ebook img

Andreas Gotzmann: Jüdische Autonomie in der Frühen Neuzeit PDF

857 Pages·2015·3.75 MB·German
by  
Save to my drive
Quick download
Download
Most books are stored in the elastic cloud where traffic is expensive. For this reason, we have a limit on daily download.

Preview Andreas Gotzmann: Jüdische Autonomie in der Frühen Neuzeit

Andreas Gotzmann Jüdische Autonomie in der Frühen Neuzeit Hamburger Beiträge zur Geschichte der deutschen Juden Für die Stiftung Institut für die Geschichte der deutschen Juden herausgegeben von Stefanie Schüler-Springorum und Andreas Brämer Bd. XXXII Andreas Gotzmann Jüdische Autonomie in der Frühen Neuzeit Recht und Gemeinschaft im deutschen Judentum WALLSTEIN VERLAG to Alan R. Barnes Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Wallstein Verlag, Göttingen 8 www.wallstein-verlag.de Vom Verlag gesetzt aus der Adobe Garamond Umschlaggestaltung: Basta Werbeagentur, Steffi Riemann Umschlagbild s. Nachweis auf S. 846 Druck: Hubert & Co, Göttingen ISBN 978-3-8353-4-6 Inhalt I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 II. Autonom im Interpretationsraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Grundlegende Strukturen jüdischer Rechtsprivilegierung . . . . . . . 34 Religiöse Gerichtsbarkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Zivilrechtliche Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Strafrechtliche Delikte des Kriminalrechts . . . . . . . . . . . . . . . 91 Konfliktpunkte der Autonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Rechtszuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 Der Status quo. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Richten oder Schlichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Differenzen und Diskrepanzen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 III. Zur Ambivalenz der Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . 145 Inkonsequenz – Stabilität durch Uneindeutigkeit . . . . . . . . . . . 179 Ferne Ideale – Das rechte Leben im Recht . . . . . . . . . . . . . . . 191 Personalisierte Ideale – Zum Verlust organisatorischer Struktur . . . . 196 Abhängigkeiten und Zuständigkeiten – Interne Organisationsversuche 206 Rabbinats- und Schiedsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 IV. Sicherung und Stabilität der Rechtsautonomie . . . . . . . . . . . . 275 Die Grenzen autonomen Handelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 Der Bann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 Der Bann als Fluch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 Subversion und Geschlossenheit – Strategien im Konkurrenzkampf . . 358 Verteidigungslinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 Ideologische Überhöhungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462 V. Gemeinde als Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479 Verwandtschaft als Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 544 Zugehörigkeit und Gleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 593 Jenseits von Verwandtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 625 ›Gemeine‹ als Gemeinde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 633  VI. Die rechte Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 655 Autorität und Despotie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 663 Autorität und Verdacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 672 Von der Beleidigung zur Gewalt – Dynamiken des Machterhalts . . . 685 Zügelungsversuche – Das Ideal des beherrschten Menschen . . . . . . 713 Zentrum und Peripherie – Zur Topographie der ehrbaren Gesellschaft 745 Beherrschung – Geregeltheit als Bollwerk gegen das Chaos . . . . . . 787 VII. Schlussbemerkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 815 Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 825 Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 846 Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 847 Personen- und Ortsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 848  I Einleitung Im Bann der Vorstellung, vermeintlich gesicherte Erkenntnisse festzuschreiben, kreisen auch neuere Debatten zur Geschichte der Juden in der Frühen Neuzeit in so eigentümlicher Weise um gefestigte Paradigmen, dass sie stets lediglich auf ihren Ausgangspunkt zurückverwiesen werden. Dies ist neben dem vergleichs- weise geringen Forschungsaufkommen einer der Gründe dafür, dass das Ver- ständnis der Grundlagen jüdischen Lebens in dieser Zeit mehr als bruchstück- haft und schematisch blieb. Ein wichtiger inhaltlicher Punkt, der diese eigenartige Gestalt der Diskussionen bedingt, ist sicherlich die Zersplitterung der Strukturen und Verhältnisse jüdischen Daseins in dieser Zeit, wie sie sich bezeichnenderweise bereits auf der normativen Ebene etwa der Rechtsprivilegien der zahlreichen Herrschaften und Territorien findet, von der häufig ortsspezifi- schen und situativen Umsetzung solcher Rechtsnormen gar nicht zu reden. Selbst ganz zentrale Fragen, etwa nach Art und Umfang der Rechtsautonomie jüdischer Gemeinden oder nach den gesellschaftlichen Begriffen von Eigenstän- digkeit, blieben daher bislang letztlich unbeantwortet. Ideologische Überhöhun- gen solcher Aspekte im Rahmen der jüdischen Geschichte führten – gespeist von einem nahezu grundlegenden Konservativismus hinsichtlich neuerer Theo- rien und Methoden – dazu, dass gerade die Bewertung zentraler gesellschaft- licher und kultureller Strukturen erstaunlich stabil blieb. Ohne die Entwicklung der Forschung an dieser Stelle im Detail referieren zu wollen, argumentierten rabbinisch gebildete Historiker, die in der Tradition der Wissenschaft des Juden- tums standen beziehungsweise dieser indirekt verbunden waren, nahezu ge- schlossen, dass die jüdischen Gemeinden eine weitreichende Autonomie in rechtlichen Angelegenheiten besessen hätten. Damit boten ihre Geschichtsbilder ein Gegengewicht zu dem vermeintlichen Zerfall jüdischer Kultur im Zeitalter der Moderne. Mit dem Ende des . Jahrhunderts beziehungsweise zu Beginn der Emanzipationsgesetzgebung brach für diese Historikergenerationen eine in sich geschlossene jüdische Sphäre plötzlich auseinander. Eine bekannte Gegen- 7  position dazu wies zwar auf eine längere Vorgeschichte dieses internen Verfalls, gepaart mit einem externen Zurückdrängen jüdischer gesellschaftlicher Struktu- ren hin, relativierte dabei aber die grundlegende Bewertung keineswegs. Eine vertraute, bis heute fortgeschriebene Charakteristik ist infolgedessen etwa die Vorstellung des Verfalls beziehungsweise einer intellektuellen Zweitrangigkeit des deutschen Rabbinats dieser Zeit. Deren Auswirkungen wurden angeblich nur durch ein massenhaftes Anwerben osteuropäischer Rabbiner gemildert, die dann sozusagen Inseln rabbinischer Lehre in diesem Meer von Mittelmaß und Verlust bildeten. Das moderne Verständnis jüdischer Geschichte war im Rahmen der Wissen- schaft des Judentums schon unter ganz ähnlichen Auspizien entstanden, nämlich jener zentralen Abwertung jüdischer Kultur vor dem Beginn der Moderne, die es ihren jüdischen Autoren ermöglichte, der eigenen Zeit die für die Emanzipati- onsphase kennzeichnende idealistische Zukunftsperspektive zu eröffnen. Damit reihten sie sich nicht in ihrer Intention, jedoch strukturell in die bestehenden,  Etwa Chimen Abramsky, The Crisis of Authority within European Jewry in the th Century, in: Siegfried Stein/Raphael Loewe (eds.), Studies in Jewish Religious and In- tellectual History. Presented to Alexander Altmann on the Occasion of His Seventieth Birthday, Alabama , S. -. Asriel Schochat, Der Ursprung der jüdischen Aufklä- rung in Deutschland, Frankfurt a. M.  (Campus Judaica; ), S.  ff. Aber auch in der jüngeren Literatur, etwa Lucia Raspe, Individueller Ruhm und kollektiver Nut- zen. Berend Lehmann als Mäzen, in: Rotraud Ries/Friedrich Battenberg (Hg.), Hof- juden – Ökonomie und Interkulturalität. Die jüdische Wirtschaftselite im . Jahrhun- dert, Hamburg  (Hamburger Beiträge zur Geschichte der deutschen Juden; ), S. -; z. B. S. -; auch hier in direkter Übernahme der zeitgenössischen Wahr- nehmung in die wissenschaftliche Literatur: »Wir befinden uns am Ausgang des . Jahr- hunderts. Die relativ triste geistige Situation in der zahlenmäßig noch kleinen jüdischen Gemeinschaft Deutschlands«. Das bis heute gültige Meisterwerk des Zerfallsparadigmas ist Jacob Katz, Tradition und Krise. Der Weg der jüdischen Gesellschaft in die Moderne, München  (erstmals ); wobei Katz dieses keineswegs begründet hatte. Es findet sich allenthalben wieder, auch in neuesten Publikationen, etwa Arye Maimon/Morde- chai Breuer/Yacov Guggenheim (Hg.), Germania Judaica III (-), . Teilband, Tübingen , S. -; »Ein gewisses Maß an Verwilderung ist nicht zu bestreiten, namentlich im Umgang der Menschen miteinander. […] Die Plage des Bruderzwistes schwächte und spaltete viele Gemeinden«. Interessant ist häufig die direkte Anlehnung bis in die Sprache hinein an Heinrich Graetz’ generelle Charakteristik der Zeit des Spät- mittelalters (und der Frühen Neuzeit) als ›Epoche der allgemeinen Verwilderung in der Judenheit‹. Christhard Hoffmann, Von Heinrich Heine zu Isidor Kracauer. Das Frank- furter Ghetto in der deutsch-jüdischen Geschichtskultur und Historiographie des . und frühen . Jahrhunderts, in: Fritz Backhaus et al. (Hg.), Die Frankfurter Judengas- se. Jüdisches Leben in der frühen Neuzeit, Frankfurt a. M.  (Schriftenrh. des Jüd. Museums Frankfurt a. M.; ), S. -, S. -; S. ; sowie an vielen anderen Stellen von Kracauers Werk. Ebenso bei Schochat, Asriel, Der Ursprung der jüdischen Aufklä- rung in Deutschland, Frankfurt a. M.  (Campus Judaica; ) (Erstausgabe: ders., Im Chilufe Tekufot. Reschit haHaskala biJahadut Germania, Jerusalem ), S. -. 8  letztlich durchweg negativen historischen Sichtweisen christlicher Autoren ein, allerdings um diese – im Sinne eines postkolonialen Diskurses – über Wissen- schaftlichkeit von innen heraus als eine identitätsgeleitete, positiv gewendete und zugleich jüdische Geschichtssicht neu zu formulieren. Diese Bewertung änderte sich erst gegen Ende des . Jahrhunderts, als es parallel zur gesamtgesellschaftlichen Beschäftigung mit eigener Geschichte auch in der jüdischen Bevölkerung – vermehrt zudem aus der Orthodoxie heraus – nach dem Erreichen der rechtlichen Gleichstellung bei gleichzeitigem Anwach- sen antisemitischer Tendenzen in Politik und Gesellschaft allmählich zu einer Aufwertung der direkten Vorgeschichte der Emanzipation kam. Diese bis heute bestimmend gebliebene, letztlich gegen das Projekt der Moderne gerichtete Um- bewertung der etablierten Sichtweise erhielt mit dem Entstehen jüdisch nationa- ler Konzepte und Bewegungen eine ganz neue Bedeutung. All dies geschah wei- terhin vor dem Hintergrund eines geschlossenen, letztlich sogar der Geschichte entzogenen Bildes jüdischer Kultur als eines in seinen Entwicklungen und Struk- turen völlig eigenständigen und idealerweise unveränderlichen Konstrukts, das daher auch in erheblichem Maß über seine Differenz zur Umgebung definiert werden musste. Nun galt es jenseits des Paradigmas der Assimilation – was nicht mehr als Amalgamierung, als ein produktives Verschmelzen, sondern in negativer Weise als Verlust oder sogar als ein freiwilliges Aufgeben von Eigenem verstan- den wurde –, möglicherweise sogar jenseits des schon davor verorteten Verfalls in der Zeit des Ghettos, ein wahres Judentum zu entdecken oder zumindest des- sen unveränderliche Grundlagen zu beschreiben. Auf diese Weise sollten kultu-  Siehe Jacques Ehrenfreund, Mémoire juive et nationalité allemande. Les juifs berlinois a la belle époque, Paris . Ders., Entre germanité et judaisme. Les représentations col- lectives du passé chez les Juifs berlinois au XIXe siècle, in: Delphine Bechtel et al. (eds.), Écriture de l’histoire et identité juive. L’Europe ashkénaze, XIXe-XXe siècle, Paris , S. -, Jacob Borut, Vereine für Jüdische Geschichte und Literatur at the End of the th Century, in: LBI YB  (), S. -. Nils Roemer, Provincializing the Past. Worms and the Making of a German-Jewish Cultural Heritage, in: Jewish Studies Quarterly  (), S. -. Hoffmann, Kracauer, , S. -; S. -. Gabriele von Glasenapp, Aus der Judengasse. Zur Entstehung und Ausprägung deutschsprachi- ger Ghettoliteratur im . Jahrhundert, Tübingen , z. B. S. .  So beispielsweise im Vorgriff auf später noch ausführlicher zu behandelnde Auseinan- dersetzungen, wobei die gesamte Periode von Isidor Kracauer, Geschichte der Juden in Frankfurt a. M. (-),  Bde., hier: Bd. , Frankfurt a. M. , S. ; wie folgt charakterisiert wurde: »Die damalige deutsche Judenheit glich wirklich, wie es am Ein- gang der Verbandsurkunde heißt, ›einem Volke ohne Hirten‹ und wollte es auch sein. Überall Mangel an Gemeinsinn und Solidaritätsgefühl, überall Pochen auf die eigene Selbständigkeit und Unabhängigkeit, überall Eifersüchteleien und Eigenbrödelei, nir- gends Opfersinn für die Gesamtheit.« Oder mit Bezug auf den Verlust eines demokra- tisch gedachten Gemeindebegriffs; ebd., S. ; mit Verweis auf die zünftischen Auf- stände gegen die patrizisch ganerbische Vorherrschaft in der Stadt während des Frankfurter Fettmilchaufstands: »Man hielt jetzt Einkehr im eigenen Haus [= bzgl. der internen Verhältnisse in der Gemeinde] und prüfte zum ersten Male die Gemeindever- 9

Description:
min Wolff. Wolffs umfassende Privilegien widersprachen der bisherigen von Verträgen sowie der als mündlich bezeichneten Vermögensklagen.
See more

The list of books you might like

Most books are stored in the elastic cloud where traffic is expensive. For this reason, we have a limit on daily download.