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Antike als Inszenierung: Drittes Bruno Snell-Symposion der Universität Hamburg am Europa-Kolleg PDF

310 Pages·2009·3.715 MB·German
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Antike als Inszenierung ≥ Beiträge zur Altertumskunde Herausgegeben von Michael Erler, Dorothee Gall, Ludwig Koenen, Clemens Zintzen Band 265 Walter de Gruyter · Berlin · New York Antike als Inszenierung Drittes Bruno Snell-Symposion der Universität Hamburg am Europa-Kolleg Herausgegeben von Gerhard Lohse und Martin Schierbaum Walter de Gruyter · Berlin · New York (cid:2)(cid:2) GedrucktaufsäurefreiemPapier, dasdieUS-ANSI-NormüberHaltbarkeiterfüllt. ISBN 978-3-11-021226-6 ISSN 1616-0452 BibliografischeInformationderDeutschenNationalbibliothek DieDeutscheNationalbibliothekverzeichnetdiesePublikationinderDeutschen Nationalbibliografie;detailliertebibliografischeDatensindimInternet überhttp://dnb.d-nb.deabrufbar. (cid:2) Copyright2009byWalterdeGruyterGmbH&Co.KG,D-10785Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikro- verfilmungenunddieEinspeicherungundVerarbeitunginelektronischenSystemen. PrintedinGermany DruckundbuchbinderischeVerarbeitung:Hubert&Co.GmbH&Co.KG,Göttingen Inhalt Einleitung...............................................................................................................7 KJELD MATTHIESSEN Inszenierte Demokratie – Volks- und Heeresversammlungen in Tragödie und Komödie.....................................................................................13 JOACHIM DINGEL Hippolytos mit dem Kranz – Inszenierte Bedeutung auf der griechischen Bühne am Beispiel einer Euripides-Tragödie.........................31 PETER HÜHN Lyrische Inszenierungen der Antike in der englischen Ode von Marvell zu Keats.................................................................................................41 LAMBERT SCHNEIDER Der Körper als Kunst – ‚Griechische‘ Körperinszenierungen von Winckelmann bis zum 20. Jahrhundert..........................................................71 SOLVEIG KRISTINA MALATRAIT Cesare Paveses I Fuochi: inszenierte Antike und die zeitlose Mythopoiesis.....................................................................................................129 GERHARD LOHSE Der locus amoenus bei Homer, Platon, Cicero, Vergil, Goethe, Tieck, Stifter und Handke – Zur Transformation eines antiken Inszenierungsmusters......................................................................................151 HEINZ HILLMANN Mit den Augen Kassandras – Christa Wolfs Poetik-Vorlesungen und ihre Erzählung..........................................................................................209 MARTIN SCHIERBAUM Der Minotaurus haust im Text – Ästhetische Darstellungsverfahren und poetologische Reflexionen im Kontext der Aktualisierung der Antike: Thomas Hettches Inkubation (1992)..............................................247 DOROTHEA GALL Pygmalion bei Neil LaBute und Ovid...........................................................293 Einleitung Das dritte Symposion zur Antikeaktualisierung haben wir unter die Leit- frage Antike als Inszenierung gestellt. Der Begriff Inszenierung erlaubt es uns, Vergangenheit und Gegenwart miteinander in Beziehung zu setzen, ohne eine Zwangsläufigkeit oder eine Teleologie zu konstatieren. Vorstel- lungen und Modelle der Inszenierung stehen in der Antike und in der Gegenwart zur Verfügung, die Bedeutungen, die