Gabler-Studientexte M. R. Lehmann Allgemeine Betriebswirtschaftslehre Allgemeine Theorie der Betriebswirtschaft Third Edition Prof. Dr. Dr. M. R.lehmann: Allgemeine Betriebswirtschaftslehre Professor Dr.-Ing., Dr. rer. pol. M. R. Lehmann Allgemeine Betriebswirtschaftslehre Allgemeine Theorie der Betriebswirtschaft 3. Auflage Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH ISBN 978-3-663-12780-2 ISBN 978-3-663-13843-3 (eBook) DOI 10.1007/978-3-663-13843-3 Verlags-Nr. 327 Copyright by Springer Fachmedien Wiesbaden 1956 Ursprünglich erschienen bei Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler Wiesbaden 1956 Vorwort Das Buch, dessen dritte Auflage hiermit vorgelegt wird, wendet sich sowohl an den Studierenden der Betriebswirtschaftslehre, gleich gültig, ob er sich mit diesem Fach an einer Hochschule bzw. Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften oder an einer Hochschule anderen Charakters zu beschäftigen hat, als auch an den Mann in der Praxis, der das Bedürfnis fühlt, sich für seine Berufsarbeit ein theoretisches Grundwissen anzueignen. Das Buch ist dabei getragen von dem Gedanken, daß das historisch bedingte Nebeneinander von Volkswirtschaftslehre (Nationalökonomie einschließlich Finanzwissen schaft) und Betriebswirtschaftslehre keine eigentliche Daseinsberech tigung mehr hat, sondern daß im Grunde nur eine zugleich gesamt wirtschaftliche und einzelwirtschaftliche Theorie zu in sich wider spruchslosen Ergebnissen zu führen vermag. Diese Grundauffassung ist vom Verfasser bereits in der ersten Auf lage des Buches (von 1928) und, tiefer begründet, namentlich in dessen zweiter Auflage (von 1949) vertreten worden. Darauf beruht es vor allem, daß sich an der Zielsetzung und an den Sachergebnissen in der jetzt vorliegenden dritten Auflage gegenüber der zweiten Auf lage des Buches praktisch nichts geändert hat. Lediglich die Dar stellung mußte zum Teil (namentlich im Hauptabschnitt III) an die späteren Veröffentlichungen des Verfassers, speziell an die 4. Auflage seiner "Industriekalkulation" (Stuttgart 1951) sowie an die Bücher "Grundfragen und Sachgebiete der industriellen Betriebsstatistik" (Essen 1953) und "Leistungsmessung durch Wertschöpfungsrechnung" (Essen 1954) in gewissen Formulierungen angepaßt werden. Außer dem wurden, soweit sich das, ohne den Gesamt-Charakter des Buches zu verändern, als möglich bzw. zweckmäßig erwies, neuere fremde Veröffentlichungen in der neuen Auflage mit berücksichtigt. Dem Studierenden in den ersten Semestern wird empfohlen, sich zunächst nur die Hauptabschnitte I ("Grundtatsachen des Wirtschafts lebens"), H ("Der Gegenstand der Betriebswirtschaftslehre") sowie VI ("Geschichte der Betriebswirtschaftslehre") vorzunehmen. Die Hauptabschnitte IH, IV und V dagegen sind erst für spätere Semester bestimmt. Dabei behandeln die Hauptabschnitte III und IV ("Die Grundbegriffe der Betriebswirtschaftslehre" und "Grundlagen der Finanzierung") die betriebswirtschaftlichen Sachgebiete allgemeinen Charakters, mit dem Hauptabschnitt V ("Arbeitsmethoden und Glie derung der Wirtschaftswissenschaft und im besonderen der Betriebs wirtschaftslehre") dagegen wird namentlich beabsichtigt, dem Leser eine Vorstellung von den wichtigsten Methodenfragen des Faches zu vermitteln; diesen Teil des Buches sollte also der Studierende vor allem zur Hand nehmen, wenn er im Begriff