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Allgemeine und Spezielle Chirurgische Operationslehre: Erster Band Allgemeiner Teil PDF

655 Pages·1927·70.07 MB·German
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ALLG EMEINE UND SPEZIELLE CHIRURGISCHE OPERATIONSLEHRE VON DR. MARTIN KIRSCHNER O. PROFESSOR • DlREKTOR DER CHIRURGISCHEN KLINIK DER UNIVERSITAT KONIGSBERG I. PRo UND DR. ALFRED SCHUBERT A. O. PROFESSOR' OBERARZT -DER CHIRURGlSCHEN KLINIK . DER UNIVERSIT.AT KONIGSBERG I. PRo ERSTER BAND ALLGEMEINER TElL MIT 709 ZUM GROSSTEN TElL FARBIGEN ABBILDUNGEN d:l7irurgifcftt UniDerfitats !Uinil 43ieven N VERLAG VON JULIUS SPRINGER 1927 ISBN-1S:978-S-642-8944S-5 e-ISBN-1S:978-S-642-91299-S DOl: 10.1007/978-3-642-91299-3 .j\LLE RECHTE, INSBESONDERE DAS DER 'ttBEB,SETZUNG IN FREMDE SPRACHEN, VORBEHALTEN. COPYRIGHT 1927 BY JULIUS SPRINGER IN BERLIN. SOFTCOVER REPRINT OF THE HARDCOVER 1ST EDITION 1927 DER CHIRURG WIDMET SIeH DEM GOTTLICHSTEN ALLER GESCHAFTE: ORNE WUNDER ZU HElLEN, UND OHNE WORTE WUNDER ZU TUN. GOETHE. 4:1tirurgif d?e Unwerfitats !Uint! 4;ieven Inbaltsverzeichnis. Seitc I. -Vorbemerkungen 1 A. Yom Operateur und seinen Gehilfen' .•...•..•• 2 B. Die allgemeine Untersuchung und Behandlung der Kranken 6 1. Das Herz und das GefaBsystem 8 2. Der Harnapparat .. " '.' .. 17 3. Die Lungen. . . . . . . . . . 34 4. Die Bauchorgane . . . . . . . 38 5. Das Nervensystem ...... . 42 C. Die Lagerung der Kranken wahrend der Operation 45 D. Die allgemeinen Grundsatze der operativen Technik 57 1.. Die Trennung -des Gewebes .......... . 57 2. Die Vereinigung von Gewebe" ..•.••••. 71 a) pie anorganische (primare) Festigkeit der Gewebsvereinigung • 71 b) Die organische (sekundare) Festigkeit der Gewebsvereinigung .' 85 3. Die Beseitigung von Gewebe und von Fremdkorpern ' 85 a) Die Beseitigung von Korpergewebe ..... 85 b) Die Beseitigung von Fremdkorpern. . . . . 96 a} Die Indikation der Fremdkorperentfernung 96 (3) Die Lagebestimmung der Fremdkorper. . 98 y) Die Technik der Fremdkorperentfernung . 105 4. Einlagerung von Geweben und von Frem~orpern .' 107 a) Die Einlagerung'von lebendem Gewebe . 107 b) Die Einlagerung von totem Material 109 II. Die Bekampfung des Schmerzes 110 A. Die Allgemeinbetaubung 112 1. Die Tropfbetaubung ..... 112 2. Die Betaubung mit Apparaten 122 a) Der JUNK;ERSChe Apparat .. '. 124 b) Der BRAuNsche Apparat ... 124 c) Der TIEGEL-HENLEsche Apparat 125 d) Die Narcylenhetaubung . . : . 127 3. Die Rauschbetaubung ..... . 129 4. Die Asphyxie oder Synkope . . . 131 5. Die Verhiitung d~r Blutaspiration . 139 6. Die intravenose Atherbetaubung . . 142 7. Die Betaubung durch den Mast.darm. 144 8. Der Dammeischhif ' 146 B. Die ortliche Betaubung. . . . . . . . 146 1. Die Kaltebetaubung •.................... ' .. 146 2. Allgemeines iiber die ortliche Betaubung mit chemischen Mitteln, die Lo- sungen und das Instrumentarium . . . . . . . . . . . . 147 3. Die Oberflachenbetaubung .............. . 153 4. Die Betaubung durch Infiltration und durch Umspritzung 154 5. Die Leitungsbetaubung. . '. . .. . . '. . . . . . . . . . 161 a) Die Unterbrechung des N. trigeminus .•...... 164 a) Die Unterbrechung im Bereiche des Ganglion semilunare Gasseri (HARTEL) .......•................. 