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Antike und Abendland. Beiträge zum Verständnis der Griechen und Römer und ihres Nachlebens. Jahrbuch 2005 PDF

176 Pages·2005·0.95 MB·German
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Antike und Abendland Antike und Abendland Beiträge zum Verständnis der Griechen und Römer und ihres Nachlebens herausgegeben von Werner von Koppenfels · Helmut Krasser Wilhelm Kühlmann · Christoph Riedweg · Ernst A. Schmidt Wolfgang Schuller · Rainer Stillers Band LI 2005 Walter de Gruyter · Berlin · New York Manuskripteinsendungen werden an die folgenden Herausgeber erbeten: Prof. Dr. Werner von Koppenfels, Bo- berweg 18, 81929 München– Prof. Dr. Helmut Krasser, Institut für Altertumswissenschaften, Universität, Otto- Behaghel-Str. 10, Haus G, 35394 Gießen– Prof. Dr. Wilhelm Kühlmann, Universität Heidelberg, Germanistisches Seminar,Hauptstr. 207–209, 69117 Heidelberg– Prof. Dr. Christoph Riedweg, Kluseggstr. 18, CH-8032 Zürich– Prof. Dr. Ernst A. Schmidt, Philologisches Seminar, Universität, Wilhelmstr. 36, 72074 Tübingen– Prof. Dr. Wolf- gang Schuller, Philosophische Fakultät, Universität, Postfach 5560, 78434 Konstanz– Prof. Dr. Rainer Stillers, Institut für Romanische Philologie der Philipps-Universität Marburg, Wilhelm-Köpke-Str. 6D, 35032 Mar- burg. Korrekturen und Korrespondenz, die das Manuskript und den Druck betrifft, sind an den Schriftleiter Prof. Dr. Helmut Krasser zu richten. Die Mitarbeiter erhalten von ihren Beiträgen25 Sonderdrucke kostenlos; weitere Sonderdrucke können vor der Drucklegung des Bandes gegen Berechnung beim Verlag bestellt werden. Buchbesprechungen werden nicht aufgenommen; zugesandte Rezensionsexemplare können nicht zurückge- schickt werden. ISBN-13: 978-3-11-018251-4 ISBN-10: 3-11-018251-3 ISSN 0003-5696 © Copyright 2005 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Satz: Dörlemann Satz, 49448 Lemförde Inhaltsverzeichnis David Konstan, Providence Die Entdeckung der Eifersucht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Robert Bees, Tübingen Die Kulturentstehungslehre des Poseidonios. Wege zu ihrer Rekonstruktion . . 13 Andrej Petrovic, Heidelberg «Kunstvolle Stimme der Steine sprich!» Zur Intermedialität der griechischen epideiktischen Epigramme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Christian Tornau, Jena Pseudolus–‹der Blender50. Bemerkungen zur Dramaturgie und Komik des Plautus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Frank Wittchow, Berlin Der Dichter auf der Suche nach seiner Rolle: Zurpersona in den Jamben des Horaz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Katharina Volk, New York Ille ego: (Mis)Reading Ovid’s Elegiac Persona . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Thomas Strässle, Zürich De arte salis. Von der Modellierung einer stofflichen Poetologie in der römischen Rhetorik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Jan Stenger, Kiel Eine Aufforderung zum Tyrannenmord? Die Doppelbödigkeit der Briefe des Chion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 Christos P. Baloglou, Nea Philadelphia Attikis The Institutions of Ancient Sparta in the Works of Pletho . . . . . . . . . . . . 137 Silke Knippschild, Dresden Die Zähmung der Penelope: MonteverdisIl Ritorno d’Ulisse in Patria und Homer im Venedig des 17.Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 VI Mitarbeiter des Bandes Dr. Christos P. Baloglou, Messenias 14 & Gr. Lamprakis, 14342 Nea Philadelphia Attikis, Griechenland PD Dr. Robert Bees, Eberhard Karls Universität Tübingen, Philologisches Seminar, Wilhelmstr. 36, 72074 Tübingen Dr. Silke Knippschild, Technische Universität Dresden, Philosophische Fakultät, Institut für Geschichte, Lehrstuhl für Alte Geschichte, Helmholtzstraße10, 01062 Dresden Prof. Dr. David Konstan, Brown University, Department of Classics, Macfarlane House, 48 College Street, Providence, RI 02912, USA Dr. Andrej Petrovic, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Institut für Altertumswissen- schaften, Seminar für Alte Geschichte und Epigraphik, Marstallhof4, 69117 Heidelberg Dr. Jan Stenger, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Institut für Klassische Altertums- kunde, 24098 Kiel Dr. Thomas Strässle, Universität Zürich, Deutsches Seminar, Schönberggasse9, 8001 Zürich, Schweiz PD Dr. Christian Tornau, Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Altertumswissen- schaften, 07737 Jena Dr. Katharina Volk, Columbia University New York, Dept. Classics, 614 Hamilton Hall, 1130 Amsterdam Ave, 2960 Broadway, New York, NY 10027-6902, USA Dr. Frank Wittchow, Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Klassische Philologie, Unter den Linden6, 10099 Berlin Die Entdeckung der Eifersucht 1 David Konstan Die Entdeckung der Eifersucht1 «Il y a une psychologie implicite dans le langage» (Lagache 1947: 1) Ich beginne mit zwei durchaus unterschiedlichen Definitionen von zêlotypia, dem Begriff, der der modernen Vorstellung von «Eifersucht» allem Anschein nach am nächsten kommt. Zuerst eine stoische Definition, die höchstwahrscheinlich auf Chrysipp zurückgeht: «zêlotypia ist ein Schmerz darüber, dass ein anderer etwas hat, was man auch selbst hat» (Diogenes Laertius 7.111 = Fr. 412 SVF III). Zêlotypia ist aufgenommen in die Liste von Emotionen, die ein Element des Schmerzes enthalten: Es folgen Mitleid,2 Neid,3 undzêlos («ein Schmerz darüber, dass jemand anderer hat, was man sich selbst wünscht»). Nun die zweite Definition. Die Suda erklärtzêlotypia als «Verdacht eines Ehemanns gegenüber sei- ner Frau bezüglich eines Mannes, der lüstern ist» (z 58; cf. Photius z 34 mit Theodoridis 1998 ad loc.). Diese Definition ähnelt der romantischen Eifersucht im modernen Sinn. So gibt das Oxford English Dictionary (s. v., def. 4) beispielsweise als eine Bedeutung von Eifersucht folgendes an: «fear of being supplanted in the affection, or distrust of the fidelity, of a beloved person, esp. a wife, husband, or lover», also: «Furcht, aus der Zuneigung einer geliebten Person verdrängt zu werden, insbesondere einer Ehefrau, eines Gatten oder Ge- liebten, oder Misstrauen hinsichtlich der Treue dieser Person» (der zweite Teil des Eintrags betrifft Eifersucht «in respect of success or advantage» of another person, also «bezüglich eines Erfolgs oder eines Vorteils» einer anderen Person, und nennt «envy», «Neid», als Sy- nonym).4 Die Definition der Stoiker mag eigenartig erscheinen oder so wirken, als sei sie maßge- schneidert für ihren kunstvoll rationalisierten Katalog von Leidenschaften. Tatsächlich aber korrespondiert sie mit der vorherrschenden Auffassung von zêlotypia in der griechischen Literatur zumindest bis ins 2. Jahrhundert nach Christus, und die ist: mutwillige Bösartig- keit oder Neid. Polybios beispielsweise verbindetzêlotypia speziell mit der Rolle des Höf- 1 Überarbeitete Fassung eines erstmals im Juli 2003 in der Petronian Society, Munich Section, vorgetragenen Referats. Ich möchte Niklas Holzberg für die freundliche Einladung und Stefan Merkle für die Übersetzung ins Deutsche und zahlreiche wertvolle Anregungen danken. 2 Das heißt,eleos («ein Schmerz, der entsteht, wenn jemand unverdient leidet»). 3 =phthonos, «ein Schmerz über den Besitz anderer». 4 Man könnte nun versuchen, die stoische Erklärung in die Schablone der modernen romantischen Eifer- sucht zu pressen, indem man zum Beispiel annimmt, dass die Formel «dass ein anderer etwas hat, was man auch selbst hat» sich auf die geteilte Zuneigung einer geliebten Person bezieht. Die Verknüpfung mit phthonos undzêlos aber macht deutlich, dasszêlotypia hier doch etwas wie «Bösartigkeit» und «Gehässig- keit» bedeutet. Tatsächlich ähnelt die stoische Definition vonzêlotypia der Erklärung, die Aristoteles vom phthonos gibt. Er bezeichnetphthonos als «einen beunruhigenden Schmerz, der aus dem Wohlergehen eines anderen resultiert» (Rhet. 2.9, 1386b18–19), wobei man nicht etwas für sich selbst wünscht, sondern ledig- lich möchte, dass der andere es nicht hat (2.10, 1387b23–24). 2 David Konstan lings: «Denn eine neue Methode der Verleumdung wurde erfunden: Man schadet nicht, in- dem man Fehler findet, sondern indem man seine Nachbarn preist. Diese Art von Arglist [kakentrekheia], Verunglimpfung [baskania] und Tücke konnte man zuerst bei denen fin- den, die am Hof aus und ein gehen. Ihre Ursache ist deren zêlotypia und ihr ehrgeiziger Kampf [pleonexia] gegeneinander» (Hist. 4.87.4.1–4). Dionysios von Halikarnass schreibt: «Platon hatte, das ist wahr, eine Spur von Ehrgeiz [to philotimon] in seinem Wesen, trotz all seiner Vorzüge; er zeigte dies vor allem mit seinerzêlotypia gegenüber Homer, den er aus seinem idealen Staat verbannte, wenn auch bekränzt und mit Myrrhe gesalbt» (Brief an Pompeius 1.13). Platon, so meint Dionysios, ist nicht bereit, den Lorbeer für literarische Leistung zu teilen. Leiden daran, «dass ein anderer etwas hat, was man auch selbst hat» bringt das hübsch auf den Punkt. Sogar im erotischen Kontext scheint zêlotypia nicht so sehr Eifersucht zu bedeuten als Missgunst, den Drang nämlich, alles, was der andere besitzt, mit Beschlag zu belegen, auch wenn man selbst nichts davon hat. Der älteste Beleg für den Begriff findet sich in Aristopha- nes’Ploutos, wo eine Alte darüber klagt, dass ihr, weil Ploutos jedermann reich gemacht habe, der junge Mann, der sie hofiert hatte, davongelaufen sei. Früher, sagt sie, «wenn irgend- jemand mich angestarrt hat, wenn ich mit einem Wagen bei den Großen Mysterien ankam, beim Zeus, da wurde ich dafür den ganzen Tag verprügelt [etyptomên]– ja, so leidenschaft- lich zêlotypos war der Junge» (1013–16). Bedeutet zêlotypos hier «eifersüchtig»? Das Publi- kum versteht, dass das Motiv des jungen Mannes gewesen sein muss, andere Gigolos in Schach zu halten, die an ihrem Geld interessiert waren. Im Kontext wäre eine Bedeutung wie «knauserig» oder «missgünstig» passend. Und in der Tat antwortet Chremylos, indem er vor