Deutschland (1848–1914) Vandenhoeck & Ruprecht Mit 26 Abbildungen Umschlagabbildung: Galantara, Gabriele: Frankreichs höhere Balletkunst im Dienste der Freiheit. In: Der Wahre Jakob, 4.10.1904, 4480, Bayerische Staatsbibliothek, 4 Z 36.299–1903/1905. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-525-31023-6 Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhältlich unter: www.v-r.de Der Druck dieses Buches wurde ermöglicht durch einen Druckkostenzuschuss aus Mitteln des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanzierten Internationalen Graduiertenkollegs »Religiöse Kulturen im Europa des 19. und 20.Jahrhunderts«. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen/ Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristole, CT, U.S.A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. – Printed in Germany. Gesamtherstellung: Hubert & Co, Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Inhalt Einleitung ........................................................... 7 1. Staat, Kirchen und Öffentlichkeit – Antiklerikale Kontexte ............. 49 1.1 Das religiöse Feld – Pluralisierung und Wandel ................... 50 1.2 Frankreich – Die Entstehung eines Mehrheitsantiklerikalismus ..... 72 1.3 Spanien – Antiklerikalismus in der Opposition ................... 91 1.4 Deutschland – Zwischen Staatsmacht, protestantischer Mehrheitsgesellschaft und Kritik im Obrigkeitsstaat ............... 115 1.5. Europäischer Antiklerikalismus: Kontexte und Entwicklungen – Zwischenfazit ................................................. 141 2. Skandalisierungen und die Bildung europäischer Öffentlichkeit ........ 147 2.1 Die Entführung Edgardo Mortaras (1858) – Europa als Ausweg .... 148 2.2 Das Erste Vatikanische Konzil (1869/1870) – Nationale Fragen und begrenzte Mobilisierung ........................................ 181 2.3 Die Hinrichtung Francisco Ferrers (1909) – Eine europäische Öffentlichkeit protestiert ....................................... 219 2.4 Europäische Öffentlichkeit: Nationale Grenzen und Strukturwandel – Zwischenfazit ................................. 277 3. Konfliktfelder und Säkularisierungskämpfe .......................... 289 3.1 Eine Frage der Macht – Freiheitsforderungen und politische Legitimität .................................................... 291 3.2 Eine Frage der Wahrheit – Epistemologische Debatten ............ 329 3.3 Eine Frage des Glaubens – Eine religiöse Suche ................... 357 3.4 Eine Frage der Moral – Neue und alte Instanzen, neue und alte Werte ........................................................ 384 3.5 Eine Frage der Zeit – Modelle für die Moderne ................... 412 3.6 Säkularisierung: Delegitimierung und Pluralität – Zwischenfazit .... 422 6 Inhalt 4. Formen und Dynamiken des Diskurses .............................. 431 4.1 Strukturen – Wiederholung und Verschmelzung ................. 432 4.2 Charakter und Tonlagen – Stereotypisierung und Gegnerschaft .... 452 4.3. Karikaturen: Erhöhte Verdichtung – eine Coda ................... 478 4.4 Antiklerikalismus: Ein binärer Code – Zwischenfazit .............. 488 5. Antiklerikalismus als europäisches Phänomen – Fazit ................. 491 5.1 Säkularisierung, Kirchen, Religion und Ultramontanismus ......... 492 5.2 Der antiklerikale liberale Code – Eingrenzung und Abgrenzung .... 498 5.3 Europäische Dimensionen und Pfade ............................ 503 Danksagung ......................................................... 513 Abkürzungen ........................................................ 515 Bildnachweis ........................................................ 517 Bibliografie .......................................................... 519 Register ............................................................. 603 Personenregister .................................................. 603 Sachregister ....................................................... 