Ehrhard Behrends Analysis Band 2 Ehrhard Behrends Analysis Band 2 Ein Lernbuch IJ vleweg Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar. Prof. Dr. Ehrhard Behrends Fachbereich Mathematik und Informatik Freie Universität Berlin Arnimallee 2 -6 14195 Berlin E-Mail: [email protected] 1. Auflage April 2004 Alle Rechte vorbehalten © Friedr. Vieweg & Sohn VerlaglGWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2004 Der Vieweg Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.vieweg.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbe sondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. In diesem Buch sind eine Reihe von Bildern von Mathematikern enthalten. Autor und Verlag gehen davon aus, dass die Rechte frei verfügbar sind. UmschlaggestaItung: Ulrike Weigel, www.CorporateDesignGroup.de ISBN 978-3-528-03200-5 ISBN 978-3-322-91577-1 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-91577-1 Timm Rometzki Ehrhard Behrends Tina Scherer Jörg Beyer Vivian Rometzki Sonja Lange Martin Götze Vorwort In diesem zweiten Band der Analysis soll die Welt der Grenzwerte, Ablei tungen und Integrale weiter untersucht werden. Im Unterschied zum ersten Teil können wir uns nun ganz auf die analytischen Konzepte und Tatsachen kon zentrieren, denn die allgemeinen mathematischen Fragen (" Wie schreibt man einen Beweis auf?", "Was bedeuten die logischen Symbole?", ... ) wurden schon behandelt. Das Buch besteht aus weiteren vier Kapiteln. Am Ende sollten Sie alles kennen gelernt haben, was heute nach allgemeiner Überzeugung zu den grund legenden Ideen der Analysis gehört und in Vorlesungen höherer Semester vor ausgesetzt wird. In Kurzfassung geht es um die folgenden Themen: • Funktionenräume: Was bedeutet es, wenn eine Funktion eine andere ap proximiert? Welche Eigenschaften bleiben bei Approximationen erhalten? • JIn:t egration: Wie kann das (den meisten aus der Schule bekannte) Integral f (x) dx mathematisch streng definiert werden? Ausgehend von der Frage, wie man krummlinig begrenzte Flächen messen kann, wird die Integrationstheorie in Kapitel 6 systematisch entwickelt. In Kapitel 7 wird dann gezeigt, dass sich damit viele interessante Folgerungen ergeben. Auch für Fragen, die mit Flächenmessung nichts zu tun haben. • Mehrere Veränderliche: Wie modelliert man Situationen, in denen eine Größe von mehreren Eingangsgrößen abhängt? Wie kann man wieder mit Erfolg "im Kleinen" einfache lineare Approximationen verwenden? Neben den Standardthemen werden auch Fragen behandelt, die man in anderen Analysisbüchern nicht findet. Warum ist es zum Beispiel auch für die intelligen testen Mathematiker nicht möglich, gewisse Integrale geschlossen auszuwerten? Das Konzept von Band 1 ist beibehalten worden: Neue Begriffe werden ausführlich motiviert, vor komplizierten Beweisen wird die Struktur erläutert, und man findet im Text und nach jedem Kapitel zahlreiche Verständnisfragen, in denen auf die wichtigsten Punkte noch einmal eingegangen wird. Auch gab es wieder eine produktive Zusammenarbeit mit einer Gruppe von Studierenden, für die das erste Kennenlernen der Analysis noch nicht lange zurückliegt. Durch das Einarbeiten ihrer Erfahrungen sollten alle Anfänger schwierigkeiten berücksichtigt sein. Ehrhard Behrends, Berlin (Frühjahr 2004) Einleitung Im Laufe der Zeit hat sich herausgestellt, welche grundlegenden Tatsachen in fast allen Teilbereichen der Mathematik eine Rolle spielen, rund um unseren Globus sind die Anfängervorlesungen daher sehr ähnlich strukturiert. Insbeson dere gibt es Standards für die Analysis: Von allen Mathematikern dieser Welt wird die Kenntnis der wichtigsten Ideen rund um Limites, Differentiation und Integration vorausgesetzt. Auf die Themen, die in Band 1 noch nicht besprochen wurden, wird hier in vier Kapiteln eingegangen werden. Der Inhalt des vorlie genden zweiten Bandes der Analysis kann wie folgt zusammengefasst werden. Zunächst behandeln wir in Kapitel 5 noch einmal Funktionen. Diesmal geht es aber nicht darum, einzelne Funktionen zu definieren oder zu untersuchen. Es soll vielmehr präzisiert werden, was es bedeuten könnte, dass eine Funktionen folge gegen eine Funktion konvergiert. Es gibt dafür eine Reihe von sinnvollen Möglichkeiten, wir kümmern uns hauptsächlich um punktweise Konvergenz und gleichmäßige Konvergenz. In den Anwendungen wird dabei häufig die Frage wichtig, welche analytischen Eigenschaften dabei erhalten bleiben. Wir werden (unter anderem) beweisen, dass gleichmäßige Limites stetiger Funktionen