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Antike und Abendland. Beiträge zum Verständnis der Griechen und Römer und ihres Nachlebens. Jahrbuch 2009 - Band 55 PDF

195 Pages·2009·1.27 MB·German
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“AuA54” — 2008/11/3 — 14:34 — page i — #1 AntikeundAbendland “AuA54” — 2008/11/3 — 14:34 — page ii — #2 Antike und Abendland Beiträge zum Verständnis der Griechen und Römer und ihres Nachlebens herausgegeben von Werner von Koppenfels · Helmut Krasser Wilhelm Kühlmann · Peter von Möllendorff Christoph Riedweg · Wolfgang Schuller Rainer Stillers Band LV 2009 Walter de Gruyter · Berlin · New York Manuskripteinsendungen werden an die folgenden Herausgeber erbeten: Prof. Dr. Werner von Koppenfels, Boberweg 18, 81929 München – Prof. Dr. Helmut Krasser, Institut für Altertumswissenschaften, Universi- tät, Otto-Behaghel-Str. 10, Haus G, 35394 Gießen – Prof. Dr. Wilhelm Kühlmann, Universität Heidelberg, GermanistischesSeminar, Hauptstr. 207–209, 69117 Heidelberg– Prof. Dr. Peter von Möllendorff, Institut für Altertumswissenschaften, Universität, Otto-Behaghel-Str. 10, Haus G, 35394 Gießen – Prof. Dr. Christoph Riedweg,Kluseggstr.18, CH-8032 Zürich– Prof. Dr. Wolfgang Schuller, Philosophische Fakultät, Universität, Postfach 5560, 78434 Konstanz– Prof. Dr. Rainer Stillers, Institut für Romanische Philologie der Philipps- Universität Marburg, Wilhelm-Köpke-Str. 6D, 35032 Marburg. Korrekturen und Korrespondenz, die das Manuskript und den Druck betrifft, sind an den Schriftleiter Prof. Dr. Helmut Krasser zu richten. Buchbesprechungen werden nicht aufgenommen; zugesandte Rezensionsexemplare können nicht zurückge- schickt werden. Abstracts sind publiziert in / indexiert in: Arts and Humanities Citation Index · Current Contents Arts and Humanities · Dietrich’s Index philosophicus· IBR – Internationale Bibliographie der Rezensionen geistes- und sozialwissenschaftlicher Zeitschriften- literatur / IBZ – Internationale Bibliographie geistes- und sozialwissenschaftlicher Zeitschriftenliteratur ISBN (Print): 978-3-11-020791-0 ISBN (Online): 978-3-11-020792-7 ISBN (Print + Online): 978-3-11-020793-4 ISSN (Print) 0003-5696 ISSN (Online) 1613-0421 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Copyright 2009 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Satz: Dörlemann Satz, Lemförde Inhaltsverzeichnis Gyburg Radke-Uhlmann Über eine vergessene Form der Anschaulichkeit in der griechischen Dichtung . . 1 Ursula Gärtner (cid:1)(cid:2)(cid:3)« $(cid:4)(cid:5)(cid:6)(cid:7)(cid:8)(cid:7)(cid:9)(cid:10). Schiffe als Unheilsbringer in der antiken Literatur . . . . . . 23 Irmgard Männlein-Robert Klage im Kontext oder Allegorie hellenistischer Spolienpoetik: Überlegungen zu Kallimachos’Sepulchrum Simonidis (frg. 64Pf.) . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Bardo Maria Gauly Verba imperfecta: Reden, Erzählen und Verstummen in Ovids «Metamorphosen» 62 Christian Kiening Narcissus und Echo. Medialität von Liebe und Tod . . . . . . . . . . . . . . . 80 Helga Scholten Göttliche Vorsehung und die Bedeutung des Griechentums in Plutarchs De sera numinis vindicta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 David Engels Der Hahn des Honorius und das Hündchen der Aemilia. Zum Fortleben heidnischer Vorzeichenmotivik bei Prokop . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Achim Aurnhammer Sünder– Narr– Held. Korrekturen des Odysseus-Mythos bei Heinrich von Veldeke, Sebastian Brant und Martin Opitz . . . . . . . . . . . 130 Hertha Franz Euripides-Reminiszenzen in Goethes‹Faust›. Vom Sonnenflug Fausts zu (cid:11)(cid:12)AY(cid:13)– Phorkyas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 Nils Steffensen «Am größten ist’s, sich selbst zu besiegen». Der Dictator L. Cornelius Sulla in der dramatischen Verarbeitung Friedrichs des Großen . . . . . . . . . . . . . 160 Mitarbeiter des Bandes Prof. Dr. Achim Aurnhammer, Albert-Ludwig Universität, Deutsches Seminar II, Institut für Neuere Deutsche Literatur, Platz der Universität3, 79085 Freiburg Prof. Dr. David Engels, Université Libre de Bruxelles, Avenue F.D. Roosevelt50, CP 175, Bureau NA 5–203, 1050 Bruxelles, Belgium Dr. Hertha Franz, Arno-Holz-Str. 20, 12165 Berlin Prof. Dr. Ursula Gärtner, Universität Potsdam, Klassische Philologie, Am Neuen Palais10, Haus11, 14469 Potsdam Prof. Dr. Bardo Gauly, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt, Universitätsallee 1, Gebäude Universitätsallee, 85072 Eichstätt Prof. Dr. Christian Kiening, Universität Zürich, Deutsches Seminar, Schönberggasse 9, 8001 Zürich, Schweiz Prof. Dr. Gyburg Radke-Uhlmann, Freie Universität Berlin, Institut für Griechische und Lateinische Philologie, Habelschwerdter Allee45, 14195 Berlin Prof. Dr. Irmgard Männlein-Robert, Universität Tübingen, Philologisches Seminar, Wilhelmstr. 36, 72074 Tübingen PD Dr. Helga Scholten, Universität Duisburg-Essen, Fakultät für Geisteswissenschaften, Historisches Institut, 45117 Essen Nils Steffensen, Universität Tübingen, Historisches Seminar, Wilhelmstr. 36, 72074 Tübingen Gyburg Radke-Uhlmann Über eine vergessene Form der Anschaulichkeit in der griechischen Dichtung 1 Einleitung Ausstellungen über antike Kulturen haben Konjunktur. Das ist ein erstaunliches Phäno- men. Außer über dieses Faktum an sich gibt es aber auch Grund, darüber zu staunen, in welcher Weise in der gegenwärtigen musealen Didaktik Bild und Text aufeinander bezo- gen und miteinander verflochten werden. Nie gab es eine Ausstellungsdidaktik, die mehr darum bemüht war, ihre Gegenstände dem Besucher mit Hilfe aller Sinne anschaulich und sinnlich erfahrbar zu machen: Es wird mit statischen und bewegten Bildern, mit Musik, mit atmosphärischen Klängen, mit in Musik und Klangwelten integrierten gesprochenen Tex- ten, sogar mit Möglichkeiten haptischer Erfahrungen gearbeitet.1 Bilder und Worte flie- ßen in einem Gesamtbild unmittelbarer Erfahrung zusammen, in dem das Sinnliche immer stärker gegenüber dem‹nackten› Wort die Oberhand gewinnt. Das Phänomen steht nicht isoliert dar, sondern fügt sich ein in Diskurse, die vonIconic turns, von einer Rehabilitation mythischer Bilder und der Entdeckung ursprünglicher poetischer Bildlichkeit handeln. In Frage steht dabei in zunehmender historischer Beschleunigung die Potenz des Wortes und besonders des dichterischen Wortes zur Anschaulichkeit überhaupt, die in die Suche nach der Sinnlichkeit des Bildes immer mehr absorbiert zu werden scheint. Wie ist es, so muß man also fragen, möglich, sowohl die Eigenmacht des Bildes als auch des Wortes zu be- stimmen, ohne das eine gegen das andere aufzuheben und mit dem Maßstab des anderen zu messen? Wenn man diese Tendenz kritisch betrachten will, ist es immer noch Lessing, der mit seiner Abhandlung «Laokoon oder über die Grenzen der Malerei und Poesie» die Grund- linien dieser Diskussion bis heute vorgegeben hat.2 Auch mein Beitrag also wird mit ihm