606 Einleitung Unter dem Titel »El Kulturkampf internacional« publizierte der Kardinal und Erzbischof von Toledo, Ciriaco María Sancha1, 1901 eine Schrift, mit der er auf die nach der Jahrhundertwende in Spanien aufbrechenden Auseinandersetzun- gen über die Rolle von Kirche und Religion in Staat und Gesellschaft reagierte.2 Schon der Titel verweist auf den internationalen Charakter der Konflikte. Im Text selbst stellte der spanische Kirchenmann die zeitgenössischen Auseinan- dersetzungen seines Heimatlandes in einen europäischen Kontext, den er bis zurück zur Reformation spannte. Schließlich signalisierte die Verwendung des deutschen Begriffs Kulturkampf, den der Pathologe Rudolf Virchow (1821– 1902) 28 Jahre zuvor maßgeblich geprägt hatte,3 die grenzüberschreitende Bedeutung des Themas. Denn auf den 240 Seiten seiner Schrift analysierte San- cha zwar verschiedene Konzepte wie Antiklerikalismus und Klerikalismus, wid- mete dem deutschen Begriff Kulturkampf jedoch keine weiteren Erläuterungen. Der Germanismus – so muss man annehmen – war bereits vorher aus dem Deutschen in den passiven Wortschatz des potentiellen spanischen Publikums des Kardinals übergegangen. Das begriffliche Arsenal der Kulturkämpfer wurde also von den Gegnern in den Auseinandersetzungen aufgegriffen, dabei zirku- lierte es im europäischen Rahmen, und das nicht nur zwischen den beiden ›Kernländern‹ Europas Deutschland und Frankreich. In seiner Schrift bemühte sich der Erzbischof, die verschiedenen Kritikpunkte spanischer Antiklerikaler 1 Ciriaco María Sancha y Hervás (1833–1909) nahm eine zentrale Stellung innerhalb der spanischen Kirchenhierarchie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein. Er baute als Bischof die neu gegründete Diözese Madrid auf und übte Einfluss auf die Schaffung einer ein- heitlichen Linie im spanischen Katholizismus und in der aufkommenden katholischen Bewe- gung aus. Vgl. Archivo Bibliográfico de España, Portugal e Iberoamérica (im Folgenden ABEPI), III, 400 177–180. Vor- und Nachnamen handelnder Personen werden in der folgen- den Studie jeweils bei der Erstnennung vollständig und, wenn diese ermittelt werden konnten, mit Lebensdaten angeführt. Ausführliche biografische Hinweise werden nur bei solchen Per- sonen erbracht, die zentral für das Thema sind und deren Bekanntheit nicht vorausgesetzt werden kann. 2 Vgl. Sancha y Hervás: El Kulturkampf internacional. 3 Der Begriff Kulturkampf wurde nicht erstmals von Virchow 1873 in einer seiner Reden im preußischen Abgeordnetenhaus benutzt, sondern tauchte bereits in den 1840er Jahren in innerkatholischen Konflikten in der Schweiz auf. Vgl. Borutta: Antikatholizismus 1; zu weite- ren früheren Beispielen Lepp: Protestantisch-liberaler Aufbruch 328; Morsey: Kulturkampf 163. 8 Einleitung zu widerlegen: Er verteidigte die klösterliche Lebensform gegen ökonomische Argumente, moralische Kritik und die Anzweifelung ihres legalen Status, ver- wahrte sich gegen den Vorwurf der mangelnden Freiheit, die in religiösen Gelübden zum Ausdruck komme, und betonte, dass der Papst keine ausländi- sche Macht darstelle. Für Sancha verbarg sich hinter der Kritik der Antiklerika- len eine irreligiöse Verschwörung von Freimaurern und Atheisten, die unter ausländischem Einfluss stünden. Die Bandbreite der Themen verdeutlicht die verschiedenen Dimensionen der Kulturkämpfe. »El Kulturkampf internacional« bündelt somit grundsätzliche Fragen nach Konfliktstoff, Zielsetzung und Reich- weite, die diese Auseinandersetzungen des ausgehenden 19. Jahrhunderts bis heute aufwerfen und die im Zentrum der folgenden Studie stehen sollen. Die zweite Hälfte des 19. und die ersten Jahre des 20. Jahrhunderts zeichne- ten sich in Europa durch rechtliche Auseinandersetzungen der (entstehenden) Nationalstaaten mit den Kirchen sowie durch soziale und kulturelle Konflikte aus, in denen Antiklerikale die Kirchen und die Religion kritisierten und deren Rolle in den sich wandelnden Gesellschaften verhandelten. In den letzten Jahren ist die europäische Dimension der Kulturkämpfe immer wieder betont worden;4 der Antiklerikalismus war nicht zuletzt aufgrund der internationalen Verfasst- heit seines Hauptfeindes, der katholischen Kirche, transnational.5 Die Ausei- nandersetzungen entstanden im Zusammenspiel soziokultureller, politischer und ökonomischer Veränderungen der europäischen Gesellschaften: der Entste- hung der Massenpresse und des politischen Massenmarktes, der Demokratisie- rung, der