Erstes Kapitel. Die nevitkejbus Erscheinungen sed neknark Seelenlebens .)eigolonemon(cid:228)hP( Die Ph(cid:228)nomenologie 1 ) hat die Aufgabe, die seelischen Zust(cid:228)nde, die die Kranken wirklich erleben, uns anschaulich zu vergegen› w(cid:228)rtigen, nach ihren Verwandtschaftsverh(cid:228)ltnissen zu betrachten, sie m(cid:246)glichst scharf zu begrenzen, zu unterscheiden und mit festen Terminis zu belegen. Da wir niemals fremdes Seelisches ebenso eiw Physisches direkt wahrnehmen k(cid:246)nnen, kann se sich immer nur um eine Vergegenw(cid:228)rtigung, um ein Einf(cid:252)hlen, Anschauen, ›reV stehen handeln, zu dem wir je nach dem Fall durch Aufz(cid:228)hlung einer Reihe (cid:228)u(cid:223)erer Merkmale des seelischen Zustandes, durch Aufz(cid:228)hlung der Bedingungen, unter denen er auftritt, durch sinnlich anschauliche Vergleiche und Symbolisierungen, durch eine Art suggestiver Dar› stellung hingelenkt werden k(cid:246)nnen. DazR helfen uns vor allem die Selbstschilderungen der Kranken, die wir in der pers(cid:246)nlichen Unterhaltung am vollst(cid:228)ndigsten und klarsten gestalten k(cid:246)nnen, die in schriftlicher, von den Kranken selbst verfa(cid:223)ter Form oft inhaltlich reicher, aber daf(cid:252)r ph(cid:228)nomenologisch unklarer, durch tendenzi(cid:246)se Reflexionen entstellt sind. Wer selbst erlebte, findet am ehesten die treffende Schilderung. Der nur beobachtende Psychiater w(cid:252)rde sich vergebens zu formulieren bem(cid:252)hen, was der kranke Mensch von seinen Erlebnissen sagen kann. Es ist f(cid:252)r den Anf(cid:228)nger erforderlich, sich an der Hand der konkreten Beispiele ein reiches ph(cid:228)nomenologisches ›nA schauungsmaterial h){ilrenni anzueignen. Dies gibt ihm Richtungen und Ma(cid:223)st(cid:228)be bei der Untersuchung neuer F(cid:228)lle 2 ). )1 Vgl. meinen Aufsatz: Die ph(cid:228)nomenologische Forschungsrichtung in der Psychopathologie. Zeitschr. .f .d .seg Neuro!. u. Psychiatr. .9 .2191 S. 391. Dazu: Baade: (cid:220)ber die Vergegenw(cid:228)rtigung von psychischen Ereignissen durch Er› leben, Einf(cid:252)hlung und Repr(cid:228)sentation, sowie (cid:252)ber das Verh(cid:228)ltnis der Jaspers› seheu Ph(cid:228)nomenologie zur darstellenden Psychologie. Zeitschr. .f d. .seg Neuro!. u. Psychiatr. .92 .5191 S. .743 .lgV das Referat von .A Kronfeld: (cid:220)berneuere pathopsychisch-ph(cid:228)nomenologische Arbeiten. Zentralbl. .f d. .seg Neuro!. u. Psy› chiatr. .82 .2291 .S ,144 (worin jedoch der Begriff der Ph(cid:228)nomenologie nicht in dem bestimmten und engen Sinn unseres vorliegenden ersten Kapitels gefa(cid:223)t wird). )2 Gute Selbstschilderungen findet man an folgenden Orten (ich zitiere sie sp(cid:228)ter nur mit den Namen der Verfasser der Publikationen): Baudelaire: Paradis artificiels. Deutsch Minden, .o J. David, J. J.: Hallu› zinationen, Die neue Rundschau 71 .S .478 Engelken: .gllA Zeitschr. .f Psychiatr. u. psych.-gerichtl. .deM 6 .S .685 Fehr Iin: Die Schizophrenie. Im Selbstverlag .0191 Forel: .llA Zeitschr. f. Psychiatr. u. psych.-gerichtl. .deM 34 .S .069 Gruhle. Zeitschr. f. .d .seg Neuro!. u. Psychiatr. .82 .5191 .S .841 ldeler: Der Wahn› sinn, Bremen ,8481 .S 322ff., 365ff. usw. Religi(cid:246)ser Wahnsinn, Halle ,8481 1 S. 392ff. Jakobi: Annalen der Irrenanstalt zu Siegburg, K(cid:246)ln ,7381 S. 256ff, James: Die religi(cid:246)se Erfahrung in ihrer Mannigfaltigkeit. Deutsch. Leipzig .7091 Ja net: Les *3 63 Ph(cid:228)nomenologie. Vergegenw(cid:228)rtigung ,nessed saw im Kranken wirklich vorgeht, saw er eigentlich erlebt, eiw ihm etwas im Bewu(cid:223)tsein gegeben ist, eiw ihm zumute ist .wsu ist der ,gnafnA bei dem zun(cid:228)chst von Zusammen› h(cid:228)ngen, vom Erleben sla Ganzem, erst recht von Hinzugedachtem, zugrunde liegend Gedachtem, theoretischen Vorstellungen ganz abzu› sehen ist. Nur das wirklich im Bewu(cid:223)tsein Vorhandene llos ›negegrev w(cid:228)rtigt werden, alles nicht wirklich im Bewu(cid:223)tsein Gegebene ist nicht vorhanden. Wir m(cid:252)ssen ella (cid:252)berkommenen Theorien, psychologischen Konstruktionen oder materialistischen Mythologien von Hirnvorg(cid:228)ngen, ella blo(cid:223)en Deutungen und Beurteilungen beiseite lassen, wir m(cid:252)ssen uns rein dem zuwenden, saw wir in seinem wirklichen Dasein ›rev stehen, ,nessafre unterscheiden und beschreiben k(cid:246)nnen. Dies ist ,enie eiw die Erfahrung lehrt, egireiwhcs .ebagfuA Diese eigent(cid:252)mliche ph(cid:228)nomenologische Vorurteilslosigkeit ist nicht urspr(cid:252)nglicher Besitz, sondern m(cid:252)hsamer Erwerb nach langer kritischer Arbeit und oft ›rev geblichen Bem(cid:252)hungen in Konstruktionen und Mythologien. Wie wir sla Kinder die Dinge zuerst zeichnen, nicht os eiw wir eis sehen, sondern os eiw wir eis