beginnen. Ziel dieser Überlegungen ist die Entwicklung von Anschaulichkeitskategorien und die Entdeckung von Formen der Anschaulichkeit, die über Lessing hinausgehen und zeigen, daß Lessings Entwurf zu den Tugenden von Bild und Text seinen Vollständigkeits- anspruch in Bezug auf die künstlerischen Möglichkeiten der beiden Medien nicht erfüllen kann.3 1 In München etwa wurde Anfang 2006 eine Ausstellung zur ägyptischen Kunst eröffnet, die antike Kultur für Blinde und Sehende ‹begreifbar›, d.h. mit dem Tastsinn erfahrbar machen will: «Das Alte Ägypten (be)greifen– 40Berührungspunkte für Sehende und Blinde» im Staatlichen Museum Ägyptischer Kunst: München 9.2.–17.09.2006. 2 Buch (1972), 26–63 (mit dem Versuch einer historischen Einordnung der Klassifizierungen Lessings); ebenso und zusammenfassend: Schweizer (1972), 55–71; Harth (1993); Lenz (1995); Wellbery (1984); Mül- der-Bach (1992); dies., (1998). 3 Eine Metadiskussion über die Grenzen der Theorie führt Wellbery (1993). Mein Beitrag hingegen betrach- tet nicht den theoriereflexiven Überbau von Lessings Laokoon, sondern seine (von ihm nicht explizit auf- 2 Gyburg Radke-Uhlmann 2 Lessing in Raum und Zeit Lessing4 baut bekanntlich seinen Versuch einer Bestimmung der Grenzen und Tugenden von Bildwerken und Dichtung auf der Dichotomie zwischen zwei möglichen Gegenstän- den, denen sich die Nachahmungskunst zuwenden kann, auf: Diese Dichotomie ist die Unterscheidung zwischen Körpern, die nebeneinander im Raum existieren, und Handlun- gen, die sich nacheinander in der Zeit vollziehen. (Laokoon, 103 (Kap.XVI)).5 Bei diesen handele es sich um zwei abgeschlossene Systeme, denen unterschiedliche Darstellungsfor- men und -medien ebenso wie unterschiedliche Rezeptionsformen zugehörten. Lessing interessiert für seine Kunsttheorie an dieser Unterscheidung vor allem die Frage, wie bei der Nachahmung dieser Gegenstandsarten Vorstellungsbilder entstehen können, die ein unmittelbar erfahrbares Ganzes sind.6 Denn es ist, nach Lessing, das Wesen der gedeckten) Prämissen. Es ist eine Lektüre gegen die Oberfläche der Argumentationsstrategie, die gleich- wohl an deren fundierenden Prämissen festhält und die vordergründige Intention und Strategie mit diesen enttarnten Prämissen konfrontiert. 4 Zitiert nach Lessing: Laokoon, Barner (hg.) (1990). 5 Buch (1972). Buch deutet die Unterscheidung Lessings als Instanz der Dichotomie zwischen geistigem und körperlichem Menschen. Die Malerei stelle nach Lessing die körperliche Existenz des Menschen dar, die Poesie die geistige. Diese Interpretation aber geht nicht tief genug. Denn sie reflektiert nicht hinreichend die für Lessings Ästhetik zentrale Idee, daß das Telos der Kunst das sinnliche Erfahrbarmachen von unmittel- barer Einheit und Ganzheit ist, die im Sinn der Aufklärungsphilosophie eine spezifische Leistung der An- schauung (sei sie nun sinnlich oder geistig) ist und diese von der Zergliederungsleistung des Verstandes grundsätzlich und unvermittelbar unterscheidet. Erst aus dieser erkenntnistheoretischen Perspektive, die der anthropologischen vorausgeht, erweist sich die Schlußfolgerung, daß Lessing seinem eigenen Unter- nehmen, die Geistigkeit und Überlegenheit der Dichtung aufzuzeigen, selbst den Boden entziehen muß, als zwingend. 