Anleitung zur Bearbeitung meteorologischer Beobachtungen fiil' tlic K lim a t log i e. 0 VOIl Dr. Hugo Beyer, Assi~tent am Kiilli;;iicllrn 1111 tet)rologi~che:l Institut. B erli 11. v ~ r I a g v <) II .T \l 1 ius S P I' i n g e r, J 8 9 1. ISBN-13: 978-3-642-90106-5 e-ISBN-13: 978-3-642-91963-3 001: 10.1007/978-3-642-91963-3 Softcover reprint of the hardcover 1st edition 1891 Vor,vort. .Flir die meisten meteorologischen Elemente ist die Yertheilung del' durchschnittlichen ,Vertho tiber grosse Theile der ErdoberfHiche bekanllt. In diesen Gegentlen ist die Lage der Stationen so dicht, dass ein Einfligen neuer Orte nur fUr locale Verhaltnisse und flir Specialuntersuchungen Interesse hat. Der Schwerpunkt klinftiger klimatologischer Arbeiten bezliglich diesel' Gebiete sollte daher nicht mehr in del' Ableitung der lHittelwerthe fur die einzelnen klimatischen Factoren und deren pel'iodischer Aenderullgen liegen, es soUte yiel mehr eine Vertiefnng der klimatischen Beschreibung auf Grund zn verlassigen Zahlenmaterials angestrebt werden. Eine solehe Yertiefung kann erreicht werden durch Kritik del' bisher gebrlinchlichen Begriffe nnd durch Einflihrung neuer, he ziehentlich Anwendnng von noch wenig gebranchlichen Methoden. N ach diesen beiden Richtungen hin aufkHirellll und anregend zu wirken, ist del' Hauptzweck der vorliegenden Schrift. Bis YOI' wenigen Lush-en war das Material flir eingehende kli matologische "Clltersuchungen weiteren Kreisen nul' schwer zuganglich. \Vem es nicht gegiinnt war, in meteorologische Manuscript-Tabellen Einsicht zu erhaltell, musste auf tiefer gehende Arbeiten verzichten. Das ist, Dank den Beschlussen des international en Meteorologen Congresses zu 'Yien 1873 und der Conferenz des permanenten Comites zn Ftrecht 1874, jetzt bessel' geworden, und daher e1' scheint eine Anregung zu detaillirter Bearbeitung des nun leicht 7.n heschaffenc1ell J'lIatel'ialeR 7.eitgemaRs. IV Vorwort. J ene international en Vereinigungen haben fUr die Publication der meteorologischen Beobachtungen eine neue Aera eingeleitet. Man einigte sich nicht nur iiber ein bequem zu benutzendes Schema fiir· die Veroffentlichung der monatlichen Mittelwerthe, sondern man erkannte auch die Nothwendigkeit an, fUr eine gewisse Anzahl von Station en die taglichen Beobachtungen in extenso zu veroffentlichen. Auch hierfiir wurde eine geeignete Form international vereinbart. Seitdem haben sich allmalig fast alIe meteorologischen Institute der an jenem Congress betheiligten Lander dies em internationalen Schema angeschlossen, und es liegt jetzt schon den weitesten Kreisen eine ganze Fiille gedruckten Materials vor, das der weiteren Ver arbeitung harrt. Diese Bearbeitung kann von den meteorologischen Centralanstalten allein nicht durchgefdhrt werden, denn dazu fehlt den meisten von Ihnen das Personal. Wie die Beschaffung, so fordert auch die Auswerthung der Beobachtungen fiir klimatologische Zwecke die Mitwirkung aller fiir den Gegenstand Interessirten. Den zahl reichen Lehrern der Naturwissenschaften an unsern hoheren Schulen steht in den Programmen ihrer Lehranstalten eine Gelegenheit zu ausfiihrlicherer Veroflentlichung ihrer Untersuchungen zur Verfiigung, als sie del' Raum del' Fachzeitschriftcn in del' Regel