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Alma Mater PDF

312 Pages·2011·0.93 MB·German
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Rita Mae Brown Alma Mater ISBN: 3 550.083.688 Original: ALMA MATER Ins Deutsche übertragen von Margarete Längsfeld Verlag: Ullstein Erscheinungsjahr: 2. Auflage 2002 Dieser Roman ist den bösen Mädchen gewidmet; denn gute Mädchen kommen in den Himmel böse überall hin Sex macht uns alle zu Affen. Wer sich ihm nicht hingibt, endet als kaltes gefühlloses Biest. Wer sich ihm hingibt, hat den Rest seines Lebens damit zu tun, die Scherben zusammenzukehren. 1 Würde man weise werden, indem man Bücher mit sich rumschleppt, dann wär ich die größte Leuchte weit und breit«, dachte Vic, als sie an einem heißen Sommertag die letzte Ladung die drei Treppen hochhievte. Schweiß rann zwischen ihren Brüsten. Licht strömte in die Zimmer, deren Fenster hoffnungsvoll geöffnet waren, um jedes Lüftchen einzulassen. Der alte Küchentisch wankte leicht, als sie die schwere Kiste darauf ablud. »Verdammt!«, schimpfte draußen eine Stimme. Vic trat ans Küchenfenster, das auf einen gepflegten Hof hinausging. Ein schmaler Bach begrenzte die eine Seite des Geländes, eine dichte Reihe von Kiefern schirmte den Nachbarhof vor Blicken ab. Vic lehnte sich aus dem Fenster und lauschte auf die Kampf-und Wutlaute. Sie trabte die Treppe hinunter, sprang über den Bach und durchquerte die Kiefernreihe. Eine junge Frau, etwa ein Meter fünfundsechzig groß, blond, stand mit dem Rücken zu Vic und fluchte, was das Zeug hielt, während sie sich abmühte, eine alte Kommode von der Ladefläche eines ebenso alten Mercedes- Kombi zu zerren. »Brauchst du Hilfe?« Vics tiefe Altstimme ließ die Frau erschrocken herumfahren. »Gott, du hast mich zu Tode erschreckt!« Dem Tonfall nach stammte sie aus Pennsylvania. »Entschuldigung.« Vic lächelte. »Ich bin deine Nachbarin. Vic Savedge. Komm, wir laden die Kommode ab, dann können wir sie zusammen rauftragen.« »Ich bin Chris Carter.« Sie streckte die Hand aus. Beide lächelten und gaben sich die Hand. Dann zog Vic die Kommode mit einem einzigen Ruck herunter. »Wie hast du das geschafft?« »Mit Geduld. Du hast deine verloren«, erwiderte Vic scharfsinnig. »Scheint so.« Dann fügte sie neckisch hinzu: »Hat dir schon mal jemand gesagt, daß du groß und stark bist?« »Täglich. Und es bringt keinem was.« Vic lachte. »Aber bei dir mach ich ’ne Ausnahme, weil ich ja das Jahr über neben dir wohnen muß, und trag dir das Ding rauf.« Chris mühte sich ab, die Kommode an einer Seite anzuheben. »Ein sperriges Monstrum.« Sie blinzelte, damit ihr der Schweiß nicht in die Augen lief. »Stell’s ab«, befahl Vic. »Warum?« »Stell’s einfach ab«, wiederholte Vic. »Du gehst voran und hältst mir die Türen auf.« »Du willst sie doch nicht etwa alleine raufschleppen?« »Das ist leichter, als dich und das Möbel zu manövrieren.« Vic hievte sich die Kommode aus Vogelaugen-Ahorn auf den Rücken, beugte sich nach vorn und stieg die Hintertreppe von Haus Olsen hoch. Chris’ Apartment lag im obersten Stockwerk; Vics Apartment lag im obersten Stockwerk von Haus DeReuter. Oben am letzten Treppenabsatz setzte sie ihre Last erleichtert ab, atmete tief durch, hob sie dann wieder auf und steuerte auf das Schlafzimmer zu. Chris ging voraus und entschuldigte sich bei jedem Schritt. Vic stellte die Kommode an die Wand. »So.« »Danke. Echt, ich kann dir nicht genug danken.« »Eine Cola wär nicht schlecht.« Vic wischte sich die Stirn ab, dabei spritzten Schweißtropfen von ihren Fingerspitzen. Chris’ Küche war mit neueren Gerätschaften ausgestattet als Vics. Sie machte den Kühlschrank auf, holte eine Dose Coke heraus, nahm ein mit tanzenden Eisbären verziertes Glas, warf Eiswürfel hinein und goß die Cola darüber. Dann wiederholte sie die Prozedur für sich. »Mit Eis schmeckt’s besser.« Vic stürzte ihre Cola hinunter. »Stimmt.« »Hier, du kannst noch eine vertragen.