6 Die Zentralität dieser Fragestellung wird auch durch den zeichentheoretischen Kontext, in dem Lessing seine Unterscheidung zwischen den Qualitäten von Bild und Sprache entwickelt und die in dem von Les- sing selbst nicht veröffentlichten zweiten Teil des Laokoon weiter in den Vordergrund rücken, nicht einge- schränkt. Dazu grundlegend für die semiotische Deutung des Laokoon: Todorov (1995), 133–142; Well- bery (1984), der eine regelrechte Semiotisierung, oder anders formuliert: die Aufdeckung des semiotischen Kerns des Laokoon in Angriff nimmt; s. außerdem die Beiträge in: Gebauer (1984); aus altphilologischer Perspektive unterzieht Primavesi (2002) die Semiotik des Laokoon nicht wie die bisher genannten Arbeiten in einem allgemeinen semiotischen Kontext, sondern konkret mit Blick auf die Lehre von den natürlichen und konventionellen Zeichen und die Adäquatheit der Beschreibung der Erzählweise Homers einer kriti- schen Revision. Die Malerei arbeite nach Lessing mit natürlichen Zeichen, die Dichtung mit konventionel- len. Natürliche Zeichen sind solche, die unmittelbar und anschaulich rezipiert und verstanden werden kön- nen, konventionelle hingegen sind so definiert, daß sie eines rationalen Schlusses bedürfen, um dekodiert zu werden. Das heißt: die Rezeption von Sprache besteht so wie das begriffliche Denken aus Akten des analysierenden Zergliederns von Anschauungsdaten. Die poetische Sprache aber suche nach sprachlichen Bildern (Metaphern), die diese wesentliche Rationalität und diesen Mangel an Unmittelbarkeit und sinn- lichem Reichtum auszugleichen imstande sind. Denn die poetische Sprache suche qua Kunst die Unmittel- barkeit reicher sinnlicher Erfahrungen, nicht die Vermitteltheit bewußter Zergliederungen. Ebenso ist die These, der Dichter (z.B. und in vorbildlicher Weise Homer) stelle keine Gegenstände im Raum, sondern nur Handlungen in der Zeit dar, Resultat dieser Unmittelbarkeitsvorgabe; denn mit der zeitlichen und kau- salen Verknüpfung von Handlungen und Handlungsteilen ahme der Dichter die Ganzheit und Einheit nach, die der Maler in der Momentaufnahme eines Gegenstandes im Raum erzielt. Die zeitliche Einheit einer Handlungsfolge sei als Nachahmung der räumlichen Einheit einer instantanen Anschauung begreif- bar. Diese räumliche Einheit der Anschauungsganzheit eines Gegenstandes aber ist ein natürliches Zeichen oder besteht aus solchen. Die zeitliche Einheit ist also in abgeleiteter Weise ebenfalls ein natürliches Zei- chen, etwas, das die wesentliche Konventionalität und Mittelbarkeit der Sprache umgeht, einschränkt oder gar ganz aufhebt. Aus diesem Grund behandelt Lessing diese quasi-natürlichen Zeichen der poetischen Über eine vergessene Form der Anschaulichkeit in der griechischen Dichtung 3 Poesie und der Malerei schlechthin, eine solche täuschende Illusion zu erzeugen, daß der Rezipient die «wahren sinnlichen Eindrücke ihrer Gegenstände zu empfinden» glaubt (Laokoon, 110). Die Kunst erschaffe Nachahmungen dieser sinnlichen Empfindungen, die so deutliche Vorstellungen seien, daß sie den Rezipienten so täuschen können, daß er meint, sie seien wahre Empfindungen. Alles hängt damit an der Frage, welche Eigenschaften sinnliche Empfindungen an sich haben, die in der Kunst nachgeahmt werden müssen, damit eine solche Täuschung wirklich werden kann. Lessing diskutiert diese Frage nicht, sondern setzt ihre Antwort als gegeben voraus: Sinnliche Empfindungen seien durch eine besondere Form der Ganzheit gekenn- zeichnet. Sie verwirklichten (ebenso wie unmittelbare Anschauungen) einen höheren Grad an konkreter Einheit und Ganzheit als Verstandesbegriffe, und in der Kunst gehe es um diese höheren