denken, ebenso gehen wir sla Psychologen und Psychopathologen durch eine Stufe, in der wir uns das Psychische irgendwie denken, zur vorurteilslosen unmittelbaren Erfassung sed Psychischen os eiw se ist. Und se ist eine immer neue M(cid:252)he und nie immer von neuem durch (cid:220)berwindung der Vorurteile zu erwerben› sed Gut: eseid ph(cid:228)nomenologische Einstellung. Nur in einer Beziehung machen riw hier zur Aussonderung der abnormen Ph(cid:228)nomene manchmal eine unph(cid:228)nomenologische Voraussetzung: durch den ›(cid:223)aM stab der Realit(cid:228)t und der Richtigkeit der Inhalte. Die eindringende Versenkung in den einzelnen Fall lehrt ph(cid:228)no› menologisch oft das Allgemeine f(cid:252)r esollhaz F(cid:228)lle. Was man einmal erfa(cid:223)t hat, findet man meistens bald .redeiw Es kommt in der Ph(cid:228)no› menologie weniger auf H(cid:228)ufung von zahllosen F(cid:228)llen an, sondern auf m(cid:246)glichst restlose innere Anschauung von Einzelf(cid:228)llen. In der Histo› logie wird verlangt, man ellos sich bei der Hirnrindenuntersuchung von jedem F(cid:228)dchen, jedem K(cid:246)rnchen Rechenschaft geben. Ganz analog fordert die Ph(cid:228)nomenologie: man soll sich von jedem seelischen Ph(cid:228)nomen, jedem Erlebnis Rechenschaft geben, das in der snoissesbo et aI .einehts.a.hcysp Jaspers: Zeitschr. .f .d .seg LorueN .u Psychia.tr. 41 .S .ff851 Kandinsky: .hcrA. .f Psych. .u Nervenkrankh. 11 8.453. Kritische und klinische Betrachtungen im Gebiete der Sinnest(cid:228)uschungen, Berlin .5881 Kies er: .gllA Zeitschr. .f Psychiatr. .u psych.-gerichtl. .deM 10 .S .324 Klinke: Jahrb. .d Psych. .u .lorueN .9 Kronfeld: .rhcsst.anoM .f Psych. .u Neurol. .53 .4191 .S .572 Mayer-Gro(cid:223): Zeitschr. .f .d .seg .lorueN .u Psychiatr. 26 S. .222 Mayer-Gro(cid:223) und Steiner: Zeitschr. .f d. .seg .lorueN u. Psychia.tr. 37 S. .382 Meinert: Alkoholwahnsinn, Dresden .7091 Nerval ..aileruA Deutsch. ›n(cid:252);M chen .0191 Quincey, Th. :ed Bekenntnisse senie .sressemuipO Deutsch. Stutt› gart .6881 Rychlinski: Arch. .f Psych. .u Nervenkrankh. 82 .S .526 Schreber: neti}lkgidr(cid:252)wkneD senie Nervenkranken, gizpieL .3091 Schwab• Zeitschr. .f .d .seg .lorueN .u Psychia.tr. .44 Serko: Jahrb. .d Psych. .u Neurol. .43 .3191 .S .553 Serko: Zeitschr. .f .d .seg .lorueN .u Psychiatr. 44 S. 12 Stauden› maier: Die eigaM sla experimentelle Naturwissenschaft, gizpieL .2191 Wollny: Erkl(cid:228)rungen der Tollheit von Haslam, Leipzig .9881 Die Elemente des abnormen Seelenlebens. 73 Exploration der Kranken und in ihren Selbstschilderungen zutage tritt. Man soll sich auf keinen Fall mit dem Gesamteindruck und einigen ad hoc herausgeholten Details zufrieden geben, sondern von jeder Einzelheit wissen, eiw man sie aufzufassen und zu beurteilen hat. Verf(cid:228)hrt man einige Zeit auf diese Weise, dann wird einem einerseits manches weniger wunderbar, was man oft sah und was der› jenige, der nur mit dem Gesamteindruck arbeitet, sich nicht bewu(cid:223)t gemacht hat und je nach der augenblicklichen Richtung seiner Ein› drucksf(cid:228)higkeit immer wieder erstaunlich uud noch nie dagewesen findet; andererseits aber achtet man auf das, was einem wirklich un› bekannt ist, und ger(cid:228)t in begr(cid:252)ndetes Staunen. Es ist keine Gefahr, da(cid:223) dies Staunen je aufh(cid:246)re. Die ph(cid:228)nomenologischen Gegebenheiten befriedigend systematisch zu ordnen und zu klassifizieren, ist wenigstens zurzeit ganz unm(cid:246)glich. Die Ph(cid:228)nomenologie, eine der Grundlagen der ganzen Psychopatho› logie, steckt noch immer in den Anf(cid:228)ngen. Wir wollen bei der Be› schreibung der Ph(cid:228)nomene diesen Zustand nich verschleiern, m(cid:252)ssen aber schlie(cid:223)lich vorl(cid:228)ufig irgendwie ordnen. Dabei legen wir ›ej doch den Hauptwert auf die Darstellung der einzelnen ph(cid:228)nomeno› logischen Elemente und ihrer Beziehung zu einzelnen andern. Wir behandeln .1 die isoliert zu betrachtenden Elemente, eiw .z B. Trug› wahrnehmungen, Gem(cid:252)tszust(cid:228)nde, Triebregungen; .2 machen wir uns allgemeinste Eigenschaften und Ablaufsweisen des Seelen› lebens klar, die je nach ihrer Art den vorher betrachteten Ph(cid:228)nomenen eine besondere Nuance geben und ihre Bedeutung im Zusammenhang des Seelenlebens verschieden erscheinen lassen. Dahin geh(cid:246)ren .z B. Aufmerksamkeit, Bewu(cid:223)tseinszustand, Differenziertheit des Seelen› lebens und anderes. - Wir werden in diesem Kapitel immer das Ziel haben, das Seelische selbst uns anschaulich zu machen. ellA objektiven Merkmale und (cid:228)u(cid:223)erlichen Hinlenkungen sollen uns hier blo(cid:223) Mittel sein. Abschnitt .1 Die etnemelE sed nemronba Seelenlebens. In allem entwickelten Seelenleben besteht dies in keiner Weise r(cid:252)ckf(cid:252)hrbare Urph(cid:228)nomen, da(cid:223) ein Subjekt den Objekten ›negeG( st(cid:228)nden) gegen(cid:252)bersteht, da(cid:223) ein Ich sich auf Inhalte gerichtet .