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»Alles ist nach seiner Art«: Figuren in Richard Wagners »Der Ring des Nibelungen« PDF

261 Pages·2001·4.707 MB·German
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Udo Bermbach (Hrsg.) »ALLES IST NACH SEINER ART« Figuren in Richard Wagners »Der Ring des Nibelungen« »Alles ist nach seiner Art« »Alles ist nach seiner Art« Figuren in Richard Wagners »Der Ring des Nibelungen« Herausgegeben von Udo Bermbach Verlag J.B. Metzler Stuttgart · Weimar Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme „Alles ist nach seiner Art“ : Figuren in Richard Wagners „Der Ring des Nibelungen“ / hrsg. von Udo Bermbach. – Stuttgart ; Weimar : Metzler, 2001 ISBN 978-3-476-01840-3 ISBN 978-3-476-02795-5 (eBook) DOI 10.1007/978-3-476-02795-5 Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © 2001Springer-Verlag GmbH Deutschland Ursprünglich erschienen bei J. B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag GmbH in Stuttgart 2001 www.metzlerverlag.de [email protected] Vorwort Von allen Musikdramen Richard Wagners sind dem Ring des Nibelungen die wohl zahlreichsten und eingehendsten Interpretationen zuteil geworden. Wer die kaum mehr überschaubare Literatur durchsieht, stellt sehr rasch fest, daß es an Deutungen und Auslegungen nicht mangelt. Aber entschieden überwiegen die des Gesamtwer- kes, spalten sich auf etwa in rein musikwissenschaftliche, in mythologische und mär- chenhafte, in politisch-gesellschaftstheoretische oder psychoanalytische – um nur einige wenige Ansätze einer umfassenden Verständnisperspektive zu nennen. Selte- ner schon finden sich Darstellungen der einzelnen personae dramatis, und wenn, dann sind sie zumeist in jene Gesamtdarstellungen eingebettet. Der vorliegende Band will die Figuren im Ring des Nibelungenin den Vordergrund rücken, will ihrer mythologischen Herkunft, ihrer Konzeption bei Wagner und ihrem Bühnenleben nachspüren und gleichsam im Einzelschicksal den Reflex des ganzen Dramas suchen. Dem liegt keine irgend verbindliche ›Gesamtdeutung‹ des Ringzugrunde, auch wenn Wagner selbst davon gesprochen hat, daß in diesem Werk seine »ganze Weltanschauung ihren vollendetsten künstlerischen Ausdruck« gefun- den habe, die Einheit des Ganzen damit also hervorgehoben wird, gegen alle Brüche, auch Widersprüche und Sperrigkeiten, die das Werk natürlich auch kennt. Was in diesem Buch von den Autoren unternommen wird, ist keinem vorausliegenden kon- zeptionellen oder theoretischen Rahmenverpflichtet. Vielmehr sucht jeder sich selbst seiner Figur oder seinen Figuren aus eigenem Zugang zu versichern. Entstanden ist so ein farbiges Bild des Ring-Personals, das die immanente Vielfalt des Werkes ebenso spiegelt wie die Pluralität seiner Interpreten. Diese Pluralität soll auch durch den vor- angestellten Beitrag über wichtige Ring-Interpretationen seit 1876 belegt werden, Interpretationen, die den nahezu unerschöpflichen Perspektivenreichtum der Tetralo- gie andeuten sollen und zugleich belegen mögen, wie sehr deren gelegentlich frag- würdige Rezeption sich im Wandel der Geschichte selbst wandelt. Der Band ist hervorgegangen aus einem Symposion, das im Sommer 2000 während der Bayreuther Festspiele veranstaltet wurde. Für dessen