gestattet. An sie geht in erster Linie mein Ruf zur Mitarbeit; denn die hier be sonders empfohlenen Untersuchungen erfordern zum grossen Theil die Publication ausgedehnter Tafeln und Tabellen. Die vorliegende Anleitung zerfallt in zwei Theile. Den ersten, allgemeinen Theil bildet eine kritische Behandlung del' iiblichen Grundbegriffe und Methoden, welche man aus anderen Disciplinen auf die Meteorologie iibertragen hat, die Priifung des Beobachtungs materials auf seine Gleichartigkeit und die Zuriickfiihrung kurzer Reihen auf eine langere N ormalperiode. Die graphischen Methoden der Klimatologie sind an die Spitze gestellt, weil schon im folgenden Capitel von del' Graphik nothwendig Gebrauch gemacht werden musste. Das zweite Capitel ist fiir alles Folgende von fundamentaler Bedeutung. Bislang hat man die Klimatologie in allen wesentlichen Yorwort. y Punkten auf arithmetische Mittelwerthe gegrlindet. Nur bei del' Behandlung del' Windverhiiltnisse ist man in den letzten DeeeLnien mehr und mehr yon del' mittleren ,Vindrichtung abgegangen und hat an ihrer Stelle die vorherrschelHle Riehtung eingefiihrt. Dasselbe sollte man auch fUr die aIHlel'll lIleteorologischen Elemente thun. Del' yorherrscheude ,rerth ist in del' Klimatologie eigentlich iiberall der gesuchte, und wenn man sich bislang so gut \Vie garnicht urn ihn bekiimmert hat. so liegt das wohl in erster Linie daran, dass man bewusst ()(ler unhewusst die Yoraussetzung machte, del' arith metisehe Mittelwerth sel mit dem yorherrschendell ,Verthe identisch. Diese Voraussetzung ist aher irl'ig. Es wird hier gezeigt, dass nul' in (lem Faile HYlllluetrischer Vertheilung aller Einzelwel'the in del' lIach del' UI'OSSl' geor(lnetell Reihe das arithmetische Mittel neben del' Eigenschaft die gleiche Summe positiver und negativer A bweichungen zu besitzen, auch (lie Eigellschaften hat, die gleiche Anzahl positiveI' ulld lIegativer Abweichungen allfzlIweisen, und allsserdem als Einzel wet·th del' wahrscheinlichste odeI' unter den Einzelwerthen del' han figste zu sein. Auf meteorologischem Gebiete tritt abel' del' Fall symllletrischer Vl>rtheilung del' }~inzelwerthe nicht ein. Daher kommt den lIleteorologi~chen l\Iittelwerthcn nar jene erste Eigensehaft zu, die anllel'n gehot'en bezw. dem Centralwerth uml dem Seheitelwerth an. Arithmetisches Mittel und Seheitelwerth differiren bei den wieh ,y tigsten Elemf>nten ganz merklich. 011 en wir daher in der Klima tologie die yorherrschenden ,Verthe kennen lernen, so folgt die N othwelldigkeit (ler Einfiihrung des Scheitelwerthes. Da allch die Yertheilung" del' monatlichen Mittelwerthe del' einzelnen Jahre Ulll das langjahrige Mittel, wie in Capitel 3 ge zeigt winl, nieht vom Zufall, ~ondel'll von bestimmten Gesetzen beherrscht wi\'(1, so ergie 1Jt sich, dass die :Fehlerrechnung, wie man sie aus del' Physik uml Astronomie in die Meteorologie liber nommen hat, il\(lem man die Abweichungen del' l\Ionatsmittel yom allgellleinen Mittel wie die Fehler einer Messung behandelt, in del' Meteorologie principiell nicht all\reudbar ist. Die Be SSt' l'sche Formel hat in ueuerer Zeit in del' Klimato logie ZWUI' St,hl' :til Bo(lt'll verloren, doch kunn sie als Inter- VI VorWOl't. polationsformel haufig ntitzlich sein und