(cid:223)iew Wir k(cid:246)nnen dementsprechend ein Gegenstandsbewu(cid:223)tsein einem Ichbewu(cid:223)tsein gegen(cid:252)berstellen. Die Ph(cid:228)nomenologie ist bisher am reichsten bez(cid:252)glich des Gegenstandsbewu(cid:223)tseins entwickelt, w(cid:228)hrend vom Ichbewu(cid:223)tsein nicht viel Konkretes zu sagen ist. Doch steht dies Bewu(cid:223)tsein in dem tiefsten Zusammenhang mit. den herk(cid:246)mmlich als Gef(cid:252)hle und Triebregungen benannten Ph(cid:228)nomenen, die gerade› zu lchbestimmtheiten genannt werden, obgleich sie f(cid:252)r sich isoliert einer anschaulichen Vergegenw(cid:228)rtigung zug(cid:228)nglich sind. Wir behandeln also nacheinander: )a Gegenstandsbewu(cid:223)tsein, )b lchbewu(cid:223)tsein, )c ›eG m(cid:252)tszust(cid:228)nde, )d Triebregungen und Wille. 38 Ph(cid:228)nomenologie. § .1 Das Gegenstandsbewu(cid:223)tsein. Psychologische Vorbemerkungen: "Gegenstand" im weitesten Sinne nennen wir alles, was uns gegen(cid:252)bersteht, alles, was wir mit dem inneren, geistigen Auge oder mit den (cid:228)u(cid:223)eren Augen der Sinnesorgane vor uns haben, erlassen, den› ken, anerkennen, alles, auf das wir als auf ein Gegen(cid:252)berstehendes innerlich ›eg richtet sein k(cid:246)nnen, mag dies nun wirklich oder unwirklich, anschaulich oder abstrakt, deutlich oder undeutlich sein. Gegenst(cid:228)nde sind uns gegenw(cid:228)rtig ent› weder in Wahrnehmungen oder in Vorstellungen. In den Wahrnehmungen steht der Gegenstand leibhaftig (andere Ausdr(cid:252)cke: als "f(cid:252)hlbar gegenw(cid:228)rtig", mit dem Gef(cid:252)hle lebendigen Ergriffenseins, mit Objektivit(cid:228)tscharakter) in den Vorstellungen bildhaftig sla( abwesend, mit Subjektivit(cid:228)tscharakter) vor uns. Bei Wahrnehmungen sowohl eiw bei Vorstellungen unterscheiden wir drei Ele› mente: das Empfindungsmaterial .z( B. rot, blau, Ton in der H(cid:246)he c usw.), r(cid:228)umliche und zeitliche Ordnung und den intentionalen Akt. Das Emp› findungsmaterial wird durch den Akt gewisserma(cid:223)en beseelt, gewinnt erst durch ihn Gegenst(cid:228)ndlichkeit und Bedeutung, ist uns durch ihn ein bestimmter ›negeG stand in bestimmter Weise. Man nennt diesen Akt auch Gedanken, Bedeutungs› bewu(cid:223)tsein, Worte, die die Umgangssprache meistens im anderen Sinne gebraucht (Gedanke= Urteilsinhalt, Bedeutungsbewu(cid:223)tsein = Bewu(cid:223)tsein von der Be› deutung eines Zeichens oder eines Symbols, .z .B eines Wortes). Es besteht nun weiter die ph(cid:228)nomenologische Tatsache, da(cid:223) eseid intentionalen Akte auch ohne die Basis von Empfindungsmaterial vorkommen. Uns kann etwas ganz unanschaulich gegenw(cid:228)rtig sein als ein blo(cid:223)es Wissen um etwas, .z B. bei schnellem Lesen. Wir haben den Sinn der Worte durchaus deutlich gegenw(cid:228)rtig, ohne uns die gemeinten Gegenst(cid:228)nde anschaulich vorzustellen. Dieses unan› schauliche Gegenw(cid:228)rtighaben eines Inhaltes nennt man Bewu(cid:223)theit. Diese kann wiederum entweder entsprechend der Wahrnehmung eine leibhaftige sein, wenn wir .z .B hinter uns "jemand" gegenw(cid:228)rtig wissen, ohne ihn wahr› zunehmen und ohne ihn vorzustellen (man nennt das in der Umgangssprache, man habe ein "Gef(cid:252)hl", da(cid:223) jemand da ,)ies oder eis kann entsprechend der Vor› stellung eine blo(cid:223) gedankliche Bewu(cid:223)theit sein eiw die meist vorkommenden. In den bisher gemeinten Wahrnehmungen, Vorstellungen und Bewu(cid:223)theiten sind uns einzelne konkrete Gegenst(cid:228)nde gegenw(cid:228)rtig. Au(cid:223)erdem haben wir im Gegenstandsbewu(cid:223)tsein Beziehungen, Sachverhalte, Richtigkeit und Un› richtigkeit, Realit(cid:228)t .wsu Die psychischen Ph(cid:228)nomene, in denen uns solche Dinge klar gegenw(cid:228)rtig sind, nennen wir Gedanken und Urteile. Der Inhalt solcher Urteile kann auch in rudiment(cid:228)rer Form - man pflegt dann wiederum gern von "Gef(cid:252)hl" zu reden- als blo(cid:223)es "Wissen" gegenw(cid:228)rtig sein. Auch dieses unformulierte, nicht gekl(cid:228)rte, sondern unmittelbare, gewisserma(cid:223)en naive Wissen nennt man Bewu(cid:223)theit. Wahrnehmungen, Vorstellungen, Bewu(cid:223)theiten, Urteile sind seelische Ph(cid:228)› nomene, bezeichnen die Daseinsweise, in der uns Gegenst(cid:228)nde gegenw(cid:228)rtig sind. Nach dem Inhalt betrachtet, sind uns in allen diesen Formen die Welten des Gegenst(cid:228)ndlichen bewu(cid:223)t: I. die sinnliche Welt, das Greifbare, Sichtbare, H(cid:246)rbare, .2 die seelische Welt, das in der sinnlichen Erscheinung verstandene, uns unmittelbar zu vergegenw(cid:228)rtigende