Unterstützung ist der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth, dem Richard-Wagner-Verband Bay- reuth sowie dem Arvena Kongreßhotel zu danken, die alle auf ihre Weise mitgehol- fen haben, daß dieses Symposion stattfinden konnte. Hamburg, im Frühjahr 2001 Udo Bermbach Inhalt v Vorwort 1 Udo Bermbach »Des Sehens selige Lust« Einige Stationen der Ring-Deutungen seit 1876 27 Udo Bermbach Wotan – der Gott als Politiker 49 Barbara Zuber Fricka – eine Frau des 19. Jahrhunderts 68 Dieter Borchmeyer Siegfried – der Held als Opfer 81 Ulrike Kienzle Brünnhilde – das Wotanskind 104 Jürgen Schläder Siegmund und Sieglinde – die Läuterung aus schwerer Sünde 120 Stefan Bodo Würffel Alberich und Mime – Zwerge, Gecken, Außenseiter 144 Herfried Münkler Hunding und Hagen – Gegenspieler der Wotanshelden 163 Sieghart Döhring Gunther und Gutrune – Geschwister im Untergang 178 Sven Friedrich Loge – der progressive Konservative VIII Inhaltsverzeichnis 198 Susanne Vill Erda – mythische Quellen und musikalische Gestaltung 225 Hermann Danuser Massen ohne Macht – zu den ›Kollektiven‹ im Ring 243 Ausgewählte Literaturhinweise 249 Autoren 254 Bild- und Notennachweis »Des Sehens selige Lust«1 Einige Stationen der Ring-Deutungen seit 1876 vonUdo Bermbach Ich glaube, daß das Theater der Ort ist, wo Ideen sich verkörpern, wo Abstraktionen, Ideologien und Dialektiken anschaulich gemacht werden und gezeigt werden können. Patrice Chéreau,Bayreuther Programmhefte IV/1977 I Im Jahre 1876 ging der Ring des Nibelungen anläßlich der Eröffnung des Bay- reuther Festspielhauses erstmals als Zyklus über die Bühne. Die Resonanz war ge- spalten, aber das änderte nichts daran, daß das Werk bald eine weite Verbreitung fand. Angelo Neumanns ›wanderndes Wagnertheater‹ führte den Zyklus 1882/83 in 22 europäischen Städten auf und in den nachfolgenden Jahren wurde die Tetralogie mehr und mehr zu einem Repertoirestück nicht nur großer Häuser, sondern auch kleinerer Hoftheater. 1906 etwa gab es in 33 Theatern insgesamt 68 Aufführungen und noch 1932/33 spielten 16 Theater den Ring, auch kleine Bühnen wie Coburg, Mainz, Bremen, Breslau und Königsberg.2 Die theatrale Bedeutung des Ring setzte sich auch nach dem Kriege ungebrochen fort und vor allem die Inszenierungen von Wieland Wagner 1951 und 1965 in Bay- reuth, 1955 in Stuttgart und 1963 in Köln hatten, folgt man Dietrich Macks Bewer- tung, stilprägende Kraft. Was nicht heißt, daß andere Inszenierungen uninteressant gewesen wären – sie waren, wie etwa die beiden Bayreuther Ringe von Wolfgang Wagner, auf ihre je eigene Weise szenisch neue und eigenwillige Deutungen des 1 Die Überschrift entstammt der Walküre, 1. Aufzug, 1. Szene (Siegmund: »Kühlende Labung/ gab mir der Quell,/ …/ das Aug’ erfreut/ des Sehens selige Lust.