164 Ol Die Unterhrechung des' 1. Trigeminusastes . . . . . • . . . . 166 VI Inhaltsverzeichnis. Seite y) Die Unterbrechung des 2. Trigeminusastes . . . . . . . . . . 168 d) Die Unterbrechung des 3. Trigeminusastes . . . . . . . . . . 171 b) Die Unterbrechung der N. laryngeus superior . . . . . . . . . . 174 c) Die Unterbrechung der Spinalnerven und der sympathischen Nerven 174 a) Die Unterbrechung der vorderen Spinalnerven am HaIse. . . • 177 P) Die Unterbrechung der vorderen Spinalnerven am Rumpf (Nn. intercostales) .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 y) Die paravertebrale Nervenunterbrechung (Nn. intercostales und sympathici) (SELLHEIM, LAWEN) . . • . . . . . . . . . . . . 185 <5) Die alleinige Unterbrechung der sympathischcn Nerven im Bauche 186 e) Die parasakrale Nervenunterbrechung .(BRAUN) . . . . . 189 d) Die Unterbrechung der Nerven des Armes . . . . . . . . 190 a) Die Unterbrechung des Plexus brachialis (KULENKAMPFF) 190 P) Die Unterbrechung des N. ulnaris am Ellenbogen. . . . . . • 193 y) Di~ Vnterbrechung aller Nerven der Hand ......... 193 d) Die Nervenunterbrechungeinzelner Abschriitte der Hand im Zusam menhang mit einzelnen Fingern . . . . . . . . . . . . . . . 193 e) Die Unterbrechung der Nerven des Beines . . . . . . . . . . . 195 a) :pie tTnterbrechung des N. ischiadicus an seinem Austritt aus dem . Becken (KEPPLER) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 P) Die Unterbrechung des N. femoralis (LAWEN) ....... . 197 y) Die Unterbrechung des N. cutaneus femoris lateralis (NYSTROM) 197 d) Die Unterbrechung des N. obturatorius. . . . . . . . . . . . 198 e) Die Unterbrechung aller Nerven des FuBes. . . . . . . . . . 198 s) Die Nervenunterbrechung einzelner Abschnitte des FuBes im Zu- sammenhang mit einzelnen Zehen 199 6. Die Venenbetaubung (BIER). . 199 7. Die Lumbalbetaubung (BIER) . 202 Ahhang: a) Die Punktion des Subarachnoidalraumes zu anderen Zwecken. . . 207 b) Die Punktion der Cisternc iiber dem verlangerten Mark (Cisterna cerebello-medullari ). . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 208 8. Die Sakralpunktion und die Epiduralbetaubung (CATHELIN, LAWEN) 210 III. Die Bekampfung der Infektion . . . . . . . . . . . . . . . .. 213 A. Der aseptische Operationsapparat . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 B. Die Aseptik des Operationsaktes und des Wundverbandes . . . . . . . 237 C. Die Aseptik des infizierten Operationsgebietes lind die primare Versorgung von Gelegenheitswunden (FRIEDRICH). . . . . . . . . . . 252 D. Die operative Behandlung der ortlichen Infektion. . . . . 255 E. Der Verbandwechsel und die weitere Wundbehandlung. . • 270 IV. Die Bekampfung der Blutung und des Blutverlustes . 279 A. Die Stillung der Blutung . • . . . . . . . . . . . . . 279 B. Die Behandlung des BlutverIustes . • . . . . . . . . . . 306 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 2. Das EinverIeiben von Fliissigkeiten in den Mastdarm. . . . . . . . 308 3. Das subkutane und das intramuskulare Einverleiben von Fliissigkeiten 310 4. Das intravenose EinverIeiben von Fliissigkeiten. . . . . . 312 5. Die Blutiibertragung (Bluttransfusion, Bluttransplantation) 317 a) Aligemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 b) Die Technik . . • . . • . . . . . . . . . . . . . . 