Enzyklopädie der Rechts- und Staatswissenschaft Begründet von F. von Liszt und W. Kaskel Herausgegeben von H. Albach, E. Helmstädter, H. Honsell, P. Lerche und D. Nörr Abteilung Rechtswissenschaft Werner Flume Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts Zweiter Band Das Rechtsgeschäft Vierte, unveränderte Auflage Springer-Verlag Berlin Heidelberg GmbH Professor Dr. WERNER FLUME Freier Weg 17,5300 Bonn-Bad Godesberg ISBN 978-3-642-63472-7 CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Hume, Werner: Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechts/ Werner Flume. - Berlin; Heidelberg; New York; London; Paris; Tokyo; Hong Kong; Barcelona; Budapest: Springer. (Enzyklopädie der Rechts- und Staatswissenschaft: Abteilung Rechtswissenschaft) Flume, Werner: Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechts. Bd. 2. Das Rechtsgeschäft. - 4. unveränd. Aufl. -1992 ISBN 978-3-642-63472-7 ISBN 978-3-642-58112-0 (eBook) DOI 10.1007/978-3-642-58112-0 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1965, 1975, 1979 und 1992 Ursprünglich erschienen bei Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York 1992 Softcover reprint of the hardcover 4th edition 1992 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Buch berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daß solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. SPIN 10680682 64/3020 5 4 3 2 Gedruckt auf säurefreiem Papier Vorwort zur vierten, unverandertenAuflage Die bisherigen Neuauflagen kamen bereits mit verhliltnismliBig wenigen Ande rungen aus, wennauchdie neueGesetzgebungund wesentlicheRechtsprechungund Literatur berucksichtigt wurden. Seitder dritten Auflage hat sich zu der Lehre vom Rechtsgeschliftin Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur nichts ergeben, was eine Neubearbeitung erfordem wiirde. Das Gesetz zur Reform des Rechts der Vormundschaft und Pflegschaft fUr Volljlihrige vom 12. September 1990 ist unge achtet der Aufhebung von §104BGBNr. 3und §§ 114, 115BGB imFamilienrecht zu behandeln. Die Resonanz, welche dem Buch in den bisherigen Auflagen zuteil gewordenist, hatdenVerlagundrnich zueinerunverlindertenAuflagebewogen. Sie seidercupidalegumiuventusgewidmet. Bonn,imJanuar 1992 WERNERFLUME Vorwort zur dritten Auflage Die Erganzungen der dritten Auflage sind vornehmlich darauf gerichtet, den Knderungen der Gesetzgebung und Rechtsprechung Rechnung zu tragen. Hinsichtlich der Gesetzgebung handelt es sich vor allem urn das Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschaftsbedingungen und die Knde rungen des Familienrechts. Die Literaturzitate sind erganzt und betreffs der Lehrbucher nach den neueren Auflagen korrigiert. Die eigene Ansicht ist zu manchen Fragen praziser formuliert, Knderungen sind besonders hervor gehoben. Der UmbIuch der zweiten Auflage ist so gut wie vollstandig bei behalten. Daraus ergab sich die Notwendigkeit, Erganzungen durch Kurzun gen auszugleichen. Herrn Dr. Jan Wilhelm habe ich fur vielfaltige Unterstut zung bei den Korrekturen zu danken. Bonn, im Januar 1979 WERNER FLUME Vorwort zur ersten Auflage Es ist in den Darstellungen des AllgemeinenTeils des BurgerlichenRechts ublich, die Lehre yom Rechtsgeschaft der Lehre von den juristischen Tat sachen einzuordnen und das