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Allgemeine Literaturwissenschaft: Konturen und Profile im Pluralismus PDF

186 Pages·1999·12.317 MB·German
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Carsten Zelle (Hrsg.) Allgemeine Literaturwissenschaft Carsten Zelle (Hrsg.) Allgemeine Literaturwissenschaft Konturen und Profile im Pluralismus Westdeutscher Verlag Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Allgemeine Literaturwissenschaft: Konturen und Profile im Pluralismus / Carsten Zelle (Hrsg.). - Opladen : Westdt. Ver!., 1999 Alle Rechte vorbehalten © Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen/Wiesbaden, 1999 Der Westdeutsche Verlag ist ein Unternehmen der Bertelsmann Fachinformation GmbH. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbe sondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. http://www.westdeutschervlg.de Höchste inhaltliche und technische Qualität unserer Produkte ist unser Ziel. Bei der Produk tion und Verbreitung unserer Bücher wollen wir die Umwelt schonen: Dieses Buch ist auf säu refreiem und chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt. Die EinschweilUolie besteht aus Po lyäthylen und damit aus organischen Grundstoffen, die weder bei der Herstellung noch bei der Verbrennung Schadstoffe freisetzen. Umschlaggestaltung: Christine Huth, Wiesbaden ISBN 978-3-531-12933-4 ISBN 978-3-322-93525-0 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-93525-0 Inhalt Carsten Zelle Vorbemerkung ............................................................................................... 7 I. Grundlagen Ursula Link-Heer Über den Ort der Literatur im Haushalt der Wissenschaften ............................ 13 C'laudia Brodskv Lacour Komparatistik im multikulturellen Kontext: Vergleichsgrundlagen ................. 25 Carsten Zelle Comparaison/Vergleichung. Zur Geschichte und Ethik eines komparatistischen Genres ................................................................................ 33 11. Profile Ursula Link-Heer Zur 'Erfindung' von Disziplinen gestern und heute - Plädoyer für eine kultur- und metatheoretische Orientierung der' Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft' ............................................................ 61 Peler I ~ Zima Literaturwissenschaft zwischen Autonomie und Heteronomie: Die Herausforderung durch die Sozialwissenschaften ..................................... 80 Siegfried 1. Schmidt Allgemeine Literaturwissenschaft - ein Entwurf und die Folgen .................... 98 111. Konturen und Perspektiven - Literatur, andere Künste, Neue Medien r 'olker RolojJ Intcrrnedialität als neues Forschungsparadigma der Allgemeinen Literaturwissenschaft ....................................................................................... 115 Peter Gendolla Allgemeine Literatunvissenschaft im Gravitationsfeld Neuer Medien und Technologien (mit 99 Titeln zum Thema im Anhang) ..................................... 128 K. Ludwig Pfeiffer Geist - Kultur - Markt. Zur wissenschafts geschichtlichen Symptomatologie der Allgemeinen Literatunvissenschaft ............................... 145 IV. Modelle Horst Albert Glaser Allgemeine und Vergleichende Literatunvissenschaft - das Essener Modell .......................................................... . . ............. 167 Kar! Riha Siegener Modell! - Modell Siegen? Zum Konzept der Allgemeinen Literatunvissenschaft an der Universität-Gesamthochschule Siegen ................ 172 William Franke und John McCarthy Eine Kontextbestimmung der Vergleichenden Literatunvissenschaft- das Beispiel Vanderbilt.......................................................................... ......... 