321 V. Die Operationen an der Haut und dem Unterhautzellgewebe 326 A. Die Durchtreunung, die Vereinigung und der Ersatz der Haut. . . 326 1. Der Hautschnitt und die Hautnaht . . . . . . . • . • . . . . 326 2. Die Deckung von Hautliicken' durch unmittelbare Vereinigung der Wundra.nder. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 3. Die Deckung von Hautliicken durch gestielte Hautlappen aus der Nach- 341 barschaft .....................•.. 4. Die Deckung von Hautliicken durch gestielte Fernplastik . . 355 5. Die Deckung von Hautliicken durch' freie Hautiiberpflanzung 368 a) Die freie Verpflanzung der Kutis (WOLFE-KRAUSE) . 368 b) Die freie Verpflanzung del' Epidermis •••...... 370 Inhaltsverzeichnis. Seite B. Die Behandlung der allgemeinen Erkrankungen der Raut und des 1Jnter· hautzellgewebes . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . 377 1. Die Behandlung von Rautkontrakturen . . . . . . . . . . . . . . 377 2. Die Beseitigung der Naevi, der Rautangiome, der Warzen und anderer Rautanhange .................... " . . . . . 381 3. Die Beseitigung von Fettgeschwiilsten, Atheromen, Zysten des Unterhaut- zellgewebes und Ganglien .......... _ . . . . . . . . . . 385 4. Die operative Behandlung der Elefantiasis . . . . . . . . . . . . . 387 5. Die operative Behandlung der Furunkel und Karbunkel ...... 387 C. Die AusfiilIung von Gewebsliicken des Unterhautzellgewebes durch freie Gewebsverpflanzung und Paraffineinspritzung _ . . . . . . . 390 VI. Die Operationen an den Muskeln, Sehnen und Faszien~ . 391 A. Die Durchtrennung und die Naht von Muskeln und Sehnen _ . 391 B. Die Verlangerung und die Verkiirzung von Muskeln und Sehnen 399 C. Die Sehnenverpflanzung (NIKOLADONI) . . . . . . . . • . • • . . . . 403 D. Die Bildung kiinstlicher Sehnen. Die' freie Verpflanzung von Faszien und Sehnen ....................•..... 410 VII. Die,Operationen an, den BlutgefaBen . . . . . . . . . . . . 412 A. Die Behandlung der angeborenen BlutgefaBgeschwii~te' (Angioma). 413 B. Die GefaBnaht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • • 415 C. 'Die operative Behandlung der Aneurysmen. 422 D. Die Arteriotomie. . . . . . . • . . . 429 E. Die Behandlung der Krampfadern . . . 431 1. Die Einspritzungsbehandlung . . . . 432 2. Die perkutane Umstechung. . . . . 432 3. Die Unterbindung der Vena saphena 435 4. Die subkutane Entfernung' • . . . . 436 5. Die Diszision .........• ' 436 6. Die offene Entfernung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 7. Die ringfOrmige und spiralige Durchschneidung der Raut und des Unter- hautzellgewebes . . . . . . . . . . . . . . . . 439 8. Die Verlagerung der Miindung der Vena saphena. 442 VIII. Die Operationen an den Nerven. . . . 443 A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443 B. Die Resektion und die Naht der Nerven. . . . . . 449 C. Die Behandlung der Nervenliicke . . . . . . . . . 452 D. Die Behandlung von Erregungszustanden der Nerven 455 E. Die periarterielle Sympathektomie. 461 IX. Die Operationen an den Knochen . . . . . . . . 463 A. Allgemeines . • . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 B. Die Bearbeitung des, Knochens .. . . . . ',' . . 468 C. Die blutige Einrichtung und die Naht der Knochen. . . . . . . . . . 485 D. Die Behandlung der Knochenliicke. Die Knochen-und Knorpeliiberpflanzung 506 E. Der Ausgleich knocherner Verbildungen . . . . . . . . . . . . . . . 516 1. Der Winkelausgleich . . 517 2. Der Langsausgleich. . . 525 F. Der Nagel- und Drahtzug. 529 1. Allgemeines . . . . . . 530 a) Der Nagelzug. . . . 530 b) Der Drahtzug. . . . 533 2. Die Anlegung des Zuges an den einzelnen Knochenabschnitten 536 G. Die Behandlung der Knochengeschwiilste . . . 542 R. Die Behandlung der Knochenmarkentziindung 544 1. Die akute Knochenmarkentziindung . . . 544 2. Die chronische Knochenmarkentziindung . 546 X. Die Operation en an den Gelenken. . . . 551 A. Allgemeines. .. ......................... 551 B. Die operative Eroffnung der Gelenke (Arthrotomie). Die Behandlung offener Gelenkwunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553 C. Die Punktion der Gelenke •........•......•...• 557 VITI Inhaltsverzeichnis. Selte -D. Die Drainage der Gelenke. . . . . . . . . . . .. . 558 E. Die, Gelenkresektion .'. . .'. . . . . . . . ... '. . 561 F. Die kiinstliche Versteifung der Gelenke (Arthrodese) . 565 G. Die operative Mobilisierung der Gelenke (Arthroplastik) 571 1. Die Anzeige. .'. . . 571 2. Die Technik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 572 3. Die Nachbehandlung. . . . . . . .' . . . . . . . 577 XI. Die Absetzung von GliedmaBen (Amputation und Exartikula'tion) 581 , A. Allgemeines . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .' . . . . . . 581 B. Die Rohe der Absetzung . .'. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 583 C. Die Gestaltung der Weichteilwunde (Amputations- und Exartikulations- schnitte) ......... . . . 585 1. Die Zirkelschnitte . . . . . . . 587 a) Der zweizeitige Zirkelschnitt 588 b) Der einzeitige Zirkelschnitt. 592 0) Abarten; des Zirkelschnittes 592 2. Die Lappenschnitte •. • . . . .' .' . 595 a) Der Einlappenschnitt. Ovalo. Raket- und Lanzettscluiitt 596 b) Der Doppellappenschnitt 596 c) Das Durchstichverfahren 598 d) Das Doppeltiirverfahren 599 D. Die Versorgung der Knoch~n. " 602 E. Die Versorgung der GefaBe . . 606 F. Die Versorgung der Nerven . ~ ~ .. 608 G. Die Nachoperationen an Gliedstiimpfen 609 R. Die Nachbeh~ndlung der Stiimpfe '.' 613 J. Die kineplastlschen Absetzungsverfahren 617 ·Sachverzeichnis . • . . . . . • • • • • • . • . 622 I. V orbemerkungen. Wie die Behandlung chirurgischer Leiden nur einen Teil, aber doch den wichtigsten Teil der gesamten chirurgischen Wissenschaft bildet, so ist der operative Eingriff nur ein Teil, und zwar der bedeutungsvollste Teil des chirurgisch-therapeutischen Handelns. Er bildet den auf einen kurzen Zeit abschnitt zusammengedrangten eindrucksvollsten Akt der gesamten Heilkunde. Jede Operation bedeutet auBer der ortlichen Zustandsanderung und Scha digung von Korpergewebe und der hiermit verbundenen Anderung physio logischer Zustaode durch ihre Vorbereitungen, durch den eigentlichen Opera tionsakt und dmch die Nachbehandlung einen fortgesetzten Angriff auf den Kraftezustand des Gesamtkorpers. Hierdurch wird der operative Eingriff zu einer Zone erhohter Gefahr, die der Kranke in der Hoffnung auf den Hafen der Genesung oder der Besserung durchlaufen muB, und in der der eigent liche operative Akt lediglich der Gipfel der Hauptgefahren ist. Der Ausgang dieses Gefahrzustandes hangt ab auf der einen Seite von der Widerstands kraft des Organismus, auf der anderen Seite von der GroBe, Zahl und Dauer der auf ihn durch die Operation einwirkenden schadigenden Krafte. Der operative Eingriff vollzieht sich nicht an totem Material, dessen Bedingungen sich wie in der Technik mit mathematischen Formeln ausschopfen lassen, sondern an lebenden Objekten, deren Widerstandskraft und Ver halten wir nm oberflachlich beurteilen konnen und nur mangelhaft zu leiten vermogen; dazu tritt die Einwirkung einer groBen Anzahl auBerer Krafte und Bedingungen, die wir nur zum Tell iiberblicken und beherrschen. Daher schwebt iiber der Arbeit desChirurgen stets etwas Unberechenbares. Eine sichere Gewahr kann er fUr den Ausgang keiner Operation ubernehmen. Das Zusammenwirken dieser uniibersehbaren Krafte mag der eine Gluck, der andere Gott nennen. AMBROISE PARE sagt: Je }'ai opere, dieu Ie guerira! Und doch sind wir in der Lage, bei vielen Operationen die auBeren Bedingungen und die Lebensvorgange weitgehend zu beeinflussen und der artig zu gestalten, daB sich ihr VerI auf mit einem hohen Grade von Wahr scheinlichkeit vorausbestimmen laBt. Wit erreichen diese die Stetigkeit unserer chirurgischen Erfolge verbiirgende Sicherheit durch die kunst gerechte Befolgung der anerkannten Gesetze der modernen Chirurgie. Diese erhebliche Sicherheit der Operationserfolge hat nicht nur Vorteile, sondern sie hat auch zu Schaden lmd Auswuchsen gefiihrt. Die operative Betatigung ist mehr und mehr der Hand weniger berufener Meister entglitten und zu einem Allgemeingut einer auBerordentlich groBen Anzahl von Per sonlichkeiten geworden, was naturgemiW der Giite der chirurgischen Arbeit nicht immer zutraglich ist. Diese verbreiterte Basis und die Sicherheit des operativen Arbeitens haben weiterhin bewirkt, daB vielfach Operationsver fahren allgemein empfohlen und angewandt wurden, die einer ernsten Kritik nicht standhalten konnen. Und schlieBlich hat die Ungefahrlichkeit und KIRSCHNER-SOHUBERT, Operationslehre I. 1 2 Vorbemerkungen. Leichtigkeit, mit der chirurgische Eingriffe allenthalben vorgenommen werden konnen, dazu gefUhrt, daB im Einzelfalle haufig zum Messer gegriffen wird, ohne daB eine zwingende N otwendigkeit vorliegt, oder daB der fiir den Kranken zu erwartende Nutzen ein derartiges Vorgehen rechtfertigt. Das bedeutet MiBstande, Fehler und Auswiichse, denen mit aller Entschieden heit entgegenzutreten ist. Namentlich muB die Forderung strengster Indikation bei j edem chirurgischen Eingriff nachdriicklichst erhoben werden. Nicht das, was operiert werden kann, sondern das, was operiert werden muB, dad operiert werden. 