seelische Leben der Menschen und .3 die Welt der Werte, der Forderungen, die uns entgegentreten (Wahrheit, Sch(cid:246)nheit, Sittlichkeit usw.). Bei der Beschreibung des seelischen Lebens ist uns die Er› fassung der Inhalte, die bestimmte Menschen haben, Hilfsmittel, ebenso wie die Messung dieser subjektiven Inhalte der einzelnen an den objektiven, all› gemeing(cid:252)ltigen Inhalten, die Gegenstand anderer Wissenschaften sind. Je nach dem augenblicklichen Gesichtspunkt - ob man an die Art der Gegebenheit oder an den Inhalt denkt - sind die ph(cid:228)nomenologischen oder die inhaltlichen Untersuchungen nebens(cid:228)chlich. Den Kranken sind durchweg die Inhalte das allein Wichtige. Auf die Art der Gegebenheit verm(cid:246)gen sie sich oft gar nicht zu besinnen: eis werfen Halluzinationen, Pseudohalluzinationen, Wahnbewu(cid:223)t› heiten usw. durcheirander, da eis os "nebens(cid:228)chliche" Dinge nie unterschieden haben. Es scheint, Ja(cid:223) viele Kranke auch dieselben Inhalte in schneller Zeitfolge in den verschiedensten ph(cid:228)nomenologischen Gegebenheitsformen vor dem geistigen Das Gegenstandsbewu(cid:223)tsein. 93 Auge haben k(cid:246)nnen. Indem os in einer akuten Psychose etwa eblesred Eifersuchts› inhalt in den verschiedensten Formen wiederkehrt, k(cid:246)nnte man sehr mi(cid:223)verst(cid:228)nd› lich von "(cid:220)berg(cid:228)ngen" den verschiedenen Formen reden. Diese all› zwisc~!'Jn gemeine Wendung von den "Uberg(cid:228)ngen" ist das nessiclehuR der Denk- und Analysierfaulheit. Wohl ist se richtig, da(cid:223) das individuelle momentane Erlebnis sich aus vielen Komponenten zusammensetzt: da(cid:223) .z .B ein halluzinatorisches Erlebnis von dem eigent(cid:252)mlichen Evidenzerlebnis sed Wahns durchsetzt ist, da(cid:223) dann die sinnlichen Elemente immer mehr abnehmen k(cid:246)nnen, und da(cid:223) man im individuellen Fall oft nicht feststellen kann, bo ehclos vorhanden waren und eiw eis vorhanden waren. Die klaren Unterschiede der Ph(cid:228)nomene, die ph(cid:228)nomeno› logischen Abgr(cid:252)nde .z( .B Leibhaftigkeit und Bildhaftigkeit) im ›negeG zwisch~n satz zu den ph(cid:228)nomenologischen Uberg(cid:228)ngen .z( .B von Bewu(cid:223)theit zu Hallu› zination), bleiben darum bestehen. Diese Unterschiede klar zu erfassen, zu ver› tiefen, zu vermehren und zu ordnen ist hier eine wissenschaftliche Aufgabe, die allein uns zur Analyse der F(cid:228)lle verhelfen kann. Das Reden von den "(cid:220)ber› g(cid:228)ngen" f(cid:252)hrt zur Versumpfung in den allgemeinsten Kategorien. In der gesamten Wahrnehmung unterschieden riw l. Empfindungs› elemente, .2 r(cid:228)umliche und zeitliche Ordnung und .3 den vergegenst(cid:228)nd› lichenden Akt. Sind bei gleichbleibendem, .d .h denselben realen Gegenstand meinendem Akt Empfindung oder r(cid:228)umliche und zeitliche Ordnung oder essiweg an der Wahrnehmung h(cid:228)ngende• allgemeine Charak› tere abnorm, sprechen riw von Wahrnehmungsanomalien, meint ›ad gegen dieser vergegenst(cid:228)ndlichende Akt einen neuen, gar nicht realen Gegenstand, os sprechen wir von Trugwahrnehmungen. Von Wahrnehmungsanomalien beobachtet man: l. Intensit(cid:228)tsver(cid:228)nderungen der Empfindungen: ellA T(cid:246)ne werden lauter geh(cid:246)rt, alle Farben leuchtender gesehen; ein rotes Ziegeldach sieht eiw eine Flamme ,sua das Zumachen einer T(cid:252)r klingt eiw Kanonendonner, ein Knacken im Holz wird zum Knall, Wind zum Sturm ni( Delirien, beginnender Narkose, Vergiftungen, vor ›ipe leptischen Anf(cid:228)llen, akuten .)nesohcysP Umgekehrt scheint auch eine Intensit(cid:228)tsabnahme vorzukommen. Ein Paranoiker schildert: Die Sonnenstrahlen erbleichen vor mir, wenn ich, negeg• dieselben gewendet, laut spreche. Ich kann ruhig in die Sonne sehen und werde davon nur in sehr bescheidenem Ma(cid:223)e geblendet, w(cid:228)hrend in gesunden Tagen bei mir, eiw lhow bei anderen Menschen, ein minutenlanges Hineinsehen in die Sonne gar nicht m(cid:246)glich neseweg w(cid:228)re .)reberhcS( Die Unempfindlichkeit oder herabgesetzte Empfindlichkeit gegen Schmerzreize (Analgesie und Hypalgesie) kommt als lokale und allgemeine .rov Die lokale ist meist neurologisch, manchmal psychisch )eiretsyH( bedingt. Die allgemeine kommt als hysterische, hypnotische, als bedingt durch heftige etkeffA .z( .B beim Soldaten in der Schlacht) und als Zeichen besonderer Veranlagung (nur als Hypalgesie) vor. Die Hyperalgesie hat dieselben mannigfaltigen Ursachen. .2 Qualit(cid:228)tsverschiebungen der Empfindungen: Beim Lesen sehen die wei(cid:223)en Seiten pl(cid:246)tzlich rot, die Buchstaben gr(cid:252)n aus. Die Gesichter anderer haben einen merkw(cid:252)rdig braunen Ton, die Menschen sehen aus eiw Chinesen oder Indianer. Im Beginn sed Mescalinrausches