ANTIKE UND ORIENT IM MITTELALTER MISCELLANEA MEDIAEVALIA VERÖFFENTLICHUNGEN DES THOMAS-INSTITUTS AN DER UNIVERSITÄT KÖLN HERAUSGEGEBEN VON PAUL WILPERT UNTER MITARBEIT VON WILLEHAD PAUL ECKERT BAND l ANTIKE UND ORIENT IM MITTELALTER W A L T ER DE G R U Y T ER & C O ./ B E R L IN VORMALS G. J. GÖSCHEN'SCHE VE R LAG S H AN DLUNG . J. GUTTENTAG, VER- LAG SBUCH HANDLUN G . GEORG REIMER . KARL J.TRUBNER .VEIT & COMP. 1962 ANTIKE UND ORIENT IM MITTELALTER VORTRÄGE DER KÖLNER MEDIAEVISTENTAGUNGEN 1956—1959 HERAUSGEGEBEN VON PAUL WILPERT UNTER MITARBEIT VON WILLEHAD PAUL ECKERT W A L T ER DE G R U Y T ER & CO. / B E R L IN VORMALS G. J. GÖSCHEN'SCHE VE R L AG S H AN DLU N G · J. G UTTENTAG, VE R- LAG S BUCH HAN D LUNG . GEORG REIMER . KARL J.TRÜBNER-VEIT&COMP. 1962 MIT BEITRÄGEN VON KARL BOSL · HEINRICH DÖRRIE · GßRARD VERBEKE · PAUL WILPERT HEINRICH HUSCHEN · JOSEPH EHRENFRIED HOFFMANN · KURT VOGEL HEINRICH SCHIPPERGES · MARIE D'ALVERNY « RICHARD WALOT GEORGES ANAWATI · RICHARD KONETZKE · PIERRE MICHAUD-QUANTIN JÜRGEN SYDOW UND BERYL SMALLEY Archiv-Nr. 5621621 Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen © 1962 by Walter de Gruyter & Co., Berlin W 30 Printed in Germany Satz und Druck: Walter de Gruyter & Co., Berlin W 30 VORWORT Die Arbeit eines Forschungsinstituts vollzieht sich in der Stille. Wenn sich ein solches Institut obendrein nicht einer bestimmten ein- zelnen Forschungsaufgabe widmet, sondern sich, wie das Thomas-In- stitut an der Universität Köln, den verschiedenen Anliegen philoso- phiegeschichtlicher Forschung in ihrer ganzen Breite eröffnet, so wird dieses Institut zwar ein wertvolles und brauchbares Instrument, dessen sich andere Institutionen zur Durchführung ihrer Aufgaben bedienen, aber es tritt nicht selbst als Institut vor die Öffentlichkeit. Es ist unser Stolz, daß wir in dem zwölfjährigen Bestehen unseres Instituts solche dienende Arbeit leisten konnten. Es hat sich ergeben, daß die Doku- mentation und die bei einer großen wissenschaftlichen Ausgabe un- entbehrliche Hilfsarbeit für die Cusanus-Edition der Heidelberger Akademie der Wissenschaften im Thomas-Institut konzentriert wurde. Ebenso sammelt das Thomas-Institut für die Neubearbeitung des Ueberweg die bibliographischen Unterlagen für die gesamte Geschichte der Philosophie. Es entspricht solcher Arbeit, daß das Institut seit drei Jahren die redaktionelle Arbeit für das vom Unterzeichneten in Verbindung mit Glenn Morrow neu belebte Archiv für Geschichte der Philosophie und für die begleitende Monographienreihe »Quellen und Studien zur Geschichte der Philosophie« leistet. Ganz von selbst erhebt sich aber auch der Wunsch, neben dieser dienenden Arbeit, die weiterhin unsere Hauptaufgabe bleiben soll, auch die Arbeit des Instituts selbst als solche sichtbar werden zu lassen. Es scheint uns deshalb angebracht, daß wir nach einem nun- mehr zwölfjährigen Bestehen des Instituts uns ein Organ schaffen, das uns Gelegenheit gibt, vom eigenen Tun und Forschen auch vor der Öffentlichkeit Rechenschaft abzulegen. Das Institut ist bisher der Öffentlichkeit am stärksten durch die all- jährlich von ihm veranstalteten Mediävistentagungen bekannt ge- worden. Ihre Ergebnisse nicht nur dem kleinen Kreis der jeweiligen Teilnehmer zugänglich zu machen, sondern sie auch für alle fruchtbar werden zu lassen, die geistig die Mediävistentagungen mittragen, wird die wichtigste Aufgabe der mit diesem Band eröffneten Publikations- reihe der Miscellanea Mediaevalia sein. Die Vorträge der Mediävisten- tagungen, die nunmehr regelmäßig Jahr für Jahr als Sammelband unter dem Titel des Rahmenthemas der Tagungen erscheinen sollen, VI Vorwort werden auch in Zukunft das Kernstück dieser Veröffentlichungsreihe des Instituts sein. Daneben aber sollten die Miscellanea Mediaevalia in zwangloser Folge Berichte und Einzelvorträge bringen, die sich aus der Arbeit des Instituts, aus den am Institut gehaltenen oder von ihm veranstalteten Gastvorlesungen ergeben. Diese Publikationsreihe soll die Auffassung des Instituts unterstreichen, daß die Editionen und Forschungen zur Philosophie des Mittelalters einen der Schwerpunkte seiner Arbeit bilden und bilden müssen. Ähnlich wie die Mediävisten- tagungen will auch die Publikationsreihe sich nicht auf die Philoso- phie allein beschränken, obgleich diese im Mittelpunkt unseres Inter- esses steht. Sie will vielmehr die ganze Geistesgeschichte des Mittel- alters zu Wort kommen lassen. Die Miscellanea Mediaevalia verstehen sich als ein Beitrag und als ein Organ des Gesprächs zwischen den Fa- kultäten und zwischen den Forschern, die sich in irgendeiner Weise mit dem Mittelalter beschäftigen. PAUL WILPERT INHALTSVERZEICHNIS Seite KARL BOSL: Die germanische Kontinuität im deutschen Mittel- alter (Adel—König—Kirche) l I. Kultur. Kontinuität und Kulturkonstanz l II. Möglichkeiten und Formen der Begegnung 6 III. Eigenkirchenrecht und Sakralrecht 9 IV. Adelsherrschaft als germanische Konstante im deutschen Mittelalter 14 V. Rache, Fehde, Friede — Heil. Germanische Substanz in Recht, Staat und Religiosität des Mittelalters 19 HEINRICH DÖRRIE: Porphyries als Mittler zwischen Plotin und Augustin 26 GERARD VERBEKE : Saint Thomas et le Stoicisme 48 PAUL WILPERT : Philon bei Nikolaus von Kues 69 HEINRICH HUSCHEN: Antike Einflüsse in der mittelalterlichen Musikanschauung 80 Jos. E. HOFMANN: Vom Einfluß der antiken Mathematik auf das mittelalterliche Denken 96 KURT VOGEL : Der Anteil von Byzanz an Erhaltung und Weiter- bildung der griechischen Mathematik 112 Die erste Periode (408—829) 116 Die zweite Periode (829—1222) 119 Die dritte Periode (1222—1453) 123 HEINRICH SCHIPPERGES: Einflüsse arabischer Medizin auf die Mikrokosmosliteratur des 12. Jahrhunderts 129 I. Mikrokosmostheorien der älteren Tradition 131 II. Der Durchbruch der humanistisch-arabischen Richtung . 137 III. Die Bedeutung der neuen Wissenschaften . . . . . .. 145 Zusammenfassung 150 Quellenhinweise 151 MARIE-THERESE D'ALVERNY: Survivance de la Magie Antique . 155 RICHARD WALZER: Arabische Übersetzungen aus dem Griechi- schen 179 VIII Inhaltsverzeichnis Seite GEORGES ANAwATI : Theologie Musulmane au Moyen Age . . . 196 Introduction 196 Remarque Preliminaire 197 I. Sources de la Theologie Musulmane 197 II. Place du kalam dans 1'ensemble savoir 204 1. Le De Scientiis de Färäbi 204 2. Autres auteurs. Conclusion de la deuxieme partie . . 208 III. Structure des Traitos 209 Conclusion 217 RICHARD KONETZKE: Probleme der Beziehungen zwischen Islam und Christentum im spanischen Mittelalter 219 I. Kontinuität der spanischen Geschichte ? 220 II. Die wandernde Grenze 221 III. Die Reconquista ist kein eigentlicher Glaubenskrieg . . . 226 IV. Der Krieg fördert die adlige Lebenshaltung 232 V. Flüchtlings- und Vertriebenenprobleme 234 PIERRE MICHAUD-QUANTIN : Collectivite's modie"vales et institu- tions antiques 241 JÜRGEN SYDOW : Gedanken über die Auctoritas in der Kanonistik des frühen 13. Jahrhunderts (bis 1234) 253 BERYL SMALLEY : Problems of Exegesis in the fourteenth Century 266 ZUR EINFÜHRUNG Die Mediävistentagungen in Köln sind für viele zu einem festen Be- griff geworden, die sich mit Problemen der Mittelalterforschung be- schäftigen. Unter einem bestimmten Rahmenthema vereinigen diese Arbeitstagungen jeweils Referenten und Forscher der verschiedensten Sachgebiete zu gemeinsamem Gespräch. Seit langem ist an mich der Wunsch herangetragen worden, die Referate der Mediävistenta- gungen in jährlicher Folge zu veröffentlichen, damit der Beitrag den sie für die Forschung liefern, auch denen zugute komme, die nicht an der Tagung selbst teilzunehmen vermögen. Zwei Tagungen konnten durch den Begründer der Mediävistentagungen, Herrn Prälat Pro- fessor D. Dr. Josef Koch in der von ihm geleiteten Reihe: Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters herausgegeben werden1. Doch der Wunsch nach einer raschen Publikation im Anschluß an die jeweilige Tagung war damit noch nicht befriedigt. Nunmehr ist die Publikation der Vorträge der 11. und 12. Mediä- vistentagung (1960 und 1962) bereits in Vorbereitung. Sie wird dem Selbst Verständnis des Berufs im Mittelalter gewidmet sein. Der hiermit der Öffentlichkeit übergebene 1. Band unserer Miscel- lanea Mediaevalia faßt die Referate der 7.—10. Mediävistentagung zu- sammen, die in den Jahren 1956—1959 vom Thomas-Institut an der Universität Köln veranstaltet wurden. Die lange Verzögerung der Publikation hat leider viele Referenten, die uns ihre Beiträge zur Veröffentlichung übergeben hatten, in- zwischen veranlaßt, sie in Zeitschriften ihres Fachgebietes erscheinen zu lassen. Dem Wunsch nach vorzeitiger Veröffentlichung konnten wir uns um so weniger widersetzen, als sich der Erscheinungstermin des ersten Bandes immer wieder hinauszögerte. Es hatten jedoch so viele Verfasser mit uns Geduld, daß trotz aller Schwierigkeiten noch ein an- sehnlicher Band zustande gekommen ist. Allen, die uns geholfen haben, diesen Band erscheinen zu lassen, und die uns über so viele 1 Die Vorträge der dritten Mediävistentagung 1952 erschienen als Band III der Studien und Texte zur Geistesgeschichte des Mittelalters unter dem Titel: Huma- nismus, Mystik und Kunst in der Welt des Mittelalters. Leiden — Köln 1953. Die Vorträge der sechsten Mediävistentagung 1955 tragen als Band V den Titel: Artes liberales. Von der antiken Bildung zur Wissenschaft des Mittelalters. Leiden — Köln 1955. X Zur Einführung Jahre hinaus ihr Vertrauen geschenkt und ihre Treue gehalten, sagen wir für ihre Geduld herzlichen Dank. Die Referate werden so veröffentlicht, wie sie auf den Tagungen ge- halten wurden. Auf eine Ergänzung durch später erschienene Lite- ratur wurde bewußt verzichtet und ebenso, von kleinen Zufügungen abgesehen, auf weitergehende Umarbeitung. All das hätte nicht nur eine neuerliche Verzögerung der Drucklegung bedeutet, sondern auch den Eindruck des gehaltenen Vortrags stark verändert. Neben ihrem Beitrag zur Mittelalterforschung soll ja die Publikation auch einen Einblick in den lebendigen Vollzug der Mediävistentagungen selbst geben. Wenn wir trotz der Vielfalt der in diesem Band vereinigten Einzel- themen und trotz des Wechsels des Rahmenthemas bei den einzelnen Tagungen die Referate von vier Tagungen noch in einem in sich ge- schlossenen Band vorlegen können, so zeigt sich darin die Kontinuität des Planens und Arbeitens, die sich bei den Mediävistentagungen durchgesetzt hat. Unter dem Titel »Antike und Orient im Mittelalter« ließ sich zwanglos zusammenfassen, was Gegenstand unserer For- schungen und Diskussionen war. Man spricht heute gerne von der abendländischen Tradition und denkt dabei an die Linie der Kulturüberlieferung, die vom Griechen- tum über die griechisch-römische Antike ins christliche Rom und schließlich ins lateinische Mittelalter führte. Es darf jedoch nicht über- sehen werden, daß gegen Ende des 5. Jahrhunderts die geistigen Kon- takte zwischen dem griechischen Osten und dem lateinischen Westen abrissen und in der lateinischen Welt für Jahrhunderte nur das an grie- chischem Erbe weiter wirkte, was bereits in die eigene geistige Über- lieferung eingegangen war. In sehr viel reicherem Bestand lebt da- gegen die griechische Literatur über syrisch-arabische Übersetzungen in der islamischer-Welt des frühen Mittelalters weiter. Aus beiden Quellen, durch arabisch-lateinische und durch direkte griechisch- lateinische Übersetzungen, wurde dann dieses griechische Erbe mit seiner im islamischen Bereich vollzogenen Weiterbildung im Laufe des 12. und 13. Jahrhunderts dem lateinischen Mittelalter bekannt. Antike und Orient im Mittelalter bedeuten also nicht zwei unab- hängig nebeneinanderstehende Themenkreise, sondern umschreiben die eine Frage nach dem geistigen Ort der Kultur des lateinischen Mit- telalters in ihrem Zusammenhang mit der griechisch-römischen und römisch-christlichen Antike einerseits und der Transformation dieses Erbes im Bereich der islamischen Kultur andererseits. Daß dabei auch die Beiträge nicht übersehen werden dürfen, die von den neu in die Geschichte eintretenden germanischen Völkern dieser neuen einheit- lichen mittelalterlich-lateinischen Kultur übermittelt wurden, ver- steht sich von selbst.