« Chris riß noch eine Dose auf und goß den Inhalt in Vics Glas. Ihre Augen trafen sich eine Sekunde lang. Vic hatte grüne Augen, ein dunkles, aufregendes Grün. Im Kontrast zu den schwarzen Haaren hatten ihre Augen beinahe etwas Hypnotisches. »Du hast unglaubliche Augen.« Vic lachte. »Das liegt in der Familie. Genau wie die Größe – meine Mutter ist auch einsfünfundachtzig.« Dann musterte sie Chris. »Hm, du hast braune Augen und blonde Haare und bist zierlich. Bestimmt sagen dir alle, daß du hübsch bist, daß es eine schöne Kombination ist. Hörst du darauf?« »Nie. Du?« »Nein, ich will nicht für mein Aussehen bekannt sein, sondern für das, was ich tue.« »Wären wir beide potthäßlich, würden wir wohl anders denken.« Sie lachten, dann sagte Vic: »In welchem Jahr bist du?« »Im vorletzten. Ich bin von der Vermonter Uni übergewechselt. Die Uni ist gut, aber ich wußte nicht, wie sehr ich die Kälte hasse, bis ich in Vermont gelandet bin. Da fängt der Herbst im August an. Ich glaube, dazu muß man geboren sein, was meinst du?« »Keine Ahnung. Ich war nie in Vermont. Das Nördlichste, wo ich war, war mal in Cornell, aber das war im Sommer.« »Genau dasselbe. Auch da fängt der Herbst im August an.« Sie trank ihr Glas leer. »Bist du schon eingezogen?« »Ja«, sagte Vic froh. »Ich hatte gerade die letzte Bücherkiste auf den Tisch gestellt, als ich dich gehört habe.« »War ich so laut?« Chris fuhr sich mit der Hand an den Mund, eine unvermutet feminine Geste. »Äh-hm.« »Es hätte schlimmer sein können. Ich hätte ›fuck, verflucht‹ brüllen können.« Vic lachte wieder. »Dann wär entweder jedes alte Klatschweib auf der Straße tot umgefallen, oder die Männer wären angerannt gekommen in der Hoffnung, daß du’s ernst meinst.« Chris zog die Nase kraus. »Beides keine verlockenden Aussichten.« Sie nahm Vic das Glas aus der Hand. »In welchem Jahr bist du?« »Im letzten.« »Du hast’s gut.« »Mehr oder weniger. Erst muß ich’s ja noch hinter mich bringen. Man soll den Tag nicht vor dem Abend und so weiter.« Sie trat ans Spülbecken, als Chris die zwei Gläser abwusch. »Kennst du jemanden am William and Mary College?« »Eigentlich nicht. Ich hab mich in das College verliebt und dachte, ich werd schon Freunde finden.« »Du hast Glück. Ich hab großartige Freunde. Wenn du richtig nett zu mir bist, darfst du sie kennen lernen.« »Ich kann verdammt nett sein«, erwiderte Chris. 2 »So ist sie rumgelaufen, deine kleine Schwester, ihre Taille schwabbelte widerlich weiß, eine Caprihose – jawohl, Caprihose – schlabberte über Pantoletten mit Keilabsätzen, die Carmen Miranda auf dem Weg nach Brasilien weggeschmissen haben muß. Ich kann mit ihr nirgends hingehen.« R. J. Savedge, Vics Mutter, zündete eine filterlose Lucky Strike an und drückte sie gleich wieder aus. »Ich gewöhn mir die gottverdammten Dinger ab.« Dem folgte ein wehmütiges »Aber wie?«, worauf sie prompt eine neue anzündete. »Mutter, die sind zu teuer, um sie einfach so auszudrücken.« R. J. warf ihr einen kurzen Blick zu, dann wurde sie sanfter. »Natürlich, du hast ja Recht. Schrecklich, aber ich hab einfach nicht die Willenskraft. Sie schmecken sooo gut.« Niemanden ließ die sinnbetörende Schönheit Vics oder ihrer Mutter kalt, zweier Ebenbilder, zwanzig Jahre auseinander. Der Unterschied war, daß Vic noch an ihrem Stil arbeitete, wogegen R. J. ihren vervollkommnet hatte. R. J.s vollständiger Name lautete Rachel Jolleyn Vance. Vance, ihren Mädchennamen, hatte sie Vic, Victoria Vance Savedge, als zweiten Vornamen vermacht. Die Savedge-Frauen konnten einen die Zehn Gebote oder die Tatsache, daß die Gattin vielleicht mit einem 38-Kaliber-Schießeisen anrücken würde, glatt vergessen lassen. »Mutter, warum kaufst du Mignon nicht was zum Anziehen?« »Deine kleine Schwester ist noch im Verpuppungsstadium. Ich verschwende kein Geld für eine fette Raupe, die, wie ich inständig hoffe – nein, bete –, als Schmetterling rauskriechen wird. Gott, hoffentlich schlägt sie nicht nach der Catlett-Seite der Familie.