Verschärfung sozialer und weltanschaulicher Polarisierungen und des Erstarkens des Nationalismus. Ausschlaggebend war vor allem der strukturelle Wandel von Religion und Kirchen. Dieser beinhaltete sowohl die zunehmende Entkirchlichung und Pluralisierung als auch die religiöse Erneuerung vor allem in der katholischen Kirche.6 In den Kulturkämpfen wurden die zentralen Weichen für das Verhältnis von Religion, Staat und Gesellschaft in den modernen europäischen Gesellschaften gestellt. Die antiklerikale Kritik berührte alle Bereiche: Die Machtpositionen der Kirchen wurden bekämpft, institutionelle Fragen wie die Säkularisierung des 4 Vgl. als Übersicht zur internationalen und transnationalen Dimension Rémond: Special Issue: Anticlericalism. European Studies Review 13 (1983); Clark/Kaiser: Culture Wars; Borutta: Antikatholizismus; Verhoeven: Transatlantic Anti-Catholisim sowie Werner/Havard: European Anti-Catholicism. 5 Vgl. zur Betonung des Einflusses der international verfassten katholischen Kirche zuletzt Verhoeven: Transatlantic Anti-Catholicism 7f., 126f. 6 Vgl. für einen Überblick über die Kontexte bereits Clark/Kaiser: Introduction 1; Kaiser: Clericalism 75. Einleitung 9 Personenstandswesens, der Friedhöfe, der Hospitäler und der Bildung diskutiert und in vielen europäischen Ländern die gesetzlichen Rahmenbedingungen des Verhältnisses von Staat, Gesellschaft und Kirchen entscheidend modifiziert.7 Antiklerikale prangerten in den Konflikten moralische Verfehlungen des Klerus an, wandten sich mit ökonomischen Argumenten gegen die klösterliche Lebens- führung und griffen Dogmen und Heiligenverehrung an, da diese den moder- nen Wissensmaßstäben nicht gerecht würden. Ihr Hauptgegner war dabei die katholische Kirche, insbesondere der sich entwickelnde politische Katholizis- mus und das entstehende kirchenpolitische Modell des Ultramontanismus. Einige Kirchenkritiker stellten ihren Kampf in den Kontext einer allgemeinen Religionskritik aus reformistischer oder atheistischer Perspektive. Dabei entwi- ckelten sich zum Teil auch alternative religiöse Formen. Die Bandbreite der antiklerikalen Themen korrespondierte mit der Hetero- genität der Trägergruppen. Neben dem gesamten linken Spektrum von Libera- len, Republikanern, Sozialisten und Anarchisten vertraten die sich in diesen Jahrzehnten konstituierenden beziehungsweise konsolidierenden Assoziationen der Freidenker und Freimaurer kirchenkritische Positionen. Zugleich bestimm- ten konfessionelle Gegensätze die Kulturkämpfe. So waren es in den deutschen Ländern und auch in Frankreich besonders Teile der Protestanten und in gerin- gerem Maße der Juden, die eine antikatholische Stoßrichtung des Antiklerikalis- mus pflegten. Die Konfliktlinien konnten allerdings auch anders verlaufen. Mitte des Jahrhunderts schlossen zum Beispiel in den Niederlanden Liberale mit Katholiken eine Allianz, da letztere sich als religiöse Minderheit von einer Trennung von Staat und Kirchen größere Freiheiten erhofften.8 Der Kultur- kampf des Reichskanzlers Fürst Otto von Bismarck (1815–1898) ist wohl das bekannteste Beispiel für eine konservative Kirchenkritik, durch das die häufig vorgenommene klare Verortung des Antiklerikalismus im linken politischen Spektrum in Frage gestellt wird. Die Auseinandersetzungen wurden in erster Linie in geschriebenem und gesprochenem Wort ausgetragen, wobei vor allem der Presse eine entschei- dende Rolle zukam.9 Antiklerikale artikulierten sich zudem in Versammlungen, Demonstrationen und anderen Protestformen und die Konflikte nahmen zum Teil einen gewalttätigen Charakter an. Auch die transnationale Dimension der Auseinandersetzungen schlug sich vorrangig in medialer Form nieder; Bücher und Artikel der Kulturkämpfer anderer Länder wurden ebenso übersetzt wie die Grundlagenliteratur der Antiklerikalen. Man berichtete ausführlich über die 7 Vgl. zur zeitlichen Einordnung der verschiedenen nationalen Konflikte, ihren Gemein- samkeiten wie Differenzen den Überblick bei Clark/Kaiser: Introduction 4–7. 8 Vgl. Te Velde/Margry: Contested Rituals. 9 Vgl. zur Rolle der Presse z.B. bereits Rémond: Religion et société 108.

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