wieder stetig sind. Gleichmäßige Konvergenz kann als Konvergenz in einem geeigneten normier ten Raum interpretiert werden, dabei ergibt sich im Fall stetiger Funktionen sogar ein vollständiger Raum. Da die Tragweite von Kompaktheitsschlüssen schon in Band 1 hinreichend deutlich geworden sein sollte, ist die Frage nahe liegend, wie man kompakte Teilmengen derartiger Funktionenräume charakte risieren kann. Das ist auf überraschend einfache Weise möglich: Der Satz von ARZELA-AscOLI besagt, dass die Charakterisierung beinahe genauso ist wie im endlich-dimensionalen Fall. Im letzten Abschnitt des Kapitels werden dann einige berühmte Resultate bewiesen, die sich auf vollständige metrische Räume beziehen: Der Banachsche Fixpunktsatz, der Cantorsche Durchschnittssatz und der Bairesche Kategorien satz. Diese Resultate in Kombination mit der Vollständigkeit der wichtigsten Funktionenräume lassen überraschende und tief liegende Folgerungen zu, einige werden dann auch in späteren Kapiteln bewiesen werden. Kapitel 6 ist der Integration gewidmet, sie wird hier aus dem Problem der Flächenmessung entwickelt. Naiv könnte man meinen, dass der Begriff "Fläche" intuitiv klar ist. Das Problem ist jedoch komplizierter, wir werden auf die Schwierigkeiten hinweisen und dann die Theorie des Riemann-Integrals syste matisch entwickeln. Im ersten Anlauf wird das Problem zwar theoretisch gelöst werden, es ist damit jedoch noch nicht möglich, für konkret gegebene Funktionen das Inte gral auch wirklich auszurechnen. Diese Schwierigkeit wird durch den Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung ausgeräumt, danach ist Integrieren so et was wie die Umkehrung des Differenzierens. Folglich können alle Ergebnisse zur Differentiation hier nutzbar gemacht werden. viii Einige führen zu sehr wirkungsvollen Verfahren, etwa zur partiellen Integra tion und zur Integration durch Substitution. In den nächsten Abschnitten von Kapitel 6 wird der Integralbegriff erweitert, auch werden Funktionen näher untersucht, die durch Integrale definiert sind. Das Kapitel schließt mit der Diskussion eines tief liegenden Ergebnisses, durch das die Grenzen unserer theoretischen Möglichkeiten beim Integrieren aufgezeigt werden. Es wird bewiesen werden, dass man für gewisse - sogar recht einfache - Funktionen auch mit den ausgefeiltesten Methoden keine Stammfunktion ex plizit angeben kann. Ein berühmtes Beispiel, das wir auch behandeln werden, ist die Funktion ex2• Integration war über das Problem eingeführt worden, gewisse Flächen zu messen. Tatsächlich macht diese Frage nur einen Bruchteil der Bereiche aus, in denen Integration eine wichtige Rolle spielt. Das soll in Kapitel 7 deutlich werden. Wir diskutieren eine Reihe von Fragestellungen aus verschiedenen Teil gebieten der Mathematik, bei denen Eigenschaften des Integrals eine Schlüssel rolle beim Auffinden der Lösung spielen. Wir behandeln Approximationen von beliebigen Funktionen durch solche mit speziellen Eigenschaften, eine weitere Formel für das Restglied in der Taylorformel sowie das Problem, die Länge von Kurven zu bestimmen. In späteren Abschnitten geht es um Zahlentheorie (unter anderem wird dort gezeigt, dass e transzendent und 1f irrational ist), um das Lösen von Differentialgleichungen mit Hilfe der Laplacetransformation und um grundlegende Existenzsätze für Lösungen von Differentialgleichungen. Im letzten Kapitel wird die Theorie der Funktionen in mehreren Veränder lichen behandelt. Solche Funktionen spielen immer dann eine Rolle, wenn eine Größe nicht nur von einem Parameter, sondern von mehreren Eingangsgrößen abhängt: Denken Sie etwa an die Wurfweite eines geworfenen Balles als Funk tion der Abwurfgeschwindigkeit und des Abwurfwinkels. Diese Theorie nutzt ganz wesentlich Methoden der Linearen Algebra aus. Das, was man darüber wissen muss, wird im ersten Abschnitt zusammengestellt. Wir behandeln die Hauptsätze der Theorie, am Ende des Kapitels kann man Extremwertaufgaben in mehreren Veränderlichen lösen (auch mit Nebenbedingungen), kann mit dem Satz von der inversen Abbildung die Ableitung inverser Funktionen berechnen und Funktionen untersuchen, die implizit definiert sind. Soweit der Inhalt in Kurzfassung. Unterschiede zu anderen Analysis-Büchern gibt es in den folgenden Punkten: • Das Buch ist in enger Zusammenarbeit mit Studierenden entstanden, die ihre Analysisausbildung noch in lebhafter Erinnerung haben. Folglich wur de besonderer Wert darauf gelegt, auf die Schwierigkeiten einzugehen, die üblicherweise beim