« Der Beitrag wurde in einer leicht verkürz- ten Fassung erstmals veröffentlicht im Programmbuch der Bayreuther Festspiele 2000, S. 44 ff. 2 Zu den Angaben vgl. Dietrich Mack (Hg), Theaterarbeit an Wagners Ring, München 1978, S. 10. Ebenso Oswald Georg Bauer, Richard Wagner. Die Bühnenwerke von der Uraufführung bis heute, Frankfurt/M. 1982, bes. S. 183 ff. 2 Udo Bermbach Werkes, und allein die Aufführungsorte und -zahlen der fünfziger und sechziger Jahre3zeigen, wie häufig dieses schwierigste und zugleich auch in jeder Hinsicht an- spruchsvollste Werk des Musiktheaters auf die Bühne gebracht wurde. Mit dem so- genannten ›Jahrhundert-Ring‹ von Boulez/Chéreau 1976 in Bayreuth4 begann zu- gleich eine neue Phase der Ring-Deutungen, und zwar sowohl auf dem Theater wie auch im intellektuellen Diskurs. Dieser Ringdürfte eines der wenigen Beispiele dafür sein, daß vom Theater her die interpretative Auslegung eines Bühnenwerkes ent- scheidende Anstöße erfuhr, denn spätestens durch diese Bayreuther Inszenierung, die natürlich auch Reflex war auf die durch die Studentenbewegung von 1968 aus- gelösten Politisierungs- wie Modernisierungstendenzen in allen westlichen Industrie- gesellschaften, begann sich auch in einer breiteren Öffentlichkeit ein neues Wagner- Verständnis durchzusetzen, das die gesellschaftlichen und politischen Implikationen der Tetralogie betonte und das Werk als ein nahezu zeitgenössisches rezipierte. Nachfolgende Ring-Inszenierungen, etwa die von Götz Friedrich in Berlin 19825, Ruth Berghaus in Frankfurt/M. 1985/876, Christian Pöppelreiter in Graz 19877, Kurt Horres in Düsseldorf 1989/908, Herbert Wernicke in Brüssel 19919und in Frankfurt/M. 1994, auch der Bayreuther Ring von Harry Kupfer 198810und zu- letzt die Inszenierung von Jürgen Flimm im Sommer 200011sind dieser Tendenz in je eigener Weise entschieden gefolgt und es läßt sich feststellen, daß gleichsam paral- lel zu diesen Inszenierungen auch die interpretierende Beschäftigung mit Wagners Hauptwerk sich intensiviert hat. Die Vermutung, derRing werde sich interpreta- tiv irgendwann einmal erschöpfen, seine Deutungspotentiale seien ausgereizt und Neues lasse sich nicht mehr sagen, wird durch die noch immer ungebrochene Fülle 3 Mack verweist auf Heinz Tietjen in Berlin 1953; Günter Rennert in Hamburg 1956; Herbert von Karajan in Wien 1957/60 und Salzburg 1967/70; Gustav Rudolf Sellner in Berlin 1976; Rennert in München 1960; es folgen dann zahlreiche Ring-Inszenierungen in den siebziger Jah- ren an kleineren Häusern wie Kiel, Kassel, Leipzig und größeren Häusern wie London, Stutt- gart, Frankfurt/M. Vgl. ebenda, S. 10 f. 4 DER RING. Bayreuth 1976 – 1980. Pierre Boulez, Patrice Chéreau, Richard Peduzzi, Jacques Schmidt, Berlin/ Hamburg 1980. Zu dieser und den nachfolgenden Ring-Inszenierungen vgl. auch Jürgen Kühnel, Richard Wagners Ring des Nibelungen. Stoffgeschichtliche Grundlagen. Dramatur- gische Konzeption. Szenische Realisierung. Forum Siegen Beiträge, Universität Siegen 1991 5 Norbert Ely (Hg), Richard Wagner. Der Ring des Nibelungenin der Inszenierung von Götz Fried- rich. Deutsche Oper Berlin ›Der Berliner Ring‹, Wien 1987. 6 Vgl. die Dokumentation in den von Klaus Zehelein herausgegebenen Programmheften sowie dem dazugehörigen Fotoband 1985 – 1987; ebenso Jürgen Kühnel, Richard Wagners Ring des Nibelungen, S. 120 ff. 7 Hans-Jochen Irmer/ Christian Pöppelreiter (Hg), Richard Wagner Der Ring des Nibelungen. Graz und Salzburg 1987 – 1990, Anif/Salzburg 1992. 8 Wolfgang Storch (Hg), Der Ring am Rhein, Berlin 1991 9 Umfassende Dokumentation der Brüsseler Oper La Monnaie in vier Programmheften und einem Fotoband, Brüssel 1991. 10 Michael Lewin (Hg), Der Ring. Bayreuth 1988 – 1992, Hamburg 1991. 11 Udo Bermbach/ Hermann Schreiber (Hg), Götterdämmerung. Der neue Bayreuther Ring, Berlin 2000. »Des Sehens selige Lust« 3 der Literatur widerlegt. Freilich: die Akzente der Rezeption verschieben sich, und wer zurück geht auf die ersten Deutungsversuche und diese mit denen der letzten fünfzig Jahre vergleicht, wird feststellen, daß in dem Maße, wie die Gesellschaft und das gesellschaftliche Bewußtseins sich pluralisiert haben, auch die Ring-Deutungen zunehmend vielfältiger und aspektreicher geworden sind, daß es im Ablauf der Zei- ten zwar dominierende Auffassungen gegeben, aber jede zugleich auch ihr Gegenteil provoziert und hervorgerufen hat. II Zu den ersten schriftlichen Auseinandersetzungen mit dem Ring zählen jene Notizen, die Heinrich Porges im Zusammenhang mit den Vorbereitungen zur Bayreuther Erstaufführung der Tetralogie verfaßt hat und die anschließend über einen längeren Zeitraum in den 1878 gegründeten Bayreuther Blättern veröffent- licht wurden.12 Gegen Wagners Diktum, im Ring habe seine »ganze Weltan- schauung … ihren vollendetsten künstlerischen Ausdruck gefunden«13, sieht Por- ges von jeglicher ›ideologischen‹ Interpretation ab und konzentriert sich vor allem auf die musikalischen Aspekte der Stücke, auf ihre ›Leitmotive‹, das Verhältnis von Text und Musik, bespricht aber auch aufführungspraktische Apsekte, etwa die Frage der Bühnenbilder, das Verhältnis von Sängern und Orchester, von dynami- schen Abstufungen des Orchesters, um der Akustik des Festspielhauses gerecht zu werden. Die Binnenaspekte der Werke, die reine Materialbezogenheit der inter- pretatorischen Aneignung stehen ganz im Vordergrund des Bemühens, Hinweis auf gesellschaftskritische, gar revolutionäre Implikationen, wie sie in den Wagner- schen Ausgangsintentionen zu finden sind, fehlen vollständig. Porges’ Berichte zeichnen sich durch einen kalmierenden Duktus aus, der alle den Text transzen- dierenden Hinweise vermeidet, alle politischen Implikationen eliminiert. Was Por- ges liefert, ist eine der ersten siginifikanten Umdeutungen, und damit ist ein Inter- pretationsmuster geboren, das über lange Jahre die Ring-Rezeption beherrscht hat. Politik, so läßt sich verkürzt und zugespitzt formulieren, findet in dieser Ausle- gung des Ring nicht statt, nicht einmal in der Form einer ›anti-politischen Politik‹, das heißt: in einer radikalen, auf die Fundamente gerichteten Kritik der Politik, die sich Wagners antipolitischen und antiinstitutionellen Affekt zu eigen machen würde und sich gleichsam contra-intentional als eine ›politische‹ Kritik offenbarte, 12 Heinrich Porges, Die Bühnenproben zu den Bayreuther Festspielen 1876. Das Rheingold,in: Bayreuther Blätter(BBl) 1880, S. 149 ff; S. 193 ff.; S. 252 ff.; S. 301 ff. Die Walküre,in: BBl 1881, S. 89 ff.;S. 198 ff.; S. 259 ff. Siegfried,in: BBl 1884, S. 70 ff.; 1886, S. 337 ff.; 1896, S. 155 ff. Götterdämmerung, in: BBl 1896, S. 329 ff. Zu Porges vgl. Annette Hein, Es ist viel Hitler in Wag- ner. Rassismus und antisemitische Deutschtumsideologie in den ›Bayreuther Blättern‹ (1878–1938), Tübingen 1996, S. 81 – mit weiteren Hinweisen. 13 Richard Wagner, Sämtliche Briefe, Leipzig 1979, Bd. IV, S. 385.

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