« Sie stieß eine reiherblaue Rauchwolke aus. »In dem Fall bleibt sie eine fette Raupe.« »Mom!« Vic lachte. »Ist doch wahr. Guck dir deine Tante Bunny an.« R. J.s Schwester war zwei Jahre jünger und fünfzehn Pfund schwerer als sie, sah aber keineswegs übel aus. »Zu viele Kartoffelchips.« »Ersatzbefriedigung.« »Ich dachte, du hältst nichts von Psychologie.« »Tu ich auch nicht, aber ich greife zu allem, um meinen Standpunkt klar zu machen«, sagte R. J. »Don bereitet ihr zu viel Kummer.« Don war Bunnys Mann, der seine Blicke gern zu anderen Frauen wandern ließ. Der Rest von ihm wanderte gleich mit. »Wenn ich mit Mignon gehe, kauft sie sich vielleicht was zum Anziehen.« R. J.s Zigarette glühte mitten in der Luft orangerot. »Wir haben kein Geld, Liebes. Dein Vater hat mal wieder alles verspekuliert.« »Oh, Mom. Das tut mir Leid.« »Mir auch.« R. J. lächelte verkniffen. »Gott sei Dank verdienst du dir dein Geld selbst. Und du wirst eine glänzende Partie machen.« Sie beugte sich über den Tisch. »Charly Harrison.« »Mutter.« Vic konnte es nicht ausstehen, wenn man sie drängte, wenngleich sie (wie alle anderen auch) damit rechnete, daß Charly ihr einen Heiratsantrag machen würde, ehe sie ihr letztes College-Jahr hinter sich hatte. Und es wäre wirklich eine glänzende Partie. Die Harrisons aus Charles City, Virginia, hatten einen Präsidenten der Vereinigten Staaten hervorgebracht, und sie hatten Geld wie Heu. Das Geld der Harrisons übte auf J.R. weit mehr Anziehungskraft aus als ihr Stammbaum. Ihre eigene Herkunft war nicht minder beeindruckend – nur ohne Präsidenten. In Virginia geboren und aufgewachsen, kannte R. J. die Bedeutung von Abstammungen und war bis zu einem gewissen Grad der Meinung, daß die Zeugung von Menschen sich keinesfalls von der Pferdezucht unterschied. Man paare die Besten mit den Besten und hoffe das Beste. Aber Geld spielte eine viel größere Rolle, als die alteingesessenen Familien Virginias wahrhaben wollten. Eins mußte man den Yankees lassen, sie waren vollkommen aufrichtig in ihrem Streben nach Wohlstand. Und diesen Mangel an Zurückhaltung konnte ihnen natürlich kein Virginier verzeihen. »O ja, ich wünsche dir Glück, ein reiches, erfülltes Leben. Und Mignon auch. Eine gute Heirat ist ein Schritt in die richtige Richtung.« »Du hast einen solchen Schritt nicht getan«, hielt Vic ihrer Mutter unverblümt vor. »Nein. Ich habe aus Liebe geheiratet, und du siehst, wohin mich das geführt hat.« Sie lächelte verhalten. »Und ich liebe deinen Vater immer noch. Er spielt. Oh, er tut’s an der Börse, das macht es irgendwie annehmbar, aber ich sehe da keinen Unterschied zu den Jungs draußen in Goswells, die auf Hähne wetten. Hahnenkämpfe versprechen wenigstens mehr Spannung als kleine graue Zahlen.« »Ich hab etwas Geld auf die Seite gelegt. Ich könnte Mignon was zum Anziehen kaufen.« »Vic, du bist ein Schatz, aber tu das nicht. Sie muß erst mal den Babyspeck loswerden. Es macht mir nichts aus, wenn ich sie in Großmama Catletts alte Hauskleider stecken muß, bis sie die Pfunde los ist. Das sollte ihr ein Ansporn sein. In der Zwischenzeit verplempere ich die spärlichen Mittel, die ich zur Verfügung habe, für Zigaretten und Rosen. Mein Garten hat noch nie so prächtig ausgesehen wie dieses Jahr.« Ihr Gespräch wurde von Schritten auf der Treppe unterbrochen. Vic stand auf und öffnete die Tür, noch bevor der Gast Zeit hatte anzuklopfen. »Komm rein.« »Verzeihung. Ich wußte nicht, daß du Besuch hast.« Chris trat einen Schritt zurück. »Meine hochverehrte Mutter. Nur hereinspaziert. Mutter liebt Publikum. Du bist ein neues Ohr für ihre vielen Geschichten.« Chris trat über die Schwelle. Sie bemerkte, wie kahl Vics Apartment war. Ein Küchentisch, vier Stühle und eine eingebaute Anrichte. Das war alles, was sie sah. »Mutter, das ist Chris Carter. Chris, meine Mutter, R. J. Savedge, die schönste Frau im Süden von Virginia.«

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