sich hin brummt: «Es scheint, er hat gern alleine gegessen» (1017), und das soll hei- ßen, dass der Junge nicht wollte, dass irgendjemand an seiner Beute beteiligt wird. In Platons Symposion (213c8–d4; cf. Fantham 1986: 47–50) beklagt Sokrates sich bei Agathon darüber, wie Alkibiades ihn schikaniert: «Seit ich sein Liebhaber wurde, kann ich keinen einzigen schönen Knaben ansehen oder mit ihm sprechen, sonst empfindet er zêlotypia und Neid (phthonôn), tut absonderliche Dinge, beleidigt mich und hält kaum seine Hände von mir zurück.» Wieder ist der Vorwurf der, dass Alkibiades nicht bereit ist, Sokrates’ Gesellschaft mit anderen zu teilen. Beide Fälle sind, glaube ich, gut vereinbar mit der stoischen Definition von zêlotypia als «Schmerz darüber, dass ein anderer etwas hat, was man auch selbst hat.» Da ich die Semantik von zêlotypia an anderer Stelle detaillierter untersucht habe (Konstan 2003), will ich nur das Ergebnis vortragen, zu dem ich gekommen bin: Der Be- griff bezeichnet nicht «Eifersucht» im modernen Sinn, das heißt «eine Dreierbeziehung» (Ben-Ze’ev 2000: 289), in der einer befürchtet, «aus der Zuneigung einer geliebten Person verdrängt zu werden.»5 Wenn ich Recht habe, dann hat das Griechische, wie auch das La- teinische, keinen speziellen Begriff, um die Emotion, um die es geht, zu bezeichnen – zumindest nicht in klassischer und in hellenistischer Zeit. Was ist dann zu der Definition in der Suda zu sagen, die in der Tat modern klingt? Ohne detailliert auf diese Frage einzugehen, möchte ich darauf hinweisen, dass dieser Ein- 5 Das liegt nicht daran, dass das Bedeutungsspektrum vonzêlotypia zu breit wäre. Im Englischen kann, wie wir gesehen haben, «jealousy» verwendet werden «bezüglich eines Erfolgs oder eines Vorteils», und in diesem Sinn entspricht der Begriff recht genau dem des «Neides»; aber Muttersprachler wissen trotzdem, dass der Begriff eine feste Bedeutung in erotischen Konstellationen hat.Zêlotypia hingegen– das ist meine These– bedeutet keineswegs romantische «Eifersucht», und schon gar nicht ausschließlich. Die Entdeckung der Eifersucht 3 trag sehr wahrscheinlich letztlich auf christliche Kommentare zum vierten Buch Moses (Numeri) zurückgeht, und zwar durch Vermittlung der sogenannten Glossae Cyrillianae und des Hesych. Kurz gesagt war der Zweck der Cyrillischen Glossen wahrscheinlich die Erklärung von Sankt Kyrillos’ eigenem Vokabular (Serrano Aybar 1977: 101), und die einzige Stelle, an der Kyrillos das Wort zêlotypia verwendet, steht in Verbindung zum vierten Buch Moses (De adoratione et cultu in spiritu et veritate, Migne Patrologia Graeca 68.132–1125, bes. S.909–12). Das vierte Buch Moses oder Numeri wiederum ist das einzige Buch der Septuaginta, in dem der Begriff auftaucht. Und dort bezieht er sich genau auf die rituellen Verpflichtungen eines Mannes, der die mögliche Untreue seiner Frau untersucht und auf sie reagiert. Es ist freilich wahr, dass auch in Lexika, die nicht von dieser Bibel-Passage beeinflusst sind, zêlotypia manchmal mit dem erotischen Bereich verbunden wird. So bemerkt beispiels- weise Pollux: «zêlotypein wird in Verbindung mit Knaben, Frauen und allem, was wir lie- ben (pantôn de tôn agapômenôn], verwendet» (3.68–72), während Ptolemaios von Askalon (Dedifferentia vocabulorum395.32–34)zêlotypia definiert als «in einem Zustand des Has- ses sein [to en misei hyparkhein], wie wenn ein Mannzêlotypia gegenüber einer bestimmten Frau empfindet.» Aber diese illustrierenden Beispiele sagen nicht viel über die genauen Konnotationen des Wortes, und sie beweisen ganz sicher nicht, dasszêlotypia die moderne Bedeutung romantischer Eifersucht hatte. Auch wenn es kein spezielles Wort für Eifersucht gegeben hat, heißt das nicht, dass das Konzept, wie wir es verstehen, nicht existierte. In derNikomachischen Ethik gibt Aristote- les einige Beispiele für Befindlichkeiten, für die das Griechische keine Begriffe hat, zum Bei- spiel die Eigenschaft, zu wenig zu Zorn zu neigen. Wie können wir also, wenn es das Wort nicht gibt, die Emotion «Eifersucht» identifizieren? In ihrer Dissertation über die Eifer- sucht in der römischen Elegie bemerkt Ruth Caston (Caston 2000: 3): «In der Mehrzahl der Fälle ist es nicht ein Wort oder eine Gruppe von Wörtern, was die Anwesenheit von Eifersucht anzeigt. Stattdessen müssen wir uns auf Hinweise auf andere Emotionen wie Angst oder Zorn verlassen, die eine entscheidende Rolle im Rahmen des Eifersuchtskom- plexes spielen, auf den poetischen Kontext und auf das Verhalten der Figur.» Das ist ein kluger Rat, aber es ist schwierig, ihn zu befolgen. Denn viele moderne Spezialisten sind der Meinung, Eifersucht sei – wie Sally Planalp es formuliert (1999: 174) – «eine komplexe Emotion, die sich vor allem aus zorn-, trauer- und angst-ähnlichen Gefühlen zusammen- setzt.» Wenn das stimmt, nach welchem Kriterium können wir dann festlegen, dass die Angst eines Liebenden in einem antiken Text in Wirklichkeit eher die «angst-ähnliche» Komponente der Eifersucht ist als einfach blanke Angst? Vielleicht sahen die alten Grie- chen und Römer eine Vielzahl von Emotionen, wo wir– mit unserer Vorstellung von der romantischen Eifersucht– nur eine einzige wahrnehmen. Nehmen wir Hera als Beispiel, die in der späteren Tradition das Musterbeispiel für Eifersucht ist. Im Homerischen Apollon-Hymnus zieht Hera Letos Wehen aus zêlosyne in die Länge (3.100: das Wort ist einhapax legomenon). Der Grund für dieses Gefühl ist, dass Leto einen mächtigen Sohn gebären wird. Später erfahren wir, dass Hera Zeus’ prachtvolle Nachkommen nicht leiden kann (kholoomai, 3.305), insbesondere Athene, die Zeus aus seinem eigenen Kopf geboren hat, während Heras Sohn Hephaistos lahm ist (3.317). Da Zeus keinen Partner bei der Zeugung Athenes hatte (oios, 3.323), ist Heras Irritation nicht auf sexuelle Untreue zurückzuführen. Um sich zu revanchieren, gebiert sie das Monster Typhon durch Parthenogenese, um auch selbst ein brillantes Kind zu haben (326–30). Ihr 4 David Konstan Verhalten lässt eher ein Motiv wie Neid oder Boshaftigkeit vermuten als romantische Eifersucht; und genau das ist es, glaube ich, was zêlosyne, wie zêlotypia, bedeutet. Dazu passt auch die apatê Dios, wo Hera Aphrodites kestos anlegt, um Zeus’ Aufmerksamkeit von der Schlacht unten abzulenken, und Zeus ausruft: «Niemals zuvor hat die Leidenschaft für eine Göttin oder eine Sterbliche so sehr das Herz in meiner Brust überwältigt!» (14.315–316), und fortfährt, indem er sieben seiner früheren Eroberungen aufzählt, um seine Aussage zu bekräftigen. Selbstverständlich ist der Ton hier komisch, aber Hera scheint völlig unbeeindruckt von den Affären ihres Mannes zu sein. Sie ist oft voller Res- sentiments in der Ilias, vor allem bezüglich des Komplotts von Zeus und Thetis, das ihre geliebten Achaeer in Gefahr bringt, aber romantische Eifersucht scheint irrelevant zu sein. Ganz allgemein kann man ohne weiteres feststellen, dass Eifersucht im modernen Sinn dem archaischen Epos fremd ist. In derIlias wünscht Achill, Artemis hätte Briseis getötet, bevor sie der Grund für die tödliche Auseinandersetzung zwischen ihm selbst und Aga- memnon werden konnte (19.55–62): Sie ist nicht ein Objekt der Eifersucht, sondern eher ein Pfand in einem Kampf zweier Männer um die Ehre– die Art rivalisierender Interaktion zwischen Männern, die Eve Sedgwick (1985) als «homosoziale» Beziehung bezeichnet hat.6 Ebenso gibt es keinen Hinweis darauf, dass Menelaos in derIlias eifersüchtig auf Paris wäre, und soweit ich sehe, hat bisher auch noch nie jemand angenommen, Odysseus empfinde Eifersucht gegenüber den Freiern in derOdyssee. Es scheint absurd, so ein Motiv einzufüh- ren. Hinzu kommt: Auch in der Tragödie fehlt die Eifersucht: Kein Othello hat jemals die antike griechische Bühne betreten. Und auch Frauen sind in dieser Gattung nicht als eifer- süchtig gezeichnet: Das Motiv der Medea in Euripides’ Drama – sie ist (neben Hera) das andere herausragende exemplum für zêlotypia in der späteren Tradition – ist nicht so sehr Eifersucht, als vielmehr Zorn.7 Moderne Eifersucht impliziert, wie wir gesehen haben, drei Parteien: jemanden, der liebt, jemanden, der geliebt wird, und einen Rivalen, der die geliebte Person entfremdet hat oder von dem zumindest angenommen wird, er hätte das getan.8 Die Definition liefert also sowohl eine Figurenkonstellation als auch ein Szenario, und es ist plausibel zu erwarten, dass Eifersucht, auch wenn sie nicht als solche bezeichnet wird, wenn irgendwo, dann in Gattungen zum Ausdruck kommt, für die eine narrative Struktur charakteristisch ist, in der die relevanten Bedingungen erfüllt werden. Die griechische Gattung, die am besten geeignet ist für eine solche Konstellation, ist zweifellos die Neue Komödie, und die leben- digste Darstellung eines verschmähten Liebenden findet sich, denke ich, in Menanders Perikeiromene (es ist ein Jammer, dass sein Misoumenos so fragmentarisch überliefert ist). Als der Soldat Polemon mitbekommen hat, dass seine Geliebte Glykera den Jungen von nebenan geküsst hat,9 wird er wütend über ihr Verhalten und schneidet ihr die Haare ab. Glykera flüchtet sich zu den Nachbarn, und Polemon verlässt das Haus, das er mit ihr ge- teilt hat, und gibt sich seinem Kummer hin. Dann kehrt er auf die Bühne zurück mit der 6 Wie anders ist da Ovids Bearbeitung in denHeroides, wo Briseis glaubt, dass Achill sie wirklich liebt, und nicht verstehen kann, wie er das hohe Lösegeld, das Agamemnon ihm angeboten hat, ablehnen konnte (cf. Lindheim 2003). 7 Contra, e. g., Pucci 1999: 222: Medea ist «gepeinigt von einer unkontrollierbaren Eifersucht». 8 Ich will nicht den Eindruck erwecken, moderne Eifersucht sei einheitlich und hätte keine Geschichte; wie Stearns 1989: 4 zu dieser Emotion aus der Perspektive amerikanischer Erfahrungen bemerkt: «jealousy has changed significantly over time.» 9 Es ist möglich, dass er selbst Zeuge der Szene war.

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