steht, an eigene wissen schaftliche Arbeiten (Diplomarbeit, Vorbereitung von Rt!feraten) heranzugehen. Obgleich das Buch (siehe Untertitel) theoretische Ziele verfolgt, führt es doch den Haupttitel "Allgemeine Betriebswirtschaftslehre". Das bedeutet, daß in ihm nur die Sach- oder Fragengebiete abgehandelt sind, die in allen Wirtschaftszweigen im Prinzip die gleiche Rolle spielen, wie das namentlich in bezug auf die Sphäre des Finanziellen (Hauptabschnitt IV) der Fall ist. Spezifisch produktionswirtschaftliche Probleme, zu denen z. B. das Problem der StandortswahJ gehört, hin gegen sind grundsätzlich unberücksichtigt gelassen worden, weil vom Verfasser die Ansicht vertreten wird, daß sie sich mit wirklichem Nutzen für den Leser nur in bezug auf die einzelnen Wirtschafts zweige anschaulich erörtern lassen. Was der Verfasser in dieser Hin sicht, soweit die Verhältnisse in der Industrie in Betracht kommen, zu sagen hat, findet der Leser in der "Industriebetriebslehre" des Verfassers, ein Buch, mit dessen Erscheinen ebenfalls in absehbarer Zeit zu rechnen ist. Nürnberg, Januar 1956 M. R. Lehmann Inhaltsverzeichnis Seite I. Grundtatsacben des Wirtschaftslebens 9 1. Das Wesen des Wirtschaftens 9 2. Planen, Vergleichen und Wählen als Wesensmerkmale des Wirtschaftens . 10 3. Die Kräfte des Wirtschaftslebens 12 4. Die Stellung der Wirtschaft zwischen Natur und Kultur 16 5. Güterwelt und Geldwelt der Wirtschaft 18 6. Produktionsgebiet, Konsumtionsgebiet und Finanzgebiet der Wirtschaft . 21 7. Die Entfaltungsstufen der Wirtschaft 26 8. Bedarfsdeckung und Wirtschaftlichkeit 29 11. Der Gegenstand der Betriebswirtschaftslehre 33 1. Hauswirtschaften und Betriebswirtschaften 33 2. Unmittelbar produktive und (nur) mittelbar produktive Betriebs- wirtschaften 39 3. Die Öffentlichen Haushalte . 45 4. Betrieb und Unternehmung . 51 5. Werk, Geschäft und Unternehmung. 60 6. Der betriebswirtschaftliche Charakter der einzelnen Wirtschaftszweige . 65 7. Die Betriebswirtschaft als technisch-organisatorisches Gebilde 70 8. Die Betriebswirtschaft als Rechtsgebilde 73 UI. Die Grundbegriffe der Betriebswirtschaftslehre 76 1. Die Arten der betriebswirtschaftlichen Begriffe 76 2. Die Quantitätsbegriffe im besonderen . 78 3. Dynamische und statische Begriffe, die Begriffe des Beziehungszeitraums und des Beziehungszeitpunkts 84 4. Die Elementarbegriffe der Wirtschaft 87 5. Umsatz, Vermögen und Umsatzzeit . 95 6. Die persönlichen und die sachlichen Kräfte der Betriebswirtschaft, ihre Nutzungszeit und ihre Nutzung 104 7. Der Preis . 109 a) Wesen und Art der Preise 109 b) Die Bestimmungsgründe der Preise 114 c) Die Preise im Dienste der Wirtschaftslenkung 119 d) Die betriebswirtschaftlichen Preise . 124 8. Die Grundbegriffe des Wirtschaftlichkeitsdenkens 127 9. Die Grundbegriffe des Bedarfsdeckungsdenkens 143 10. Das Risiko 151 IV. Grundlagen der Finanzierung 159 1. Die spezifischen Finanzprobleme der Wirtschaft 159 2. Kapital, Kapitalnutzung, Zinsfuß und Zins . 160 3. Der Kredit 173 4. Das Geld . 185 5. Die Entwicklung der Kapitalwirtschaft 194 6. Die vier Grund-Einzelwirtschaftstypen als Finanzgebilde . 201 a) Die Stellung der (unmittelbar produktiven) Betriebswirtschaften und der Hauswirtschaften im Kreditsystemder Gesamtwirtschaft 201 b) Betriebswirtschaftliche Produktivgütererzeugungund hauswirt- schaftliche Spartätigkeit als Grundlagen der Kapitalbildung 203 c) Die Kreditbeziehungen der Öffentlichen Haushalte 208 d) Die Banken als spezifische Finanzgebilde und deren Gesamt- system . 