durfte deshalb hie I' nicht fehlen (Oap. 4). Fiir die Ausgleichung wegen mangelnder Anzahl von Einzelwerthen noch unregelmassiger, als nach del' Natur der Erscheinungen wahrscheinlich ist, verlaufender Zahlenreihen sind dies em Oapitel einige einfache und haufig angewandte Ausgleichs formeln angeftigt. Daran schliesst sich in Oapitel 5 die Priifung des Heobachtungs materials auf seine Homogeneitat und die Zuriickftihrung kurzer Beobachtungsreihen auf eine langere Normalperiode. Die Gleich werthigkeit aIler Einzelbeobachtungen und der Synchronismus del' zu vergleichenden Reihen sind zwar schon vor langen J ahren von dem danischen Botaniker und Klimatologen S c h 0 u w gefordert, doch scheinen dessen "Beitrage zur vergleichenden Klimatologie" (Kopen hagen 1827) weniger bekannt geworden zu sein, als sie es verdienen. Erst in neuerer Zeit ist die Bedeutung dieser Punkte voll gewiirdigt. Den Schluss des allgemeinen Theils bilden einige allgemeine Anforderungen, welche an klimatologische Arbeiten gestellt werden miissen. Sie mogen zum Theil als selbstverstandlich und tiberfiiissig erscheinen, sind es aber, wie man sich bei Durchsicht der neueren Litteratur bald tiberzeugt, doch leider nicht. Der zweite, specielle Theil behandelt die DarsteIlung der ein zelnen klimatischen Factoren, wie sie nach den strengen Anforderungen der Neuzeit zu geschehen hat. Dabei ist der Scheitelwerth nur fUr die fundamentalen klimatischen Werthe abgeleitet, bei den erst in zweiter Linie in Betracht kommenden Grossen (Abweichungen, Amplituden etc.) ist hierauf einstweilen verzichtet. Principielle Schwierigkeiten stehen der Ableitung des Scheitelwerthes auch fUr diese Grossen nicht entgegen. - Daran schliesst sich die Behand lung des Zusammenhangs der Witterungsverhaltnisse aufeinander folgender Zeitabschnitte und des Zusammenhanges der meteorolo gischen Elemente unter einander, und endlich folgen einige Be merkungen tiber Klimagrenzen und 'Vetterscheiden. Die Magerkeit so vieler klimatologischer Arbeiten diirfte zum nicht geringen Theile darin ihre U rsache haben, dass den Verfassern Vorwort. VII viele Gesichtspunkte und :\Iethoden unbekannt blieben, welche, obwohl von hohem Interesse, in del' Litteratur zu sehr zerstreut una nicht ~elten schwer zuganglich waren. Zwar kann auch diese Schrift nicht den Anspruch auf V ollstiindigkeit erheben, ich hoft'e aher, dass mir von den bewiihrten Methoden keine entgangen ist. Noch weniger Allspruch auf Yollstiilllligkeit kann ich in Betreft' del' Litteraturnachweise machen. Pl'ioritlitsfragen und historische Studien lagen <tusser dem Bereiche diesel' Anleitung. In dem ~peciellen Theile TInden sich zahlreiche Tabellen, welche als Muster dienen mogen. Dieselben beziehen sich nicht aIle auf denselben Urt. sonderu sind in den verschiedenen Capiteln aus den Beolmchtungen verschiedener Htationen abgeleitet. Anflinglich hatte ich die Absicht, alle 1\Ietho!len an den Beobachtungen eines und desselben Ortes zu erlautern und so fUr dies en eine ganz cletaillirte Klimaschilderullg zu gehell. Ich bin davon abgegangen, weil eine genaue Beschreibung aller klimatischen Bedingungen eines Ortes mehr Tabellen erfordert hiitte, als fUr eine "Anleitung" nothwendig erschien. Ferner. so werthvoll moglichst