1m Zweifeisfalle frage man sich, ob und welchem Eingriff man sich selbst oder seine nachsten Angehorigen bei dem gegebenen Krankheits zustande unterwerfen wiirde. Eine Kritik der praktischen Betatigung des einzelnen kann im wesentlichen nur durch das eigene Gewissen geiibt werden. Die Sichtung und Wertung verallgemeinernder wissenschaftlicher V orschlage und Leistungen erfolgt durch das einschlagige Schrifttum und durch die chirurgischen Vereinigungen, in Deutschland vor allem vor dem Forum der Deutschen Gesellschaft fiir Chirurgie. "Die Reinheit der chirurgischen Lehre ist ihr anvertraut" (v. BERGMANN). A. Vom Operatenr nnd seinen Gehilfen. Unter den den Ausgang einer Operation bestimmenden Umstanden steh,t an erster Stelle die Personlichkeit des Operateurs. Wissen, Sorgfalt und Geschick sind fiir ihn unentbehrliche Eigenschaften. Er muB die gesamte Chirurgie undgroBe Teile zahlreicher Nebendisziplinen beherrschen. Die Erwerbung dieses umfangreichen und vielseitigen Wissens und Konnens erfordert jahre langen eisernen FleiG und zumeist eine langwierige Ausbildung in einer vor trefflichen c h ir ur g i s chen S c h ul e. Die Bildung einer erfolgreichen, selbstandige Schuler entwickelnden Schule mit eigenem Gepr1i.ge und eigener Uberlieferung ist das nur selten verwirklichte Ziel eines jeden durch seine Stellung hierzu Berufenen; wie es andererseits der Stolz des Schiilers ist, aus einer beriihmten Schule hervorgegangen zu sein. Was aber weder gelernt noch gelehrt werden kann, ist die angeborene Begabung zum Chirurgen in geistiger und korperlicher Beziehung. Sie ist ebenso selten, wie sie fUr den vollwertigen Operateur unent behrlich ist. Daher wird es trotz eifrigster Bemuhungen der vielen, die Zufall oder Neigung zur Chirurgie gefiihrt hat, stets nur wenigen vorbehalten bleiben, wahrhafte Hochstleistungen der praktischen Chirurgie zu vollbringen, Meister der Chirurgie in des Wortes hochster Bedeutung zu werden. Das Uberragende eines derartigen Mannes liegt in seiner groBzugigen, Mit arbeiter und Kranke in seinen Bann zwingenden Personlichkeit; es liegt in seiner Begeisterung fUr die chirurgische Kunst und in dem begriindeten Ver trauen auf das eigene chirurgische Konnen; es liegt in der Fahigkeit, aIle Vor gange und Untersuchungsergebnisse zu einem einheitlichen und lebensvollen Krankheitsbilde zusammenzufassen, und unter Beriicksichtigung der person lichen und sozialen Verhaltnisse der Kranken den besten Weg der Behandlung zu finden, auf dem das W ohl des Kranken hochstes Gesetz ist; es liegt in dem Scharfblick, clem nichts entgeht, was mit dem Kranken und dem operativen Eingriff im Zusammenhang steht; es liegt in der GroBziigig keit und in der durch ein hochentwickeltes Verantwortungsgefiihl geziigelten Kiihnheit der Operationsplane, in dem zielsicheren Liniehalten bei ihrer Durch fUhrung oder in ihrer raschen Anderung und sinnvollen Neueinstellung bei unerwartetem Befund; es liegt in der iiberlegenen Beherrscbung plotzlich einsetzender gefahrdrohender Zuf1i.lle; es liegt in der vollendeten Meisterung Yom Operateur und seinen Gehilfen. 3 der Tecbnik, in der peinlichen Gewissenhaftigkeit auch in der chirurgischen Kleinarbeit; es liegt in der A.sthetik der durch Sorgfalt und Vorsicht gebii.ndigten Schnelligkeit und Kraft des Handelns. Ein mit solchen Eigeni!chaften ausgerusteter Mann wird es auch verstehen, in dem ihm unterstellten Betriebe das Zusammenarbeiten mit den arzt lichen Gehilfen und dem u brigen Operationspersonal reibungslos einzuspielen. Die Verantwortung hierfur, sowie fiir die tadellose Beschaffenbeit und das restlose Zusammenstimmen aller anderen mit der Operation im Zu sammenhange stehenden Bedingungen tragt vor dem