Rechtsgeschaft als Tatbestand fur die Entste hung, den Untergang und die Veranderung der subjektiven Rechte zu wer ten. Das Rechtsgeschaft wird dabei als Handlung verstanden und neben die anderen Handlungen gestellt, die ebenfalls unter dem Gesichtspunkt des subjektiven Rechts behandelt werden.Das Essentiale des Rechtsgeschafts,daB es sich bei ihm handelt um die schopferische Gestaltung eines Rechtsverhalt nisses kraft Selbstbestimmung, kommt in diesen Einordnungen jedoch nicht zur Geltung. Die Verselbstandigung der Lehre yom Rechtsgeschaft mag dazu dienen, die Eigenart und Eigenstandigkeit der Lehre von der Privatauto nomie klarer hervortreten zu lassen. Die Bedeutung der Lehre vomRechts geschaft als des Kernstucks des Allgemeinen Teils des Burgerlichen Rechts rechtfertigt es zugleich, von der Bearbeitung des Allgemeinen Teils zunachst die Lehre yom Rechtsgeschaftvorzulegen. Die Lehre yom Rechtsgeschaft, wie sie in diesem Buche behandelt wird, hat zum Inhalt die systematische Darstellung der Grundregeln der Privat autonomie nach geltendem Recht. So eindringlich auch Einzelfragen nach gegangen wird und obwohl mancher Leser vielleicht meinen wird, einer An zahl von Monographien gegenuberzustehen, enthalt das Buch doch nur Variationen uber das eine groBe Thema der Privatautonomie, und die Be handlung aller Einzelfragen ist auf dieses Thema ausgerichtet. Die Lehre yom Rechtsgeschaft ist das Ergebnis einer geschichtlichen Ent wicklung, und zwar insbesondere das Ergebnis der Entwicklung der letzten 200 Jahre. Ais Ergebnis der geschichtlichen Entwicklung und in Fortsetzung derselben wird die Lehre in diesem Buche behandelt. Damit steht das Buch im Gegensatz zu einer verbreiteten Meinung. Das Selbstverstandnis von Rechtslehre und Rechtspraxis ist heute, wenn man den literarischen AuBe rungen folgt, weithin derart, daB man sich in Antithese zur Vergangenheit sieht. Die Vergangenheit wird dabei unter dem Stichwort des Positivismus begriffen. Fur die Gegenwart behauptet man, daB sie im Gegensatz zu dem vergangenen Positivismus, dem wissenschaftlichen und dem Gesetzespositi vismus, wieder unmittelbar zum Rechtsgedanken sei. So miBtraut man denn VII Vorwort zurerstenAuflage auch der iiberkommenen Rechtsgeschaftslehre als einer solchen des Positivis mus und fordert stattihrereinen Neubau. Das vorliegende Buch versucht keinen "Neubau" der Lehre yom Rechts geschaft, sondern beschrankt sich darauf, die iiberkommene Lehre kritisch zu iiberpriifen und nachKraften weiterzufiihren.Es handeltsich insofern urn eineArbeit der geschichtlichenRechtswissenschaft. Sie legt, urn in denWorten Savignys aus der Vorrede zu seinem System des heutigen Ramischen Rechts zu sprechen, "darauf das hachste Gewicht, daB der lebendige Zusammen hang erkannt werde, welcher die Gegenwart an die Vergangenheit knupft, und ohne dessen Kenntnis wir von dem Rechtszustand der Gegenwart nur die auBere Erscheinung wahrnehmen, nicht das innereWesen begreifen". Der standige Umgang mit den Juristen des 19.Jahrhunderts und insbe sondere den Verfassern des BGB mage den Leser des Buches allgemein dazu fiihren, diese Jurisprudenz als seine Tradition zu verstehen und zu respek tieren. Diese Jurisprudenz ist ebenso unmittelbar zum Rechtsgedanken wie unsere Zeit. Sehr zu Unrecht meinen