213 e) Produktive und konsumtive Geld- und Kapitalerzeugung der Banken 218 7. Das Rentabilitätsproblem 222 a) Die Rentabilität im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsdenkens 222 b) Die finanzwirtschaftliche Rentabilität im besonderen 229 c) Die Rentabilität der Banken . 238 8. Das Liquiditätsproblem . 240 a) Die Liquidität im Rahmen des Bedarfsdeckungsdenkens 240 b) Die Liquidität der unmittelbar produktiven Betriebswirtschaften 242 c) Die Liquidität der Banken 252 9. Die internationalen Finanzbeziehungen . 257 V. Arbeitsmethoden und Gliederung der Wirtscha.ftswissensdlaft und im besonderen der Betriebswirtschaftslehre 266 1. Die Stellung der Wirtschaftswissenschaft im Rahmen der Gesamtwissenschaft 266 2. Die wichtigsten Methodenfragen der Wirtschaftswissenschaft . 270 a) Generalisierende und individualisierende Forschungsmethoden (Wirtschaftstheorie und Wirtschaftsgeschichte) . 271 b) Dynamische und statische Wirtschaftstheorie 277 c) Mechanische, organische und arteigene Betrachtung der Wirtschaft . 280 d) Induktion und Deduktion. 285 e) Abstraktion und Determination 287 f) Denken und Schauen in der Wirtschaftswissenschaft 296 3. Die Einteilung der Gesamt-Wirtschaftswissenschaft 301 4. Die Einteilung der Betriebswirtschaftslehre 309 5. Wissenschaftliche Objektivität und persönliche überzeugung . 314 VI. Geschichte der Betriebswirtschaftslehre 321 1. Die Vorläufer der Betriebswirtschaftslehre. 321 2. Die Wurzeln der modernen Betriebswirtschaftslehre 326 3. Die Entwicklung der modernen Betriebswirtschaftslehre . 329 4. Die Zukunft der deutschen Wirtschaftswissenschaft und im besonderen der Betriebswirtschaftslehre 334 Verzeichnis der Abkürzungen 341 I. Grundtatsachen des Wirtschaftslebens 1. Das Wesen des Wirtschaftens Die Begriffe des Wirtschaftens und der Wirtschaft, d. h. also die tragenden Begriffe der Wirtschaftswissenschaft in allen ihren Zwei gen oder Teilgebieten, gehören zu den Begriffen, deren Gedanken inhalt sich nicht oder nur sehr unzulänglich durch einen definieren den Satz erfassen läßt. Damit hängen einige der besonderen Schwie rigkeiten zusammen, vor denen jeder Studierende der Wirtschafts wissenschaft steht. Eine klare Vorstellung vom Wesen des Wirt schaftens kann man deshalb nur dadurch vermitteln, daß man die besonderen Eigentümlichkeiten der Wirtschaftstätigkeit beschreibt. In diesem Sinne ist zunächst festzustellen, daß keine menschliche Betätigung ohne eine gewisse wirtschaftliche Grundlage möglich ist, und daß deshalb das Wirtschaften gewissermaßen eine notwendige Begleiterscheinung des Tätigseins auf allen übrigen Lebensgebieten ist. So müssen z. B. bei jeder Familiengründung bestimmte wirt schaftliche Mindestvoraussetzungen gegeben sein. Von ähnlichen Mindestvoraussetzungen wirtschaftlicher Art hängt die Wirkungs möglichkeit auch des größten Genies auf künstlerischem und auf wissenschaftlichem Gebiet ab. Man denke in dieser Beziehung aber auch an die wirtschaftlichen Grundlagen der Politik mit friedlichen und mit kriegerischen Mitteln. Das Wirtschaften ist als erstes also eine notwendige Begleit erscheinung jeder menschlichen Betätigung. Damit hängt es aber weiter zusammen, daß das Wirtschaften dabei stets im Dienste der Betätigung des Menschen auf den übrigen Lebensgebieten steht. Das Wirtschaften ist also nicht nur eine notwendige, sondern auch eine dienende Begleiterscheinung des menschlichen Lebens, und dement sprechend kann die Wirtschaft auch nur dann richtig verstanden werden, wenn man sie, in ähnlicher Weise übrigens wie die Technik, als eine dienende Seite des Lebens auffaßt. In bezug auf das Wirtschaftsleben muß jedoch noch etwas Drittes beachtet werden, was sich aus dem Umstand ergibt, daß das Wirt schaften die menschliche Betätigung auf allen übrigen Lebensgebieten begleitet, nämlich der Tatbestand, daß alles spezifisch Wirtschaftliche, das in einer ganz bestimmten Art des Planens, des Wählens und des Vergleichens zum Ausdruck kommt (vgl. nächsten Abschnitt) rein 10 I. Grundtatsachen des Wirtschaftslebens geistiger Natur ist. Das bedeutet, daß das Wirtschaftliche im Leben als solches für unsere Sinne nicht wahrnehmbar ist, oder daß es sich der Anschauung in der eigentlichen Bedeutung des Wortes entzieht. Und daraus folgt gleichzeitig, daß alles das, was wir von der soge nannten Wirtschaft (Landwirtschaft, Industrie, Handel, Verkehr usw.) mit unseren Sinnen wahrnehmen, in Wirklichkeit anderen Lebens gebieten angehört. Es sind die technischen Einrichtungen der ver schiedensten Art, die wir vor Augen haben, und die ihrerseits im Dienste der Wirtschaft stehen. Oder es sind die in den Betrieben tätigen Menschen mit ihren sozialen Beziehungen und mit ihrer Ein ordnung in das Ganze unter organisatorischen Gesichtspunkten. Auch an die rechtlichen Formen, in denen gewirtschaftet wird, und an manches andere mehr ist in diesem Zusammenhang zu denken. Es leuchtet ein, daß es sehr wichtig ist, sich des rein geistigen Charak ters des spezifisch Wirtschaftlichen bewußt zu werden. Denn mit diesem Wesensmerkmal der Wirtschaft hängen die besonderen Schwierigkeiten zusammen, sich eine wirkliche Vorstellung vom spezifisch Wirtschaftlichen zu verschaffen, weil dieses gewissermaßen nur einer Art innerer Schau zugänglich ist. Unter diesem Gesichts punkt muß auf die überragende Bedeutung hingewiesen werden, die im Rahmen des wirtschaftswissenschaftlichen Studiums der früh zeitigen und systematischen Beschäftigung mit dem betriebswirt schaftlichen Rechnungswesen und der volkswirtschaftlichen Statistik zukommt. Denn das wirtschaftliche Zahlenwerk ist im Grunde das einzige, was in "anschaulicher" Weise den Zugang zum spezifisch Wirtschaftlichen im Leben vermittelt. 2. Planen, Vergleichen und Wählen als Wesensmerkmale des Wirtschaftens Im ersten Abschnitt ist davon die Rede gewesen, daß das Wirt schaften eine notwendige Begleiterscheinung jeder menschlichen Betätigung ist. In ganz ähnlichem Sinne ist das Wirtschaften seiner seits, wie gesagt werden kann, von drei ganz bestimmten Tätigkeiten begleitet. Ja, man muß vielleicht sogar sagen, daß das Wirtschaften geradezu in diesen drei Tätigkeiten besteht. Diese Tätigkeiten sind, wie schon im vorigen Abschnitt angedeutet worden ist, eine ganz bestimmte Art des Planens, des Vergleichens und des Wählens. Auf den Tatbestand, daß alle wirtschaftliche Betätigung auf Grund von Plänen vor sich geht, ist in letzter Zeit namentlich von Euckenl) 1) EUcken, Die Grundlagen der Nationalökonomie, 4. Auflage, Godesberg 1947, speziell S. 95 U.
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