damit verknüpft werden, verändern sich aber im Laufe der Zeit deutlich. War in der Antike das Theater der bevorzugte Ort, an dem sich die Polis selbst inszenierte und sich dabei in denBühnenspielen auch wesentlicheFragen desgesellschaft- lichen Lebens bewußt machte, so ist heute in nahezu allen Bereichen von Inszenierung die Rede. Mit Greenblatt, der von ‚Renaissance Self-Fashio- ning‘1 spricht, kann man dieses Beschreibung auch historisch wenden. Inwiefern sind die Konnotationen des Begriffs und die damit verbunde- nen Vorstellungen vergleichbar, inwiefern gehen heutige Formen der In- szenierungaufvergangenezurück? Der griechische Begriff (cid:1)(cid:2)(cid:3)(cid:4)(cid:5), Bühnenzelt, liefert die Grundbedeu- tung. Er deckt beinahe alle Dimensionen des In-Szene-Setzens ab – um- schließt er doch Inszenierungsort, Regie und Aufführung – und gehört damit in das weite Feld der Terminologie und Metaphorik des Vor- Augen-Stellens, das in der Evidentia-Thematik nicht allein des Mittelalters und der Frühen Neuzeit eine Schlüsselstellung einnimmt. Evidenz spielte für die Wortwissenschaften des Triviums, besonders aber für Rhetorik, bildende Kunst, Ästhetik und philosophische Dialektik eine wichtige Rol- le. Entsprechend modifiziert hat sie von der Rede und künstlerische Aus- drucksformenbishinzurWerbungihreBedeutungbisheuteerhalten. NichtalleindieFrüheNeuzeitkenntundschätztdieTheatermetapher als Inszenierungsbegriff von Wissen jeglicher Art, wie z.B. im 16. Jahr- hundert Theodor Zwingers Theatrum vitae humanae, zuerst 1565, eine Sammlung von Exempeln aus der Tradition zur moralischen Belehrung. DieNikomachische Ethik liefert ihmdieKategorien,nachdenen er dieanti- ken Autoren und deren Werke zur Schau stellt. Inszenierung ist ein Grundbegriff von Kulturen, die sich in besonderer Weise – sei es in der _____________ 1 St.Greenblatt, RenaissanceSelf-Fashioning.FromMoreto Shakespeare. Chicago,Univ. ofChicagoPress1980. 8 MartinSchierbaum Rede, dem Kult, der Kunst oder dem Kommerz – durch das Vor-Augen- Stellendefinierenundsichübersichselbstverständigen. Die Aktualisierung der Antike wird in unserem Zusammenhang im- mer auch als Interpretation verstanden. Die wissenschaftliche Interpreta- tion inszeniert aber auch bis zu einem gewissen Grad ihre Gegenstände, das Spektrum reicht dabei bis hin zur Neuinterpretation historischer The- meninderKunst. Unsere heutige Kultur wird oftmals durch den Begriff der Performativität beschrieben und damit als eine, die – anders als das kulturelle Selbstver- ständnis zuvor – einen besonderen Akzent auf Schein und Oberflächen- wirkung legt. In der Gegenwart spielt die Antike keine bedeutende Rolle mehr. Einen wesentlichen Bezugspunkt gerade für solche Kunst, die sich mit aktuellen Entwicklungen beschäftigt, bildet sie aber immer noch. Elf- riede Jelinek adressiert ihren Dank unmittelbar am Beginn des Stückes Bambilandvon2003/04anAischylos:„MeinenDankanAischylosund‚die Perser‘ übersetzt von Oskar Werner. Von mir aus können Sie auch noch eine PrieseNietzschenehmen. Der Rest ist aber nicht von mir. Er ist von schlechten Eltern. Er ist von den Medien.“2 Die Sprecherin dieses post- dramatischen Stückes bezieht ihre Informationen über den zweiten Irak- Krieg der Amerikaner und ihrer Verbündeten aus den Massenmedien, der Text kann als unausgesetzter Sprachstrom und Kommentar zu den (Me- dien-)Ereignissengelesenwerden.IhreInterpretationenundWertungaber setzt sie u.a. mit Aischylos’ Drama in Beziehung. Die Marsyasgeschichte dientihrimletztenMonologalsAnsatzpunktzurInterpretationvonPres- sefotos und eines Amateurvideos eines gefolterten Soldaten. Die bewußt gesetzte Hierarchie dieser Ebenen wird durch die Autorenzuweisungen „vonschlechtenEltern“deutlich. Zwischen diese beiden Begriffe der Inszenierung – als Repräsentation der Charaktere auf dem Theater und als Pantheatralität einer gesamten (globalisierten) Kultur – ist noch ein dritter Begriff von Inszenierung in unserem Sinne zu definieren. Jede Aktualisierung der Antike, auch wenn sie einProdukt der Interpretation eines Literaturwissenschafters oder Phi- lologen ist, ist ihrerseits eine spezifische Inszenierung des historischen Gegenstands. Eine Inszenierung, die an Zeit, Ort und spezifische Per- spektiven der Adaption gebunden ist. In dieses Begriffsfeld von Inszenie- _____________ 2 E. Jelinek, Bambiland. Babel, Zwei Theatertexte, Reinbek bei Hamburg, Rowohlt 2004,S.15.DerletzteMonolog„Petersagt“,gehtz.B.aufFernsehszenenzurück und läßteinengefoltertenund kopfübervoneinerirakischenBrücke hängenden amerikanischenSoldateneinenMonologführen,derinwesentlichenPunktenauf den geschundenenMarsyasverweist,ebd.,S.135-228. Einleitung 9 rung als Aktualisierung gehören z.B. Phänomene der Übertragung von Textsorten, wenn ein antikes Gedicht Ovids den Stoff für ein Renais- sancedrama liefert oder eine Figur des antiken Epos wie Philoktet nicht alleinzumProtagonisteneinesDramasvonHeinerMüllerwerdenkann. Mit der Themenvorgabe für das Symposion Antike als Inszenierung be- absichtigten wir, historische und aktuelle Phänomene in Beziehung zu bringen, also ebenso Fragen des antiken Theaters wie auch der späteren bishinzugegenwärtigenInszenierungsformenimweitereSinneaufzuwer- fen, sofern sie antike Fragen und Themen aktualisieren. Auch solche Be- reiche sollten Thema werden, die nicht im engeren Umfeld des Theaters angesiedeltsind.WirwollteneinFeldzurDiskussionstellen,indemKon- tinuitäten – z.B. der Mythen – und Brüche – z.B. der Textsortenbindun- gen – in unterschiedlichen – nicht allein historischen – Konstellationen Fragenaufwerfen. Diese drei Dimensionen des Inszenierungsbegriffs – Theater, Pan- theatralität und Interpretation – tragen auch der historischen Dynamik Rechnung. Man kann darunter die Inszenierung der antiken Gesellschaft im Theater fassen, aber auch die traditionelle Rezeption der Antike seit dem Mittelalter bis etwaindieMittedes 20.Jahrhunderts,es ist aber auch möglich, innerhalb dieses Rahmens Phänomene zu diskutieren, die nicht mehr unter dem Zeichen von auctoritas oder imitatio stehen. Zum interdis- ziplinären Moment tritt also für die Zusammenstellung der Themen und Beiträge auch die historische Spannweite, die nicht mehr beim Autoritäts- verlust des Gegenstandes Halt machen muss. Diese Konstellation war Bruno Snell noch relativ fern, unsere Bemühung, auch relevante Aktuali- sierung der Antike zu diskutieren, die nicht in die traditionellen Fragerah- men passen,trägt aber Snells Interesse Rechnung,dieaktuellen Bedingun- gen und Bedürfnisse bei seiner Arbeit und dem Zuschnitt seiner Frage- stellungenzuberücksichtigen. Gerade wenn man den historischen Rahmen über den Kernbereich der Antikeaktualisierung hinaus spannt, den man etwa von der Frühre- naissance bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts festlegen könnte, er- geben sich neue Fragestellungen. Man kann beschreiben, was eine in der englischen Romantik entstandene Ode, die mit Hilfe antiker Themen Probleme der Dichterrolle diskutiert von einem zeitgenössischen US- amerikanischen Stück, das zeitgenössische Beziehungsprobleme mit Hilfe des Pygmalionstoffes bearbeitet, unterscheidet, ist aber ihre Motivation, sich auf die Antike zu beziehen dieselbe? Gibt es ein Band, das diese In- szenierung antiker Themen, Fragen und Stoffe zusammenhält? Basiert es zwangsläufig auf einem gemeinsamen anthropologischen Grund – so würdewahrscheinlichdiekonventionelleAntwortlauten–oderhandeltes sich um einflußreiche gesellschaftliche Kommunikationsgewohnheiten – 10 MartinSchierbaum das würde etwa einem moderneren kulturwissenschaftlicher Ansatz ent- sprechen? DieGegenständeder Aktualisierungder AntikeoderderInszenierungder Antike, die wir in diesem Band versammelt haben, decken ein historisch und in ihren Ansatzpunkten weites Spektrum – nicht zuletzt der vertrete- nen Disziplinen – ab.DieSelbstinszenierungdes Volkes im antikenThea- ter und die nicht allein sprachliche Darstellung seiner Konflikte stehen im Mittelpunkt einer ersten Gruppe von Arbeiten (Matthissen und Dingel). DieAktualisierungantikerMythenbildeteinenweiterenwichtigenZugang zur eigenen und zur fremden Kultur. Der Mythos als Kernbestandteil der antiken Kunstschlechthin erweistsich einmalmehr als ‚Arbeit amLogos‘, wie Blumenberg hervorhob. Ein großer Teil der hier versammelten Bei- trägesetztbeiAktualisierungenderMythenan(Hühn,Malatrait,Hillmann und Gall). Das Sich-Geben und Sich-Zeigen der Antike in Skulpturen liefert einen weiteren wesentlichen Ansatzpunkt für Aktualisierungen (Schneider). Typische Natur-Konstellationen der Antike und ästhetische oder poetologische Topoi liefern weitere Ansatzpunkte für künstlerische AuseinandersetzungenmitdemThema(LohseundSchierbaum). Das Drama als Ort der Selbstinszenierung einer Gesellschaft zu sehen, ist eine Frage, die besonders für das Bürgertum des 19. Jahrhunderts gestellt und beantwortet wurde, bekanntlich liegt hier der Grund für die besonde- re Wertschätzung der Klassiker. Die historischeBasis zur Auseinanderset- zung mit dem Thema Antike als Inszenierung legen die ersten beiden Beiträge: Kjeld Matthtiessen setz in seinem Beitrag Inszenierte Demokratie – Volks- und Heeresversammlungen in Tragödie und Komödie bei der Darstellung des Volkes im Theater an und untersucht dabei die Veränderungen des Selbstbildes der Polis in unterschiedlichen Textsorten und Autoren. Eine spezifische Frage der Inszenierungspraxis, die Bedeutungsbildung in der Differenz von Sprache und Gestik bei Euripides stellt Joachim Dingel in den Mittelpunkt seines Aufsatzes: Hippolytos mit dem Kranz – Inszenierte BedeutungaufdergriechischenBühneamBeispieleinerEuripides-Tragödie. Peter Hühn setzt bei spezifischen Phämomenen der Antikeaneignung von den englischen ‚metaphysical poets‘ bis zur Romantik auseinander: Lyrische Inszenierungen der Antike inderenglischenOde von Marvell zu Keats. Er wendetdazuunteranderemIsersKonzeptderInszenierungan.Schneider verfolgt in seinem Beitrag: Der Körper als Kunst – ‚Griechische‘ Körperinszenie- rungen von Winckelmann bis zum 20. Jahrhundert die Darstellung von Nackt- heit in der Anlehnung an antike Muster und deren Instrumentalisierung für unterschiedliche teils ideologische Zwecke von Winckelmann bis in den Nationalsozialismus. Er legt dabei seine Schwerpunkte auf die Ausei- nandersetzungmitSkulpturenundGriechenlandbilder.

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