manche, daB die Gegenwart jene Jurisprudenz an Rechtsgesinnung iibertrafe. Die iiberlieferte Lehre yom Rechtsgeschaft ist das Zeugnis einer hohen Rechtskultur. Indem wir sie so verstehen, soliten wir an der Lehre weiter arbeiten. Fraulein Referendarin Brigitte Keuk und Herrn Assessor Dr. Jakobs habe ich fur vielfaltige Unterstiitzung bei den Korrekturen zu danken. FrauleinKeuk danke ich ferner fiir die Anfertigungdes Sachregisters. Bonn, im Dezember 1964 WERNER FLUME VIII Inhalt KapitelI: Das Wesen der Willenserklarung und des Rechtsgeschafts § 1 Die Privatautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . 1 § 2 Die Begriffe »Rechtsgeschaft" und »WillenserkHirung" . . . . . 23 § 3 Das Rechtsgeschaft als Begriff des, Privatrechts und das offentliche Recht . . . . . . . ., ... . ..... 34 § 4 Wille und Willenserklarung . . . . . . . . . . . . . 4S § S Der Akt der Willenserklarung . . . . . . . . . . . . 62 § 6 Die Willenserklarung als Regelung . . . . . . . . 78 § 7 Das Rechtsgeschaft und die nicht rechtsgeschaftliche Vereinbarung 81 § 8 Die Lehre von den faktischen Vertragsverhaltnissen . . 95 § 9 Die Rechtshandlung. . . . . . . . . . . . . 104 §10 Das Rechtsgeschaft und das rechtlich relevante Verhalten 113 KapitelII: Arten der Rechtsgeschafte §11 Einzelne Arten der Rechtsgeschafte. . 134 §12 Kausale und abstrakte Rechtsgeschafte . 152 KapiteI III: Die Vornahme des Rechtsgeschafts §13 Die Geschaftsfahigkeit . . . . . 182 §14 Abgabe und Zugang der Willenserklarung 222 §15 Das formbediirftige Rechtsgeschaft 244 KapitelIV §16 Die Auslegung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 KapitelV: UnzuHissige Rechtsgeschafte §17 Verbotswidrige Rechtsgeschafte . 340 §18 Das sittenwidrige Rechtsgeschaft . 363 KapitelVI: Die Lehre von den Willensmangeln 1.Abschnitt '. §19 Grundsatzliches zur Lehre von den Willensmangeln . . . . . . 398 2.Abschnitt §20 Der geheime Vorbehalt, das Scheingeschaft und die Scherzerklarung 402 3.Abschnitt: Der Irrtum §21 Grundziige der Irrtumsregelung des BGB. . . . . . .. 415 §22 Die geschichtlichen Grundlagen der Irrtumsregelung des BGB . 435 §23 Der Erklarungsirrtum . . . . . . . . . . . . .. 449 §24 Der Eigenschaftsirrtum. . . . . . . . . . . . .. 472 §25 Der Motivirrtum . . . . . . . . . . . . . . .. . 491 §26 Der sogenannte Grundlagenirrtum und die Lehre von der Geschafts- grundlage .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494 IX Inhalt 4.Abschnitt: Drohung und arglistige Tauschung §27 Grundsatzliches zu den Tatbestanden der Drohung und arglistigen Tauschung . . . . . 528 §28 Die Drohung . . . . . . . . 534 §29 Die arglistige Tauschung . . . . 541 KapitelVII: Nichtigkeit und Anfechtbarkeit §30 Die Nichtigkeit des Rechtsgeschafts . 547 §31 Die Anfechtbarkeit . . . . 557 §32 Teilnichtigkeit und Konversion . . 570 KapitelVIII: Der Vertrag §33 Der Vertrag in der Ordnung unseres Biirgerlichen Rechts 599 §34 Konsens und Dissens. . . . . . . . . . 618 §35 Der VertragsschluB durch Angebot und Annahme . 635 §36 Der VertragsschluB durch kaufmannisches Bestatigungsschreiben . 661 §37 Der Vertrag mit allgemeinen Geschaftsbedingungen . . . . . 668 KapitelIX: Bedingung und Zeitbestimmung §38 Begriff und Arten der Bedingung und die Einordnung der Rechts figur der Bedingung in die Lehre yom Rechtsgeschaft. . . . . . 