ersten Kennenlernen auftreten. Deswegen gibt es auch sehr ausführliche Motivationen, und kompliziertere Beweise sind so aufge schrieben, dass die Struktur auch für Anfänger durchschaubar sein sollte . • Um das Verständnis und das Lernen im Zusammenhang mit späteren Prüfungsvorbereitungen zu erleichtern, sind für jedes Kapitel wieder Ver- ix ständnisfragen aufgenommen worden: Was sollte man wissen, was sollte man können? Wer die meistert, kann Vordiplom- und Zwischenprüfung gelassen entgegensehen. Als Unterstützung des Verstehens beim Durcharbeiten sind auch wieder eine Reihe von direkten Fragen an die Leser in den Text eingearbeitet. Sie sind durch ein,,?" am Rand markiert, die Antworten sind am Ende ? des Buches zusammengestellt. Es gibt auch Übungsaufgaben: Allen ist dringend ans Herz gelegt, sich mit ihnen auseinander zu setzen. Mit der Mathematik ist es nämlich wie beim Klavierspielen, Reiten und Skifahren: Man lernt es nicht durch das Lesen von Büchern, sondern durch die selbstständige Auseinandersetzung mit den auftretenden Problemen. • Die Antworten auf die Verständnisfragen und die Lösungen zu den Übungs aufgaben findet man auf der Internetseite http://www.math.fu-berlin.de/-behrends/analysis. Dort können Sie auch Fragen stellen (falls trotz aller Bemühungen etwas unklar geblieben sein sollte), Anregungen für die nächste Auflage geben usw. • fuhaltlich ist alles enthalten, was man von einem Analysisbuch erwar ten darf. Es gibt aber wesentlich mehr, Sie werden viele Informationen finden, die erst in späteren Semestern wichtig werden oder einfach nur in teressant sind: Feinheiten zur punktweisen Konvergenz, Existenzsätze für vollständige metrische Räume, Laplacetransformation, Ergebnisse aus der Zahlentheorie (u.a.: die Eulersche Zahl e ist transzendent), Englisch für Mathematiker, ... Um allen Lesern den Unterschied zwischen "Pflicht" und "Kür" deutlich zu machen, sind die Themen, deren genaues Studium man sich für später ° aufsparen kann, durch das Zeichen ,,0" markiert. An dieser Stelle möchte ich allen herzlich danken, die mich beim Schreiben der Analysis 1 und der Analysis 2 unterstützt haben. Ganz besonders gilt das für Jörg Beyer, Martin Götze, Sonja Lange, Timm und Vivian Rometzki und Tina Scherer. Sie haben die jeweils erste Fassung mit den Augen eines Studien anfängers gelesen. Dadurch konnten viele Erläuterungen und Übungsmöglich keiten zusätzlich aufgenommen werden, um die ersten Schritte zu erleichtern. Mein Dank geht auch an Dirk Werner: Er war immer ein geduldiger und kompetenter Ansprechpartner, ich denke auch gern an die Zusammenarbeit beim Schreiben des Beitrags "Englisch für Mathematiker" zurück. Ehrhard Behrends, Berlin (Frühjahr 2004) Inhaltsverzeichnis 5 Funktionenräume 1 5.1 Funktionenräume 2 Algebraische und Ordnungsstrukturen auf Funktionenräumen, Räume stetiger und differenzierbarer Funktionen. 5.2 Punktweise und gleichmäßige Konvergenz . . . . . . . . . . . .. 4 Punktweise und gleichmäßige Konvergenz, Beispiele, Eigenschaften, die im Limes erhalten bleiben, Satz von DINI, punktweise Konvergenz ist nicht metrisierbar", Topologie der punktweisen Konvergenz". 5.3 Der Raum CK ................... . 22 Supremumsnorm, CK ist vollständig, gleichgradige Stetigkeit, Satz von Arzela Ascoli. 5.4 Vollständigkeit: Folgerungen 37 Banachscher Fixpunktsatz, Cantorscher Durchschnittssatz" , Mengen erster und zweiter Kategorie", Bairescher Kategoriensatz" , "fast alle" stetigen Funktionen sind nirgendwo differenzierbar". 5.5 Verständnisfragen . 47 5.6 Übungsaufgaben 50 6 Integration 53 6.1 Definition des Integrals. 58 Integration als Problem der Flächenmessung, Treppenfunktionen und ihr Integral, Riemann-Integral, Eigenschaften des Riemann-Integrals, Mehrfach-Integrale. 6.2 Die Berechnung von Integralen . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 93 Hauptsatz der Differential-und Integralrechnung, partielle Integration, Integration durch Substitution, Integration durch Partialbruchzerlegung. 6.3 Erweiterungen der Integraldefinition . . . . . . . . ... 114 Das Integral für komplexwertige Funktionen, uneigentliche Integrale, Gamma Funktion" , Cauchyscher Hauptwert" . 6.4 Parameterabhängige Integrale . . . . . . . . . . . . ... 126 Partielle Ableitungen, Stetigkeit und Differenzierbarkeit parameterabhängiger In tegrale, Differentiation unter dem Integral, gebrochene Ableitungen". 6.5 LP-Normen".............................. 140 LI-Norm, Halbnormen, LP-Normen, Höldersche Ungleichung, Minkowskische Un gleichung.