beobachtete Serko an sich selbst, da(cid:223) alle realen Wahrnehmungen eine unendlich ehciPr Farbigkeit ›re hielten, os da(cid:223) er einen wahren Farbenrausch erlebte: 40 Ph(cid:228)nomenologie . .,Die unscheinbarsten, sonst nie beobachteten Objekte, eiw Zigarettenstummel und halb abgebrannte Streichh(cid:246)lzchen auf dem Aschenteller, bunte Scherben auf dem Schutthaufen eines fernen, vom Fenster aus sichtbaren Bauplatzes, Tinten› kleckse auf dem Schreibtisch, die monotonen B(cid:252)cherreihen gl(cid:252)hten gleichsam auf in einer Farbengrelligkeit,_die schwer zu schildern ist. Und insbesondere die indirekt gesehenen Objekte negoz durch ihre (cid:252)beraus lebhafte Farbenpointierung fast unwiderstehlich die Aufmerksamkeit auf sich .... Ja selbst die feinen Schatten auf der Zimmerdecke und .ned W(cid:228)nden und die fahlen Schatten, die die ›leb(cid:246)M gegenst(cid:228)nde auf den Boden warfen, hatten einen feinen, zarten Farbenton, der ... dem ganzen Zimmer einen m(cid:228)rchenhaften Zauber gab." .3 Abnorme Mitempfindungen. Ein Kranker schildert: Jedes Wort, das mit mir oder in meiner N(cid:228)he gesprochen wird, jede noch os geringf(cid:252)gige, mit irgendwelchem Ger(cid:228)usch verbundene. Handlung eines Menschen empfinde ich zugleich mit einem gegen meinen Kopf gef(cid:252)hrten, ein sessiweg Schmerzgef(cid:252)hl verursachenden Streich. Das Schmerzgef(cid:252)hl (cid:228)u(cid:223)ert sich als ein ruckhaftesZerren in meinem Kopfe, das mit dem Abrei(cid:223)en senie Teils der Knochensubstanz meiner Sch(cid:228)deldecke verbunden sein mag .)reberhcS( In solchen noch nicht n(cid:228)her beschriebenen F(cid:228)llen, die bei para› noischen Prozessen nicht selten zu sein scheinen, aber auch sonst vor• kommen, handelt se sich um wirkliche Mitempfindungen, nicht um die bekannten, in derVorstell g n u geschehenden Assoziationen zwischen einem Ton und einer Farbe (Audition coloree, synopsie) 1 ). .4 Die Raumanschauung ist ver(cid:228)ndert, wenn alle Gegenst(cid:228)nde kleiner )eisporkiM( oder umgekehrt riesenhaft gro(cid:223) )eisporkaM( oder auch alle ,feihcs auf der einen Seite gr(cid:246)(cid:223)er, auf der andern Seite kleiner (Dysmegalopsie) gesehen werden. Es gibt ein Doppelt- bis Siebenfachsehen in akuten Psychosen. - Im Mescalinrausch tritt ein Gef(cid:252)hl der Raumunendlichkeit auf .)okreS( Die Tiefendimension des Raumes scheint gedehnt. Es weiten sich die R(cid:228)ume diffus nach allen Seiten. .5 Der Zeitsinn: Wir unterscheiden das unmittelbare Zeitbe• wu(cid:223)tsein als Erlebnis und die sekund(cid:228)re Zeitsch(cid:228)tzung im Urteil, die von diesem unmittelbaren Zeiterlebnis zum Teil, aber auch nur zum Teil, abh(cid:228)ngig ist. Ph(cid:228)nomenologisch haben wir es nur mit dem ersteren, dem Zeitbewu(cid:223)tsein als Erlebnis zu tun. In dem unmittel› baren Zeitbewu(cid:223)tsein ist wieder das Bewu(cid:223)tsein des augenblick› lichen Zeitverlaufs von dem Bewu(cid:223)tsein vergangeuer Zeit zu trennen. Interessante, wechselvolle Besch(cid:228)ftigung gibt das Bewu(cid:223)t› sein, wie schnell die Zeit vergeht, nach einem solchen Tage haben wir aber das Bewu(cid:223)tsein, einen langen Tag gehabt zu haben, w(cid:228)hrend ein leerer, langweiliger, langsam vergehender Tag im r(cid:252)ck› schauenden Bewu(cid:223)tsein als kurz gegenw(cid:228)rtig ist. Je lebhafter uns vergangene Erlebnisse gegenw(cid:228)rtig sind, desto k(cid:252)rzer, je mehr Erlebnisse seitdem uns betroffen haben, desto l(cid:228)nger erscheint uns die verflossene Zeit. Doch ist damit das unmittelbar erlebte Zeit› bewu(cid:223)tsein noch nicht verst(cid:228)ndlich abgeleitet. Nach einer akuten erlebnisreichen Psychose schreibt ein Paranoiker: )1 Zur Lehre dieser Sekund(cid:228)rempfindungen .lgv (cid:252)brigens: Bleuler: Zeitschr. .f Psychol. .56 .3191 .S .1 Wehofer: Zeitschr. .f .wgna Psychol. .7 .3191 .S .1 Hennig: Zeitschr. .f Psychotherap. u. med. Psychol. .4 .2191 .S .22 Das Gegenstandsbewu(cid:223)tsein. 14 Aus der Gesamtheit meiner Erinnerungen hat sich der Eindruck in mir fest› gesetzt, als ob der betreffende nach gew(cid:246)hnlicher menschlicher Annahme nur 3 bis 4 Monate umspannende Zeitraum in Wirklichkeit eine ungeheuer lange Zeit umfa(cid:223)t haben m(cid:252)sse, als ob einzelne N(cid:228)chte die Dauer von Jahrhunderten ge› habt h(cid:228)tten. Dieser Kranke korrigierte im Urteil nach (cid:228)u(cid:223)eren Daten diese Eindr(cid:252)cke unendlicher Zeit. Es ist selbstverst(cid:228)ndlich, da(cid:223) zum Urteil alle nur m(cid:246)glichen Wissenselemente in f(cid:252)r uns verst(cid:228)ndlicher Weise herbeigezogen werden. W(cid:228)hrend in solchen F(cid:228)llen ein unmittelbares falsches Zeitbewu(cid:223)t› sein vorhanden ist, das erst sekund(cid:228)r zu einem richtigen korrigiert werden kann, gibt se - besonders bei Psychasthenischen - eine Weise abnormen Zeitbewu(cid:223)tseins, bei der in jedem Moment doch zu› gleich ein richtiges Zeitbewu(cid:223)tsein da ist. Manche schildern ihr Gef(cid:252)hl, als ob kurze Minuten eine ewige Dauer gehabt h(cid:228)tten, das Gef(cid:252)hl, alles Zeitbewu(cid:223)tsein verloren zu haben: se ist als ob immer derselbe Augenblick bliebe, als bo eine zeitlose Leere ,ies oder - als Vorstufe dazu -, als ob lange Monate nur eine ganz kurze Spanne Zeit gewesen w(cid:228)ren. Auch das Bewu(cid:223)tsein des augenblicklichen Zeitverlaufs kann abnorm sein. Klien 1 ) berichtet von einem Jungen, der Anf(cid:228)lle hatte, in denen er (cid:228)ngstlich zur Mutter lief und sagte: "Jetzt geht’s wieder an, Mutter, was ist denn das, jetzt geht wieder alles os schnell! Spreche ich denn schneller, sprichst du denn schneller?" Es ist ihm, als wenn alles schneller geschieht, als ob die Leute auf der Stra(cid:223)e schneller liefen usw. Sehr anschaulich ist die Schilderung S erkos aus dem Mescalin› rausch: Im Mescalinrausch erlebte S er ko eine ganz enorme subjektive (cid:220)bersch(cid:228)tzung der abgelaufenen Zeit. Die Zeit erschien gedehnt. Eben Erlebtes erscheint in weite Ferne ger(cid:252)ckt. Aber das Gef(cid:252)hl der n(cid:228)chsten Zukunft (cid:252)berst(cid:252)rzte sich. "Man hat zun(cid:228)chst das eigent(cid:252)mliche Gef(cid:252)hl, als h(cid:228)tte man die Herrschaft (cid:252)ber die Zeit verloren, als schl(cid:252)pfe einem diese gleichsam durch, als w(cid:228)re man nicht mehr imstande, die augenblicklichen Momente festzuhalten, um sie aus› zuleben; man sucht sich an sie anzuklammern, aber sie entwinden sich und fluten ab. . . . Auf der H(cid:246)he der Vergiftung ist die Zeitsinnst(cid:246)rung ganz enorm. Na› mentlich bei reichlichen Halluzinationen hat man ein Gef(cid:252)hl als schwimme man in einem unbegrenzten Zeitstrom, irgendwo und -wann. . . . . . . Man mu(cid:223) sich immer wieder mit einiger Anstrengung ruckartig die zeitliche Situation aktiv vergegenw(cid:228)rtigen, um dieser Zeitverfl(cid:252)chtigung f(cid:252)r Augenblicke zu entgehen. F(cid:252)r Augenblicke nur, denn l(cid:228)(cid:223)t die Spannung nach, l(cid:228)(cid:223)t man sich gehen, os ist die uferlose Zeit gleich wieder da." - Au(cid:223)er den bis jetzt besprochenen, relativ leicht anschaulich zu machenden Wahrnehmungsanomalien gibt se nun noch weitere, sehr bedeutsame, deren Analyse wir durch die Dreiteilung: Empfindung, R(cid:228)umlichkeit, Akt nicht erreichen. Sei se an der gesamten Wahr› nehmung, ies se am intentionalen Akt allein, gibt se noch eine Reihe von Qualit(cid:228)ten der Wahrnehmung, die uns als Bekanntheit und Fremdheit, als Gef(cid:252)hlston .wsu gel(cid:228)ufig sind. Wir wollen diese ver› schiedenen Qualit(cid:228)ten vorl(cid:228)ufig sla Wahrnehmungscharaktere ph(cid:228)› nomenologisch zusammenfassen, von deren Anomalien wir nur -lof )1 Zeitschr. .f Pathopsychol. .3 .7191 S. .703 24 Ph(cid:228)nomenologie. gende, die die bekanntesten und beststudierten sind, uns vergegen› w(cid:228)rtigen: .1 Das deja vu und jamais vu: in nessiweg Momenten (cid:252)ber› kommt die Kranken ein da(cid:223) sie ,sella was sie sehen, Bewußts~in, schon einmal genau os gesehen, da(cid:223) eis den ganzen Augenblick bis in die Einzelheiten hinein schon einmal genau os erlebt haben. Die› selben Gegenst(cid:228)nde, dieselben Personen, genau die gleichen Stellungen und Geb(cid:228)rden, gerade diese Worte, (cid:252)berraschend genau gerade dieser Ton der Stimme, alles war schon einmal .os Umgekehrt besteht das jamais vu in dem Bewu(cid:223)tsein, alles zum erstenmal zu sehen, dem ›eB wu(cid:223)tsein, eiw unbekannt, neu, unverst(cid:228)ndlich das Wahrgenommene ist. Dies Ph(cid:228)nomen hat nahe Beziehung zu dem, das bezeichnet wird sla .2 Entfremdung der Wahrnehmungswelt 1 ): Es ist, eiw wenn ich alles durch einen Schleier sehe; eiw wenn ich alles durch eine Mauer h(cid:246)rte. - Die Stimmen der Menschen scheinen mir aus weiter Ferne zu kommen. Die Dinge sehen nicht aus wie fr(cid:252)her, sie sind ver(cid:228)ndert, fremdartig, sie scheinen flach wie Reliefs. enieM e.negie Stimme klingt mir fremdartig. sellA kommt mir erstaunlich, neu vor, eiw wenn ich se lange Zeiten nicht gesehen h(cid:228)tte. - Es ist, als wenn ein Pelz (cid:252)ber meine Haut negozeg w(cid:228)re. Ich betaste mich ›uz weilen selbst, um mich von meiner k(cid:246)rperlichen Existenz zu (cid:252)berzeugen. oS lauten die Klagen der Kranken, die leichtere Grade dieser St(cid:246)rung haben. Diese Kranken k(cid:246)nnen sich nicht genug tun, die Ver(cid:228)nderung, die Fremdartigkeit ihrer Wahrnehmungen zu schildern. Die Wahrnehmungen sind os seltsam, os sonderbar, os