Kranken, dem eigenen Gewissen, dem Gesetze und der ()ffentlichkeit letzten Endes er allein. Ihm muB daher auch unbeschrankte Gewalt in seinem Wirkungskreise zustehen, und er muB, diese in seine Hande gelegte Macht weise nutzend, mit seinem autori tativen Willen den gesamten klinischen Apparat durchdringen und ihm seine personliche Note aufdrucken. In einem so reibungslos eingespielten Betriebe wird er nicht allein bei der Operation alltaglicher FaIle, sondern auch in den schwierigsten Augenblicken das Steuer der Operation mit eiserner Ruhe und Zuversicht fUhren und so durch seine "Uberlegenheit die Umgebung mit glaubiger Sicherheit erfullen und zum Einsatz auch der letzten Krafte an spornen. Ein Operateur dagegen, der in heikler Lage oder gar gewohnbeits maBig Ruhe und Selbstbeherrschung vermissen IaBt und hierdurch die Atmo sphare des Operationssaales mit nervoser Hochspannung uberladt, oder der zur Erzielung von Hochstleistungen seiner Gehilfen wiihrend der Operation gerauschvolle Ermahnungen oder gar physische Einwirkungen notig hat, ist kein Vollchirurg; zeigt er doch deutlich, daB ihm die Fahigkeit mangelt, das seiner Leitung anvertraute vielseitige Instrument richtig zu stimmen und meisterhaft zu spielen. Bei den Operationen sind genaue und knappe Befehle mit klarer Stimme unerlaBlich. Hoflichkeitsphrasen wie "bitte", "Verzeihung" und ahnliches, die ja auch in dem mit dem chirurgischen Operationsbetriebe starke Ahnlichkeit aufweisenden Militardienste langst verboten sind, sind nicht allein uberflussig, sondern auch zeitraubend und gelegentlich miBverstandlich. Bei der Operation befiehlt einer und die ubrigen gehorchen. Das demokratisch parlamentarische System feiert auch in der Chirurgie keine Triumphe. Das Ziel eines operativen Eingriffes kann in manchen Fallen d urch mehrere, voneinander mehr oder weniger abweichende typische Operationsverfahren erreicht werden. Die Entscheidung der Frage, welche von diesen Methoden fur den einzelnen Fall gewahlt wird, hangt tells von den besonderen Eigen tumlichkeiten des vorliegenden Krankheitsfalles, tells von der Vorliebe ab, die der Operateur auf Grund theoretischer "Oberlegungen und praktischer Er fahrungen gerade fUr diesen Weg besitzt. Fiir uns steht bei der Auswahl unter mehreren im Enderfolge voraussichtlich gleichwertigen Operationsmethoden die Rucksicht auf die groBtmogliche Sicherheit fUr Leben und Erfolg bei weitem obenan; aIle anderen Erwagungen, wie etwa die Abkiirzung del' Operations- oder der Behandlungszeit odeI' die geringere Unbequemlichkeit oder Schmerzhaftigkeit fur den Kranken, gelten erst in zweiter Linie. In der Regel bevorzugen der einzelne Operateur und die einzelnen Operationsschulen bestimmte Operationsverfahren und bringen andere Methoden nur dann in Anwendung, wenn hierfur besondere Anzeigen vorliegen, wozu natiirlich an Forschungsanstalten auch das planmaBige Erproben verschiedener ausreichend begriindeter Verfahren gehort. Jedenfalls ist fUr die Zahl der Er folge und fiir die Blldung einer Schule nichts nachteiliger, als wenn in einer chirurgiscben Anstalt das gleiche Leiden je nach Laune einmal nach dieser, das andere Mal nach jener Methode angegangen wird. 1*

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