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An einer neuen Entwicklungsschwelle im Flugzeugbau. Stand der Entwicklung der Raketen- und Lenktechnik PDF

82 Pages·1955·3.407 MB·German
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ARBEITSGEMEINSCHAFT FüR FORSCHUNG DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN 41. Sitzung am 7. Apri11954 in Düsseldorf ARBEITSGEMEINSCHAFT FüR FORSCHUNG DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN HEFT 41 Gustav-Viktor Lachmann An einer neuen Entwicklungsschwelle im Flugzeugbau A. Gerber Stand der Entwicklung der Raketen- und Lenktechnik SPRINGER FACHMEDIEN WIESBADEN GMBH ISBN 978-3-663-02993-9 ISBN 978-3-663-04181-8 (eBook) DOI 10.1007/978-3-663-04181-8 Copyright 1955 by Springer Fachmedien Wiesbaden Ursprünglich erschienen bei Westdeutscher Verlag· Köln und Opladen 1955 INHALT Direktor Dr.-Ing. Gusta'l)-Viktor Lachmann, London An einer neuen EntwicklungsschWielle im Flugzeugbau 7 Diskussionsbeiträge von Oberregierungsrat Dr. }. Pretsch, Direktor Dr. Ing. G. V. Lachmann, Prof. W. Blume, Prof. Dr. F. Seewald, Staatssekretär Prof. L. Brandt, Dr.-Ing. E. W. Pleines . 5 I Direktor Dr.-Ing. A. Gerber, Zürich-Oerlikon Stand der Entwicklung der Raketen- und Lenktechnik 57 Diskussionsbeiträge von Staatssekretär Prof. L. Brandt, Dr. Karl Steimel, Direktor Dr.-Ing. A. Gerber. 77 An einer neuen Entwicklungsschwelle im Flugzeugbau Direktor Dr.-Ing. Gustav-Viktor Lachmann, F. R. Ae. S.':- Als ich als junger Leutnant im Frühjahr 1917 fliegen lernte, da war ein bedeutender und origineller Mann Inspekteur der Fliegertruppe, der unver geßliche Oberstleutnant Siegert. Der preußische Offizier ist berühmt durch seine traditionellen Tugenden. Im Auslande hatte man oft ein Zerrbild von ihm gemacht. Es wurde ihm nachgesagt, er sei zu konservativ eingestellt, zu verwurzelt im Althergebrachten - es fehle ihm die biegsame Anpassung an neue Bedingungen und die schnelle Erfassung neuer technischer Möglichkeiten. Ich lasse es dahingestellt, ob dies stimmt. Auf Siegert traf es gewiß nicht zu, denn seine Originalität und Weitsichtigkeit waren sprichwörtlich. Ihm fehlte zweifellos nicht, was man gemeinhin mit "Vision" bezeichnet. Einer der berühmten Siegertschen Befehle endete mit den Worten: "Der moderne Flieger wird eine Kreuzung sein aus dem Zirkusdirektor Renz, dem Gelehrten Einstein und der tausendarmigen Göttin Kali." Er wollte durch die schlagwortähnliche Definition die Notwendigkeit sportlich-wagemutiger Einstellung, der technisch-wissenschaftlichen Durchdringung und der Viel seitigkeit betonen. Der "Zirkusdirektor" als symbolischer Arktyp ist mit Fokker aus dem modernen Flugzeugbau verschwunden. Ich möchte an seine Stelle - um im Siegertschen Stil zu verbleiben - den mittelalterlichen Seher Nostradamus hinzufügen; denn bei aller wissenschaftlichen Durchdringung und Vielseitigkeit ist dennoch eine Art wissenschaftlich geschultes und ge lenktes zweites Gesicht unentbehrlich. - Man nennt das in England "crystal gazing". Wie man es auch neilnen mag, es gehört zum Handwerk. I. W iss e n s c h a f t I ich e 0 r i e n ti e run g , Vielseitigkeit und Vision Es gibt wohl kaum einen anderen Zweig der modernen Technik, der so stark und vielseitig wissenschaftlich durchdrungen ist wie der Flugzeugbau. In ihm begegnen sich Aerodynamik - Gasdynamik - Thermodynamik - ':- Direktor der Forschung, Handley Page Ltd. London 8 Gustav -Viktor Lachmann allgemeine Mechanik - allgemeine Physik -- Elastizitätstheorie - Statik - Festigkeitslehre - Metallurgie - Elektronik und Hydraulik - und über allem angewandte und reine Mathematik. Die Anwendung theoretischer Methoden wächst ständig in gleichem Maße mit der zunehmenden Komplexität der Aufgaben. Die gewaltigen Kosten neuzeitlicher Baumuster zwingen dazu, Stabili täts- und aeroelastische Probleme (Flügelschwingungen) in weitgehendem Maße analytisch zu untersuchen, um gefährliche Bedingungen schon vor dem Probeflug zu erkennen und auszuschalten. Hier helfen dem Ingenieur die elektronischen Rechenmaschinen (digital und analogue computors), welche eine routinemäßige Lösung von verwik kelten Differentialgleichungen und sogar die Simulierung von Flugzustän den auf dem Versuchsstand ermöglichen. Durch die Einführung dieser mathematischen Hilfsmittel auf elektro nischer Grundlage hat sich das ganze Verhältnis des praktischen Ingenieurs zur Differentialgleichung geändert. Man könnte beinahe sagen: Beide sind sich wesentlich näher gekommen. In der guten alten Zeit, als es noch berittene Truppen gab, pflegte man scherzhaft zu sagen, daß ein kluges, älteres Schwadronspferd in der Lage war, kleinere Felddienstaufgaben selbständig zu lösen. Mit der gleichen scherzhaften übertreibung könnte man heute sagen, daß die elektronische Rechenmaschine bei entsprechender Instruktion größere Doktorarbeiten in Bruchteilen von Sekunden und Minuten bewältigt, für die geübte Rechner Wochen und Monate gebrauchen würden.- Den heutigen Flugzeugbau kennzeichnet einmal der steile Entwicklungs gradient, und damit im Zusammenhang die Notwendigkeit ständiger Neuorientierung und überholung technischer Ansichten - und andererseits die relativ lange Zeit (viereinhalb bis sechs Jahre), die die Fertigstellung eines modernen Großflugzeuges vom ersten Entwurf bis zur Fertigungs reife braucht. In der romantischen Epoche des Flugzeugbaus (Holzbau) war der Ent wicklungsgradient noch relativ flach, und die Entwicklungszeit eines neuen Baumusters relativ kurz. Heute ist es umgekehrt, und die Wahrscheinlichkeit ist daher größer, daß ein fertiges Baumuster veraltet ist, wenn es seine In kubationszeit vollendet hat. Was für die öffentlichkeit als "letzte" Entwicklungsform erscheint, be deutet für den Konstrukteur die Verwirklichung von Gedanken, technischen Ansichten und theoretischer Erkenntnis, die er vor fünf bis sieben Jahren An einer neuen Entwicklungsschwelle im Flugzeugbau 9 im Kopfe trug. Für ihn ist das "heute" Gewordene das "gestern" Erdachte; das "morgen" Werdende entsteht schon heute. Aus diesem Grunde betonte ich eingangs, daß der moderne Flugzeugkonstrukteur mehr denn je einer gewissen technischen Vision oder Intuition bedarf, um nicht von der Ent wicklung überholt zu werden. Diese Betrachtungen gelten nicht nur für den Konstrukteur, "der ein technischer Existentialist ist", dessen geistige Einstellung sich daran gewöhnt hat, daß sich Vergangenheit in der Gegenwart verwirklicht und dag die Zukunft durch die Gegenwart bestimmt wird. Sie sollten auch von dem Außenstehenden bei der Beurteilung "neu" herauskommender Formen be rücksichtigt wel'den. Das wirklich Neue besteht als Gedankenbild schon heute und nimmt Ge stalt an, um sich in fünf oder sechs Jahren zu enthüllen. Technische Propa ganda hat oft nur die Aufgabe, in der Vergangenheit gemachte überlegun gen und Entscheidungen zu rechtfertigen, obwohl im Laufe der Entwick lungsjahre bereits eine wesentliche technische Neuorientierung eingetreten ist. Diese intuitive Funktion des Konstrukteurs, bzw. der Gruppe, welche die Vorstudien für neue Entwürfe macht, muß natürlich so weitgehend wie möglich durch exakte Forschung gestützt und unterbaut werden. Der industriellen Forschung kommt heute eine viel größere Bedeutung zu als in früheren Jahren, als die sogenannte allgemeine Forschung geneigt war, auf die "ad hoc"-Methoden der Industrie herabzusehen. Die große zeitliche Spanne, die besteht zwischen der Konzeption des Ent wurfes und der Fertigstellung des Baumusters, bedingt, daß die industrielle Forschung der Arbeit des eigentlichen Konstruktionsbüros um einen weiten zeitlichen Vorsprung voraus sein muß, um den Entwurf vorzubereiten und die technischen Unterlagen zu entwickeln. Forschung, die in technisches Neuland vorstößt, ist mit einer Kavallerie patrouille vergleichbar; ganz vorne sind die Spitzenreiter, die sich vorfüh len, Verbindungsleute halten Fühlung mit der eigentlichen Streife, und da hinter folgt das Gros, welches den erforschten Geländegewinn konsolidiert. Dieser Vergleich scheint mir auch deshalb geeignet, als! er die Bedeutung des Individuums, des Spitzenreiters, hervorhebt. Die wirklich fortschritt lichen Gedanken werden in den Hirnen besonders Begabter oder Erleuch teter geboren, aber nicht im Gros. Das Gros kann erst in Kraft treten und sich breit entwickeln, wenn die Spitzen ihre Arbeit getan haben. Natürlich geht die Konsolidierung erforsch ter Gebiete schneller vor sich und kann wirkungsvoller geplant werden, 10 Gustav-Viktor Lachmann wenn das Gros genügend stark ist. Das Gros ist naturgemäß wesentlich größer in Amerika als in England, aber ich bin der Ansicht, daß die Spitzen in England besser sind. Dies liegt nicht nur an der verschiedenen Art der Ausbildung - größere Vielseitigkeit in England und Spezialisten züchtung in Amerika. Bei einem breiteren Gros entsteht von selbst die Not wendigkeit, die talentierteren Individuen in leitende und beaufsichtigende Stellungen abzuziehen, wodurch die produktive Leistungsfähigkeit des Gros geschwächt wird. Im Durchschnitt stehen in England 300-500 Konstruk teure, Aerodynamiker, Statiker und Versuchsingenieure zur Entwicklung eines neuen Baumusters zur Verfügung, während man in Amerika mit einem Vielfachen dieser Zahl rechnet. Der qualitative Unterschied zwischen industrieller und allgemeiner For schung ist nicht mehr so groß als früher. Beide arbeiten auf gleicher Ebene und im gleichen Kontinuum und zumeist in enger Zusammenarbeit. Angesichts des gesteigerten Tempos der Entwicklung kann die Industrie nicht bequem darauf warten, bis ihr die Forschungsanstalten Ergebnisse und Daten gebrauchsfertig liefern. Aus diesem Grunde braucht die moderne Flugzeugindustrie heute einen großen Stab wissenschaftlicher Hilfsarbeiter, Forschungsingenieure und Mathematiker von gleichem Kaliber wie ihre Kollegen in den Forschungs anstalten. Schwellen der Entwicklung Die Entwicklung des Flugzeugbaus während der vergangenen 50 Jahre ist, von Moden und "neuen Linien" abgesehen, gekennzeichnet durch einige wesentliche und richtungweisende Gedanken von grundsätzlicher Bedeu tung, die wir rückblickend heute als entscheidende Wegweiser erkennen und würdigen. In großen Zügen gesehen läßt sich die Entwicklung in folgende Stufen gliedern: Die romantische Epoche der Pioniere und begeisterten Amateure ging 1914 mit Ausbruch des ersten Weltkrieges zu Ende. Während der Kriegsjahre 1914-1918 erfolgte die ingenieursmäßige Durchdringung des Flugzeugbaus und der Aufbau einer wirklichen Flug zeugindustrie. Die Entwicklungsschwelle nach dem Ende des ersten Weltkrieges ist ge kennzeichnet durch die Namen Junkers, Dornier und Rohrbach und durch die richtungweisenden deutschen Arbeiten auf dem Gebiete des Metallbaues. An einer neuen Entwicklungsschwelle im Flugzeugbau 11 Abb. 1: Douglas D. C. 2 Junkers schuf den freitragenden Eindecker, insbesondere den Tiefdecker mit dickem Profil (F. 13 gefolgt von der Ju 52). Rohrbach erkannte die Bedeutung über die Flügelspannweite verteilter Lasten (Triebwerke) und er erkannte ebenfalls die Notwendigkeit höherer Flächenbelastungen für Groß flugzeuge, um das Anwachsen des Anteils des Leergewichts am Gesamt gewicht mit zunehmenden Längenabmessungen zu verzögern. Auf theoreti ~chem Gebiete war die wesentliche Erkenntnis die Theorie des induzierten Widerstandes, die wir Prandtl und der Göttinger Schule verdanken. Damit war eine rationelle Widerstandsaufteilung beim Entwurf ermöglicht. Die Jahre von 1918-1930 könnte man als die Emanzipationsperiode des freitragenden Eindeckers bezeichnen. England blieb bis Anfang der dreißiger Jahre das letzte Bollwerk der Doppeldecker-Bauart, schloß sich aber dann mit Beginn der Aufrüstung der neuen Richtung an, die hauptsächlich in Deutschland und den Vereinigten Staaten ihre Schrittmacher gefunden hatte. Die Jahre zwischen 1930 bis zum Ausbruch des zweiten Weltkrieges waren erfüllt mit aerodynamischen und konstruktiven Verfeinerungen, Entwick lung von Triebwerksverkleidung für luftgekühlte Motoren, Einführung der Verstellpropeller, des einziehbaren Fahrgestells und der Anwendung von Landeklappen und Spaltflügel, bedingt durch die Vergrößerung der Flächen belastung. Ein richtungweisendes Baumuster dieser Epoche ist die Dou glas DC 2 (Abb. 1). 12 Gustav-Viktor Lachmann Die Jahre des zweiten Weltkrieges brachten, besonders in Deutschland, eine ganze Reihe richtungweisender Gedanken. In dieser Beziehung nenne ich den Raketenantrieb und die Einführung der Gasturbine in Form des Strahltriebwerks und die Einführung des Pfeil flügels. Pfeilflügel und Strahltriebwerk führten die Fluggeschwindigkeit nahe an die Schallgeschwindigkeit heran und verlangten die Berücksichtigung von Verdichtungsstößen im aerodynamischen Entwurf. Richtungweisende Baumuster aus der Kriegszeit stammten von HeinkeL Messerschmitt, Lippisch und Junkers (Abb. 2). ~ + -9 =~!=------':l=~~=::;üP' ,. 'V='1I ~ ~ I • . ~ : n....M, 0 Abb. 2: Messerschmitt und Lippisch Die Entwicklung seit 1945 in den Vereinigten Staaten und in England war entscheidend beeinflußt von deutschen Pionierarbeiten und Gedanken richtungen. Wir stehen heute, d. h. seit ungefähr 1953, an der transonischen Schwelle, welche den Flugbereich in ,das Unterschall- und Uberschallgebiet teilt (Abb.3).

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