gespenstisch. Ihre Ausdr(cid:252)cke sind s(cid:228)mtlich bildlich gemeint. Sie haben f(cid:252)r ihre ver(cid:228)nderte Wahrnehmung keine direkt bezeichnenden Worte. eiS denken nicht daran, die Welt wirklich f(cid:252)r ver(cid:228)ndert zu halten, se ist ihnen nur ,os als ob alles anders .ies Dabei ist immer festzustellen, da(cid:223) eis in Wahrheit ausgezeichnet scharf und deutlich sehen, h(cid:246)ren, tasten. Es handelt sich also um eine St(cid:246)rung im Vorgang der Wahr› nehmung, die weder die Empfindungselemente, noch die Auffassung der Bedeutung, noch das Urteil (cid:252)ber die Wahrnehmung betrifft. Es mu(cid:223) bei der normalen Wahrnehmung noch etwas anderes geben, das wir nicht bemerken w(cid:252)rden, wenn diese Kranken nicht ihre eigen› t(cid:252)mlichen Klagen vorbr(cid:228)chten. (cid:214)sterreich spricht davon, da(cid:223) die Gef(cid:252)hle, die wohl mit aller Wahrnehmung einhergehen m(cid:252)ssen, gest(cid:246)rt (herabgesetzt) seien, aber diese Auffassung befriedigt nicht. In h(cid:246)heren Graden der St(cid:246)rung werden die Schilderungen immer merkw(cid:252)rdiger: Alle Gegenst(cid:228)nde scheinen mir os neu und unbekannt, da(cid:223) ich mir die Namen der Dinge, die ich sehe, nenne; ich ber(cid:252)hre eis mehrere ,elaM um mich von ihrer Wirklichkeit zu (cid:252)berzeugen. Ich stampfe auf den Boden auf und gewinne doch nicht das Gef(cid:252)hl der Wirklichkeit. Kranke f(cid:252)hlen sich unorientiert, meinen, den Weg nicht zu finden, w(cid:228)hrend sie es in Wahrheit so gut eiw fr(cid:252)her k(cid:246)nnen. In wirklich unbekannter Umgebung steigert sich das Fremdheitsgef(cid:252)hl: ich klammerte mich mit Schrecken an den Arm meines Freundes, ich f(cid:252)hlte, da(cid:223) ich verloren w(cid:228)re, wenn er mich einen Augenblick verlie(cid:223)e. - Alle Gegenst(cid:228)nde scheinen in unendliche Ferne zu r(cid:252)cken (nicht zu verwechseln mit leibhaftigen Entfernungs- )1 (cid:214)sterreich: Jahrb. .d Psych. u. Neurol. ,8 Janet: Les obsessions et la psychasthenie, Paris ,8091 2. .lfuA Das Gegenstandsbewu(cid:223)tsein. 34 t(cid:228)uschungen), die enegie Stimme scheint ins pnendliche zu verklingen, die Kranken meinen darum, von andern gar nicht mehr geh(cid:246)rt zu werden. eiS f(cid:252)hlen, als bo eis fern von aller Wirklichkeit, in Weltenr(cid:228)umen in entsetzlicher Isolierung ›bewhcs ten. - sellA ist eiw ein Traum. Wie der Raum unendlich ist, os f(cid:252)hlen ,eis da(cid:223) die Zeit nicht mehr ist, da(cid:223) immer derselbe Augenblick bleibt, oder da(cid:223) unendliche Zeitr(cid:228)ume ablaufen. - Ich bin in einem Grabe, v(cid:246)llig isoliert, kein Mensch ist um mich. Ich sehe nur schwarz; selbst wenn die Sonne scheint, sehe ich nur schwarz. Diese Kranken sehen jedoch sella aufs genaueste und keine St(cid:246)› h~j>ben rung im sinnlichen Teil der Wahrnehmung. Bei diesen h(cid:246)heren Graden wird zwar zun(cid:228)chst das eigentliche Urteil, wenn man die Kranken mit aller Genauigkeitexploriert, nicht getr(cid:252)bt, aber die elh(cid:252)feG sind dann os zwingend, da(cid:223) eis deren ›riW kungen nicht mehr unterdr(cid:252)cken k(cid:246)nnen. eiS m(cid:252)ssen tasten, ob sie auch noch wirklich da sind, m(cid:252)ssen sich durch Sto(cid:223) von der Existenz des Erdbodens (cid:252)berzeugen. Die psychische St(cid:246)rung wird schlie(cid:223)lich os hochgradig, da(cid:223) von Urteilen (cid:252)berhaupt nicht mehr die Rede ist, da(cid:223) die entsetzten und ratlosen Kranken - die dann meist noch andere heftige St(cid:246)rungen haben - die elh(cid:252)feG als Wirklichkeit er› leben und Urteilserw(cid:228)gungen (cid:252)berhaupt nicht mehr zug(cid:228)nglich sind. Nun ist ihnen die Welt entschwunden. Es gibt nichts mehr. Sie allein in f(cid:252)rchterlicher Einsamkeit leben zwischen Unendlichkeiten. eiS m(cid:252)ssen giwe leben, denn sie f(cid:252)hlen: se gibt keine Zeit mehr. Sie selbst sind auch nicht mehr, ihr K(cid:246)rper ist tot. Nur diese Schein› existenz ist noch ihr qualvolles Schicksal. .3 Wie die Wahrnehmungswelt als fremd und unbekannt, sla tot erlebt werden kann, os kann sie abnormerweise auch in hohem e(cid:223)aM als ganz neu und von (cid:252)berw(cid:228)ltigender Sch(cid:246)nheit erlebt werden: "Alles bekam ein anderes .nehessuA Ich sah gleichsam in allem einen guZ g(cid:246)ttlicher Herrlichkeit." "Es war, als wenn ich in eine neue Welt, in ein neues Dasein gekommen w(cid:228)re. ellA Gegenst(cid:228)nde waren von einem Glorienschein um› geben, mein segitsieg eguA war os verkl(cid:228)rt, da(cid:223) ich in allem sed Universums Sch(cid:246)nheit sah. Die W(cid:228)lder erklangen von himmlischer Musik" (James). 