Analytische Berechnung, Finite Elemente Simulation und Inversion von Metalldetektorsignalen im Zeit- und Frequenzbereich. Untersuchungen zur Reduktion der Fehlalarmrate bei der Landminensuche. I n a u g u r a l – D i s s e r t a t i o n zur Erlangung des Doktorgrades der Mathematisch–Naturwissenschaftlichen Fakulta¨t der Universita¨t zu Ko¨ln vorgelegt von Jo¨rn Olaf Lo¨hken aus Ko¨ln Ko¨ln, 2007 Berichterstatter: Prof. Dr. B. Tezkan Prof. Dr. A. H¨ordt Tag der mu¨ndlichen Pru¨fung: 31.10.2007 Kurzzusammenfassung Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Signal von Metalldetektoren fu¨r den Spezial- fall der Landminensuche. Anhand von analytischen, numerischen und experimentellen Daten wird das Verhalten von Continuous Wave und Pulse Induction Detektoren untersucht und ein Auswertealgorithmus, der auf einer Inversion der Daten basiert, vorgestellt. Die analytischen Berechnungen zeigen das Verhalten des Signals u¨ber Kugeln und einzelnen Rotationsellipsoiden. Am Beispiel zweier Kugeln wird veranschaulicht, dass die Gegenindukti- on bei kleinen Abst¨anden der Metallobjekte zueinander eine nicht mehr zu vernachl¨assigende Rolle spielt. Fu¨r die Berechnung des Signals der Rotationsellipsoide werden Approximationen vorgestellt, die eine schnelle Berechnung erm¨oglichen. Weiterhin wird der Einfluss des Bodens auf das Signal diskutiert. Fu¨r dessen elektrische Leitf¨ahigkeit werden statische und frequenz- abh¨angige Modelle, wie sie bei einem IP-Effekt vorkommen k¨onnen, untersucht. Ein superparamagnetischer Boden liegt vor, wenn die magnetische Suszeptibilit¨at des Bo- dens von der Frequenz abh¨angt. Der daraus entstehende Effekt wird an Bodenproben erforscht undseinEinflussaufdasSignalimVergleichzuderAuswirkungeinerstatischenSuszeptibilit¨at vorgestellt. DienumerischenSimulationenwurdenmitderfinitenElementeMethodedurchgefu¨hrt.Die- se bietet die M¨oglichkeit beliebige Geometrien zu untersuchen. Es zeigt sich, dass das Geh¨ause einerMinebeidenCW-DetektoreneineRollespielt,jedochnachtr¨aglichberu¨cksichtigtwerden kann. Fu¨r die Simulationen der Mine mu¨ssen daher nur die Metallteile modelliert werden. Die Simulationen der Metallteile des Minensurrogats M3A veranschaulichen das komplexe Zusam- menwirken der einzelnen Komponenten. Je nach betrachteter Frequenz und abh¨angig von dem Signalteil, dominieren andere Komponenten der Mine das Signal. Vergleiche mit Simulationen von Rotationsellipsoiden belegen jedoch, dass ein einfacher K¨orper, wie ein Rotationsellipsoid, das gleiche Signal erzeugen kann. Fu¨r die Inversion der Signale wurde daher das Modell eines Rotationsellipsoiden in Luft gew¨ahlt. Um genaue Ergebnisse zu erzielen wurden die technischen Eigenschaften der beiden untersuchten Detektoren, dem F¨orster Minex 2FD 4.500 und dem Ebinger EBEX 421 GC, bei der Vorw¨artsrechnung so exakt wie m¨oglich beru¨cksichtigt. Die so erzielten Genauigkeiten bei derBestimmungderGr¨oße,FormundPositionderuntersuchtenMessungenu¨berverschiedenen Kugeln liegen im Millimeterbereich. Zudem kann anhand der erhaltenen elektromagnetischen Parameter die Metallart abgesch¨atzt werden. Die Untersuchungen von Messungen u¨ber Minensurrogaten zeigen, dass auch das Signal realer Minen durch ein Modell mit ein oder zwei charakteristischen Rotationsellipsoiden be- schrieben werden kann. Diese Tatsache erm¨oglicht eine Identifizierung der Mine und ihrer Tiefe. Darauf basierend wird ein Auswertealgorithmus vorgestellt und an Messdaten des Testfel- des in Ispra/Italein angewendet, der es erm¨oglicht Minen zu identifizieren und von anderen Metallobjekten zu unterscheiden. Ist das Objekt keine Mine, erweitert die Angabe der Form, der Gr¨oße, des Materials und der Position des Objektes durch die Inversion, die bisherigen Informationen u¨ber das geortete Objekt. Die fu¨r die Inversion notwendige Ortsreferenzierung iv der Daten wird durch ein selbst entwickeltes, mechanisches Positionierungssystem erreicht. Abstract Thisthesisdealswiththesignalofmetaldetectorsinthespecialcaseofsearchinglandmines. The properties of Continuous Wave (CW) and Pulse Induction (PI) detectors are investigated by means of analytical, numerical and experimental data and a data interpretation algorithm is introduced which is based on the inversion of the data. The analytical calculations show the characteristics of the signal above spheres and single spheroids. Two spheres are used to exemplify that the mutual inductance cannot be neglected, if distances between the metallic objects are small. Approximations for the calculation of the spheroid’s signal are introduced, which allow fast computation. Further the soil’s influence on thesignalisdiscussed.Theinfluenceofitselectricalconductivityisinvestigatedbyusingstatic and, due to an IP effect, frequency dependend mathematical models. A soil is called superparamagnetic if its susceptibility is frequency dependent. The resulting effect is examined by using soil samples and its impact on the signal, in comparison with the effect of static susceptibility, is presented. The numerical simulations were realized by the method of finite elements, since this method providesanopportunitytoexaminearbitrarygeometries.Itcanbeseenthatamine’senclosure is only relevant for CW detectors, yet it can be taken into account additionally. Therefore only the metallic parts have to be modelled for the simulation of the landmine. The simulations of the landmine surrogate M1A show the complex interaction of the single components. Yet comparisonswiththesignalofaspheroidshowthatthesamesignalcanbeproducedbysimple shaped bodies, like for example a spheroid. Hence, for the inversion of the signals the model of a spheroid in air was chosen. To get accurate results, the technical specifications of both used detectors, the F¨orster Minex 2FD 4.500 and the Ebinger EBEX 421 GC, were considered as exact as possible. The received accuracies of the inversion results when determining the size, shape and position of spheres andcylindersoutofthemeasureddata,lieintherangeofmillimeters.Additionallythematerial of the object can be estimated by the electromagnetic parameters of the resulting spheroid. Theexaminationofmeasurementsabovelandminesurrogatesshowsthattheirsignalscanbe described by a modell with one or two characteristical spheroids. This provides the possibility to identify a special landmine and to determine its depth. Basedontheabovementioned,adatainterpretationalgorithmispresented,whichisapplied to measuring data of the test field in Ispra/Italy. This algorithm allows for the identification of landmines and the distinction from other metallic objects. If the detected object is not a landmine, the results of the inversion enlarge the information about the detected object by giving its shape, size, material and position. The spatial referencing of the data, which is necessary for the inversion, was achieved by a self-developed mechanical positioning system. vi Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 1 1.1 Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.2 Stand der Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 1.3 Ziele dieser Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 1.4 Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 2 Analytische Berechnung von Metalldetektorsignalen 7 2.1 Metalldetektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 2.2 Grundlagen zur Berechnung elektromagnetischer Felder . . . . . . . . . . . . . 9 2.2.1 Randbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2.3 Analytische Berechnung des Signals fu¨r eine Kugel . . . . . . . . . . . . . . . . 12 2.3.1 Das Magnetfeld einer Spule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 2.3.2 Eine leitf¨ahige und magnetisch permeable Kugel in einem homogenen Magnetfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 2.4 Rotationsellipsoide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 2.5 Gegeninduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 2.6 Transformation in den Zeitbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2.6.1 Das Signal von Kugeln und Rotationsellipsoiden im Zeitbereich . . . . . 30 2.7 Der Einfluss des Bodens auf das Signal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 2.7.1 Ein magnetischer Dipol im Vollraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 2.7.2 Das Prim¨arfeld einer Spule im homogenen Halbraum . . . . . . . . . . . 35 2.7.3 Der Einfluss der elektrischen Leitf¨ahigkeit des Bodens auf das Signal eines geschichteten Halbraums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 2.7.3.1 Der IP-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2.7.4 Der Einfluss der magnetischen Permeabilit¨at des Bodens auf das Signal eines geschichteten Halbraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 2.7.4.1 Statische magnetische Permeabilit¨at . . . . . . . . . . . . . . . 45 2.7.4.2 Magnetisch viskose B¨oden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 2.7.5 O¨rtliche Variation der Bodeneigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 2.8 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 3 Finite Elemente Simulation von Metalldetektorsignalen 55 3.1 Die Finite Elemente Methode zur L¨osung der Maxwellschen Gleichungen . . . . 56 3.2 2D-Simulationen mit Rotationssymmetrie im Zeit- und Frequenzbereich . . . . 57 3.2.1 Gegeninduktion zweier Kugeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 3.2.2 Der Einfluss des Minengeh¨auses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 i ii INHALTSVERZEICHNIS 3.3 3D-Simulationen im Frequenzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 3.3.1 Vergleich der numerischen mit der analytischen L¨osung fu¨r eine Kugel . 64 3.3.1.1 Einfluss der Modellraumgr¨oße . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 3.3.1.2 Einfluss der Elementgr¨oße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 3.4 Modellierung einzelner Minen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 3.4.1 M3A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 3.4.2 M3B . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 3.5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 4 Inversion von Metalldetektordaten 83 4.1 Grundlagen der Inversion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 4.1.1 Inversionsstatistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 4.1.2 Inversion simulierter Daten im Zeit- und Frequenzbereich . . . . . . . . 88 4.1.2.1 Frequenzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 4.1.2.2 Zeitbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 4.2 Inversion von Labordaten im Frequenzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 4.2.1 Labormessungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 4.2.2 Aufbereitung der Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 4.2.3 Bestimmung der Detektoreigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 4.2.4 Kugeln in Luft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 4.2.5 Zylinder in Luft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 4.2.6 Minen in Luft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 4.2.6.1 M1A in Luft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 4.2.6.2 M3B in Luft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 4.2.6.3 M2B in Luft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 4.2.7 Objekte im Boden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 4.3 Inversion von Labordaten im Zeitbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 4.3.1 Labormessungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 4.3.2 Simulation der Labormessungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 4.3.3 Bestimmung der Detektoreigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 4.3.4 Kugeln in Luft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 4.3.5 Zylinder in Luft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 4.3.6 Minen in Luft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 4.3.6.1 M1A in Luft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 4.3.6.2 M2B in Luft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 4.3.6.3 M3B in Luft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 4.4 Inversion von Felddaten im Frequenzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 4.4.1 Das Messfeld in Ispra/Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 4.4.2 Automatisierung der Inversion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 4.4.2.1 Identifikation des Signals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 4.4.2.2 Reduktion der Datenmenge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 4.4.2.3 Analyse der Daten zur Erstellung eines Startmodells . . . . . . 156 4.4.2.4 Inversion der Daten und Bewertung des Inversionsergebnisses . 156 4.5 Realisierung im Feld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 4.6 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 INHALTSVERZEICHNIS iii 5 Schlussfolgerungen und Ausblick 167 5.1 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 Literaturverzeichnis 173 A Anhang zu Kapitel 2 179 A.1 Ringe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 A.2 Approximation von Rotationsellipsoiden durch ¨aquivalente magnetische Kugeln 180 A.3 Modellstudien zum IP-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 A.4 Untersuchung der magnetischen Viskosit¨at von Bodenproben . . . . . . . . . . 185 B Anhang zu Kapitel 3 190 B.1 Variation der Halbraumgr¨oße bei 3D-Simualtionen . . . . . . . . . . . . . . . . 190 B.2 Simulationen der M3A-Einzelteilkombinationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 C Anhang zu Kapitel 4 195 C.1 Labordaten des F¨orster Minex 2FD 4.500 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 C.2 Labordaten des Ebinger EBEX 421 GC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 C.2.1 Invertierte Daten mit Anpassung der Inversionen aus Kapitel 4.3 . . . . 233 C.3 Daten mit Pinpointing der Objekte der Messungen in Ispra . . . . . . . . . . . 254 Danksagung 265 iv INHALTSVERZEICHNIS
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