677 §39 Die Rechtsfolgen des bedingten Rechtsgeschafts vor Eintritt der Be- dingung . . . . . . . . . . . . . . . . 70C) §40 Eintritt und Ausfall der Bedingung . . . . . . 715 §41 Die Befristung. . . . . . . . . . . . . . 729 §42 Die Rechtsstellung des Vorbehaltskaufers beim Kauf unter Eigen tumsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . 731 KapitelX: Stellvertretung und Vollmacht 1.Abschnitt: Die Stellvertretung §43 Grundsatzliches zur Rechtsfigur cler Stellvertretung 749 §44 Das Handeln in fremdem Namen . . . . 763 §45 Die Vertretungsmacht . 780 §46 Vertretergeschaft,Vertreter und Vertretener 793 §47 Vertretung ohne Vertretungsmacht . . .. . 798 §48 Das Insichgeschaft, Selbstkontrahieren uncl Mehrvertretung 809 2.Abschnitt: Die Vollmacht §49 Die Vollmachtserteilung . . . . . .. .... 822 §50 Die Vollmacht und das ihr zugrunde liegende Rechtsverhaltnis 839 §51 Das Erloschen der Vollmacht. . . . . . . 845 §52 Die Bevollmachtigung uncl das Vertretergeschaft 859 §53 Die unwiderrufliche Vollmacht . . . . . . 876 KapitelXI: Die Zustimmung §54 Die Rechtsfigur cler Zustimmung im Sinne der §§182ff. 885 §55 Die Einwilligung. . . . . . . . . . 896 §56 Die Genehmigung. . . . . . . . . . . . . . 898 §57 Die zustimmungsbediirftige Verfiigung 901 §58 Die Heilung (Konvaleszenz) der Verfiigung des Nichtberechtigten clurch nachtraglichen Rechtserwerb 915 Inhaltsiibersicht. . 918 Sachregister . . . 933 Entscheidungsregister 972 X Kapitel I Das Wesen der WillenserkHirung und des Rechtsgeschafts* §1 Die Privatautonomie 1. DiePrivatautonomie alsPrinzipunsererRechtsordnung Privatautonomie nennt mandasPrinzipderSelbstgestaltungderRechts verhaltnisse durch den einzelnen nach seinem Willen. Die PrivatautoJ;1omie ist ein Teil des allgemeinen Prinzips der Selbstbestimmung des Men~chen. Dieses Prinzip ist nach dem Grundgesetz als ein der Rechtsordnung vor gegebener und in ihr zu verwirklichender Wert durch die Grundrechte anerkannt1. In den einzelnen Rechtsordnungen wird das Prinzip der Privatauto nomie in verschiedenemUmfange verwirklicht. Auch in der geschichtlichen Entwieklung jeder Rechtsordnung hat der Grundsatz der Privatautol1omie eine unterschiedliche Geltung. Es gibt keine Rechtsordnung ohne Privat autonomie. In einer sozialistischen Ordnung ist allerdings die Privatauto nomie auf einen engen Raum beschrankt. Denn soweit es keine privaten Rechtsverhaltnisse gibt, besteht auch keine Moglichkeit der einzelnen zur Rechtsgestaltung in Selbstbestimmung. 2.Privatautonomie undRechtsordnung Die Privatautonomie erfordert begrifflich die Rechtsordnung als Kor relat. Es konnen von dem einzelnen nur Rechtsverhaltnisse gestaltet wer- * VgI. FLUME, RechtsgeschaA: und Privatautonomie, Festschr. Deutscher Juristen tag (1960) I S. 135If.; MERZ, Privatautonomie heme - Grundsatz und Rechts wirklichkeit, 1970, u. S. 1 N. 1Zit.; MANFRED WOLF, RechtsgeschaA:liche Entschei dungsfreiheit und vertraglicher Interessenausgleich, 1970, u. Zit. 1 Diese Wertung der Privatautonomie und der Vertragsfreiheit als eines Teiles derselben gilt allgemein fur die westliche Welt. VgI. z.B. OFTINGER, Die Vertrags freiheit, Die Freiheit des Burgers im Schweiz. Recht, 1948,S. 315 If.; KESSLER, Fest schr.M. Wollf, 1952,S.67If.,71. 1
Description: