Marcus Lange Anspruchspolitik im Rahmen der Patentanmeldung GABLER EDITION WISSENSCHAFT Schriften zum Produktionsmanagement Herausgegeben von Professor Dr. Herfried Schneider und Professor Dr. Reinhard Haupt Die Reihe prasentiert Forschungsergebnisse aus dem Bereich des Produktionsmanagements. Mit einem weitgefassten Verstandnis von Produktion als Prozess der Erstellung von Sachgutern und Dienstleistungen, einschlieBlich der notwendigen Vorbereitungsprozesse, sollen die Beitrage die integra- tiven Aspekte des Produktionsmanagements hervorheben und sowohl theoriegepragte wie praxisbezogene Dissertationen, Habilitationen und Forschungsberichte einbeziehen. Marcus Lange Anspruchspolitik im Rahmen der Patentanmeldung Miteinem Geleitwortvon Prof. Dr. Reinhard Haupt Deutscher Universitats-Verlag Bibliografische Information Der Deutschen Bibiiothek Die Deutsche Bibiiothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibiiografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet iiber <http://dnb.ddb.de> abrufbar. Dissertation Universitat Jena, 2005 I.Auflage April 2006 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitats-Verlag I GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Brigitte Siegel/Stefanie Loyal Der Deutsche Universitats-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media, www.duv.de Das Werk einschlieBlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschutzt. Jede Verwertung auKerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbe- sondere fur Vervielfaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden diirften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Druck und Buchbinder: Rosch-Buch, ScheBlitz Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN-10 3-8350-0375-5 ISBN-13 978-3-8350-0375-0 Geleitwort Die Formulierung von Anspruchen in Patentanmeldungen hat erhebliche rechtliche und wirt- schaftliche Konsequenzen. Sie kann die Wettbewerbsstellung des Innovators und den Markt- wert einer Innovation entscheidend beeinflussen. Die Enge bzw. Weite der Anspruchsdefini- tion, die Zuordnung von claims zu „unabhangigen" bzw. „abhangigen" Anspruchen, die Auf- teilung von Anspruchen auf verschiedene Patentanmeldungen usw. sind Freiheitsgrade des Anmelders, die auf ein Optimierungsproblem der Anspruchsstrukturierung hinweisen. Das Anspruchsmanagement gehort, neben z. B. Fragen um die zeitliche und landerspezifische Patentanmeldepraxis, zum strategischen Potential der Technologiestarke von Innovatoren. Marcus Lange greift mit der vorliegenden Schrift dieses Problem auf und widmet sich der Formalisierung eines optimalen Patentanspruchsverhaltens. Dabei befasst er sich mit bis- herigen Ansatzen im Schrifttum, die ein Optimum des Anspruchsumfangs unterhalb des maximalen Rahmens herleiten („weniger ist mehr"). Lange kann nun zeigen, dass diese Ar gumentation auf zwei speziellen Annahmen beruht, die von der Wirklichkeit des realen Pa- tentverhaltens abweichen: Zum einen unterstellt sie eine dichotome Struktur der Patent- erteilung (Erteilung oder Nichterteilung), zum anderen abstrahiert sie von den Kosten von Pa- tentauseinandersetzungen im Gefolge einer Patenterteilung. Zur ersten Frage, der Durchsetzungs-Wahrscheinlichkeit von Patentanspriichen, diskutiert Lange die realistische Moglichkeit von Ruckzugsoptionen eines Patentanmelders unterhalb des Anspruchsvolumens bei Patentanmeldung. Dabei geht er von einer Menge von Riickzugs- optionen und einer schrittweisen Verringerung des Anspruchsniveaus im Priif-, Einspruchs- bzw. Nichtigkeitsprozess aus. Im Ergebnis kann er nachweisen, dass der optimale dem maxi malen Anspruchsumfang bei Anmeldung entspricht, was auch durch intuitive Praxisusancen und Literaturempfehlungen plausibel gestiitzt wird. Die andere Pramissenerweiterung gegenuber bisherigen Arbeiten, die Beriicksichtigung der Kosten von Patentauseinandersetzungen, erklart die Praxis von moderaten Anspruchsvolu- mina (unterhalb des Anspruchsmaximums) bei Anmeldung bzw. die Strategic der An- spruchsmaximierung bei starker Wettbewerbsstellung, wenn namlich keine Patentaus einandersetzungen zu befurchten sind. SchlieBlich nimmt Lange mit empirischen Untersuchungen auf eine Patentstichprobe im Be- reich der Herzschrittmacher-Technologie Bezug. Aufgrund einer Reihe von sorgfaltig und systematisch begriindeten Hypothesen wird zunachst nachgewiesen, dass eine moglichst um- fassende Anspruchsdefmition bei Patentanmeldung iiberwiegend gangig ist, wie aus der signi- VI fikant geringeren Zahl von unabhangigen Anspriichen, von abhangigen Anspriichen (Riick- zugsoptionen) und aus anderen Beobachtungen der Patenterteilung hervorgeht. Auch die zweite Beobachtung des Theorieteils, die geringeren Anspruchsvolumina bei Erwartung von Kosten der Patentauseinandersetzungen, konnen mindestens indirekt bestatigt werden: Ein Verzicht auf den maximalen Anspruchsumfang umgeht sowohl Einschrankungen des An- spruchsumfangs im Priifprozess als auch wahrscheinliche Einspruchs- bzw. Nichtigkeits- auseinandersetzungen mit dem Wettbewerb. Mit anderen Worten flihrt die Antizipation von Patentrechtsstreitigkeiten mit den entsprechenden Kostenkonsequenzen zu moderateren An spruchsvolumina bei der Anmeldung. Mit diesem Beitrag gelingt Marcus Lange unter anderem eine formale Operationalisierung von zwei wichtigen Annahmen des Anspruchsmanagements, namlich der Einschrankung der Anspruchsbasis im Erteilungsverfahren sowie des Stellenwerts der zu antizipierenden Kosten von Patentauseinandersetzungen. Fur beide Fragestellungen bietet die Schrift zudem eine an- schauliche empirische Verifizierung. Alles in allem stellt die Studie einen soliden Baustein und einen hoffnungsvollen Ansatz zur Entscheidungsunterstiitzung des Patentanspruchsmanagements dar. Reinhard Haupt VII Vorwort Die Anspruchspolitik im Rahmen der Patentanmeldung hat entscheidenden Einfluss auf den resultierenden Gewinn aus der Patentierung, auf den resultierenden Patentwert und auf die Nachahmungsresistenz der technologischen Wettbewerbsvorteile des patentierenden Unter- nehmens. Der state-of-the-art der Betriebswirtschaftslehre beinhaltet lediglich fiir die Wahl des anzumeldenden Anspruchsumfangs widerspruchliche pauschalierte Handlungsempfeh- lungen und steht somit im Missverhaltnis zur okonomischen Bedeutung der Patentpolitik. Dieses Buch soil durch umfassende formale und empirische Analysen der Anspruchspolitik im Rahmen der Patentanmeldung einen Beitrag zur Reduktion des genannten Missver- haltnisses leisten. Die vorliegende Dissertationsschrift entstand wahrend meiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl fur Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Produktion/Industrie- betriebslehre an der Friedrich-Schiller-Universitat Jena. Besonderer Dank gilt meinem Dok- torvater, Herm Prof Dr. Reinhard Haupt. Die von ihm gepragte breite methodische und thematische Ausrichtung der Forschungsarbeit an seinem Lehrstuhl und die angenehme Ar- beitsatmosphare haben entscheidend zum ziigigen Gelingen des Dissertationsvorhabens bei- getragen. Ebenso danke ich Herm Prof Dr. Uwe Cantner fur die bereitwillige Ubemahme des Koreferats und die zeitnahe Begutachtung. Mein Dank gilt auBerdem meinen Kollegen, Herm Prof Dr. Axel BraBler, Herm PD Dr. Martin Kloyer, Herm Dr. Lars-Peter Brautigam, Frau Dipl.-Kffr. Sandra Brautigam, Frau Dipl.-Kffr. Christiane Gotze, Herm Dipl.-Kfm. Christoph Grau und Herm Dipl.-Kfm. Martin Zimmermann, fiir die freundschaftliche Zusammenarbeit und die zahlreichen inspirierenden Diskussionsabende. Herm Dr. Wolfgang Ziegler (Leiter der Patentinformationsstelle Jena) danke ich fur seine Unterstiitzung bei den ausflihrlichen Patentrecherchen. Nicht zuletzt stellt die Gmndlage fiir das Gelingen meiner Arbeit der uneingeschrankte Riick- halt im privaten Bereich dar. Fiir ihre bedingungslose Unterstiitzung mochte ich mich an dieser Stelle bei meiner ganzen Familie sowie bei meiner lieben Partnerin Kirsten bedanken. Ich widme dieses Buch meinen Eltem. Marcus Lange IX Inhaltsverzeichnis Abkiirzungsverzeichnis XIII Tabellenverzeichnis XV Symbolverzeichnis XVII 1 Einfiihrung in die Themenstellung 1 1.1 Bedeutung und Grenzen der Anspruchspolitik 1 1.2 Zielsetzungen und Aufbau der vorliegenden Arbeit 4 2 Grundlagen der Anspruchs- und Patentpolitik 6 2.1 Zielsetzungen der Patentierung und Patentiunktionen 6 2.2 Aufgabenfelder im Rahmen der Patentierung 8 2.2.1 Patentinformation 8 2.2.2 Patentpolitik und Anspruchspolitik 9 2.2.3 Patentstrategie 13 2.3 Juristische Grundlagen 17 2.3.1 Die Patentanmeldung 17 2.3.2 Die Voraussetzungen der Patenterteilung 20 2.3.3 Priifungs-, Einspruchs- und Nichtigkeitsverfahren 23 2.3.4 Anderungsmoglichkeiten des Patents 26 2.4 Determinanten des Patentwertes 31 2.4.1 Die Operationalisierung des Patentwertes 31 2.4.2 Der Umfang des Patentschutzes 34 2.4.3 Die zeitliche Ausrichtung des Patentschutzes 40 2.4.4 Die regionale Ausrichtung des Patentschutzes 43 2.4.5 Systematisierung der identifizierten Determinanten 46 X 3 Die Optimierung der Anspruchsstruktur. Eine formale Analyse 49 3.1 Grundlagen der formalen Analyse von Anspruchsumfangen 49 3.1.1 Der Ansatz von Harhoff und Reitzig (2001) 49 3.1.2 Die Ubertragbarkeit auf das reale Optimierungsproblem 51 3.2 Optimierung unter Vemachlassigung der Kosten 54 3.2.1 Voriiberlegungen 54 3.2.1.1 Anspruchsumfang und Patentwert 54 3.2.1.2 Eigenschaften des Zufallsprozesses 57 3.2.2 Analyse des Optimierungsproblems 59 3.2.2.1 Annahme eines binaren Zufallsprozesses 59 3.2.2.2 Annahme eines stetigen Zufallsprozesses 62 3.2.2.3 Annahme eines allgemeinen diskreten Zufallsprozesses 65 3.2.2.3.1 Die Optimierung des Anspruchsumfangs 65 3.2.2.3.2 Die Anzahl an Riickzugsoptionen 71 3.2.3 Einflussfaktoren auf den erwarteten Anspruchsumfang 75 3.2.4 Interpretation fiir die Patentierungspraxis 82 3.3 Optimierung unter Berlicksichtigung der Kosten 84 3.3.1 Analyse des Optimierungsproblems 84 3.3.2 Einflussfaktoren auf die erwarteten variablen Kosten 89 3.3.3 Interpretation fur die Patentierungspraxis 92 3.4 Optimierung der Teilanmeldungsanzahl 96 3.4.1 Analyse des Optimierungsproblems 96 3.4.2 Einflussfaktoren auf die Wahl der Teilanmeldungsanzahl 100 3.4.3 Interpretation fiir die Patentierungspraxis 102 3.5 Zwischenresumee der formal gewonnenen Ergebnisse 105 XI 4 Die Optimierung der Anspruchsstruktur. Ansatze der empirischen Analyse Ill 4.1 Problemstellungen empirischer Analysen der Anspruchsstruktur Ill 4.2 Methodische Losungsansatze der Operational!sierung 114 4.2.1 Die Anspruchsstruktur von Patenten 114 4.2.1.1 Die Kategorie der unabhangigen Anspriiche 114 4.2.1.2 Die Anzahl der unabhangigen Anspruche 116 4.2.1.3 Die Anzahl der abhangigen Anspruche 120 4.2.2 Die Struktur einzelner Anspruche 122 4.2.2.1 Die Anzahl der Merkmale 122 4.2.2.2 Die Anzahl der Worte 125 4.2.3 Der Herzschrittmacher als Beispielfall 128 4.2.3.1 Exkurs zur Methodik des T-Tests 128 4.2.3.2 Die Wahl der Stichprobe 129 4.2.3.3 Die Umsetzung der Datenerhebung 135 4.2.4 Empirische Kontrolle der Funktionalitat der Indikatoren 137 4.3 Empirische Evidenz der Optimierung der Anspruchsstruktur 142 4.3.1 Der resultierende Anspruchsumfang und die variablen Kosten 142 4.3.2 Der Offenbarungsgehah 144 4.3.3 Der angemeldete Anspruchsumfang 146 4.3.4 Der Skalenumfang 157 4.4 Zwischenresumee der empirisch gewonnenen Ergebnisse 160 5 Zusammenfassung und Reslimee 163 Literaturverzeichnis 167