181 Die Autorinnen und Autoren........................................................................... 192 Vorbemerkung Carsten Zelle Die Allgemeine Literaturwissenschaft ist ein von Natur aus 'labiles' Fach zwischen den Nationalphilologien, den Feldern traditioneller Literaturphilosophie bzw. Äs thetik und den neuen Medienwissenschaften. Die besondere "Labilität"1 der Allge meinen Literaturwissenschaft im Fächersystem wird ergänzt von einem ungeklärten Verhältnis zur Komparatistik. Das Verhältnis von Allgemeiner und Vergleichender Literaturwissenschaft schwankt trotz der geläufigen institutionellen Doppeldeno mination. Im Zuge seiner Unterscheidung von monoliteraler Nationalliteratur ("Litterature nationale"), biliteraler Komparatistik ("Litterature comparee") und polyliteraler Allgemeiner Literaturwissenschaft ("Litterature generale") betrachtete Paul Van Tieghem letztere quasi als Telos und Krönung literaturwissenschaftlicher Arbeit.2 Die Kritik an der falschen Konzeption einer eigenständigen Nationalliteratur im Namen eines europäischen Literaturensembles der Themen,. Topoi, Formen und Gattungen führte dagegen bei Rene Wellek dazu, die Grenzen zwischen Kompara tistik und Allgemeiner Literaturwissenschaft als "fließend" zu bezeichnen und den übergreifenden Begriff ,:Literaturwissenschaft'" zu favorisieren.3 Gerade die von Wellek als "zwangsläufig" herausgestellten Überschneidungen mit der Komparati stik führten jedoch auch zu dem Vorschlag, den Ausdruck 'Allgemeine Literatur wissenschaft' möglichst ganz zu vermeiden: "Zu viele Köpfe stellen sich [. .. ] zu Unterschiedliches darunter vor:,4 Als Lehre von den Prinzipien und Methoden der wissenschaftlichen Literaturbe trachtung ist die Allgemeine Literaturwissenschaft integraler Teil der Vergleichen den Literaturwissenschaft ebenso wie jeder einzelsprachlichen Philologie.5 Ein sol cher Versuch, AL inhaltlich zu fixieren und disziplinär zu situieren, veranschau licht sogleich die prekäre Lage, in der sich begibt, wer Konturen und Profile des Fachs diskutieren will in einem Moment, in dem die Anrainerdisziplinen - je nach Sichtweise - in Bewegung bzw. in die Krise geraten sind, und zwar durch 1 Wilfi"ied Bamer: .,Das Besondere des Allgemeinen. Zur Lage der Allgemeinen Literaturwissenschaft aus der Sicht eines ·Neugermanisten"'. In: Die sog. GeisteSWissenschaften. Innenansichten. Hg. Wolfgang Prinz, Peter Weingart. Frankfurt am Main 1990, 189-203, hier: 190. 2 Paul Van Tieghem: La litterature comparee. Paris 1931, 175 . .\ Rene Wellek: .,Die Theorie der Vergleichenden Literaturwissenschaft" [eng!. 1953]; abgedr. in: Verglei chende Literaturwissenschaft. Hg. Hans Norbert Fügen. Düsseldorf, Wien 1973, 101-107, hier: 106. 4 Henry H. H. Remak: .,Definition und Funktion der Vergleichenden Literaturwissenschaft" [1961, 21971]. In: Komparatistik. Aufgaben und Methoden. Hg. Horst Rüdiger. Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1973, 11- 54. hier: 23. Vgl. Horst Oppel: ,,zur Situation der Allgemeinen Literaturwissenschaft". In: Die Neueren Sprachen N.F. 2 (1953), 4-17, hier: 4, und Dietrich Scheunemann: "Komparatistik". In: Erkenntnis der Literatur. Hg. Dietrich Harth, Peter Gebhardt. Stuttgart 1982,228-242, hier: 238. 8 Carsten Zelle wechselnde Theorievorgaben seit der 'Methodendiskussion ' einerseits, eine mehrfa che (interkulturell, -textuell und -medial) Erweiterung des Literaturbegriffs seit den frühen 70er Jahren (sowie eine damit verbundene 'Verwissenschaftlichung' der Li teraturbetrachtung) andererseits. Für keinen der im ersten Satz dieses Absatzes ge nannten Begriffe wäre heute wohl unter Fachvertretern leicht Konsens zu erzielen, z.B. darüber, ob hermeneutische Praktiken wie Textauslegung oder Interpretation, literaturgeschichtliche Gelehrsamkeit oder Literaturkritik ('criticism') als Formen wissenschaftlicher Literaturbetrachtung passieren dürften. Szientifisch ausgerich tete Literaturwissenschaftier würden wohl in allen drei Fällen negativ votieren. Nun ist freilich die Krise im allgemeinen die normale zeitliche Verlaufsform der Moderne und die Krise der Literaturwissenschaft im besonderen ihr permanenter, d.h. wissenschaftliche Innovation und geistige Regsamkeit indizierender Zustand. Bereits die früheste literaturwissenschaftsgeschichtliche Bestandsaufnahme stellte "das Dickicht der prinzipiellen, methodologischen und sachlichen Meinungsver schiedenheiten in der gegenwärtigen Literaturforschung" fest und konstatierte mit Blick auf die Germanistik: "Das Bild, das die deutsche Literaturforschung der Ge genwart [ ... ] darbietet, ist [. .. ] Chaos.',6 Das war 1928. Interdisziplinäre Öffnungen, Gegenstandserweiterungen, Methodenpluralismus etc. und eine daraus folgende Unübersichtlichkeit sind keineswegs neu bzw. Spezi fika der gegenwärtigen Situation der Literaturwissenschaft oder gar ihr "postmo dernes" Symptom. Krisen - sei es "The Crisis of Comparative Literature", d.h. die Debatte über den französischen oder amerikanischen Weg in der Vergleichenden Literaturwissenschaft der 50er/60er Jahre, sei es die "Krise der Germanistik", die DIE ZEIT 1997 ironischerweise durch die Auflösung der Disziplin für beendet er klärt hat - sind Zeichen intensiver Diskussionsfreude und beschleunigter Fache volution, für die - das ist freilich richtig - curriculare Strukturen zu finden sind, damit die Forschungsdynamik sich nicht in studentischer Orientienmgslosigkeit rächt. Gerade hat arcadia. Zeitschrift für Allgemeine und Vergleichende Literaturwis senschaft das humanistische ,,'One world' -Programm" ihrer Gründerjahre über Bord geworfen und die traditionelle Konzentration auf den westlichen Kanon zu gunsten des "Kulturvergleichs" bzw. einer "cultural study of literature" einge tauscht: "Diese Öffnung muß jetzt erfolgen.,,7 Der dramatische Gestus solcher Öff nungen, der den Vorgaben der amerikanischen Diskussion im Anschluß an den Bernheimer-Report ("We feel that comparative literature is at a critical [Herv. C.z.] junction in its history."s) sowie der sozial- und kulturwissenschaftlichen Op tion in den benachbarten Einzel- bzw. Nationalphilologien (etwa der Germanistik) 60skar Benda: Der gegenwärtige Stand der deutschen Literaturwissenschafi. Eine erste Einführung In die Problemlage. Wien, Leipzig 1928, 5 und 59. 7 arcadia 31 (1996), H.Jl2 (Thema: "Kulturkonflikte in Texten"), Editorial, III f; vgl. arcadlQ 33 (1998), H. I (Thema: "Literature and Cultural History/Literatur und Kulturgeschichte"), IntroductioniEinleitung, 1-7, bes. I. 8 "The Bernheimer Report, 1993. Comparative Literature at the Turn of the Century". In: Comparatlve Literature in the Age ofMulticulturalism. Ed. CharIes Bernheimer. Baltimore. London 1995, 39-48, hier: 47. Vorbemerkung 9 folgt sonte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Alternative zwischen extrinsischem und intrinsischem Theorieansatz stets kontrovers diskutiert worden ist. Mit der kulturvergleichenden Öffnung hat - sehr überspitzt formuliert - zu letzt doch die 'französische Stunde' (Claudio Guillen) in der Vergleichenden Lite raturwissenschaft geschlagen. Denn Welleks Abgrenzung gegenüber den Kompa ratisten der Sorbonne mit ihrem literaturwissenschaftlichen "Außenhandel" der 'rapports' stand nicht nur im Zeichen von Literaturtheorie, Literaturkritik und All gemeiner Literaturwissenschaft ("Literatur ist etwas Unteilbares [ .. .]."). Vielmehr basierte Welleks Kontraposition auf einem engen Begriff der Literatur (,Jiterari ness"), mit dem er der Gefahr entgehen wollte, daß die Literaturwissenschaft sich in Soziologie, Psychologie etc., kurz: ,jegliche Art von Kulturgeschichte", auflöse.9 Das (amerikanische) Votum für Theorie, Kritik und Methode, die literaturge schichtlichen Positivismus konterkarieren sollte, war zugleich Votum gegen eine kulturgeschichtliche Offenheit der Literaturwissenschaft. Die Situation ist jetzt umgekehrt: Während der Bernheimer Report, ein offiziel les Konsenspapier der ' Amcrican Comparative Literature Association' CA CU), die literaturwissenschaftlichen Weichen an der Wende des Jahrtausends von literari schen Erscheinungen als dem früheren Focus des Fachs auf die vielfältigen diskur siven Praktiken kultureller Produktion umstellt, warnen Kritiker wie Jonathan Culler davor, daß mit dem Aufgreifen kulturwissenschaftlicher Vorgaben nicht nur der Gegenstandsbereich ins Grenzenlose aufgelöst werde. Vielmehr tauge der 'cul tural turn' gerade nicht dazu, die Allgemeine (und Vergleichende) literaturwissen schaft zu profilieren: "Today, when national literature departments have increa singly become sites where a wide range of cultural objects are studied - not just film and popular culture but discourses of sexuality, conduct books, and any dis course that contributes to the construction of cultures and individuals - the turn from literature to other cultural productions will not help to differentiate or define comparative literature."!O Auf deutsche Verhältnisse übertragen, könnte man etwas polemisch sagen, daß in dem Augenblick, wo z.B. die Germanistik Interkulturalität und Neue Medien auf ihre Fahnen geschrieben hat, kultur- und medienwissen schaftliche Öffnungen eben gerade nicht profilschärfende Auswirkungen zeitigen. (Man gerät bestenfalls in einen Verdrängungswettbewerb um knappe Ressourcen.) Das Besondere der Allgemeinen Literaturwissenschaft (und der Komparatistik) er gibt sich vielmehr stets nur aus ihrem komplementären bzw. supplementären Ver hältnis zu den Einzelliteraturwissenschaften. Die Beiträge dieses Bandes konturieren Geschichte, Stand und Perspektiven der Allgemeinen Literaturwissenschaft im deutschsprachigen Raum (und Nordame rika), profilieren ihre Stellung zwischen Sozial-, Kunst-, Medien- und Kulturwis senschaften und präsentieren curriculare Modelle in Essen, Siegen und Nashville. Der Band wendet sich an Studierende und Lehrende der verschiedenen Literatur wissenschaften sowie der Komparatistik. 9 Wellek: Die 'Ibeorie der Vergleichenden Literaturwissenschaft (~Amn. 3),105. 10 Jonathan Culler: "Comparative Literature, at last!" In: Comparatlve Ltterature (= Amn. 8), 117-121, hier: 119. 10 Carsten Zelle Hervorgegangen sind die Beiträge dieses Bandes aus der Vortragsreihe "Kontu ren der Allgemeinen Literaturwissenschaft - Profile im Pluralismus", die von mir im Wintersemester 1995/96 in Zusammenarbeit mit dem Team 'Allgemeine Lite raturwissenschaft' am Fachbereich 3: Sprach- und Literaturwissenschaften der Universität-Gesamthochschule Siegen organisiert wurde. Ziel der Reihe war es ei nerseits, einen Diskussionsprozeß über das disziplinäre Selbstverständnis im Team der in diesem Studiengang Lehrenden in Gang zu setzen, andererseits unseren Stu dierenden theoretische und curriculare Orientierungsvorgaben - auch über den Siegener Horizont hinaus - anzubieten. Den damaligen Vor- sowie den später hinzugestoßenen Beitragenden möchte ich an dieser Stelle herzlich für ihr Engagement danken. Gregor Schwering danke ich für die Übersetzung eines Beitrags aus dem Englischen, Patricia Keßler für ihre Mitarbeit an der Herstellung und Korrektur der Druckvorlage. Wenn wir wüßten, was die Allgemeine Literaturwissenschaft ist, könnten wir damit aufhören. Siegen, Anfang März 1999 I. Grundlagen

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