Formen. Lessing aber läßt keinen Zweifel daran, daß eben daraus seine Probleme mit der Be- schreibung von Gegenständen in der Dichtung entstehen: Die Sprache habe es an sich, die Ganzheit unmittelbarer Erfahrungen in ein Nacheinander einzelner Teile zu zergliedern, deren endliche Wiederzusammensetzung in einem Vorstellungsbild nur schwer, wenn überhaupt, zu verwirklichen ist (Laokoon, 113). Das Bild ähnele in seiner Koexistenz aller Teile und seiner Konzentration auf nur einen Augenblick7 der Ganzheit der Anschauung, die Dichtung aufgrund ihrer Sprachlichkeit mehr der zergliedernden Deutlichkeit des Verstandes. Die Dichtung müsse sich damit mit aller Kraft auf ein Feld begeben, wo dieser Mangel an Illusionsfähigkeit nicht oder weniger zum Tragen komme. Dieses Feld aber sei die Darstel- Sprache, d.h. das Nacheinander einer Handlungsfolge, auch analog zu Metaphern, also poetischen Bil- dern, die nicht mehr über ein Schlußverfahren rezipiert werden, sondern unmittelbar wirken sollen (s.dazu Anm.24). Es wird sich unten zeigen, daß diese Vorstellung von der unmittelbaren und quasi-sinnlichen Rezeption von dichterischen Metaphern in der aristotelischen Metapherntheorie einen Antipoden findet, der dafür argumentiert, daß auch Metaphern über Syllogismen geschaffen und rezipiert werden, daß aber in diesen besonderen Arten von Syllogismen gerade die eigentümliche Potenz der Sprache liege, Anschau- lichkeit zu erzeugen. Für die Interpretation des Laokoon jedenfalls bedeutet es eine Verkürzung der er- kenntnistheoretischen Prämissen, wenn man die zeitgenössische zeichentheoretische Diskussion, in der Lessing steht, von den erkenntnistheoretischen Zusammenhängen abtrennt, die von der Suche nach künst- lerischer Unmittelbarkeit und sinnlichem Reichtum handeln. Seine Diskursbedingtheit ändert in diesem Fall nichts an der Zurückführbarkeit seiner dichotomischen Kategorien, mit denen er zwischen Bild und dichterischem Wort und deren spezifischen Potenzen, Schwächen und den eigentümlichen Aufgaben des Malers und Dichters unterscheidet, auf die bewußtseinsphilosophische Dichotomie zwischen reicher An- schauung und abstrakt zergliederndem Verstand. Die zeichentheoretische Perspektive ist nur eine weitere Instanz der oben skizzierten erkenntnistheoretischen Vorstellungen, die von Lessing auf ihre kunsttheore- tischen Konsequenzen hin betrachtet werden. 7 Wie Lessing immer wieder betont: z.B. Laokoon, 103. Heute wendet sich die medienwissenschaftliche Forschung diesem Momenthaften verstärkt im Zuge ihrer Überwindung klassischer Werkbegriffe und ihrer Performative turns zu: S. z.B. Mersch (2003); ders., o.J. Auch die Wiederentdeckung der ästhetischen Er- fahrung ist in ihrer Absolutsetzung des singulären subjektiven Erlebens essentiell auf den Augenblick be- zogen und findet in diesem ihre Vollendung. S. den inspirierten Sammelband von Küpper und Menke (2003). Wahrnehmungsphysiologische Fakten– etwa die Erkenntnis, daß auch die Sehwahrnehmung eines Bildes ein Prozeß ist, der aus verschiedenen Unterscheidungs- und Verknüpfungsakten besteht– haben in diesem Kontext keinen determinierenden Einfluß. Sie tragen zwar dazu bei, die Vorstellung der instanta- nen‹Aufnahme› von Sinnesdaten und von der Passivität dieses Vorgangs in Frage zu stellen, bewegen sich aber außerhalb der absoluten Innerlichkeit, in der die ästhetische Erfahrung als Inbegriff subjektiven Erle- bens lokalisiert wird.

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