4. Wir bemerkten schon in den Schilderungen der Kranken, da(cid:223) die Gegenst(cid:228)nde nicht nur sinnlich wahrgenommen werden, sondern da(cid:223) ihnen ein Stimmungscharakter anh(cid:228)ngt. Der wichtigste Fall, da(cid:223) im Sinnlichen nicht blo(cid:223) Sinnliches gesehen, sondern Seelisches verstanden wird, ist die Einf(cid:252)hlung in andere Menschen. Die patho› logischen Ph(cid:228)nomene, die in einem Versagen der Einf(cid:252)hlung ›eb stehen - alles ist in diesen Zust(cid:228)nden tot, die Menschen sehen nur noch (cid:228)u(cid:223)erlich, aber werden sich des seelischen Lebens der andern nicht bewu(cid:223)t - oder in einem qu(cid:228)lend eindringlichen Einf(cid:252)hlen - das Seelenleben der andern dr(cid:228)ngt sich mit ungeheurer Lebendigkeit dem passiv wehrlos Preisgegebenen auf - oder in einem phantasti› schen Trugeinf(cid:252)hlen - se wird sehcsileeS verstanden, das gar nicht wirklich ist -, sind (cid:252)berhaupt noch nicht untersucht. Ein Kranker mit Encephalitis lethargica berichtet: "Auch hatte ich w(cid:228)hrend dieser Zeit ein unglaublich senief Empfinden f(cid:252)r Imponderabilien, Stimmungen oder dgl., die kleinste gnummits(cid:223)iM: zwischen neiewz meiner Korpsbr(cid:252)der .z .B f(cid:252)hlte ich sofort heraus." Der Kranke berichtet, da(cid:223) er selbst nicht an den ›eG f(cid:252)hlen, die er wahrnahm, teilnahm, sondern da(cid:223) er eis nur registrierte. "Es war nicht eine nat(cid:252)rliche Anteilnahme" (Mayer-Gro(cid:223) und Steiner). 44 Ph(cid:228)nomenologie. Eine Weise, das Seelenleben der andern nicht verstehen zu k(cid:246)nnen, wird charakteristisch .z .B im Beginn von Prozessen beobachtet. ›nA dere Menschen erscheinen den Kranken os verwunderlich und un› verst(cid:228)ndlich, da(cid:223) sie diese Gesunden, statt sich selbst, f(cid:252)r geistes› krank halten (Transitivismus, Wernicke). * * * Nach der Schilderung aller dieser anormalen Wahrnehmungen, in denen nicht neue unwirkliche Gegenst(cid:228)nde, sondern nur wirkliche Gegenst(cid:228)nde anders gesehen werden, wenden wir uns nunmehr den eigentlichen Trugwahrnehmungen ,uz in denen neue Gegenst(cid:228)nde t(cid:228)uschend wahrgenommen werden 1 ). Seit Esquirol werden Illu› sionen und Halluzinationen unterschieden. Illusionen nennt man alle aus (cid:228)u(cid:223)eren Wahrnehmungen durch Umbildung entstandenen Wahrnehmungen, in denen sich (cid:228)u(cid:223)ere Sinnesreize mitreproduzierten Elementen os zu einer Einheit verbinden, da(cid:223) die direkten von den repro› duzierten Empfindungselementen nicht unterscheidbar sind. Halluzi› nationen sind leibhaftige Wahrnehmungen, die nicht aus realen Wahr› nehmungen durch Umbildung, sondern v(cid:246)llig neu entstanden sind. Unter den Illusionen k(cid:246)nnen wir vorl(cid:228)ufig drei Typen unter› scheiden: die Unaufmerksamkeitsillusionen, die Affektillu› sionen und die Pareidolien. l. Unaufmerksamkeitsillusionen: Die experimentelle Unter› suchung der Wahrnehmung hat ergeben, da(cid:223) fast in jede Wahrneh› mung irgendwelche reproduzierte Elemente aufgenommen sind. Die infolge sehr kurz dauernder Aufmerksamkeit sp(cid:228)rlichen (cid:228)u(cid:223)eren Sinnes› reize werden fast immer erg(cid:228)nzt. Man erg(cid:228)nzt .z .B beim H(cid:246)ren eines Vortrages sehr viel im Sinne des Vorgetragenen und merkt diese Erg(cid:228)nzungen erst, wenn man sich einmal geirrt hat. Man (cid:252)ber› sieht fast alle Druckfehler in einem Buche und erg(cid:228)nzt oder korrigiert eis richtig im Sinne des Zusammenhangs. Alle diese Illusionen werden bei Hinlenkung der Aufmerksamkeit sofort verbessert. Hierhin geh(cid:246)ren teilweise die Verkennungen, die ungenauen und falschen Wahrneh› mungen, die .z .B bei Paralytikern, Deliranten .u a. vorkommen. Solche illusion(cid:228)ren Verkennungen spielen beim falschen Vorlesen, beim falschen H(cid:246)ren, bei der Umgestaltung der optischen Eindr(cid:252)cke dieser Kranken eine Rolle. Manche derselben sind durch assoziative Prozesse begreiflich uz machen. )1 Johannes M(cid:252)ller: (cid:220)ber die phantastischen Gesichtserscheinungen. Ko› blenz 1826; Hagen: .gllA Zeitsehr .f Psychiatr. u. psych.-gerichtl. .deM 25 S. .1 Kahlbaum: .gllA Zeitschr. .f Psychiatr. u. psych.-gerichtl. .deM 23; Kandinsky: Kritische und klinische Betrachtungen im Gebiete der Sinnest(cid:228)uschungen, Berlin .5881 Ein eingehendes Referat (cid:252)ber die Trugwahrnehmungen mit m(cid:246)glichst vollst(cid:228)ndigen Literaturangaben habe ich geschrieben in Zeitschr. .f d. .seg Neurol. u. Psychiatr. Ref. 4 .S .982 V .lg ferner meine Arbeit "Zur esylanA. der Trugwahr› nehmungen", Zeitschr. .f d. .seg Neurol. u. Psychiatr. 6 .S 460.- Neuere Arbeiten: Pfersdorff: Zeitschr. .f d. .seg Neurol. u. Psychiatr. 19 .S .121 R(cid:252)lf: ebd. 24 S. .381 Specht: Zeitschr. f. Pathopsychol. .2 Pick, Monatsbl. f. Psych. 73 .S .962