ausfUhrlich klimatische Tabellen !'iir eillzelne Orte auch sin!l, so glaube ich doch, die Klimatologie winl meltr <lurch Arheiten gewinnen, welche sich nul' eine oder wenig" Fragen stellen und diese fUr grossere Gebiete zu beantworten ~uchen. Die fiir verschiedene Orte selbststandig und unabhangig von einalllier abgeleiteten Klimaiafeln sind, so vortreffiich sie auch fUr sich hetrachh,t sein mogen, ill del' Regel nul' beschrankt vergleichbar. Zu einer Bearheitung einzelner Fragen fUr ausgedehnte Gehiete wird man abel' yon VOl'll herein nur vergleichbares Material heranziehen. Es liegt mir fern, den Werth von U ebersichten iiber die klima tischell Factoren in del' bisher fast ausschliesslich iiblichen Form schmiilel'll zu wollen. So lange nul' wenige Jahre mit regelmassigen Heobachtullgen vorliegen und ein Anschluss derselben an langere Reihen nicht moglich ist, ist iiberhaupt nul' ein ganz allgemeiner Ueberhlick zu gewinnen und eine ins Einzelne gehende Bearbeitung !lerselben llidlt lohnend. Diese Schrift. soli zu einer intensiven Ver arbeitung lallgjiihrigen guten Beobachtungsmaterials anleiten und zeigen, dass F.elhst fUr die klimatisch bestbekannten Gegenden noch VITI Vorwort. viel zu thun bleibt. Der Scheitelwerth und die unperiodischen Aenderungen der klimatischen Elemente im weitesten Sinne bieten ein noch garnicht, oder doch nur sehr wenig beackertes Arbeitsfeld, dab die schOnsten Friichte verspricht. Die Auswerthung des in den Publicationen der verschiedenen Centralanstalten reichlich aufgespeicherten Materials fiir rein meteoro logische Zwecke wird immer nur gering sein im Vergleich zu der fUr die Klimatologie, und nur fUr diese lassen sich allgemeine Regeln aufstellen. Nur wenn sich Arbeiter finden, bereit, das vorhandene Material fiir die Wissenschaft auszunutzt:;n, sin~ die Muhen und Kosten jener Veroffentlichungen nicht umsonst aufgewandt. Herr Professor Dr. Kopp en hatte die Gute, das Manuscript vor der Drucklegung einer Durchsicht zu unterziehen und mich auf eine Reihe von Punkten aufmerksam zu machen, welche einer Abiinderung bedurftig, oder auch von mir ganz iibersehen waren. Es ist mir eine angenehme Pflic~t, ihm auch hier fur sein freund liches Entgegenkommen meinen verbindlichsten Dank auszusprechen. Berlin, im November 1890. Dr. Hugo Meyer. In h a I t. Seite Vorwort III Inhalt IX 1. .\ll:,;cmcincr Theil: 1. Die graphischcn Methoden der Klimatologio 2. DcI' Centralwerth, das arithmetische Mittel und der Scheitelwerth 12 3. !lie Fchlerrechnung • 27 4. !lie Bcssel'sche Formel, rechnerische Interpolation und Aus- r.;leichung 34 5. llie Priifung des Beobachtllngsmaterials auf seine Homogeneitiit un'] die Reduction kUl'Zer Beob,chtungsreihen auf lUng-ere 43 6. All:,;emeinc Anfordcrungcn an klimatologische Arbeiten • 52 II. Speeieller Theil: 7. ])cr Luftdruck 59 8. ]lie Lllfrtempcratur 69 H. llie Lllftfeuchtigkeit . 98 10. J lie Bewulkung 107 11. Dcr Winl] III I 2. Ver Xiedcrschlag 132 I :1. ncr Zllsammenhang cler 'Vittel'ungsverhiiltnisse allfeinander fol- genaer Zeitabschnitte un,l das Uebermaass 152 14. Dcr Zusammcnhang der mcteorologischen Elemcnte untereinander 170 15. Die Klimagrenzen und die Wetterscheidcn 178 III. Anhang 180 :-5achregbtcr 1 ~5 I. Aligemeiner Theil.